Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 05.10.1988; Aktenzeichen L 3 Ar 1508/87)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Oktober 1988 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob dem Kläger für die Zeit vom 21. September 1982 bis 18. September 1983 und ab dem 20. September 1983 Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu gewähren ist.

Der Kläger ist gelernter Kraftfahrzeugmechaniker. Diesen Beruf übte er jedoch nach der Lehre nicht aus. Er legte statt dessen im Anschluß an eine Beschäftigung als Dreher die Prüfung zum staatlich anerkannten Krankenpfleger mit der Note gut ab. Im Juli 1977 erwarb er an der Gesamthochschule S. … den akademischen Grad eines Sozialarbeiters ebenfalls mit der Note gut und im Juli 1979 an der Universität F. … den akademischen Grad eines Diplompädagogen mit der Note sehr gut.

Im Anschluß daran übte der Kläger einige kurzzeitige Beschäftigungen aus. Vom 17. März bis 31. Mai 1980 war er als Sozialarbeiter beim Deutschen Kinderschutzbund e.V. und vom 7. September bis 31. Dezember 1981 bei einem psychiatrischen Krankenhaus tätig. Beide Tätigkeiten wurden bereits in der Probezeit beendet. Beim Kinderschutzbund erfolgte dies einvernehmlich, weil dem Arbeitgeber nach dessen eigenem Bekunden die ausgezeichneten theoretischen Kenntnisse des Klägers zugute kamen, es aber an der praktischen Umsetzung mangelte. Die Tätigkeit beim Psychiatrischen Landeskrankenhaus wurde durch den Arbeitgeber wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit und wegen langsamer und eigenwilliger Arbeitsweise gekündigt.

In der Zeit vom 7. Juli bis 2. August 1982 arbeitete der Kläger als verantwortlicher Heimleiter in einem Ferienlager für Kinder. Ferner war er vom 12. bis 24. August 1981 ehrenamtlich beim Deutschen Roten Kreuz tätig. Des weiteren übte er vom 23. Februar bis 31. März 1982 eine befristete Beschäftigung als Verputzer aus.

Abgesehen von diesen kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen war der 1950 geborene Kläger seit Oktober 1979 arbeitslos gemeldet und bezog auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von zunächst 475,– DM Alhi in Höhe von 188,40 DM wöchentlich. Das Einkommen des Vaters, der neben Altersruhegeld eine Unfallrente von ca 1.180,– DM bezieht und der Mutter, die seit März 1985 Altersruhegeld in Höhe von 254,– DM bezieht, blieb unberücksichtigt.

Die Arbeitsvermittlung versuchte mehrfach vergeblich, den Kläger als Diplompädagogen oder Sozialarbeiter unterzubringen, wobei die Bewerbungen zum Teil auf Wunsch nach vorheriger Benennung der angeschriebenen Stelle durch den Kläger verschickt worden waren. Die Vermittlungskarte weist insgesamt ca 120 Vermittlungsversuche auf. Der geringere Teil der Bewerbungen war erfolglos geblieben, weil der Kläger sich mit den Arbeitgebern nicht in Verbindung setzte. Zu einem Vorstellungsgespräch beim Landratsamt E. … in P. … war er laut eines aufgrund einer Rücksprache mit dem Arbeitgeber festgehaltenen Aktenvermerkes unmöglich und schlecht gekleidet erschienen und habe es offensichtlich darauf angelegt, nicht eingestellt zu werden. Darüber hinaus verhielt sich der Kläger auch gegenüber den Bediensteten des Arbeitsamtes auffällig, indem er zB ein Paßbild einsandte, das ihn mit herausgestreckter Zunge zeigte.

Das Arbeitsamt schaltete daher seinen psychologischen Dienst ein, der die Ansicht vertrat, die Schwierigkeiten des Klägers, eine feste Anstellung als Sozialarbeiter oder Diplompädagoge zu erhalten, lägen nicht etwa im theoretischen Fachwissen, sondern in seiner schwächer ausgeprägten Fähigkeit begründet, Theorie und Praxis miteinander in Einklang zu bringen bzw einen Ausgleich zwischen seinen persönlichen Ziel- und Wertvorstellungen und den realen Bedingungen und Gegebenheiten der Arbeitsmöglichkeiten in seinem Berufsfeld herzustellen. Der Kläger sehe sich daher derzeit nur dann in der Lage, sich beruflich voll zu engagieren, wenn er sich mit einer gegebenen Sachlage identifizieren könne, andernfalls komme es zu ungünstigen Auswirkungen auf die Arbeitssituation (mangelndes Engagement, geringe Anpassungs- und Integrationsbereitschaft); solange er diesen seinen Weg gehe, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß Bemühungen um eine Anstellung im sozialen Bereich zu keinem anderen Ergebnis führten als bisher.

Aufgrund der erneuten Arbeitslosmeldung und Antragstellung vom 3. August 1982 erhielt der Kläger Alhi. Mit Bescheid vom 4. November 1982 hob das Arbeitsamt die Leistungsbewilligung ab 21. September 1982 auf, weil der Kläger nach der im Arbeitsleben herrschenden Auffassung für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer nicht in Betracht komme und deshalb nicht iS des Gesetzes verfügbar sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Bescheid vom 23. Dezember 1982).

Während des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) meldete sich der Kläger am 20. September 1983 erneut arbeitslos und beantragte Alhi, wobei er sich zu einer Beschäftigung als Kraftfahrzeugmechaniker oder zu jeder anderen zumutbaren Tätigkeit bereit erklärte. Zuvor hatte er gegenüber dem Arbeitsamt am 19. September 1983 erklärt, er melde sich aus dem Leistungsbezug ab. Nachdem der psychologische Dienst zum Ergebnis kam, die Einstellung und Haltung des Klägers hätten sich nicht geändert, lehnte das Arbeitsamt den Antrag wegen weiterhin fehlender Verfügbarkeit ab (Bescheid vom 30. Januar 1984).

Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 4. November 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 1982 sowie den Bescheid vom 30. Januar 1984 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger vom 21. September 1982 bis 18. September 1983 und ab 20. September 1983 Alhi zu gewähren. Im übrigen wurden die Berufungen zurück- und die Klage abgewiesen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und der §§ 103, 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Kläger sei als Diplompädagoge in die höchste Qualifikationsstufe nach § 12 Abs 2 Nr 1 Zumutbarkeitsanordnung (ZumutbarkeitsAO) einzuordnen. Eine Verweisung auf eine niedrigere Stufe komme nicht in Betracht, da diese nur angeboten werden dürfe, wenn für diesen Arbeitsplatz kein Arbeitsuchender dieser niedrigeren Qualifikationsstufe zur Verfügung stehe. Bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage seien jedoch genügend Arbeitsuchende der niedrigeren Qualifikationsstufe vorhanden. Unterqualifizierte Arbeiten gehörten daher für den Kläger nicht zum fachlich in Betracht kommenden Arbeitsmarkt, so daß sie bei der Anwendung des § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 2 AFG ausschieden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg aufzuheben, soweit es die Berufung der Beklagten zurückweist, die Anschlußberufung des Klägers zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Ulm aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begründet.

1. Das LSG hat die Bescheide der Beklagten vom 4. November 1982, mit dem das Arbeitsamt (ArbA) eine Leistungsbewilligung ab 21. September 1982 aufgehoben hat, und vom 5. November 1982, mit dem die Zentralstelle der Bundesanstalt für Arbeit (BA) aufgrund erneuter Arbeitslosmeldung Alhi von der Antragstellung am 3. August 1982 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 31. März 1983 bewilligt hat, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 1982 und den während des Klageverfahrens ergangenen Bescheid vom 30. Januar 1984, mit dem die Beklagte die am 20. September 1983 erneut beantragte Alhi abgelehnt hat, aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alhi vom 21. September 1982 bis zum 18. September 1983 und vom 20. September 1983 (fortlaufend) zu gewähren.

Das LSG hat die Bescheide vom 4. und 5. November 1982 dahin verstanden, daß Alhi nur für die Zeit vom 3. August bis zum 20. September 1982 bewilligt wurde. Der angefochtene Bescheid vom 4. November 1982 sei dem Kläger „unter dem Datum vom 4. September 1982” bekannt gegeben worden. Damit ist wohl gemeint, daß der Entziehungsbescheid vom 4. November 1982 an diesem Tage (und nicht am 4. September 1982) bekannt gegeben wurde. Das ist nach dem Gesamtzusammenhang dahin zu verstehen, daß die Aufhebung zum 21. September 1982 dem Kläger vor der Bewilligung für die Zeit vom 3. August 1982 bis zum 31. März 1983 zugegangen ist, so daß insgesamt nur eine Bewilligung für die Zeit vom 3. August bis zum 20. September 1982 vorgelegen habe. Damit hat das LSG den festgestellten Sachverhalt rechtlich zutreffend gewürdigt.

Die Leistungsklage ist auch für eine Zwischenzeit zulässig, über die die Beklagte nach dem Wortlaut ihrer Bescheide nicht entschieden hat. Die Beklagte hat im Bescheid vom 30. Januar 1984 Alhi für die Zeit ab 20. September 1983 abgelehnt. Damit klafft rückwärts hin eine Lücke bis zum 21. September 1982, wobei eine Lücke auch bestehen würde, wenn der ursprüngliche Bescheid bis zum 31. März 1983 reichen würde. Ein Bescheid, mit dem Alhi nicht antragsgemäß für den gesamten Bewilligungsabschnitt, sondern nur befristet gewährt wird, enthält zugleich die Entscheidung, daß Alhi über den Endtermin hinaus nicht zusteht, und zwar ohne zeitliche Begrenzung. Auch ist im Verhalten der Beklagten während des Prozesses eine Ablehnung der Leistung für die Zwischenzeit zu erblicken. Das LSG hat damit zu Recht die Leistungsklage als zulässig angesehen.

2. Zur Begründetheit der Klage ist dem LSG darin zuzustimmen, daß die Verfügbarkeit des Klägers nicht nach § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 2 AFG ausgeschlossen ist, der – ursprünglich eingefügt als § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 3 AFG durch Gesetz vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) – auf die streitige Bezugszeit ab September 1982 in der Fassung durch Gesetz vom 18. August 1980 (BGBl I 1469, 1488) anzuwenden ist. Hiernach steht der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, wer wegen seines Verhaltens nach der im Arbeitsleben herrschenden Auffassung für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer nicht in Betracht kommt. Damit setzt die Vorschrift nach Wortlaut und Sinn voraus, daß dem Arbeitnehmer kraft seines Verhaltens der gesamte Arbeitsmarkt verschlossen ist. Das ist hier nicht der Fall, wie das LSG im einzelnen ausgeführt hat.

Die Beklagte meint zu Unrecht, schon dann, wenn der Arbeitslose kraft seines Verhaltens für eine Beschäftigung auf seinem Bildungsniveau nicht in Frage komme, sei Verfügbarkeit zu verneinen. Eine Vermittlung in eine Beschäftigung auf einer niedrigeren Qualifikationsstufe dürfe einem Arbeitslosen nach dem Genehmigungsschreiben zur Zumutbarkeitsanordnung nur angeboten werden, wenn auf diesen Arbeitsplatz kein Arbeitsuchender vermittelt werden könne, der nur dieser niedrigeren Qualifikationsstufe zugeordnet werden könne. Da bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage gerade bei Arbeiten niedriger Qualifikationsstufe ein Überangebot an Arbeitsplatzbewerbern vorliege, komme das Angebot eines solchen Arbeitsplatzes an einen hierfür überqualifizierten Arbeitslosen regelmäßig nicht in Betracht.

Das stellt die Verhältnisse insofern auf den Kopf, als entgegen dem Sinn der Arbeitsvermittlung nur noch einem Teil der tatsächlich vorhanden gewesenen objektiven Verfügbarkeit in mehreren Qualifikationsstufen – und zwar gerade dem inzwischen weggefallenen – rechtliche Relevanz zugemessen, die übrig gebliebene Verfügbarkeit auf den niedrigeren Stufen aber für unbeachtlich gehalten wird. Wenn ein Arbeitsloser kraft seines Verhaltens für eine bildungsangemessene Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt (etwa ein Flugkapitän nach Trunkenheitsdelikten), dann kommt er nur noch für andere Tätigkeiten in Betracht. Die höchste dieser anderen Tätigkeiten ist nunmehr die Grundlage der Vermittlungsbemühungen. Ein Fall der unterwertigen Vermittlung liegt nicht vor, wenn Verfügbarkeit für eine höhere Tätigkeit zu verneinen ist.

3. Der Senat vermag aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen jedoch nicht abschließend zu beurteilen, ob der Kläger in der streitigen Zeit subjektiv verfügbar war. Das LSG führt aus, daß die positiven Voraussetzungen der Verfügbarkeit nach § 103 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 bis 3 AFG idF durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz vom 18. Dezember 1981 (BGBl I 1497) für die streitige Bezugszeit ab September 1982 – die Änderung durch das 8. AFG-ÄndG vom 14. Dezember 1987 (BGBl I 2602) ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung –, erfüllt seien, woran auch nach Ansicht der Beklagten keine ernsthaften Zweifel bestünden. Dabei lassen die Ausführungen des LSG zur Arbeitsbereitschaft des Klägers und zu den von der Beklagten zu erwartenden Vermittlungsbemühungen nicht erkennen, wie das LSG den Begriff der subjektiven Verfügbarkeit und das Verhältnis der positiven Umschreibung der Verfügbarkeit in § 103 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 bis 3 AFG zur negativen Umschreibung in § 103 Abs 1 Satz 3 AFG verstanden hat. Die letztgenannte Bestimmung schließt nicht aufgrund des Verhaltens den Leistungsanspruch trotz bestehender Verfügbarkeit aus, sondern erläutert, daß in diesen Fällen Verfügbarkeit im Sinne des Abs 1 Satz 1 nicht vorliegt. Zugleich verdeutlicht sie, daß bei Anwendung des Abs 1 Satz 1 AFG für einzelne Tätigkeitsbereiche Verfügbarkeit kraft des Verhaltens verneint werden kann. § 103 Abs 1 Satz 3 AFG ist also bei der Auslegung und Anwendung von Abs 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

Fehlt die objektive Verfügbarkeit für einen Tätigkeitsbereich, kommt also ein Arbeitsloser für eine nach seiner Vorbildung in Betracht kommende Tätigkeit aufgrund objektiver Umstände nicht in Betracht, etwa wegen häuslicher Bindung, wegen fehlender Mobilität oder wegen Krankheit, so ist zu prüfen, ob die verbleibenden Arbeitsmöglichkeiten Verfügbarkeit begründen. Bei objektiven Momenten ist also zu prüfen, ob die verbleibende Arbeitsmöglichkeit auf dem Arbeitsmarkt verwertbar ist.

Fehlt dagegen die subjektive Verfügbarkeit für einen Tätigkeitsbereich, lehnt also der Arbeitslose eine bestimmte Arbeitstätigkeit nicht nur einmalig, sondern auch für die Zukunft ab, für die er objektiv in Betracht kommt und die ihm zumutbar ist, so ist nicht zu prüfen, ob für die übrigen Einsatzmöglichkeiten, für die der Arbeitslose subjektiv und objektiv in Betracht kommt, ein Arbeitsmarkt vorhanden ist. Denn subjektiv verfügbar ist ein Arbeitsloser nach dem Gesetzeswortlaut nur, wenn er bereit ist, „jede” zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a AFG). Diese schon im AFG des Jahres 1969 vorhandene Regelung ist stets dahin aufgefaßt worden, daß der Arbeitslose sich nicht willkürlich auf einen Teil seiner objektiven Möglichkeiten beschränken dürfe (Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, § 103 RdNr 13; Steinmeyer in Gagel, Komm zum AFG, § 103 RdNr 171). Daß der Arbeitswille verkehrsübliche Arbeiten umfaßt, reicht nicht. Wem eine vollschichtige Tätigkeit möglich und zumutbar ist, der darf sich nicht nur für eine halbschichtige Tätigkeit zur Verfügung stellen, auch wenn eine halbschichtige Tätigkeit verkehrsüblich sein sollte (BSGE 47, 40 = SozR 4100 § 103 Nr 18). Die Bereitschaft muß sich auch auf diejenigen Bedingungen und Umstände erstrecken, die mit der Ausübung einer Beschäftigung üblicherweise zusammenhängen (Steinmeyer in Gagel, Komm zum AFG, § 103 RdNr 17).

Das LSG geht möglicherweise davon aus, daß der Kläger für bestimmte Tätigkeiten eines Sozialarbeiters nicht in Betracht kommt. Das LSG meint, es fehle dem Kläger an Kompromißbereitschaft und Anpassungsfähigkeit (Seite 14). Was die bereits während der Probezeit beendeten Beschäftigungsverhältnisse beim Deutschen Kinderschutzbund und beim Landeskrankenhaus anbelange, müsse davon ausgegangen werden, daß vor allem die mangelnde Kooperationsbereitschaft und das fehlende Engagement des Klägers dafür den Ausschlag gegeben habe. Der Kläger habe jedoch unbeanstandet Beschäftigungen als Heimleiter in einem Kinderlager, als ehrenamtlicher Helfer beim Deutschen Roten Kreuz und außerdem fachfremd als Verputzer ausgeübt. Damit werde deutlich, daß er nicht von vornherein als Arbeitnehmer außer Betracht bleibe, sondern nur unter bestimmten, allerdings erschwerten Voraussetzungen beruflich einzugliedern sei. Zu diesen Voraussetzungen zähle, daß das berufliche Arbeitsfeld dem idealistisch geprägten Berufsbild des Klägers möglichst nahekomme. Dem Kläger mangele es an Kooperationsbereitschaft, wenn er sich „aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur nicht mit der vom ihm verlangten Tätigkeit identifizieren” könne.

Diese Ausführungen des LSG können jedenfalls auch dahin verstanden werden, daß der Kläger für bestimmte seiner Vorbildung entsprechende Tätigkeiten nicht in Betracht kommt, daß der Kläger also zu Tätigkeiten eines Sozialarbeiters nicht bereit ist, die seinen idealistischen Vorstellungen nicht entsprechen.

Desgleichen gehen die Ausführungen des LSG zur Vermittlungstätigkeit der BA davon aus, daß der Kläger nicht in jede nach seiner Vorbildung in Betracht kommende Tätigkeit vermittelt werden kann. Das LSG meint, daß es solche Tätigkeiten offensichtlich gebe, es sei aber nicht Sache des Gerichts, der Beklagten aufzuzeigen, wie dieses Ziel zu verwirklichen sei; die vom Gerichtssachverständigen unterbreiteten Vorschläge mögen dafür Anknüpfungspunkte bieten, solange der Kläger nämlich für eine wie auch immer geartete Tätigkeit in Betracht komme, stehe er der Arbeitsvermittlung objektiv zur Verfügung.

Insgesamt können die Feststellungen des LSG dahin verstanden werden, daß der Kläger für diejenigen Tätigkeiten eines Sozialarbeiters nicht in Betracht kommt, deren Zielsetzung und Ausgestaltung seiner sozialpolitischen Vorstellung nicht entsprechen. Dabei kommt der Frage, ob der Einsatz für extreme sozialpolitische Vorstellungen zumutbar ist, keine Bedeutung zu. Die Tätigkeit beim Deutschen Kinderschutzbund und beim Psychiatrischen Landeskrankenhaus zeigt, daß auch die Mitwirkung an der Verwirklichung zumutbarer sozialpolitischer Vorstellungen für den Kläger nicht in Betracht kommt.

Wäre der Kläger an solchen Tätigkeiten objektiv, etwa durch Krankheit oder eine Zwangsneurose, gehindert, so würde es selbst bei einer entsprechenden Einschränkung der Arbeitsbereitschaft ausreichen, daß er für andere marktübliche Tätigkeiten in Betracht kommt. Handelt der Kläger jedoch willentlich, kommt also nur eine willkürliche Einschränkung in Betracht, so kommt es entgegen der Auffassung des LSG nicht mehr darauf an, ob der Kläger für andere Tätigkeiten in marktüblicher Weise zur Verfügung steht.

Das LSG hat hierzu aufgrund eines ärztlichen Gutachtens festgestellt, daß Symptome einer Krankheit aus dem psychiatrischen Bereich, die nach Lage des Falles allein in Betracht zu ziehen sei, beim Kläger nicht vorlägen. Der Senat sei überzeugt, daß der Kläger in seinem Denken und Handeln keinen unbeeinflußbaren Zwängen unterliege (Seite 13). Damit ist festgestellt, daß der Kläger, wenn er tatsächlich in der nach den Ausführungen des LSG naheliegenden Weise seine Arbeitsbereitschaft einschränkte, willentlich handelte.

Da das LSG einen derartig eingeschränkten Leistungswillen nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit festgestellt hat, war der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172793

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