Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Kosten einer Ausbildung der Klägerin zur graduierten Sozialpädagogin als Maßnahme der beruflichen Rehabilitation zu übernehmen hat.

Die 1948 geborene Klägerin legte 1967 die Staatliche Abschlußprüfung als Kindergärtnerin und Hortnerin ab. Von 1968 bis 1970 arbeitete sie als Internatserzieherin in der Gehörlosenschule Nürnberg und ab September 1970 bis zum Frühjahr 1973 als Leiterin des Kindergartens der Deutschen Schule in Tokio. Diese Tätigkeit gab sie auf, nachdem eine Erkrankung an einer Virusinfektion bei ihr zu einer irreparablen Stimmbandlähmung geführt hatte.

Nach ihrer Rückkehr aus Tokio faßte die Klägerin den Entschluß, auf den Beruf der Sozialpädagogin (grad.) umzuschulen. Ihr Vater wandte sich mit Schreiben vom 13. Juni 1973 an den Direktor des Arbeitsamtes Nürnberg und fragte an, welche finanziellen Förderungsmöglichkeiten für die von der Klägerin beabsichtigte Umschulung bestünden. Nach verschiedenen Beratungen durch das Arbeitsamt beantragte die Klägerin bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in Nürnberg am 4. September 1973 die Durchführung von berufsfördernden Maßnahmen. Der Beamte der Auskunfts- und Beratungsstelle, der Zeuge K (K.) machte der Klägerin Hoffnungen auf eine finanzielle Förderung durch die Beklagte und empfahl ihr die Antragstellung, nachdem er sich zuvor im Beisein der Klägerin telefonisch bei der Zentrale der Beklagten in Berlin erkundigt hatte.

Am 5. November 1973 besprach der Rehabilitations(Reha)-Beamte des Arbeitsamtes, der Zeuge S… (Sch.), mit dem Zeugen K. einen Eingliederungsvorschlag für die Klägerin. Hierbei äußerte K., er habe von der Zentrale der Beklagten in Berlin die generelle Auskunft erhalten, daß in Ausnahmefällen auch ein achtsemestriges Studium der Sozialpädagogik von der Beklagten gefördert worden sei.

Am 1. Oktober 1973 nahm die Klägerin das Studium der Sozialpädagogik auf, das sie mit Abschluß des Sommersemesters 1977 beendete. Die Ausbildung dauerte insgesamt vier Jahre, bestehend aus dem siebensemestrigen Studium der Sozialpädagogik und einem Praktikum, in dem die Klägerin keine Vergütung erhielt.

Mit dem streitigen Bescheid vom 17. Dezember 1973, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1974, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Berufsförderung ab, weil die angestrebte Ausbildung nicht geeignet sei, eine Besserung der gefährdeten Erwerbsfähigkeit zu erreichen. Jede pädagogische Tätigkeit erfordere ein erhöhtes Stimmvolumen.

Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22. Juni 1976), das Bayerische Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15. November 1977). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Der Förderung des Studiums der Klägerin durch die Beklagte stehe die Dauer der Maßnahme entgegen. Nach § 14 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in der bis zum 30. September 1974 geltenden Fassung könne die Beklagte Leistungen höchstens bis zur Dauer von drei Jahren gewähren. Auch unter Zugrundelegung des durch das Rehabilitationsangleichungsgesetz (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1881) am 1. Oktober 1974 in Kraft getretenen § 14a AVG (= n.F.) hätte die Klägerin nicht gefördert werden können, weil die Dauer ihrer Ausbildung nicht durch die Art und Schwere ihrer Behinderung geboten sei.

Die Klägerin könne aus den Erklärungen, die der Auskunftsbeamte der Beklagten abgegeben und in der er die Förderung durch die Beklagte "zugesagt" habe, keinen Anspruch auf Berufsförderung herleiten. Die Äußerungen des Auskunftsbeamten K. stellten keine "bindende" Zusage dar, weil es sich dabei nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Es lägen nur schlichte Verwaltungsäußerungen ohne unmittelbare Rechtswirkungen vor. K. habe als Beamter der Auskunfts- und Beratungsstelle nicht über den Förderungsantrag entscheiden oder aber auch nur verbindliche Erklärungen abgeben dürfen, was die Klägerin habe erkennen können. K. habe letztlich keine unrichtige Auskunft gegeben, weil von der Beklagten bei der Förderung entsprechende Ausnahmeregelungen getroffen worden seien.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das Berufungsgericht habe den Charakter der Erklärungen des K. als verbindliche Zusage verkannt. Daraus entstehe ihr Anspruch auf Förderung durch die Beklagte. Bei der Zusage habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt, in dessen Bestand der Bürger vertrauen könne. Die Zusage sei auch rechtmäßig gewesen, weil die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens Leistungen über die festgesetzte Höchstdauer hinaus gewährt habe und gewähren könne. Die Abgabe der Zusage durch den Auskunftsbeamten der Beklagten falle in dessen Zuständigkeit. Selbst wenn die Zusage rechtswidrig gewesen sei, müsse doch ihr - der Klägerin - Vertrauen in den Verwaltungsakt, aufgrund dessen sie Vermögensdispositionen getroffen habe, geschützt werden. Habe es sich bei den Erklärungen des K. nur um eine Auskunft gehandelt, so sei die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Amtshaftungsanspruchs gem. § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), Art. 34 des Grundgesetzes (GG) zum Ersatz der Kosten des Studiums verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Bayerischen LSG vom 15. November 1977 und des SG Nürnberg vom 22. Juni 1976 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1974 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Ausbildung der Klägerin zur Sozialpädagogin zu tragen;

hilfsweise:

die Beklagte zu verurteilen, ihr (Klägerin) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt u.a. vor, einer Förderung der Umschulungsmaßnahme stehe deren zeitliche Dauer entgegen. Auch wenn der Zeuge K. die Förderung zugesichert habe, sei diese Zusage nicht verbindlich, weil sie gegen geltendes Recht verstoßen habe.

Die Beigeladene hat von einer Äußerung abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Förderung ihrer Ausbildung zur Sozialpädagogin (grad.) aufgrund der Erklärungen, die der Beamte der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten ihr, der Klägerin, gegenüber abgegeben hat.

Es kann dahinstehen, ob diese Erklärungen des Beamten als Auskunft oder als Zusage anzusehen sind. Weder aus einer Auskunft noch aus einer Zusage könnte die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Kostentragung herleiten.

Bei der Auskunft handelt es sich um eine Verwaltungsäußerung ohne unmittelbare Rechtswirkung, in der die Verwaltung den Antragsteller über Sach- und Rechtsfragen aufklärt (vgl. BSGE 18, 270, 273; 21, 52, 54; 25, 219, 220). War die Auskunft falsch, entsteht nicht die Verpflichtung des Versicherungsträgers, sich künftig entsprechend der Falschinformation und damit gesetzwidrig zu verhalten (BSGE 18, 270, 273; 25, 219, 220; BSG SozR 2200 § 1324 Nr. 2). Der Vertrauensschutz des Bürgers in die Richtigkeit einer Auskunft findet seine Grenze in dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

In der Zusage (jetzt Zusicherung; vgl. § 38 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25. Mai 1976 - BGBl. I 1253 -) verpflichtet sich die Behörde gegenüber dem Antragsteller zu einer bestimmten Sachbehandlung (BSGE 25, 219, 220). Geregelt wird ein Einzelfall im Bereich des Öffentlichen Rechts. Die Zusage ist daher ein Verwaltungsakt (BSG a.a.O.). Der Versicherungsträger ist aus Gründen des Vertrauensschutzes regelmäßig an die Zusage gebunden. Eine Bindung entfällt aber dann, wenn die Zusage fehlerhaft ist. Der Versicherungsträger kann durch die Erfüllung der Zusage nicht zu einem gesetzwidrigen Verhalten gezwungen werden (BSGE 14, 104, 108; 23, 248, 252; 38, 50, 52; BSG SozR 2200 § 1324 Nr. 2; s. auch Funk, SGb 1978, S. 45, 51 m.w.N.).

Die vom Auskunftsbeamten der Beklagten abgegebenen Erklärungen sind als Auskunft falsch bzw. als Zusage fehlerhaft gewesen.

Der Anspruch der Klägerin auf fehlerfreie Ermessensausübung richtet sich nach §§ 13, 14 AVG a.F. Diese Vorschriften bleiben auch für nach dem 1. Oktober 1974 zu erbringende Leistungen anwendbar, soweit Ereignisse oder Umstände, die den Anspruch des Versicherten auf fehlerfreie Ermessensausübung begründen, vor dem 1. Oktober 1974 vorgelegen haben (vgl. mit ausführlicher Begründung die Entscheidungen des erkennenden Senats in BSG SozR 2200 § 1236 Nr. 3; § 182 Nr. 29 sowie Urteil vom 30. Mai 1978 - 1 RA 5/77 -). Das ist bei der Klägerin der Fall. Nach § 14 Abs. 3 AVG a.F., unter den die Ausbildungsförderung der Klägerin fällt, durfte die Beklagte die Berufsförderung "nicht über weitere zwei Jahre" über die Regelförderungszeit von einem Jahr hinaus ausdehnen. Die Ausbildung der Klägerin zur Sozialpädagogin dauerte länger als drei Jahre. Die Beklagte durfte daher dem Antrag der Klägerin nicht entsprechen. Die Beklagte war bei der Ausübung ihres Ermessens auch nicht dadurch gebunden, daß sie in anderen Fällen über die absolute Leistungsgrenze des § 14 Abs. 3 AVG a.F. hinaus Förderung gewährt hat. Diese Leistungen waren rechtswidrig. Aus einer Verwaltungsübung, die dem Gesetz widerspricht, kann kein Anspruch auf Gleichbehandlung hergeleitet werden (BSGE 38, 63, 68 m.w.N.).

Ob darüber hinaus bei einer fehlerhaften Zusage über den Grundsatz von Treu und Glauben eine ausnahmsweise Erfüllung der Zusage möglich ist, die Verwaltung also zu einem gesetzwidrigen Verhalten verpflichtet sein kann (vgl. BSGE 38, 50, 53; BSG SozR 2200 § 1324 Nr. 2), braucht hier nicht entschieden zu werden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die Klägerin, wie sich aus dem Schreiben ihres Vaters vom 13. Juni 1973 an die Beigeladene ergibt, bereits vor einer möglichen Zusage durch den Auskunftsbeamten der Beklagten zur Aufnahme des Sozialpädagogikstudiums entschlossen gewesen. Damit hat ihr Entschluß zum Studium nicht auf den Erklärungen des Auskunftsbeamten beruht. Ein schutzwürdiges Interesse, das über den Grundsatz von Treu und Glauben zur Bindung der Beklagten an die Erklärungen ihres Auskunftsbeamten führen könnte, ist somit zu verneinen.

Die Beklagte ist daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt durch die Erklärungen ihres Auskunftsbeamten verpflichtet, die Kosten der Ausbildung der Klägerin zur Sozialpädagogin zu übernehmen.

Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen.

Ob ein Amtshaftungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nach § 839 BGB i.V.m. Art 34 GG besteht, kann dahingestellt bleiben. Für die Entscheidung dieser Streitigkeiten sind gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung die Zivilgerichte zuständig.

Ansprüche gegen die Beigeladene hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr verfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518688

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