Leitsatz (amtlich)

Maßgebend für den Beginn der Zehnjahresfrist in BVG § 62 Abs 4, innerhalb der die Minderung der Erwerbsfähigkeit unverändert geblieben ist, ist nicht der Zeitpunkt, zu dem der Bescheid über die Festsetzung der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit dem Berechtigten zugegangen ist, sondern der Zeitpunkt, zu dem die Festsetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem BVG rechtlich wirksam geworden ist.

 

Normenkette

BVG § 62 Abs. 4 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 20. Dezember 1962 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Beim Kläger, geboren ... 1900, wurde durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein, Außenstelle Heide, vom 8. Dezember 1947 "Lungentuberkulose" als Körperschaden, der auf militärischen Dienst zurückzuführen ist, mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD Nr. 27) festgestellt (anerkannt). Am 25. November 1950 wurde der Kläger durch den Lungenfacharzt Dr. G nachuntersucht. Dr. G kam in seinem Gutachten vom gleichen Tage zu dem Ergebnis, daß sich die Lungentuberkulose nicht wesentlich geändert habe, er bezeichnete den Körperschaden als "rechtsseitige geschlossene zirrh . Lungentuberkulose bei verschwartender Gasbrust mit starker Pleuraschwarte" und bewertete die dadurch bedingte MdE weiterhin mit 70 v. H. Durch Bescheid des Versorgungsamtes (VersorgA) Heide vom 19. Oktober 1951 (Umanerkennung), der am 12. November 1951 als Einschreiben bei der Post aufgegeben worden ist, wurde "rechtsseitige geschlossene zirrh . Lungentuberkulose bei verschwartender Gasbrust rechts mit Pleuraexsudat" als Schädigungsfolge i. S. des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) mit einer MdE um 70 v. H. ab 1. Oktober 1950 festgestellt (anerkannt).

Aufgrund des Gutachtens des Prof. Dr. H vom 15. Dezember 1960, der den Kläger am 7. Dezember 1960 nachuntersucht hatte, traf das VersorgA Heide durch Bescheid vom 16. Januar 1961 eine Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG. Mit Wirkung vom 1. März 1961 wurde dem Kläger nunmehr wegen der Schädigungsfolge "Rechtsseitige Lungentuberkulose mit Brustfellschwarte" nur noch Rente nach einer MdE um 50 v. H. gewährt. Den Widerspruch des Klägers wies das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Schleswig-Holstein nach nochmaliger Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch Prof. Dr. H (Gutachten vom 14. Dezember 1961) am 21. Februar 1962 zurück. Das Sozialgericht (SG) Itzehoe hörte in der mündlichen Verhandlung am 20. Dezember 1962 den Facharzt für innere Medizin, Oberarzt Dr. R. Dr. R kam in Übereinstimmung mit den Gutachten des Prof. Dr. H zu dem Ergebnis, daß infolge vollständiger Abheilung der Lungentuberkulose des Klägers eine wesentliche Besserung eingetreten und die MdE mit 50 v. H. richtig bewertet sei. Durch Urteil vom gleichen Tage änderte das SG den Bescheid vom 16. Januar 1961 ab, hob den Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1962 auf und verpflichtete den Beklagten, dem Kläger durch einen neuen Bescheid ab 1. März 1961 weiter Rente nach einer MdE von 70 v. H. zu gewähren: Der Beklagte habe zwar mit Recht festgestellt, daß eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen i. S. des § 62 Abs. 1 BVG eingetreten sei, auch die Bewertung der MdE mit nunmehr nur 50 v. H. sei nicht zu beanstanden, die Neufeststellung (Herabsetzung) der MdE sei jedoch nach § 62 Abs. 4 BVG ausgeschlossen. Der Kläger habe im Zeitpunkt der Neufeststellung durch den angefochtenen Bescheid vom 16. Januar 1961 bereits das 60. Lebensjahr vollendet gehabt; die Höhe der MdE mit 70 v. H. sei bei der Umanerkennung durch den Bescheid vom 19. Oktober 1951 aufgrund des Gutachtens des Lungenfacharztes Dr. G vom 25. November 1950 festgestellt worden, der alle nötigen Untersuchungsmaßnahmen getroffen habe; bei diesem Gutachten habe es sich um ein eingehendes ärztliches Gutachten i. S. des § 62 Abs. 4 BVG gehandelt; die Feststellung der MdE mit 70 v. H. habe bei der Neufeststellung durch den Bescheid vom 16. Januar 1961 auch bereits seit zehn Jahren unverändert bestanden. Maßgebend für den Beginn der Zehnjahresfrist des § 62 Abs. 4 BVG sei nicht der Zeitpunkt des Zuganges des "Umanerkennungsbescheides", sondern der Tag, von dem an die Umanerkennung rechtlich wirksam geworden sei. Danach habe die Zehnjahresfrist am 1. Oktober 1950, dem Inkrafttreten des BVG, zu laufen begonnen; denn mit Wirkung von diesem Tage an sei der Versorgungsanspruch des Klägers nach den Vorschriften des BVG festgestellt (" umanerkannt ") worden. Auf den Zeitpunkt des Zuganges des Umanerkennungsbescheides vom 19. Oktober 1951 könne nicht abgestellt werden, weil die Renten der Versorgungsberechtigten nicht gleichzeitig " umanerkannt " worden seien; werde auf den Zeitpunkt der Bescheiderteilung abgehoben, so wären die Beschädigten, deren Versorgungsbezüge alsbald nach dem Inkrafttreten des BVG umgestellt worden seien, gegenüber den Versorgungsberechtigten begünstigt, die den Umanerkennungsbescheid erst ein bis zwei oder auch drei Jahre später erhalten haben. Das SG ließ die Berufung nach § 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu.

Gegen das am 10. Januar 1963 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 5. Februar 1963 unter Beifügung der schriftlichen Einwilligungserklärung des Klägers vom 28. Januar 1963 Sprungrevision ein und beantragte,

das Urteil des SG Itzehoe vom 20. Dezember 1962 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte begründete die Revision am gleichen Tage: Das SG habe § 62 Abs. 4 BVG unrichtig angewandt; diese Vorschrift habe die Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG durch den Bescheid vom 16. Januar 1961 nicht ausgeschlossen; die Zehnjahresfrist des § 62 Abs. 4 BVG sei im Januar 1961 noch nicht abgelaufen gewesen, diese Frist habe nicht, wie das SG angenommen habe, bereits am 1. Oktober 1950, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVG, zu laufen begonnen, sondern erst am 15. November 1951, dem Tag nämlich, an dem der Umanerkennungsbescheid vom 19. Oktober 1951, der am 12. November 1951 zur Post gegeben worden sei, als zugestellt gelte. Erst mit der Zustellung des Umanerkennungsbescheides sei dem Kläger offenbart worden, mit welchem Grad der MdE seine schädigungsbedingte Gesundheitsstörung nach den Vorschriften des BVG bewertet werde, dieser Zeitpunkt sei für den Beginn der Zehnjahresfrist des § 62 Abs. 4 BVG allein maßgebend.

Der Kläger beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Sprungrevision ist zulässig (§§ 150 Nr. 1, 161 Abs. 1, 164 SGG); sie ist jedoch unbegründet.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Januar 1961 (Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1962), soweit dieser Bescheid die Höhe der Rente betrifft. Mit diesem Bescheid ist die Rente für die anerkannte Schädigungsfolge, die bisher nach einer MdE um 70 v. H. gewährt worden ist, ab 1. März 1961 nach einer MdE von nunmehr 50 v. H. neu festgestellt worden. Das SG hat festgestellt, daß in den Verhältnissen, die für die Feststellung des Anspruchs auf Versorgung des Klägers durch Bescheid vom 19. Oktober 1951 (Umanerkennung) maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten sei, die Lungentuberkulose sei nunmehr abgeheilt, der Kläger werde praktisch nur noch durch die rechtsseitige Pleuraschwarte und die dadurch eingeschränkte Atemfunktion behindert, die MdE betrage nur noch 50 v. H.; der Beklagte hat insoweit Revisionsrügen nicht geltend gemacht. Danach steht in entsprechender Anwendung des § 163 SGG fest, daß die Voraussetzungen für eine Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG gegeben sind. Für die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Januar 1961 kommt es deshalb darauf an, ob dieser Neufeststellung die Vorschrift des § 62 Abs. 4 BVG entgegensteht. Das SG hat diese Frage mit Recht bejaht. Nach § 62 Abs. 4 BVG ist bei Versorgungsberechtigten, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, die Höhe der MdE wegen Besserung des Gesundheitszustandes nicht neu festzustellen, wenn sie bei der Umanerkennung oder Erstanerkennung nach dem BVG aufgrund eines eingehenden ärztlichen Gutachtens festgestellt worden und seitdem zehn Jahre unverändert geblieben ist. Das ist hier der Fall. Der Kläger ist am 15. Juli 1900 geboren, er hat am 16. Januar 1961, an dem der angefochtene Bescheid erlassen worden ist, bereits das 60. Lebensjahr vollendet gehabt. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 BVG sind erfüllt. Die Höhe der MdE mit 70 v. H. ist bei der Umanerkennung nach dem BVG aufgrund eines eingehenden ärztlichen Gutachtens festgestellt worden. Grundlage der Umanerkennung (Bescheid vom 19. Oktober 1951) ist das Gutachten des Lungenfacharztes Dr. G vom 25. November 1950 gewesen. Die Versorgungsverwaltung hat dieses Gutachten in dem Umanerkennungsbescheid vom 19. Oktober 1951 verwertet, sie hat die Schädigungsfolge nach dem BVG entsprechend dem Verschlag in diesem Gutachten mit "rechtsseitige geschlossene zirrh . Lungentuberkulose bei verschwartender Gasbrust rechts mit Pleuraexsudat" neu formuliert. Das Gutachten ist nach seinem Inhalt und dem Zeitpunkt seiner Erstellung auch geeignet gewesen, als Grundlage für die Umanerkennung zu dienen; wenn es sich auch nur um ein Formblatt-Gutachten handelt, hat es das SG doch zutreffend als ein "eingehendes ärztliches Gutachten" i. S. des § 62 Abs. 4 BVG angesehen; das Gutachten ist von einem Lungenfacharzt erstellt, der hinsichtlich der hier zu beurteilenden Frage, inwieweit durch die Lungentuberkulose die Erwerbsfähigkeit des Klägers gemindert ist, über besondere Sachkunde verfügt; nach dem Inhalt des Gutachtens, das u. a. auch den Röntgenbefund einer Lungenaufnahme enthält, ist der Kläger durch Dr. G eingehend untersucht und sind alle für die Beurteilung der MdE wesentlichen Befunde erhoben und berücksichtigt worden. Schließlich hat das SG auch zu Recht angenommen, daß bei Erlaß des angefochtenen Bescheides vom 16. Januar 1961 die Zehnjahresfrist des § 62 Abs. 4 BVG bereits abgelaufen gewesen ist, es ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Beginn dieser Frist hier auf den 1. Oktober 1950 fällt. Die MdE nach dem BVG mit 70 v. H. ist zwar erst durch Bescheid vom 19. Oktober 1951 (Umanerkennung) festgesetzt worden, dieser Bescheid ist dem Kläger erst am 15. November 1951 zugegangen (§ 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -). Der Bescheid hat jedoch das Versorgungsrechtsverhältnis des Klägers rückwirkend ab 1. Oktober 1950 nach den Vorschriften des BVG geregelt, in dem Bescheid heißt es, die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei "ab 1. Oktober 1950" um 70 v. H. gemindert, ab 1. Oktober 1950 sind dem Kläger die entsprechenden Versorgungsbezüge nach dem BVG gezahlt worden. Maßgebend für den Beginn der Zehrjahresfrist, innerhalb der die MdE unverändert geblieben ist, ist der Zeitpunkt, zu dem die Festsetzung der MdE nach dem BVG rechtlich wirksam geworden ist. Der Beklagte meint zu Unrecht, nach dem Wortlaut und dem Sinngehalt des § 62 Abs. 4 BVG sei bei der Berechnung der Zehnjahresfrist von dem "Zeitpunkt des Feststellungsaktes" auszugehen. Die Fälle, in denen im Recht der Kriegsopferversorgung (KOV) auf den Zeitpunkt des Erlasses bzw. der Zustellung des Bescheides abzuheben ist, sind ausdrücklich gesetzlich geregelt. So ist in § 62 Abs. 2 BVG für den Beginn der dort normierten Zweijahresfrist auf die "Zustellung des Feststellungsbescheides" abgestellt; in § 41 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) ist die Rücknahme bindend gewordener Bescheide zuungunsten der Versorgungsberechtigten davon abhängig gemacht, daß diese Bescheide "im Zeitpunkt ihres Erlasses" tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen sind. In § 62 Abs. 4 BVG heißt es dagegen, daß die Neufeststellung ausgeschlossen ist, wenn die Höhe der MdE "bei der Umanerkennung oder Erstanerkennung nach diesem Gesetz aufgrund eines eingehenden ärztlichen Gutachtens festgestellt und seitdem zehn Jahre unverändert geblieben ist". Aus dem Wortlaut des § 62 Abs. 4 BVG ergibt sich sonach nicht, daß der Zeitpunkt des Feststellungsakts ausschlaggebend für den Fristbeginn sein soll. Diese Auslegung ist auch nicht durch den Sinngehalt des § 62 Abs. 4 BVG geboten. § 62 Abs. 4 BVG ist durch das Erste Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 in das BVG aufgenommen worden, diese Vorschrift beruht auf der Erwägung, es sei über zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des BVG an der Zeit, die alten Versorgungsfälle abzuschließen und durch Einschränkung der Nachuntersuchung jede weitere Unruhe unter den älteren Kriegsbeschädigten zu vermeiden (vgl. Kurzprotokoll über die 27. Sitzung des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen am 11. Februar 1960, S. 4), die bisherige Verwaltungsvorschrift (VV) Nr. 1 Abs. 6 zu § 62 BVG aF, die bereits bestimmt hat, daß eine ärztliche Nachuntersuchung von Amts wegen im allgemeinen bei Beschädigten des ersten Weltkrieges und in den Fällen unterbleiben solle, wenn der Befund feststehe und mit einer wesentlichen Änderung der Schädigungsfolgen nach ihrer Art und dem bisherigen Verlauf nicht mehr zu rechnen sei, biete keinen ausreichenden Schutz. Der Zweck des § 62 Abs. 4 BVG geht somit eindeutig dahin, das Verbot der Neufeststellung (Herabsetzung) der MdE zum Schutz der älteren Beschädigten gesetzlich zu normieren. Sowohl durch die Vorschrift des § 62 Abs. 2 BVG als auch durch die Vorschrift des § 62 Abs. 4 BVG soll verhindert werden, daß der Beschädigte mit einer Minderung oder Entziehung der Rente rechnen muß, und zwar nach Abs. 2 jedenfalls während eines Zeitraums von zwei Jahren, nach Abs. 4 ohne zeitliche Einschränkung nach Ablauf von zehn Jahren. Während aber nach Abs. 2 ohne Rücksicht auf das Alter des Beschädigten und die medizinischen Unterlagen die Frist, innerhalb der die Grundrente nicht gemindert oder entzogen werden darf, mit der Zustellung des Feststellungsbescheides beginnt und damit in erster Linie das Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts geschützt wird, also ein subjektives Moment erheblich ist, lassen die viel strengeren Voraussetzungen, die nach Abs. 4 eine dem Berechtigten ungünstige "Neufeststellung" ausschließen, erkennen, daß insoweit in erster Linie objektive Tatbestandsmerkmale - Alter des Beschädigten, "Anerkennung" aufgrund eines eingehenden ärztlichen Gutachtens, Bezug von Rente in unveränderter Höhe durch zehn Jahre - erheblich sind; wenn diese Voraussetzungen vorliegen, besteht eine weitgehende Gewähr dafür, daß die Höhe der Rente objektiv den Verhältnissen entspricht, daß jedenfalls erhebliche Änderungen nicht mehr eintreten werden; unter diesen Gesichtspunkten kommt es nicht darauf an, wann der Beschädigte durch Zustellung des "Umanerkennungsbescheides" erfahren hat, nach welchem Grade der MdE seine Rente nach dem BVG bemessen worden ist. Es kommt hinzu, daß in zahlreichen Fällen der "Umanerkennungsbescheid", der die Rente nach dem BVG rückwirkend vom Inkrafttreten des BVG an festgestellt hat (§ 86 Abs. 1 Satz 2 BVG aF), erst von einem späteren Zeitpunkt an zu einer Minderung der bisherigen Rente hat führen können. Nach § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG aF ist nämlich die Minderung der Rente erst mit Ablauf des Monats eingetreten, der auf die Zustellung des Bescheids gefolgt ist, frühestens sogar erst mit Ablauf von sechs Monaten nach Inkrafttreten des BVG; in diesen Fällen hat der Berechtigte erst von diesem späteren Zeitpunkt an nach dem BVG nur noch den Anspruch auf die niedrigere Rente gehabt. Wenn es in § 62 Abs. 4 BVG für den Beginn der Zehnjahresfrist auf den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids ankäme, so wäre damit die Frist, nach deren Ablauf die Rente nicht mehr neu festgestellt werden darf, abgelaufen gewesen, obwohl die Rente nach dem BVG, auf die es in Abs. 4 ankommt, weniger als zehn Jahre "unverändert geblieben" ist. Auch hieraus ergibt sich, daß es für den Beginn der Zehnjahresfrist in Abs. 4 nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides ankommt, sondern auf den Zeitpunkt, von dem an der Berechtigte die Rente nach dem BVG, die später unverändert geblieben ist, erhalten hat. Es kann - und das ist entscheidend - für den Beginn der Zehnjahresfrist des § 62 Abs. 4 BVG nicht darauf ankommen, wie lange das Verwaltungsverfahren, in dem der Rentenbescheid ergangen ist, gedauert hat; dafür sind Umstände maßgebend (Personallage des einzelnen VersorgA, Notwendigkeit von Ermittlungen usw.), die in jedem Einzelfall verschieden sind; von ihnen kann es nicht abhängig sein, zu welchem Ergebnis die Anwendung des § 62 Abs. 4 BVG führt.

Der Beklagte hat somit nach § 62 Abs. 4 BVG mit dem Bescheid vom 16. Januar 1961 die Rente wegen Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers nicht mehr neu feststellen dürfen. Das SG hat zu Recht den Bescheid vom 16. Januar 1961 insoweit abgeändert, den Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1962 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger ab 1. März 1961 weiterhin Versorgungsrente nach einer MdE um 70 v. H. zu gewähren. Die Revision des Beklagten ist somit unbegründet, sie ist zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2375140

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