Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsverbot gegenüber Sozialversicherungsbeiträgen. Übertragung von Gläubigerrechten. Treuhandverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Feststellungsklage ist unzulässig, wenn das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen festgestellt werden soll, Gegenstand einer gleichzeitig anhängigen (nur einen anderen Zeitraum betreffenden) Leistungsklage ist.

2. Einzugsstellen dürfen Ersatz- oder Erstattungsforderungen, die sie als Krankenversicherungsträger gegen Rentenversicherungsträger haben, nicht gegen eingezogene Beiträge zur Rentenversicherung aufrechnen oder die Beiträge zurückbehalten.

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Einzugsstelle darf eingezogene Rentenversicherungsbeiträge nicht zwecks Aufrechnung mit Erstattungsansprüchen zurückbehalten. Hat sie dies dennoch getan, so ist sie dem Rentenversicherungsträger gegenüber zur Verzinsung der zurückbehaltenen Beiträge verpflichtet.

 

Orientierungssatz

1. Die gesetzliche Übertragung von Gläubigerrechten vom Rentenversicherungsträger auf die Einzugsstelle ähnelt einer zivilrechtlichen Abtretung zum Zwecke der Einziehung (sogenannte Inkassozession), wobei der Zessionar die Forderung für Rechnung des Zedenten einzieht und das, was er erhält, an den Zedenten abzuliefern hat.

2. Neben dem Rechtsverhältnis der Einzugsstelle zum Beitragsschuldner steht das Rechtsverhältnis zwischen Einzugsstelle und Rentenversicherungsträger. Es ist ein öffentlich-rechtliches Treuhandverhältnis zwischen gleichgestellten Trägern (vergleiche BSG vom 1964-12-17 3 RK 51/60 = BSGE 22, 157, 158f); sein Inhalt ergibt sich nicht aus dem Beitragsschuldverhältnis, sondern aus einem gesetzlich geregelten besonderen Rechtsverhältnis.

 

Normenkette

SGG § 55 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1399 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1433 Fassung: 1957-02-23, § 1436 Fassung: 1957-02-23; BGB § 273 Fassung: 1896-08-18, § 387 Fassung: 1896-08-18, § 389 Fassung: 1896-08-18

 

Verfahrensgang

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.04.1983; Aktenzeichen S 34 (4) Kr 38/80)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der beklagten Krankenkasse, als Einzugsstelle gegen die an die anderen Versicherungsträger abzuführenden Beiträge mit Gegenforderungen aus Erstattungsansprüchen aufzurechnen.

Die Beklagte war verpflichtet, als Einzugsstelle für Oktober 1979 an die Klägerin, die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, Beiträge gemäß § 1433 der Reichsversicherungsordnung (RVO) abzuführen. Ihrerseits hatte sie Erstattungsansprüche gegen die Klägerin, die in den §§ 183 Abs 3 bis 5, 1239, 1241 und 1244a RVO begründet waren. Nachdem die Beklagte mehrfach an die Überweisung dieser Beträge erinnert hatte, erklärte sie gegenüber der Klägerin die Aufrechnung gegen die Beiträge, die sie als Einzugsstelle abzuführen hatte, in der Höhe von 54.332,42 DM. Außerdem kündigte die Beklagte an, auch in Zukunft wieder Aufrechnungen und Verrechnungen vorzunehmen.

Das Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 54.332,42 DM nebst gesetzlichen Zinsen zu zahlen und festgestellt, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, von den nach § 1433 RVO abzuführenden Beiträgen, Beträge wegen angeblicher oder bestehender Ersatzansprüche abzuziehen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Einzugsstelle sei zur unverzüglichen Abführung der eingezogenen Beiträge verpflichtet. Zwar stehe diesem Anspruch der Klägerin ein gleichartiger, weil auch auf Geld gerichteter, Gegenanspruch der Beklagten gegen die Klägerin gegenüber. Dennoch sei eine Aufrechnung nach Treu und Glauben unzulässig, da das Verhältnis der Krankenkasse als Einzugsstelle zu den anderen Versicherungsträgern als besonderes Treuhandverhältnis ausgestaltet sei. Nur zwei Möglichkeiten für eine Verrechnung seien im Gesetz vorgesehen, nämlich mit der Vergütung für Einziehung und Abführung der Beiträge und mit der Beitragsforderung für die Krankenversicherung der Rentner. Aus denselben Gründen entfalle auch ein Zurückbehaltungsrecht entsprechend § 273 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Mit ihrer - vom SG zugelassenen sowie form- und fristgerecht eingelegten - Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 1433, 1436 Abs 2 RVO iVm §§ 273, 387, 389 BGB sowie von § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Entgegen der Auffassung des SG sei eine Aufrechnung nicht gesetzwidrig, sondern im Hinblick auf die Liquidität der Beklagten notwendig gewesen, da die Klägerin immer erst mit großer Verzögerung gezahlt habe. Das Treuhandverhältnis erstrecke sich auch auf die Erstattungsansprüche des Krankenversicherungsträgers gegen den Rentenversicherungsträger; in diesem habe sich die Klägerin nicht pflichtgemäß verhalten, so daß die Beklagte aufgrund der §§ 67, 68 und 76 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) sich zur Aufrechnung verpflichtet gefühlt habe. Zumindest habe sie aber ein Zurückbehaltungsrecht.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. April 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 30. März 1984 erklärt, daß sie hinsichtlich des Klagantrages zu 1) beantrage, die Beklagte zu verurteilen, 11.247,90 DM nebst 3.393,26 DM Zinsen für die Zeit bis 29. Februar 1984 und weitere Zinsen in Höhe des jeweiligen Diskontsatzes von 11.247,90 DM zu zahlen und im übrigen der Klagantrag zu 1) als in der Hauptsache erledigt erklärt werde.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist, soweit sie das Feststellungsbegehren der Klägerin betrifft, begründet. Die Feststellungsklage ist mangels eines Feststellungsinteresses der Klägerin unzulässig. Im übrigen ist die Revision unbegründet, soweit der Zahlungsanspruch gegen die Beklagte noch streitig ist.

Soweit die Klägerin neben ihrem Leistungsanspruch auch die Feststellung begehrt, die Beklagte sei nicht berechtigt, von den abzuführenden Beiträgen Beträge wegen angeblicher oder bestehender Erstattungsansprüche abzuziehen, ist ihre Klage unzulässig. Zwar kann nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG auch die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Zwingende Prozeßvoraussetzung für eine solche Feststellungsklage ist aber das Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung. An einem solchen Feststellungsinteresse fehlt es hier, weil das Rechtsverhältnis, dessen Feststellung begehrt wird, nämlich die Berechtigung der Aufrechnung, bereits Gegenstand der gleichzeitig anhängigen Leistungsklage ist, so daß über dieses Rechtsverhältnis im Rahmen dieser Leistungsklage entschieden wird. Auch unter öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern kann zwar die begründete Besorgnis, es würden in Zukunft bestimmte Ansprüche aus einem Rechtsverhältnis geltend gemacht werden, bereits ein Feststellungsinteresse begründen. Andererseits besteht ein solches Feststellungsinteresse aber nicht, wenn im Rahmen eines Leistungsstreites über dessen Inhalt entschieden wird. Die Ankündigung der Beklagten, sie werde auch in Zukunft aufrechnen, kann nicht dahin verstanden werden, sie werde auch im Falle ihres Unterliegens im Leistungsstreit anders handeln.

Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, die eingezogenen Beiträge nebst Zinsen an die Klägerin abzuführen. Mit ihrer Erklärung vom 30. März 1984 hat die Klägerin ihren Klagantrag eingeschränkt, dh im übrigen die Klage zurückgenommen, womit der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt ist (§ 102 Sätze 1 und 2 SGG).

Die Beklagte ist nicht berechtigt, Beiträge zur Rentenversicherung, die sie als Einzugsstelle (§ 1399 RVO) eingezogen hat, gegen Erstattungsansprüche, die sie als Krankenversicherungsträger gegen die Klägerin als Rentenversicherungsträger hat, aufzurechnen oder zurückzubehalten. Sie ist vielmehr verpflichtet, diese Beiträge unverzüglich an die Klägerin abzuführen (§ 1433 RVO). Dieser Anspruch der Klägerin als Rentenversicherungsträger auf Abführung der Beiträge ist nicht entsprechend § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen.

Es kann unentschieden bleiben, ob die Forderung der Klägerin auf Abführung der Beiträge im Sinne von § 387 BGB derjenigen der Beklagten auf Erstattung gegen die Klägerin gleichartig ist, weil es sich jeweils um Geldforderungen handelt (vgl dazu BGHZ 14, 342, 346 mwN), denn einer Aufrechnung steht bereits das besondere Verhältnis der Beklagten als Einzugsstelle zu der Klägerin als Rentenversicherungsträger entgegen. Die Beziehungen der Krankenkassen in ihrer Eigenschaft als Einzugsstellen zu den Rentenversicherungsträgern als Beitragsgläubiger sind in § 1399 einerseits und den §§ 1433 bis 1437 RVO (= §§ 121, 155 bis 159 AVG) andererseits als besonderes öffentlich-rechtliches Treuhandverhältnis ausgestaltet, woraus eine besondere treuhänderische Bindung der Einzugsstelle gegenüber den Rentenversicherungsträgern folgt BSGE 15, 36, 40; 15, 118, 122, 123; BSG SozR 1500 § 101 Nr 5). Die Einzugsstelle zieht nicht nur die Beitragsforderungen ein, sie entscheidet vielmehr über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und -höhe und erläßt den erforderlichen Verwaltungsakt (§ 1399 Abs 3 RVO). Sie trifft darüber hinaus sogar Entscheidungen über Stundung, Niederschlagung und Erlaß von Beitragsforderungen (§§ 1, 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften über den Einzug der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur gesetzlichen Krankenversicherung vom 5. Mai 1972, Bundesanzeiger Nr 89 S 1 mit Änderung vom 9. Dezember 1982, Bundesanzeiger Nr 232 S 1). Damit sind der Einzugsstelle Rechte der Rentenversicherungsträger als Beitragsgläubiger übertragen. Danach erscheint die Einzugsstelle nach außen als Gläubigerin (BSG SozR 2200 § 1399 Nr 11). Diese gesetzliche Übertragung von Gläubigerrechten ähnelt einer zivilrechtlichen Abtretung zum Zwecke der Einziehung (sogenannte Inkassozession), wobei der Zessionar die Forderung für Rechnung des Zedenten einzieht und das, was er erhält, an den Zedenten abzuliefern hat. Er kann dementsprechend über die Forderung verfügen, dh er erhält die volle Gläubigerstellung (BSGE 15, 118, 122, 123; Weber in BGB-RGRK Band II/1 12. Aufl § 398 RdNrn 153ff). Neben dem Rechtsverhältnis der Einzugsstelle zum Beitragsschuldner steht das Rechtsverhältnis zwischen Einzugsstelle und Rentenversicherungsträger. Es ist ein öffentlich-rechtliches Treuhandverhältnis zwischen gleichgestellten Trägern (BSGE 22, 157, 158f); sein Inhalt ergibt sich nicht aus dem Beitragsschuldverhältnis, sondern aus einem gesetzlich geregelten besonderen Rechtsverhältnis (Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung Band II § 1399 Anm 1). Die Einzugsstelle ist somit nach außen (gegenüber dem Beitragsschuldner) Inhaberin der Beitragsforderung, im Innenverhältnis zum Rentenversicherungsträger bleibt die Beitragsforderung aber ein fremdes Recht, über das die Einzugsstelle nicht frei verfügen kann. Vielmehr hat sie dies nach Treu und Glauben im Interesse des Versicherungsträgers zu tun (BSGE 15, 118, 122, 123). Brackmann (Handbuch der Sozialversicherung, Stand September 1983, Band I/1 S 193b, 194, 194b mwN) bezeichnet dies Verhältnis zutreffend als "Verwaltungstreuhand".

Dieses Treuhandverhältnis verbietet nach dem Sinn und Zweck seines gesetzlich geregelten Inhalts die Aufrechnung mit außerhalb dieses Treuhandverhältnisses begründeten Forderungen. Es ist im Zivilrecht anerkannt, daß es nach Treu und Glauben dem Treuhänder verboten sein kann, gegen den Anspruch auf Herausgabe des für den Treugeber Erlangten mit einer Gegenforderung aufzurechnen, die ihren Grund nicht in dem Treueverhältnis und den damit verbundenen Aufwendungen hat (RGZ 160, 52, 60, BGHZ 14, 342, 346, 347; 16, 124, 137; 54, 244, 247 mwN; Weber, aaO § 387 RdNr 60; Palandt/Heinrichs, BGB 41. Aufl § 387 Anm 3). Für das Treuhandverhältnis zwischen Einzugsstelle und Rentenversicherungsträger bestimmt § 1433 RVO eine unverzügliche Abführungspflicht bezüglich der eingezogenen Beiträge, und § 1436 Abs 2 RVO normiert gleichzeitig eine Verzinsungspflicht bei schuldhafter Verzögerung der Abführung. Darin zeigt sich, daß innerhalb dieses Verhältnisses der Rentenversicherungsträger mit den ihm zustehenden Beiträgen jederzeit rechnen können muß, ohne das Risiko einer gerichtlichen Klärung von Gegenforderungen zu tragen. Die den Krankenkassen in ihrer Eigenschaft als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zustehenden Erstattungsansprüche liegen außerhalb dieses Treuhandverhältnisses und haben deshalb keine Beziehung zu ihrer Tätigkeit als Einzugsstelle. Ob auch dem auf Erstattung gerichteten Rechtsverhältnis zwischen Krankenversicherungsträger und Rentenversicherungsträger ein Treuhandverhältnis zugrunde liegt, wie die Beklagte meint, kann unentschieden bleiben; jedenfalls sind solche Erstattungsforderungen (Gegen-)Forderungen außerhalb des Treuhandverhältnisses zwischen Einzugsstellen und Rentenversicherungsträgern als Beitragsgläubigern. Das Treuhandverhältnis würde sich dann in sein Gegenteil verkehren, wenn der Treuhänder versuchte, sich auf Kosten des Treugebers für eine umstrittene - außerhalb des Treuhandverhältnisses stehende - Forderung aus dem Treugut zu befriedigen (BGHZ 14, 342, 347). Daß auch das Gesetz selbst von der Unzulässigkeit der Aufrechnung ausgeht, geht daraus hervor, daß es ausdrücklich in zwei Fällen die Aufrechnung oder Verrechnung zuläßt, nämlich für die Vergütungen der Krankenkassen für Einziehung und Abführung der Beiträge (§ 7 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften für den Einzug der Beiträge) und für den Betrag, den die Krankenkasse von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für die Krankenversicherung der Rentner zu erhalten hat (§ 10 Abs 4 der Verordnung über das Verfahren zum Ausgleich der Leistungsaufwendungen in der Krankenversicherung der Rentner vom 20. Dezember 1977 BGBl I S 3140, geändert durch die Verordnung vom 3. August 1982, BGBl I S 1127). Dieser besonderen Regelungen hätte es nicht bedurft, wenn die Einzugsstellen allgemein aufrechnen dürften.

Einem Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) stehen dieselben Gründe wie der Aufrechnung entgegen. Die Erstattungs- oder Ersatzansprüche der Beklagten folgen nicht aus demselben Rechtsverhältnis wie die Ansprüche der Klägerin auf Abführung der eingezogenen Beiträge. Im übrigen ist auch eine Zurückbehaltung bei gegenseitigen fälligen Geldforderungen anstelle einer (unzulässigen) Aufrechnung nicht zulässig (vgl Palandt/Heinrichs aaO § 273 Anm 5d mN).

Zu Recht hat das SG die Beklagte auch dem Grunde nach zur Zahlung der gesetzlichen Zinsen verurteilt. Dieser Anspruch der Beklagten folgt aus § 1436 Abs 2 RVO. Danach hat die Einzugsstelle dem zuständigen Rentenversicherungsträger Verzugszinsen in Höhe des Diskontsatzes der Deutschen Bundesbank zu zahlen, wenn sie die Abführung eingezogener Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter schuldhaft verzögert. Die Höhe des Zinsanspruches richtet sich nach der Dauer der Verzögerung. Eine solche schuldhafte Verzögerung ist hier eingetreten, auch wenn die Beklagte angenommen hat, sie sei zu der von ihr erklärten Aufrechnung berechtigt und deshalb nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum ist zwar grundsätzlich Verzugshindernis; er ist jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft, insbesondere ist es erforderlich, daß der Schuldner bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit seinem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte (BGH, LM Nr 1 zu § 285 BGB; BGH in NJW 1972 1045, 1046 mwN; Staudinger/Löwisch, BGB 12. Aufl 2. Buch § 285 RdNrn 19ff; Walchshöfer in Münchner Kommentar Band 2 § 285 RdNrn 8ff). Dabei ist es dem Schuldner nicht gestattet, das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage dem Gläubiger zuzuschieben (BGH, aaO; BGH, NJW 1974 1903, 1905). Grundsätzlich ist dabei der Schuldner zur Einholung von Rechtsrat verpflichtet und muß die Rechtslage sorgfältig prüfen. Muß er dann nicht mit einer abweichenden Beurteilung durch die Gerichte rechnen, fehlt es an seinem Verschulden. Diese allgemeinen Verschuldensgrundsätze beim Verzug sind auch hier zugrundezulegen. Die Beklagte mußte danach mindestens mit einer abweichenden Beurteilung durch die Gerichte rechnen. Zwar fehlt es an entsprechenden Entscheidungen bzw Literaturmeinungen zur Aufrechnung gegenüber dem Abführungsanspruch aus § 1433 RVO. Jedoch war die Rechtsprechung der Zivilgerichte zum Ausschluß der Aufrechnung bei einem Treuhandverhältnis seit langem bekannt. Die Beklagte konnte sich demgegenüber auf keine entgegenstehende Rechtsmeinung stützen, so daß sie und nicht die Klägerin das Risiko der verzögerten Beitragsabführung zu tragen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 255

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