Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung neuen Rechts. Zeitrente. Verfügungssatz. Bindungswirkung. Weitergewährung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist für einen Zeitraum nach dem 31.12.1991 über die Gewährung einer zuvor nur auf Zeit bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu entscheiden, richtet sich die Höhe der nunmehr zu erfüllenden Rentenansprüche nach den Vorschriften des SGB VI.

 

Normenkette

AVG § 53 Abs. 1 S. 1 (= RVO § 1276 Abs. 1 S. 1); SGB VI §§ 300, 306; SGG § 77

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.03.1996; Aktenzeichen L 6 A 42/95)

SG Trier (Urteil vom 05.05.1995; Aktenzeichen S 4 A 72/94)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. März 1996 und des Sozialgerichts Trier vom 5. Mai 1995 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22. März 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1994 verurteilt, der Klägerin Erwerbsunfähigkeitsrente nach Maßgabe der Berechnungsvorschriften des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Höhe der Erwerbsunfähigkeits(EU)-Rente der Klägerin.

Die Beklagte bewilligte der am 22. Januar 1950 geborenen Klägerin auf den Antrag vom 26. März 1991 mit (Abhilfe-)Bescheid vom 6. August 1991 zunächst EU-Rente für die Zeit vom 1. März 1991 bis 31. Dezember 1993. Sie ging dabei von einem am 28. März 1989 eingetretenen Versicherungsfall aus und begründete die Befristung der zuerkannten Rente damit, daß „begründete Aussicht besteht, daß die Erwerbsunfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann”. Die Höhe des Anspruchs wurde nach den Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) bestimmt.

Am 31. August 1993 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente. Mit dem nunmehr streitgegenständlichen Bescheid vom 22. März 1994 erkannte die Beklagte daraufhin den Anspruch auf Versichertenrente wegen EU „über den bisherigen Befristungszeitpunkt hinaus auf unbestimmte Dauer” an. Bezüglich der Berechnung verwies sie auf den „weiterhin geltenden bisherigen Bescheid unter Berücksichtigung der Rentenanpassung”.

Widerspruch, Klage und Berufung hiergegen, mit denen die Klägerin jeweils die Berechnung ihrer Rente nach den für sie günstigeren Vorschriften des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) begehrte, sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14. November 1994, Urteil des Sozialgerichts Trier vom 5. Mai 1995, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Rheinland-Pfalz vom 29. März 1996). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen folgendes ausgeführt: Gehe man mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (Hinweis auf SozR 3-1500 § 77 Nr 1) von einer eigenständigen und voll inhaltlich erneuten Rentenbewilligung durch den Bescheid der Beklagten vom 22. März 1994 aus, bestehe unabhängig von der rückwirkenden Wiederaufnahme der Zahlungen zum 1. Januar 1994 zumindest eine faktische Unterbrechung der Rentenleistung von weniger als 24 Kalendermonaten, so daß eine Rentenneuberechnung wegen § 306 Abs. 2 SGB VI nicht durchzuführen sei. Folge man demgegenüber der Beklagten und einem Teil der sozialrechtlichen Literatur, könne die zitierte Rechtsprechung auf das neue Recht keine Anwendung mehr finden. Da es § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB V nunmehr erlaube, die abgelaufene Frist rückwirkend zu verlängern und auf diese Weise die Rente nahtlos weiterzuleisten, habe der Anspruch auf die derzeit gezahlte Rente schon vor dem 1. Januar 1992 bestanden, so daß eine Neuberechnung bereits durch § 306 Abs. 1 SGB VI ausdrücklich verboten sei.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 31. Mai 1996 die vom LSG zugelassene Revision eingelegt: Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts habe ein Anspruch dem Grunde nach auch in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis zur Wiederaufnahme der Rentenleistung bestanden, so daß die von § 306 Abs. 2 SGB VI geforderte Unterbrechung nicht vorliege. Darüber hinaus handele es sich schon deshalb nicht um dieselbe Rente im Sinne der Norm, weil auch das Berufungsgericht gerade von der Eigenständigkeit der neubewilligten Rente ausgehe. Ebensowenig könne das angegriffene Urteil auf § 306 Abs. 1 SGB VI gestützt werden; weder sei allgemein der gegenüber § 53 Abs. 3 Satz 1 AVG geänderte Wortlaut von § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI gleichzeitig Ausdruck einer inhaltlichen Änderung noch gehe es im vorliegenden Fall überhaupt um eine wiederholte Befristung. Schließlich sei die Beklagte rechtlich gehindert gewesen, den Verwaltungsakt vom 6. August 1991, der mit dem 31. Dezember 1993 seine Erledigung gefunden habe, nachträglich im März 1994 mit einer Nebenbestimmung zu versehen; von § 26 Abs. 7 Satz 2 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) habe sie ersichtlich keinen Gebrauch machen wollen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. März 1996 sowie das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 5. Mai 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22. März 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1994 zu verurteilen, der Klägerin Erwerbsunfähigkeitsrente nach Maßgabe der Berechnungsvorschriften des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. März 1996 zurückzuweisen.

Sie weist insbesondere darauf hin, daß § 306 Abs. 2 SGB VI bereits seinem eindeutigen Wortlaut nach auch den Fall einer zeitweiligen Zahlungsunterbrechung erfasse. Im übrigen habe die Regelung im Dauer-EU-Bescheid nicht den Rentenanspruch der Höhe nach betroffen, sondern lediglich die Aufhebung der bisher ausgesprochenen Befristung.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die aufgrund der Zulassung durch das LSG statthafte und im übrigen zulässig eingelegte Revision der Klägerin erweist sich auch sachlich als in vollem Umfang begründet.

Zu Unrecht hat die Beklagte die Höhe ihres mit dem 1. Januar 1994 beginnenden und insoweit bindend zuerkannten (§ 77 SGG) Anspruchs auf Versichertenrente wegen EU anstelle der allein maßgeblichen §§ 63 ff SGB VI nach den Berechnungsvorschriften des AVG (§§ 31 ff) bestimmt bzw haben die Vorinstanzen die hiergegen gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative, Abs. 4 SGG) abgewiesen. Nach der Grundregel des § 300 Abs. 1 SGB VI sind nämlich die Vorschriften dieses Gesetzbuchs, die von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen am 1. Januar 1992 in Kraft getreten sind (Art. 85 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung –Rentenreformgesetz 1992 – ≪RRG 1992≫, BGBl 1989, 2261), „auch” auf Sachverhalte und Ansprüche anzuwenden, die bereits vorher vorgelegen haben, also erst recht dann einschlägig, wenn ein Anspruch erst nach dem 1. Januar 1992 entsteht (ebenso die Begründung zum gemeinsamen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP in BT-Drucks 11/4124, 206). Hiervon abweichende Spezialnormen sind für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.

Für die Klägerin ist mit dem 1. Januar 1994 aufgrund eines neuen Leistungsfalls ein neues eigenständiges Recht auf Versichertenrente wegen EU entstanden (§ 40 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫), das gleichzeitig eine neue Bestimmung seines monatlichen Wertes, der sog Leistungshöhe erforderlich macht. Dies ergibt sich im wesentlichen aus dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 6. August 1991 sowie den damals maßgeblichen Rechtsvorschriften.

Mit dem Bescheid vom 6. August 1991, dessen Auslegung auch Aufgabe des Revisionsgerichts ist (BSGE 48, 56 ff, 58 sowie SozR 1200 § 42 Nr 4 S. 14 und BSGE 62, 32 ff, 36 = SozR 4100 § 71 Nr 2, jeweils mwN), hat die Beklagte der Klägerin EU-Rente für die Zeit vom 1. März 1991 bis 31. Dezember 1993 gewährt und ist dabei von einem am 28. März 1989 eingetretenen Versicherungsfall ausgegangen. Die damaligen Regelungen sind noch auf der Grundlage der mittlerweile zum 1. Januar 1992 außer Kraft getretenen (Art. 83 Nr 1 RRG 1992 iVm Art. 85 Nr 1 ebenda) Bestimmungen des AVG ergangen, so daß sich ihr Inhalt allein vor diesem Hintergrund erschließt. Insbesondere ist damit für das Verständnis der zunächst zeitlich befristeten Leistungsgewährung § 53 Abs. 1 Satz 1 AVG (= § 1276 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) in der Fassung, die er durch Art. 2 Nr 20 des Gesetzes vom 27. Juni 1977 (BGBl I, 1040) erhalten hat, sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung (vgl. ua Urteil des Senats vom 11. Februar 1988 in SozR 2200 § 1 276 RVO Nr 11) maßgeblich.

Die Beklagte hat demnach unter dem 6. August 1991 einen – die Klägerin ausschließlich begünstigenden – Verfügungssatz des Inhalts erlassen, daß eine Rente bestimmter Art. für eine begrenzte Dauer in festgesetzter Höhe bewilligt wird (Verfügungssatz 1) und im übrigen den weitergehenden Anspruch auf ab Antrag durchgängige, zeitlich nicht beschränkte Rentengewährung abgelehnt (Verfügungssatz 2); vgl. zum Inhalt eines rentenablehnenden Bescheides im übrigen auch BSG SozR 1500 § 77 Nrn 69, 70), Beide Verfügungssätze sind spätestens mit der Rücknahme des von der Klägerin zunächst eingelegten Widerspruchs am 25. November 1991 bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Zwischen den Parteien ist damit das Bestehen eines auf die Zeit vom 1. März 1991 bis 31. Dezember 1993 begrenzten Stammrechts auf EU-Rente, aus dem folglich auch nur innerhalb dieses zeitlichen Rahmens Einzelansprüche auf konkrete monatliche Leistungen entstehen (§§ 67 Abs. 2, 74 AVG) und fällig werden (§§ 40 Abs. 1, 41 SGB I) konnten (vgl. zur Unterscheidung zwischen subjektivem Stammrecht und Einzelanspruch allgemein Urteil des Senats in SozR 3-2600 § 300 Nr 3 S. 5 ff mwN sowie BSGE 48, 159 und 57, 211), verbindlich festgestellt. Der Bescheid vom 6. August 1991 trägt hierdurch dem Umstand Rechnung, daß eine begründete Aussicht auf Behebung der EU, wie sie die Beklagte ursprünglich angenommen hatte, nicht den Versicherungsfall, sondern als Modifikationen des sich bei Vorliegen der weiteren gesetzlich umschriebenen Voraussetzungen hieraus ergebenden Rechts, dessen Beginn und Dauer betrifft (BSGE 22, 278 ff, 282; SozR 2200 § 1247 Nr 16 und § 1276 Nr 5 jeweils mwN sowie Urteil vom 29. November 1990 – 5/4 a RJ 41/87 –). Der das sog Stammrecht der Klägerin individualisiert verkörpernde Verfügungssatz 1 ist daher Ausdruck der vom Gesetz vorgegebenen materiellen Rechtslage, die bei Vorliegen des dort als eigenständige Gesamtheit von Anspruchsvoraussetzungen ausgestalteten Leistungstatbestandes „Zeitrente” (vgl. zum Begriff des Leistungsfalls und seiner Abgrenzung vom Versicherungsfall grundlegend BSGE 22, 278 ff, 280 und speziell zur Zeitrente die Urteile des 5. Senats in SozR 3-1500 § 77 Nr 1 sowie vom 29. November 1990 – 5/4 a RJ 41/87 –) einen Anspruch lediglich auf befristete Rentengewährung gibt. Keinesfalls handelt es sich demgemäß bei der Bestimmung des Bewilligungszeitraums im Bescheid der Beklagten vom 6. August 1991 um eine eigenständige und nachträglich gegebenenfalls isoliert von den unberührt fortbestehenden sonstigen Elementen des Rentenbescheides abänderbare Regelung (5. Senat in SozR 3-1500 aaO), sondern vielmehr um eine Eigenschaft des Anspruchs selbst, der alle Festlegungen des Verfügungssatzes 1 in jeweils gleicher Weise betrifft.

Die positive Entscheidung über die Rentenbewilligung für die Zeit vom 1. März 1991 bis 31. Dezember 1993 ist in diesem Umfang für die Beteiligten auch weiterhin bindend (§ 77 SGG). Indessen fehlt es an jeder darüber hinausgehenden Wirkung (BSG SozR 2200 § 1241 b Nr 12 S. 38). Von vornherein hat nämlich die entsprechende Regelung im Bescheid vom 6. August 1991 nur zeitlich begrenzt Geltung beansprucht (Senat in SozR 2200 § 1276 Nr 1 S. 30), so daß mit dem 31. Dezember 1993 gleichermaßen ihre innere wie auch seine äußere Wirksamkeit zukunftsgerichtet entfallen sind, ohne daß es hierzu eines gesonderten Aufhebungsbescheides bedurft hätte (§ 39 Abs. 2 SGB X sowie insofern sachlich übereinstimmend § 53 Abs. 2 Satz 1 AVG, § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).

Eine den Zeitraum ab dem 1. Januar 1994 erfassende Regelung ergibt sich im übrigen auch nicht aus dem Verfügungssatz 2) des Bescheides vom 6. August 1991. Zwar besteht auch dessen Bindungswirkung über den Zeitpunkt seines Erlasses hinaus für die nachfolgende Zeit fort (BSG 58, 27 = SozR 1300 § 44 Nr 25 = SGb 1986, 11 = DÖV 1986, 239 = Breithaupt 1996, 129 = DRV 1985, 480). Sie ist jedoch der Sache nach auf die Feststellung beschränkt, daß zum Zeitpunkt der damaligen Entscheidung und ausgehend von den damals zur Verfügung stehenden Erkenntnissen ein weitergehender Anspruch auf EU-Rente nicht angenommen werden konnte; eine Regelung mit Dauerwirkung ist demgemäß hierin nicht zu sehen (BSG, aaO).

Unter diesen Umständen war die Beklagte durch die vorangegangene Zeitrentengewährung weder formell noch materiell gehindert und im Gegenteil auf den Antrag vom 31. August 1993 verpflichtet (§ 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, § 19 Satz 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch idF des Art. 3 Nr 7 RRG 1992, § 18 Satz 2 Nr 2 SGB X), für die Zeit nach Ablauf des festgesetzten Zeitraums zukunftsgerichtet über die sog „Weiter”-Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu entscheiden. Im Hinblick darauf, daß für den abgelaufenen Zeitraum vom 1. März 1991 bis 31. Dezember 1993 Bestehen und zeitliche Ausdehnung des aufgrund eines früheren Leistungsfalls entstandenen Rentenrechts verbindlich fixiert bleiben, kann sich allerdings eine derartige Entscheidung rechtlich zulässig von vornherein allein darauf beziehen, ob die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungszeiträume ab dem 1. Januar 1994 erneut erfüllt sind. Grundlage der insofern veranlaßten Prüfung sind folgerichtig allein die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse, dh die Bestimmungen des dann gültigen Rechts und insbesondere die nunmehr vorliegenden gesundheitlichen Verhältnisse und ihre voraussichtliche Entwicklung, so daß sich demgemäß auch die positive Reaktion der Verwaltung als „eigenständige und voll inhaltlich erneute („wiederholte”) Bewilligung der beantragten Rente „darstellt (SozR 3-1500 § 77 SGG Nr 1). Das von der Beklagten ab dem 1. Januar 1994 als dem frühestmöglichen Zeitpunkt anerkannte Recht auf „Weiter”-Gewährung der Versichertenrente wegen EU kann unter diesen Umständen – unabhängig vom Fortbestehen einzelner anspruchsbegründender Elemente – allein als im zeitlichen Geltungsbereich des SGB VI entstanden angesehen werden, so daß auch dessen monatlicher Wert, also die Höhe der daraus monatlich entstehenden Ansprüche der Klägerin nach den Bestimmungen dieses Gesetzes (§§ 63 ff SGB VI) festzusetzen ist.

Diesem Ergebnis stehen abweichende Spezialvorschriften des SGB VI nicht entgegen: Das Recht auf die nunmehr bewilligte Rente ist, wie dargestellt, erst geraume Zeit nach Aufhebung der durch das SGB VI ersetzten Vorschriften des AVG entstanden, so daß es bereits an der Grundvoraussetzung fehlt, an die § 300 Abs. 2 (gegebenenfalls iVm Abs. 3) SGB VI die ausnahmsweise fortbestehende Anwendbarkeit der Berechnungsvorschriften des AVG nach Inkrafttreten des SGB VI knüpft.

Ebenso kann auch § 306 Abs. 1 SGB VI kein für den vorliegenden Sachverhalt einschlägiges Verbot entnommen werden, die Berechnungsgrundsätze des neuen Rechts heranzuziehen. Die Vorschrift beschränkt sich – als Ausnahme von der grundsätzlichen Anwendbarkeit neuen Rechts (§ 300 Abs. 1 SGB VI) – auf die Anordnung, daß die persönlichen Entgeltpunkte, die einer Rente zugrunde lagen, auf die Anspruch bereits vor dem Zeitpunkt einer Änderung rentenrechtlicher Vorschriften (hier dem Inkrafttreten des SGB VI) bestand, nicht allein aus Anlaß dieser Rechtsänderung neu bestimmt werden. Die Höhe einer derartigen Rente ist jedoch nach den vorstehenden Ausführungen gerade nicht im Streit. Soweit die Vorinstanz ihre Entscheidung (alternativ) auf die Auffassung stützt, § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ermögliche nunmehr durch die Wiederholung einer früheren Befristung den „nahtlosen Weiterbezug” einer Rente, verkennt sie bereits die rechtliche Diskontinuität der aufeinander folgenden subjektiven Rechte auf Zeitrenten und ferner, daß die Bestimmung den Bescheid vom 6. August 1991 zeitlich und den (Dauerrenten-!)Bescheid vom 22. März 1994 inhaltlich nicht erfaßt.

Ebensowenig ist schließlich – auch insofern entgegen der Auffassung des LSG – § 306 Abs. 2 SGB VI anwendbar. Der Rentenversicherungsträger ist hiernach nämlich bei Unterbrechung der Leistung einer Rente für weniger als 24 Kalendermonate nur dann zu einer Neubestimmung der Summe der Entgeltpunkte verpflichtet, wenn für die Zeit der Unterbrechung Entgeltpunkte für Beitragszeiten zu ermitteln sind. Dabei ist die Norm als Ausnahme zu Abs. 1 („…, soweit nicht in den folgenden Vorschriften etwas anderes bestimmt ist”) schon deshalb nicht einschlägig, weil auf die streitige Leistung nicht bereits vor dem 1. Januar 1992 Anspruch bestand. Soweit sie sich im übrigen auch auf seit diesem Zeitpunkt eingetretene Leistungsfälle bezieht, befaßt sie sich allein mit der unter bestimmten Voraussetzungen vorzunehmenden Neubestimmung der Summe der Entgeltpunkte, nicht aber der Festlegung der bei der ursprünglichen Bestimmung der Rentenhöhe heranzuziehenden Rechtsvorschriften; insofern verbleibt es vielmehr beim Grundsatz des § 300 Abs. 1 SGB VI (ebenso Kreikebohm in Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung –, Stand November 1992, § 306 SGB VI RdNr 9; anders für den Fall der Weiterzahlung einer zunächst befristeten Rente ausdrücklich Noch, RRG 1992: Rechtsanwendung bei Bestandsrenten, DAngVers 1990, 130 ff, 133, der jedoch unzutreffend von einer bloßen „Veränderung oder Aufhebung der Befristung” ausgeht, und die „Arbeitsanweisungen der Rentenabteilung” in LVA Rheinprovinz, Mitt 1991, 520 ff, 522). Unter diesen Umständen bedarf im vorliegenden Zusammenhang insbesondere keiner weiteren Klärung, daß keine „Leistungsunterbrechung” vorlag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 954095

SozSi 1997, 399

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