Orientierungssatz

Zu der Frage, ob Renten ins Ausland (hier: Uruguay) gezahlt werden dürfen (Auslandszahlbetrag), soweit sie nach FANG Art 6 § 14 Abs 1 Buchst b auf beitragslose Zeiten einer selbständigen Tätigkeit entfallen.

 

Normenkette

FANG Art. 6 § 14 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1960-02-25

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 3. November 1970 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Revisionsinstanz sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob Renten ins Ausland gezahlt werden dürfen, soweit sie nach Art. 6 § 14 Abs. 1 Buchst. b des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I S. 93) auf beitragslose Zeiten einer selbständigen Tätigkeit entfallen.

Die Kläger sind die Kinder des im Juli 1959 in Uruguay verstorbenen Versicherten und dessen während des Rechtsstreits im Januar 1967 verstorbener Witwe, die in Uruguay ansässig und deutsche Staatsangehörige war. Die im Mai 1942 geborenen Kläger wohnen gleichfalls in Uruguay und besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.

Der Versicherte hatte Beiträge zur polnischen Rentenversicherung, zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und zur Beklagten entrichtet; er war Umsiedler im Sinne der Umsiedler-VO vom 19. Juni 1943 (RGBl I S. 375). Auf seinen Antrag gewährte die Beklagte mit Bescheiden vom August 1959 und August 1960 Rente wegen Berufsunfähigkeit und Altersruhegeld. Für die Rente vom Dezember 1958 bis März 1959 entschied das Bundessozialgericht (BSG) in einem früheren Rechtsstreit (Urteil vom 15.März 1966 - 11 RA 28/64 -), daß nach § 9 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) auch Steigerungsbeträge nach § 7 Abs. 2 der 1. DVO zum FAG i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 Umsiedler-VO für Zeiten vor der Umsiedlung zu gewähren seien.

Die Witwenrente und die Waisenrenten für die Kläger setzte die Beklagte zunächst durch Bescheide vom Dezember 1959 und November 1966 fest. Durch neue Bescheide vom 28. September 1967 berechnete sie diese Renten neu nach Art. 2 § 42 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG), Art. 6 § 6 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 FANG. Sie berücksichtigte dabei 60 Monatsbeiträge im Geltungsbereich des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), 55 reichsgesetzliche Beiträge, 101 polnische Beiträge nach § 17 Abs. 1 Buchst. b des Fremdrentengesetzes (FRG), 3 Monate Beschäftigungszeit nach § 16 FRG und Zeiten einer selbständigen Tätigkeit vor der Umsiedlung von September 1930 bis Juli 1934 und Mai 1937 bis August 1939. Da die Anwendung des Art. 6 § 14 Abs. 1 FANG zur höchsten Inlandsrente führte, legte die Beklagte sie der Berechnung der Auslandsleistung zugrunde. Die Beklagte entschied, daß aus den in dieser Inlandsrente enthaltenen beitragslosen Zeiten auf Grund des § 98 Abs. 2 AVG wegen des Auslandsaufenthaltes der Kläger an diese keine Rente zu zahlen sei. Den Widerspruch der Kläger wies sie zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die auf volle Auszahlung gerichtete Klage, die der Kläger zu 1) zugleich als Rechtsnachfolger seiner Mutter führt, abgewiesen (Urteil vom 9. Mai 1969). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 3. November 1970) und ausgeführt: Wenn auch § 98 Abs. 2 AVG nicht ausdrücklich bestimme, daß außer Zeiten einer Beschäftigung nach § 16 FRG auch Zeiten einer selbständigen Tätigkeit im Sinne des Art. 6 § 14 Abs. 1 Buchst. b FANG unberücksichtigt bleiben müßten, so verbiete das doch der Sinn der Vorschrift wie auch der Zweck der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze. Gegen eine Berücksichtigung bei der Auslandsleistung spreche auch die Auslandsrenten-VO vom 21. Juni 1961 (BGBl I S. 801), die sich allerdings nur auf die umgestellten Renten beziehe. Nach ihrem § 3 seien bei Renten nach Art. 6 § 7 oder 11 FANG Zeiten einer selbständigen Tätigkeit wie Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen. Dadurch solle vermieden werden, sie besser als Zeiten abhängiger Beschäftigung zu behandeln. Auf § 100 AVG könnten sich die Kläger nicht berufen, da die Zeiten der selbständigen Tätigkeit vor der Umsiedlung "nach dem Fremdrentengesetz gleichgestellte Zeiten" seien.

Mit der zugelassenen Revision beantragen die Kläger (sinngemäß),

die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Bescheide zu ändern und bei der Auslandsrente die Zeiten der selbständigen Tätigkeit zu berücksichtigen;

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Zur Begründung tragen sie vor: Das LSG habe verkannt, daß die angefochtenen Bescheide auf § 100 Abs. 1 AVG beruhten, nicht auf § 98 Abs. 2 AVG. Wortlaut und Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften machten deutlich, daß nur die dort ausdrücklich genannten Zeiten beim Auslandszahlbetrag nicht berücksichtigt werden dürften. Zu beachten sei auch, daß das BSG in seiner früheren Entscheidung zu § 9 FAG damals die Zeiten, für die Steigerungsbeträge nach der Umsiedler-VO gewährt wurden, als "besondere Zeiten" bezeichnet habe, die als Nebenwirkung reichsgesetzlicher Versicherungszeiten anzurechnen seien.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie führt ergänzend aus, daß sich die Auslandsrenten-VO nicht nur auf umgestellte Renten alten Rechts beziehe. In ihren §§ 2 und 3 würden auch Renten aus Versicherungsfällen nach 1956 genannt, darunter Renten nach Art. 6 § 11 FANG. Diese Vorschrift erfasse auch Renten nach Art. 6 § 9 FANG, zu denen die der Kläger gehörten.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß beim Auslandszahlbetrag die beitragslosen Zeiten der selbständigen Tätigkeit des Versicherten nicht berücksichtigt werden dürfen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall Art. 6 § 14 FANG überhaupt auf die Hinterbliebenenrenten anwendbar war.

Die Antwort auf die Frage, ob die Inlandsrente voll ins Ausland gezahlt werden darf, ist hier nicht der Auslandsrenten-VO zu entnehmen, wie die Beklagte offenbar meint. Diese VO erfaßt nur umgestellte Renten und solche, die über Art. 6 §§ 7, 11 und 17 Abs. 1 FANG nach altem Recht ermittelt werden; für die nach neuem Recht festgesetzten Renten gelten die §§ 96 ff AVG unmittelbar.

Nach § 96 AVG ruht die Rente eines Deutschen, der sich außerhalb des Geltungsbereichs des AVG aufhält, soweit sich nicht aus den §§ 97 bis 102 AVG etwas anderes ergibt. Von diesen Ausnahmen trifft hier keine zu.

In Betracht kommen zunächst § 98 Abs. 2 und 3 AVG. Das LSG hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die Voraussetzungen des § 98 Abs. 2 AVG nicht vorlägen. Dem ist schon deshalb zuzustimmen, weil jedenfalls die Voraussetzungen des § 98 Abs. 2 Satz 2 unstreitig nicht erfüllt sind. Ebensowenig ist ein Ausnahmefall nach § 98 Abs. 3 AVG gegeben; denn diese Vorschrift wirkt sich nur auf außerhalb des Geltungsbereichs des AVG zurückgelegte Beitragszeiten aus.

Die volle Inlandsrente könnte deshalb nur dann ins Ausland gezahlt werden, wenn die Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AVG erfüllt wären. Diese Vorschrift schließt allerdings die Zahlung einer Rente an Deutsche ins Ausland aus, soweit sie (die Rente) auf nach dem FRG gleichgestellte Zeiten entfällt (§ 17 Abs. 1 Buchst. b FRG, für den diese Einschränkung nicht gilt, liegt hier nicht vor). Die Zeiten der selbständigen Tätigkeit vor der Umsiedlung sind streng genommen nicht nach dem FRG selbst, sondern nur nach Art. 6 § 14 FANG - einer Übergangsvorschrift - anrechenbar. Eine streng wortgebundene Auslegung würde jedoch dem Sinn der Vorschriften nicht gerecht.

Die Zeiten einer selbständigen Tätigkeit im Sinne des Art. 6 § 14 FANG können nicht anders behandelt werden als andere beitragslose Zeiten, die das FRG den bundesgesetzlichen Beitragszeiten gleichstellt. Für eine davon abweichende Behandlung, d. h. für eine Gleichstellung mit Beitragszeiten bei der Ermittlung der Auslandsrente, fehlt im Hinblick auf die Regelung der Fremdzeiten (§§ 15, 16 FRG) jeder sachliche Grund. Die Anrechenbarkeit der Zeiten hing nach der Umsiedler-VO davon ab, daß der Umsiedler später eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 26 Wochen (6 Monate) ausgeübt hatte. Im Hinblick hierauf hatte der Senat in seinem früheren Urteil vom 15. März 1966 entschieden, daß die für die Zeiten vor der Umsiedlung gewährten Steigerungsbeträge Folge der nach der Umsiedlung erbrachten Pflichtbeiträge waren. Diese Entscheidung hat keine Bedeutung für den vorliegenden Rechtsstreit. Art. 7 § 3 Abs. 1 Buchst. q FANG hat die Umsiedler-VO aufgehoben. Die Umsiedler werden nun wie andere Fremdrentner behandelt, d.h. Zeiten selbständiger Tätigkeit sind auch bei ihnen nicht mehr anrechenbar; beitragslose Beschäftigungszeiten werden nach § 16 FRG berücksichtigt. Nur für die Hinterbliebenen solcher Personen, die bereits nach der Umsiedler-VO eine Rente bezogen haben - was hier überhaupt fraglich ist -, enthält Art. 6 § 14 FANG eine besondere Besitzstandsklausel. Darin stellt das Gesetz für diesen Personenkreis ausnahmsweise noch beitragslose Zeiten einer selbständigen Tätigkeit den nach neuem Recht anrechnungsfähigen Beitragszeiten gleich. Diese besondere Ausnahme kann aber nicht weiterreichen, als das FRG im übrigen Vergünstigungen für beitragslose Zeiten zuläßt. Andernfalls würden die Hinterbliebenen besser gestellt als der Versicherte. Der Versicherte hätte die Berücksichtigung der selbständigen Tätigkeit bei der Ermittlung des Auslandszahlbetrages nach § 3 Auslandsrenten-VO nicht verlangen können.

Da der Anspruch der Hinterbliebenen auf seiner Versicherung beruht, dürfen sie keine günstigere Versorgung beanspruchen, als ihnen ohne den Tod des Versicherten zukäme.

Der Wegfall der Umsiedler-VO und die Einordnung der Umsiedler in das FRG mit der Folge, daß grundsätzlich nur noch Beitrags- und Beschäftigungszeiten berücksichtigt werden können - nicht aber auch beitragslose Zeiten einer selbständigen Tätigkeit - macht die Absicht des Gesetzgebers deutlich, Zeiten ohne Beitragsleistungen nur bei abhängigen Arbeitnehmern anzurechnen. Es verbietet sich deshalb, Zeiten einer selbständigen Tätigkeit, die nach einer nur den Besitzschutz bezweckenden Übergangsvorschrift ausnahmsweise noch beachtlich sind, bei der Rentenzahlung ins Ausland zu berücksichtigen.

Da die Beklagte die in das Ausland zahlbaren Renten der Kläger und deren Mutter zutreffend ermittelt hat, muß die Revision zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670312

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