Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederaufnahmeklage. zuständiges Gericht für Wiederaufnahme. absoluter Revisionsgrund

 

Orientierungssatz

Das LSG ist gemäß § 179 Abs 1 SGG iVm § 584 Abs 1 ZPO für die Wiederaufnahmeklage nur dann zuständig, wenn es sachlich entschieden hat und nicht die Berufung als unzulässig verworfen hat. Hat es zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, stellt dies einen absoluten Revisionsgrund nach § 179 SGG iVm § 551 Nr 4 ZPO dar.

 

Normenkette

SGG § 179 Abs 1; ZPO § 584 Abs 1, § 551 Nr 4

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 31.10.1984; Aktenzeichen L 2 J 69/84)

SG Lüneburg (Entscheidung vom 21.04.1982; Aktenzeichen S 1 J 176/81)

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob das durch Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 25. August 1982 - L 2 J 156/82 - rechtskräftig beendete Verfahren wieder aufgenommen werden kann.

Mit Bescheid vom 27. Mai 1981 verrechnete die Beklagte Ansprüche der Hannoverschen landwirtschaftlichen Krankenkasse auf Zahlung rückständiger Beiträge mit der dem Kläger gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Dagegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben mit dem Begehren, diesen Bescheid insoweit abzuändern, als monatlich von der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ein Betrag von 300,-- DM für die Hannoversche landwirtschaftliche Krankenkasse, die zu dem Verfahren beigeladen worden ist, abgetrennt werde. Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 1981 aufgehoben (Urteil vom 21. April 1982). Die Berufung des Klägers hat das LSG als unzulässig verworfen, weil der Kläger durch das Urteil des SG nicht beschwert sei (Urteil vom 25. August 1982).

Am 24. Februar 1984 hat der Kläger vor dem Berufungsgericht eine Wiederaufnahmeklage erhoben. Diese hat das LSG mit Urteil vom 31. Oktober 1984 als unzulässig verworfen. Die Voraussetzungen des § 179 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 580 Nr 7 b) der Zivilprozeßordnung (ZPO) seien nicht erfüllt.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom Senat zugelassenen Revision angefochten. Er rügt als Verfahrensmängel, das LSG habe über den Wiederaufnahmeantrag nicht entscheiden dürfen. Außerdem habe es die im Ausgangsverfahren beigeladene Hannoversche landwirtschaftliche Krankenkasse nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - am Wiederaufnahmeverfahren beteiligt.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts vom 31. Oktober 1984 und 25. August 1982 aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts vom 21. April 1982 abzuändern und ergänzend festzustellen, daß der Kläger bei der Hannoverschen landwirtschaftlichen Krankenkasse nicht pflichtversichert war und ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet.

Zutreffend rügt der Kläger, das SG und nicht das LSG habe über die Wiederaufnahmeklage gemäß § 179 Abs 1 SGG iVm § 584 Abs 1 ZPO entscheiden müssen. Das Berufungsgericht wäre nach diesen Vorschriften nur dann zuständig gewesen, wenn es sachlich entschieden hätte. Das ist aber nicht der Fall; denn es hat die Berufung als unzulässig verworfen. Deshalb mußte sich das Begehren des Klägers auf Wiederaufnahme gegen das Urteil 1. Instanz richten (vgl Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 45. Aufl 1987 § 584 Anm 2 B a).

Der Kläger hat allerdings mit der Berufung seinen Klageantrag erweitert und die zusätzliche Feststellung begehrt, daß er bei der Hannoverschen landwirtschaftlichen Krankenkasse nicht pflichtversichert sei. Dieses Ziel verfolgt er auch mit der Wiederaufnahme. Zu seinem Feststellungsbegehren hat sich das LSG zwar im Urteil vom 25. August 1982 geäußert, insoweit aber nicht sachlich entschieden. Das zeigt schon der Tenor jenes Urteils, wonach die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Die Klageerweiterung konnte nicht zur Zulässigkeit des Rechtsmittels führen (vgl Bundessozialgericht -BSG- in SozR 1500 § 144 Nr 30 mwN). Hätte das LSG über das Feststellungsbegehren des Klägers sachlich - negativ - entschieden, so hätte es die Klage insoweit abgewiesen. Das ist aber nicht geschehen.

Das LSG hat somit zu Unrecht seine Zuständigkeit für das Wiederaufnahmeverfahren angenommen. Das stellt einen absoluten Revisionsgrund nach § 179 SGG iVm § 551 Nr 4 ZPO dar. Das angefochtene Urteil leidet daher an einem so schwerwiegenden Mangel, daß es aufgehoben werden mußte, unabhängig davon, ob der Kläger letztlich mit seinem Feststellungsbegehren in dem gegen die Beklagte geführten Rechtsstreit überhaupt durchdringen kann. Im weiteren Verfahren wird darauf zu achten sein, daß die beigeladene Hannoversche landwirtschaftliche Krankenkasse beteiligt wird. Die Beiladung ist nicht aufgehoben worden und wirkt daher auch noch im Wiederaufnahmeverfahren fort. Ob auch wegen der unterbliebenen Beteiligung der Beigeladenen das angefochtene Urteil aufzuheben war (vgl BSG in SozR 1500 § 62 Nr 6), bedurfte hier keiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659459

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