Leitsatz (amtlich)

1. Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt kann, soweit sie überhaupt mit als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosenunterstützung zu fordern ist, jedenfalls nicht aus Gründen verneint werden, die sich nur auf die Arbeitsfähigkeit - eine selbständige und abschließend geregelte Unterstützungsvoraussetzung - beziehen.

2. Beharrliche Arbeitsverweigerung darf - unbeschadet des Falles beharrlicher (eigener) Nichtnutzung von Arbeitsmöglichkeiten - erst festgestellt werden, wenn das Arbeitsamt sich zuvor in angemessener Weise bemüht hat, dem Arbeitslosen Arbeit zu verschaffen.

 

Normenkette

AVAVG § 87; AVAVG 1927 § 87; AVAVG § 88 Abs. 1, § 93c; MRV BrZ 117 Anh 1 § 3

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts ... vom 14. Oktober 1954 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I. Der Kläger, der jetzt 55 Jahre alt ist, verlor als Kind durch einen Messerstich die Sehkraft seines linken Auges. Da er dauernd Kopfschmerzen hatte, wurde es 1933 operativ entfernt. Bis 1941 war der Kläger als selbständiger Fischer tätig. Ende 1941 wurde er zur Marineartillerie eingezogen. Dort verstärkten sich seine Kopfschmerzen. Seit 1942 stellte sich ein Schüttelzittern des Kopfes und der Hände ein. Er wurde in mehreren Lazaretten behandelt, zuletzt in der Schreibstube beschäftigt und am 14. August 1945 entlassen. Wehrdienstbeschädigung ist nicht anerkannt worden. Von 1945 bis 1949 war er wieder als selbständiger Fischer tätig.

Am 8. August 1949 meldete er sein Gewerbe ab. Am folgenden Tage beantragte er bei der Nebenstelle ... des Arbeitsamts ... Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu). Bei Weiterleitung des Antrages berichtete die Nebenstelle dem Hauptamt, daß der Kläger arbeitswillig und als Fischer vermittlungsfähig, eine Vermittlung zur Zeit jedoch nicht möglich sei. Ihm wurde daraufhin Alfu vom 12. August 1949 ab bewilligt, und er bezog sie ununterbrochen bis zum 19. Juli 1952. Dann schied er wegen Erkrankung und damit verbundener Arbeitsunfähigkeit aus dem Unterstützungsbezug aus.

II. Während der Unterstützungszeit hatte er im September 1950 bei der Seekasse in ... Invalidenrente wegen dauernder Kopfschmerzen beantragt. Der behandelnde Arzt bezeichnete ihn als 70 v. H. erwerbsunfähig. Demgegenüber stellte der Arzt des Staatlichen Gesundheitsamtes ... fest, daß das Leiden des Klägers überwiegend seelisch bedingt sei. Er verneinte Invalidität und erklärte die Arbeitsfähigkeit als nur um 30 v. H. gemindert. Die Seekasse lehnte darauf den Antrag auf Invalidenrente ab. Auf seine Berufung hin ließ ihn das Oberversicherungsamt ... durch den Nervenarzt Prof. Dr. Dr. ... neurologisch begutachten. Nach dreitägiger Beobachtung kam dieser in seinem Gutachten vom 30. März 1951 zu dem Ergebnis, daß eine sogenannte Schüttelneurose vorliege, aber Anhaltspunkte für eine Organerkrankung des Nervensystems oder für eine Erkrankung des Schädels, der Hirnhäute und der Nebenhöhlen nicht vorhanden seien. Die Leistungsminderungen seien Auswirkungen einer abnormen seelischen Reaktionsweise. Diese habe zwar einen gewissen Krankheitswert, der Zustand reiche aber nicht aus, Invalidität hinreichend zu begründen. Bei der Untersuchung seien übrigens Züge eines grob-demonstrativen Verhaltens festzustellen gewesen. Die Spruchkammer des Oberversicherungsamts ... wies darauf die Berufung zurück.

III. Am 28. Juli 1951 und am 28. Januar 1952 hatte die Nebenstelle ... die Vermittlungsmöglichkeit des Klägers geprüft und ihn zunächst noch für tauglich befunden, als Fischer oder Tiefbauarbeiter, später nur noch als Wächter zu arbeiten. Arbeitsstellen seien ihm jedoch nicht angeboten worden, da hierfür keine Möglichkeiten gegeben gewesen seien. Zweifel an der Arbeitswilligkeit bestünden nicht.

Sein Antrag vom 27. Oktober 1952 auf Weiterzahlung der Alfu wurde durch das Arbeitsamt abgelehnt, da er nach ärztlichem Gutachten noch nicht arbeitsfähig im Sinne des § 88 AVAVG sei. Vom 1. Dezember 1952 an erhielt er vom Wohlfahrtsamt ... Fürsorgeunterstützung.

IV. Am 26. Februar 1953 beantragte der Kläger erneut Invalidenrente. Im Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamts ... wurde die Arbeitsfähigkeit als um 40 v. H. gemindert angegeben, der Kläger aber noch für fähig erachtet, "Arbeiten als Fischer, leichte im Sitzen fortgesetzt" zu verrichten. Die Seekasse lehnte daraufhin den Rentenanspruch wiederum ab. Seine Berufung wurde durch Entscheidung des Oberversicherungsamts ... vom 17. September 1953 zurückgewiesen. Der Verlust des linken Auges und das Altersemphysem könnten ebensowenig wie die Schüttelneurose die Invalidität begründen, die Folgen der psychisch abnormen Reaktion auch dann nicht, wenn sie tatsächlich Krankheitswert haben sollte, da sie die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht über 50 v. H. hinaus beeinträchtige.

Weitere Berufung beim Oberverwaltungsgericht legte der Kläger nicht ein, sondern meldete sich am 21. November 1953 wieder arbeitslos und beantragte Alfu.

V. Bei Weiterleitung des Antrages an das Arbeitsamt ... äußerte sich die Nebenstelle ... diesmal dahin:

"Wegen Bindung an die Entscheidung des Oberversicherungsamts ... wird Arbeitsfähigkeit im Sinne des AVAVG anerkannt, aber hinzugesetzt, daß E. nicht in der Lage ist, wegen des sehr schlechten körperlichen Gesamtzustandes seinen Unterhalt als Arbeitnehmer zu verdienen ... Ein eventueller Vermittlungsvorschlag müßte von Anfang an als aussichtslos beurteilt werden und für den Auftraggeber als nicht zumutbar".

Der Arbeitsarzt erklärte ihn für nicht imstande, seinen Unterhalt als Arbeitnehmer zu verdienen.

Das Arbeitsamt ... lehnte daraufhin mit Verfügung vom 21. Dezember 1953 den Unterstützungsantrag ab. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch. Da er nach der letzten Entscheidung des Oberversicherungsamts noch als fähig für leichte Arbeit im Sitzen bezeichnet worden sei, verlange er, daß ihm solche vom Arbeitsamt zugewiesen werde. Die Widerspruchsstelle wies ihn ab, da nach § 2 des Anhangs zur Militärregierungsverordnung (MilRegVO) Nr. 117 Alfu nur erhalten könne, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben.

Auf Klage hob das Sozialgericht ... mit Urteil vom 24. Mai 1954 die Ablehnungsverfügung des Arbeitsamts und den Widerspruchsbescheid auf und verurteilte die Beklagte, an den Kläger vom 21. November 1953 ab nach Ablauf der gesetzlichen Wartezeit Alfu zu zahlen.

Die Beklagte war in diesem Verfahren der Stellungnahme des Arbeitsarztes Dr. ... vom 3. April 1954 gefolgt. Dieser hatte es für ausgeschlossen erklärt, daß ein Mann mit einer Schüttelneurose, der sich selbst keinerlei Arbeit zutraue und eine ausgesprochen negative Einstellung zur Arbeit habe, als Arbeitnehmer seinen Unterhalt verdienen könne. Die Feststellung im Urteil des Oberversicherungsamts, daß der Kläger für leichte Arbeiten im Sitzen fortgesetzt geeignet sei, sei rein theoretisch. Es gebe keine Lohnarbeit, die ein Mann mit einer derartigen Fehleinstellung ausführen könne. Demgegenüber vertrat der vom Sozialgericht als Sachverständiger gehörte Facharzt für innere Medizin Dr. ... vom Landkrankenhaus ... die Auffassung, der Kläger sei in der Lage, das im § 88 Abs. 1 AVAVG geforderte Lohndrittel zu verdienen.

Das Sozialgericht stützte seine Entscheidung auf § 3 des Anhangs zur MilRegVO Nr. 117, wonach Alfu nur erhält, wer arbeitsfähig ist. Dieser Begriff sei eindeutig im § 88 AVAVG festgelegt. § 2 a. a. O. dagegen habe nur programmatische Bedeutung. Da der Kläger nach arbeits- und gerichtsärztlichem Gutachten arbeitsfähig sei und diese Gutachten mit denen übereinstimmten, die dem Urteil des Oberversicherungsamts vom 17. September 1953 zugrundelägen, habe das Sozialgericht Arbeitsfähigkeit des Klägers angenommen.

Es bezeichnete seine Entscheidung als endgültig gemäß § 147 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

VI. Auf Grund dieses Urteils wies der Direktor des Arbeitsamtes ... die Nebenstelle ... durch Verfügung vom 31. Mai 1954 an, durch geeignete Arbeitsangebote möglichst umgehend die Frage zu klären, ob der Kläger tatsächlich praktisch noch in der Lage sei, mehr als geringfügige Beschäftigungen auszuüben. Die Nebenstelle berichtete darauf unter dem 25. Juni 1954, sie habe einen Vermittlungsversuch nicht machen können, da dies eine ausgesprochene Fehlvermittlung gewesen sein würde. Das äußere Erscheinungsbild des Klägers sei derartig, daß jeder Auftraggeber ihn auch für nur leichtere Arbeiten ablehnen würde.

Bereits am 25. November 1952 hatte übrigens die Nebenstelle festgestellt, daß die Ehefrau des Klägers ein Haus in ..., Kreis ..., geerbt habe. Die dazu gehörige Landwirtschaft umfaßt 4 1/2 ha. Am 15. Juni 1954 wurde durch den Ermittler berichtet, daß der ... Besitz vom Kläger, seiner Ehefrau und einem 14-jährigen Enkel bearbeitet werde. Die weiteren Ermittlungen ergaben, daß etwa 1,5 ha mit Getreide besät und je 1,5 ha Wiesen und Weideland seien. Der Kläger hat schriftlich am 15. Juni 1954 bestätigt, daß "leichtere Arbeiten" in ... von ihm selbst verrichtet würden. Auch der Bürgermeister bestätigte, daß der Kläger "sein Land selbst bearbeitet".

VII. Gegen das Urteil des Sozialgerichts legte der Präsident des Landesarbeitsamts ... Berufung ein. Er bezeichnete die Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts, das Urteil sei endgültig, als irrig, da es sich hier nicht um eine Streitigkeit über Beginn oder Höhe der Unterstützung handele, sondern darüber, ob der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Alfu habe.

Auch materiell-rechtlich sei die Entscheidung unzutreffend. Unterstützung könne nur gewährt werden, wenn der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Arbeitslose mit anlagemäßig bedingten oder erworbenen Defekten erfüllten in der Regel diese Voraussetzungen nicht. Sie seien zwar oft noch körperlich in der Lage, das erforderliche Lohndrittel zu verdienen, aber zur Feststellung der Verfügbarkeit bedürfe es darüber hinaus einer individuellen Bewertung der Gesamtpersönlichkeit des Arbeitslosen. Der Kläger sei Neurotiker. Nach der Stellungnahme des Leitenden Arztes des Landesarbeitsamts könne Arbeitsfähigkeit nur angenommen werden, wenn der Kläger sich von seinen psychogenen neurotischen Fehlreaktionen frei mache. Seine Schüttelneurose sei so erheblich, und er stelle seine subjektiven Beschwerden so in den Vordergrund, daß er an jedem Arbeitsplatz scheitern werde.

In der Verhandlung vor dem Landessozialgericht wurde als Sachverständiger der Facharzt für innere Krankheiten Prof. Dr. ... gehört. Er führte aus, daß beim Kläger eine psychogene Zweckreaktion vorliege. Sie sei eine psychische Reaktion, an deren Beginn bewußte Willensimpulse stünden. Diese Bewußtseinsinhalte würden wegen ihrer Unvereinbarkeit mit ethischen Bewußtseinsinhalten im Laufe der Zeit mehr oder minder verdrängt. Die Überwindung einer solchen Zweckreaktion sei daran gebunden, daß der Wille zur Überwindung bestehe. Der Kläger sei arbeitsunfähig, weil er nicht arbeitswillig sei.

Das Landessozialgericht ... hob mit Urteil vom 14. Oktober 1954 das Urteil des Sozialgerichts ... vom 24. Mai 1954 auf und wies die Klage ab. Es hat die Revision zugelassen.

Die Auffassung des Sozialgerichts, seine Entscheidung sei endgültig, bezeichnete das Landessozialgericht als rechtsirrig, da es sich nicht um eine Streitigkeit über Beginn oder Höhe der Unterstützung handele, sondern der Anspruch auf Alfu dem Grunde nach streitig sei. Materiell-rechtlich sei der Vorderrichter auf Grund der von allen medizinischen Sachverständigen erhobenen Befunde zutreffend zu der Feststellung gelangt, daß der Kläger noch arbeitsfähig im Sinne des § 88 Abs. 1 AVAVG i. V. mit § 3 des Anhangs zur MilRegVO Nr. 117 sei. Krankhafte Organveränderungen seien nicht nachzuweisen gewesen. Der Verlust der Sehkraft links und eine kaum merkliche Herabsetzung der Sehkraft auf dem rechten Auge könnten die Schlußfolgerung nicht rechtfertigen, daß er nicht mehr in der Lage sei, das erforderliche Lohndrittel zu verdienen. Wenn die Bundesanstalt den Kläger vom Unterstützungsbezug ausschließen wolle, weil er wegen seiner neurotischen Fehleinstellung dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe, so könne dies nicht gebilligt werden, da das Gesetz eine solche weitgehende Begriffsbestimmung als selbständige Anspruchsvoraussetzung nicht kenne.

Der Unterstützungsanspruch sei dagegen nach § 93 c AVAVG unbegründet. Das Urteil befaßt sich hierzu eingehend mit dem Wesen der Schüttelneurose als Begehrungsneurose, die ihren Ursprung in einem bewußten Streben nach Entschädigung irgendwelcher Art für eine in Wahrheit nicht vorhandene Beschädigung habe. Der Kläger habe offensichtlich gehofft, daß er wegen weitgehender Beschränkung seiner noch tatsächlich vorhandenen Arbeitsfähigkeit kaum vermittelt werden könne. Wer aber bewußt oder auch unbewußt über die abnorme Erlebnisreaktion zu erkennen gebe, daß er auch im Falle einer Arbeitszuweisung seine Einstellung nicht ändern wolle, zumutbare Arbeit anzunehmen, erfülle damit die Voraussetzungen zum Ausschluß vom Unterstützungsbezug nach § 93 c in der Fassung der MilRegVO Nr. 111 i. V. mit Art. III der MilRegVO Nr. 117.

VIII. Das Urteil ist dem Kläger am 19. Februar 1955 zugestellt worden. Hiergegen hat er durch seinen Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 14. März 1955 - beim Bundessozialgericht eingegangen am 16. März 1955 - Revision eingelegt mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Entscheidung des Sozialgerichts ... vom 24. Mai 1954 wiederherzustellen und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen, hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Er rügt zunächst Verletzung des § 147 SGG. Das Sozialgericht habe entschieden, daß die Beklagte dem Kläger vom 21. November 1953 ab Alfu zu zahlen habe. Dieses Urteil habe deshalb den Beginn der Unterstützung betroffen und nicht mit der Berufung angefochten werden können.

Materiell-rechtlich rügt der Kläger Verletzung des § 93 c AVAVG, da es an Feststellungen fehle, daß er Arbeitsmöglichkeiten zwar gehabt, aber beharrlich nicht genutzt oder daß die Beklagte sich um Arbeitsbeschaffung für ihn bemüht und er diese Bemühungen beharrlich vereitelt habe. Das Gericht sei auch nur indirekt zur Anwendung des § 93 c gekommen, indem es aus ärztlichen Gutachten die Überzeugung gewonnen habe, er leide an einer Zweckneurose. Aus dem Urteil sei aber nicht zu entnehmen, welche ärztlichen Gutachten hierfür herangezogen worden seien. Mindestens zu einem Teil seien sie ohne gründliche Untersuchung auf Grund allgemeiner Erfahrungstatsachen zu dem theoretischen Schluß gelangt, er müsse von einer psychogenen Zweckreaktion befallen sein. Es sei deshalb notwendig, ihn bei angemessenem Anstaltsaufenthalt eingehend zu überprüfen und zu untersuchen. Im übrigen habe die Beklagte ihn nicht nach § 93 c, sondern nach § 88 Abs. 1 AVAVG wegen angeblicher Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen. Er erkläre aber ausdrücklich, daß er "einsatzfähig" sei und leichte Arbeiten im Sitzen verrichten könne.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 1. August 1955 beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Berufung sei zulässig, da es sich nicht um einen "Beginnstreit" handele. Ein Unterstützungsanspruch des Klägers sei entgegen der Meinung des Berufungsgerichts aber schon deshalb nicht gegeben, weil er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Dies werde jedoch nach § 2 des Anhangs zur MilRegVO Nr. 117 als Unterstützungsvoraussetzung ausdrücklich gefordert. Sie ergebe sich auch aus § 131 AVAVG, wonach Arbeitslosigkeit in erster Linie durch Vermittlung von Arbeit zu verhüten und zu beenden sei. Die Alfu habe also nur subsidiären Charakter. Eine Arbeitsvermittlung sei aber nur möglich, wenn der Arbeitslose den Mindestanforderungen entspreche, die im heutigen Wirtschaftsleben üblicherweise an Arbeitnehmer gestellt würden. Der Kläger erfülle diese jedoch nicht.

Falls das Gericht aber die Verfügbarkeit für eine Arbeitsvermittlung nicht als Anspruchsvoraussetzung anerkenne, müsse der Unterstützungsanspruch jedenfalls gemäß § 93 c AVAVG abgelehnt werden.

Der Kläger hat hierauf im Schriftsatz vom 1. September 1955 die zu entscheidenden Gesichtspunkte nochmals herausgestellt.

Im einzelnen wird auf die verschiedenen Schriftsätze Bezug genommen.

IX. Die Revision ist statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Sie mußte auch Erfolg haben.

Das Gericht hatte zunächst zu prüfen, ob die Berufung zulässig gewesen war, da das Sozialgericht sein Urteil als endgültig gemäß § 147 SGG bezeichnet hatte. Nach dieser Vorschrift können in Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung Urteile, die Beginn oder Höhe der Unterstützung betreffen, mit der Berufung nicht angefochten werden. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht angenommen, daß es sich im vorliegenden Falle nicht um eine Beginnstreitigkeit handelt. Denn der Streit geht nicht darum, ob die Beklagte dem Kläger die Alfu vom 21. November 1953 oder von einem anderen Tage ab zu zahlen hat - die Höhe ist ebenfalls nicht zweifelhaft -, streitig ist vielmehr, ob die Alfu dem Kläger überhaupt zusteht. Solche Fälle sind, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (vgl. Urteil vom 12.7.1955 - BSG 1 S. 111 (114)), nicht unter § 147 SGG einzuordnen. Die Berufung war deshalb nach § 143 SGG zulässig.

X. Materiell-rechtlich ist die Bundesanstalt der Auffassung, ein Unterstützungsanspruch des Klägers sei schon deshalb nicht gegeben, weil dieser der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Diesen Begriff der "Verfügbarkeit" hat das frühere Reichsversicherungsamt in seiner Rechtsprechung zum Begriff "Arbeitslosigkeit" entwickelt: arbeitslos sei nicht, wer in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe oder wer dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe (vgl. Grundsätzl. Entscheidung Nr. 3918 vom 7.11.1930, AN. 1930 IV S. 508). Den Begriff "Verfügbarkeit" hat das Reichsversicherungsamt in einer Reihe von Entscheidungen näher erläutert und in der Grundsätzl. Entscheidung Nr. 5258 vom 13. Oktober 1938 (AN. 1939 IV S. 57) unter Verweisung auf frühere Entscheidungen dahin zusammengefaßt, daß Verfügbarkeit nicht gegeben sei, wenn der Arbeitslose durch Bindungen rechtlicher oder tatsächlicher Art, die außerhalb seiner Person lägen, an der Aufnahme von Arbeit gehindert sei (vgl. dazu auch Draeger, "Arbeitslosigkeit und Vermittlungsfähigkeit als Leistungsvoraussetzung" in "Das Arbeitsamt" 1955 S. 117). Körperliche oder geistige Beeinträchtigungen allein rechtfertigten nicht den Schluß, daß der Arbeitslose nicht mehr für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe; sie könnten nur dann zum Ausschluß vom Bezug der Unterstützung führen, wenn die Minderung den im § 88 Abs. 1 AVAVG vorgesehenen Grad erreicht habe, d. h. also, wenn Arbeitsunfähigkeit vorliege. Gerade diese Frage ist aber hier streitig. Deshalb hatte der Senat keine Veranlassung, sich mit dem Begriff der "Verfügbarkeit" und den zum Teil von der Auffassung des RVA abweichenden Meinungen (vgl. OVA. Dortmund vom 2.7.1951, Breithaupt 1952 S. 1025; Andrée , "Die Bedeutung der Verfügbarkeit als Teilbegriff der Arbeitslosigkeit für die arbeitsärztliche Begutachtung" in "Arbeit, Beruf und Arbeitslosenhilfe" 1954 S. 178; Dörfler, Zum Begriff "Verfügbarkeit" in "Soziale Sicherheit" 1954 S. 107) hier näher auseinanderzusetzen. Jedenfalls kann "Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt", soweit sie überhaupt mit als Voraussetzung für den Bezug der Unterstützung zu fordern ist, nicht aus Gründen verneint werden, die sich nur auf die Arbeitsfähigkeit - eine selbständig und abschließend geregelte Unterstützungsvoraussetzung - beziehen.

Auch soweit die Bundesanstalt sich auf § 2 des Anhangs zur MilRegVO Nr. 117 beruft, konnte der Senat ihr nicht folgen. Nach dieser Vorschrift erhalten Arbeitslose, "die der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen" bei Erfüllung noch sonstiger Voraussetzungen, die an anderen Stellen der Verordnung und im AVAVG näher dargelegt sind, Alfu "nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen". Die gesamte Fassung deutet darauf hin, daß auch die Worte "die der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen" in diesem Zusammenhang nur eine programmatische Ankündigung enthalten, nicht aber eine selbständige Unterstützungsvoraussetzung darstellen. Die Voraussetzungen selbst sind in den nachfolgenden Vorschriften oder in den ergänzend heranzuziehenden Bestimmungen über die versicherungsmäßige Arbeitslosenunterstützung geregelt.

XI. Im übrigen hat das Landessozialgericht den Kläger auch nicht wegen mangelnder "Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt" von der Alfu ausgeschlossen, sondern weil es annahm, daß er unter dem Vorwand seiner Schüttelneurose die Bemühungen des Arbeitsamts, ihm Arbeit zu verschaffen, beharrlich vereitelt habe (§ 93 c AVAVG). Es sah seine Neurose nicht als organische Erkrankung an, sondern als Begehrungsneurose, die darauf abziele, sich laufend Unterstützung zu verschaffen, ohne arbeitsbereit und damit arbeitswillig zu sein.

Auch dieser Auffassung vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Der Begriff der Arbeitswilligkeit ist im § 87 Nr. 1 AVAVG ebenfalls nur programmatisch angeführt; er erhält seinen Inhalt erst aus den §§ 90 bis 93 c: Während in den Fällen der §§ 90 bis 93 lediglich zeitlich begrenzte Sperrfristen verfügt werden können, die in den §§ 93 a und b weiter geregelt sind, gibt § 93 c die Möglichkeit, wegen fortgesetzter Arbeitsunwilligkeit den Arbeitslosen vom Bezuge der Alu sogar auszuschließen. Diese Vorschrift gilt nach Art. III der MilRegVO Nr. 117 auch für die Alfu. Sie setzt aber voraus, daß der Arbeitslose Arbeitsmöglichkeiten beharrlich nicht nutzt oder seiner Registrierungspflicht nicht nachgekommen ist - ein Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landessozialgericht selbst nicht angenommen -, oder daß er die Bemühungen des Arbeitsamts, ihm Arbeit zu beschaffen, beharrlich vereitelt hat.

Nach § 131 AVAVG lautet der gesetzliche Auftrag an die Bundesanstalt dahin, Arbeitslosigkeit in erster Linie durch Vermittlung von Arbeit zu verhüten und zu beendigen. Im vorliegenden Fall ergibt sich aber kein Anhalt dafür, daß auch nur ein einziges Mal dem Kläger vom Arbeitsamt eine Arbeitsstelle zugewiesen worden wäre. Er ist zwar dreimal auf "Vermittlungsfähigkeit" geprüft worden, zuletzt, nachdem die Beklagte durch Urteil des Sozialgerichts zur Gewährung der Alfu verurteilt worden war. In allen Fällen aber hat die zuständige Nebenstelle erklärt, daß sich Vermittlungsmöglichkeiten nicht geboten hätten; zugleich hat sie stets betont, daß der Kläger arbeitswillig sei.

Da demnach schon die Voraussetzung, daß das Arbeitsamt sich bemüht habe, dem Kläger Arbeit zu verschaffen, nicht erfüllt ist, konnte eine beharrliche Vereitelung solcher Bemühungen nicht angenommen werden.

XII. Im übrigen hat sich das Landessozialgericht der Auffassung des Sozialgerichts, daß der Kläger arbeitsfähig sei, angeschlossen, ohne insoweit in eine nähere Prüfung einzutreten. Eine solche war jedoch erforderlich. Der Kläger ist in den beiden Invalidenrenten- und im Sozialgerichtsverfahren jeweils mehrfach ärztlich begutachtet worden. Dabei haben sich Unterschiede in der Beurteilung der Beschränkung seiner Erwerbs- und Arbeitsfähigkeit von 70 bis 30 v. H. ergeben. Soweit aus den Unterlagen zu erkennen ist, hat es sich dabei stets nur um einmalige Untersuchungen gehandelt. Nur von Prof. Dr. Dr. ... ist der Kläger 3 Tage lang beobachtet und als nicht-invalide bezeichnet worden. Bemerkenswert ist in dessen Gutachten aber, daß bei der Untersuchung Züge eines grob-demonstrativen Verhaltens festzustellen gewesen seien. Um so mehr wäre es notwendig gewesen, die Arbeitsfähigkeit des Klägers auf Grund längerer Beobachtung sachverständig genau begutachten zu lassen, um einwandfrei feststellen zu können, ob der Kläger noch arbeitsfähig im Sinne des § 88 Abs. 1 AVAVG ist oder ob er etwa Arbeitsunfähigkeit vortäuscht, weil er nicht arbeitswillig ist, wie es Prof. Dr. ... vor dem Landessozialgericht angenommen hat.

Mit gutem Grunde läßt z. B. § 81 der Strafprozeßordnung die Beobachtung in einer öffentlichen Heil- oder Pflegeanstalt bis zur Dauer von 6 Wochen zu. Allerdings handelt es sich dabei um die Begutachtung über den geistigen Zustand eines Beschuldigten; die zulässige Dauer unterstreicht aber, daß kurze Untersuchungen häufig nicht ausreichen, um den Zustand eines Menschen einwandfrei zu beurteilen. Insbesondere mußte im Falle des Klägers als bedeutsam erscheinen, daß in den beiden Invalidenrentenverfahren von allen Ärzten mit Ausnahme des den Kläger behandelnden Arztes Invalidität verneint wurde. Im Sozialgerichtsverfahren dagegen erklärten die Ärzte - mit einer Ausnahme - ihn für arbeitsunfähig, und ein Arbeitsarzt stellte sich auf den Standpunkt, die Auffassung des Arztes im Invalidenrentenverfahren, der Kläger sei noch zu leichteren Arbeiten im Sitzen geeignet, sei eine rein theoretische Beurteilung.

Nach § 88 Abs. 1 AVAVG ist arbeitsfähig im Sinne des § 87, wer imstande ist, durch eine Tätigkeit, die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufes zugemutet werden kann, wenigstens ein Drittel dessen zu erwerben, was geistig und körperlich gesunde Personen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung und in derselben Gegend durch Arbeit zu verdienen pflegen. Diese untere Leistungsgrenze hatte der Regierungsentwurf des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (34. Sonderheft zum Reichsarbeitsblatt 1926 S. 155) im Anschluß an den Begriff der Invalidität im damaligen § 1255 Abs. 2 RVO aufgestellt, so daß also Personen, die im Sinne dieser Vorschrift invalide waren, in der Arbeitslosenversicherung nicht mehr als arbeitsfähig angesehen werden sollten. Das Reichsversicherungsamt hatte deshalb in seiner Grundsätzl. Entscheidung Nr. 3780 vom 24. Januar 1930 (AN. 1930 IV S. 292) den Grundsatz aufgestellt, daß bei der Auslegung des § 88 Abs. 1 AVAVG von den auf dem Gebiet der Invalidenversicherung für die Auslegung des Begriffs der Invalidität geltenden Grundsätzen auszugehen sei, da sich die Begriffe der Invalidität im § 1255 Abs. 2 RVO und der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 88 Abs. 1 AVAVG grundsätzlich deckten.

Dies trifft jetzt insofern nicht mehr zu, als durch § 2 des Solzialversicherungs-Anpassungsgesetzes (SVAG) vom 17. Juni 1949 (Gesetzblatt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes S. 99) im nunmehr maßgebenden § 1254 RVO als invalide schon bezeichnet wird, wer nicht mehr imstande ist, die Hälfte dessen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde Personen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung in derselben Gegend durch Arbeit zu verdienen pflegen. Aber diese Änderung hat, worauf Draeger a. a. O. S. 119 mit Recht hinweist, praktisch nicht zu einer anderen Beurteilung der Invalidität geführt, da der Mindestverdienstgrenze nicht die entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der Invalidität beigemessen wird, die ihr von Rechts wegen zukommen sollte. Draeger verweist zutreffend dazu auch auf die Untersuchungen Hülsmanns (Soziale Sicherheit 1954 S. 4) über die Bedeutung des Unterschieds der Mindestlohngrenzen in beiden Versicherungszweigen, wonach Inhalt der Feststellung der Invalidität wegen ihrer Bezugnahme auf den Lohn eine Erwerbs-, nicht aber eine Leistungsminderung sei und deshalb aus dem Grade der Erwerbsminderung keine unmittelbaren Schlüsse auf die Leistungsminderung gezogen werden könnten. Wegen der Koppelung der Begriffe Invalidität und Arbeitsfähigkeit teile aber damit letztere alle Auslegungsmängel der ersteren. Aus diesem Grunde verzichtet auch der Entwurf der Großen Novelle zum AVAVG auf den Begriff "Arbeitsfähigkeit" und führt dafür den Begriff "Vermittlungsfähigkeit" ein.

Im vorliegenden Fall bestehen jedenfalls nach der Auffassung des Senats erhebliche Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Klägers, so daß ohne eingehende sachverständige Beobachtung und Begutachtung eine einwandfreie Klärung nicht zu erwarten ist. Dies gilt um so mehr, als die Frage noch als durchaus offen bezeichnet werden muß, ob das Schüttelzittern hier eine reine Begehrungsneurose darstellt oder ob die "psychisch abnorme Reaktion" des Klägers einen derartigen Krankheitswert hat, daß sie ihn daran hindert, das gesetzlich Lohndrittel im Sinne des § 88 Abs. 1 AVAVG noch zu verdienen. Diese Klärung ist vor allem auch deshalb von ausschlaggebender Bedeutung, weil selbst die Beurteilung des Wesens der Neurosen keineswegs schon eine einheitliche ist, wie das Landessozialgericht anzunehmen scheint.

Mit diesen Fragen hat sich auch das Reichsversicherungsamt unter Hinweis auf die Ausführungen von Nägeli, Reichardt, Stier; Bonhoeffer und His in seiner Grundsätzl. Rekurs-Entscheidung Nr. 3238 vom 24. September 1926 (AN. 1926 S. 480) und in der nicht grundsätzl. Entscheidung vom 7. Oktober 1935 (EuM. Bd. 40 S. 198) sowie das Oberversicherungsamt S in seiner sehr eingehend begründeten Entscheidung vom 6. November 1950 (Zentralblatt für Sozialversicherung 1951 S. 152) beschäftigt. Aus den Grundsätzen, die 1926 Prof. Dr. S. aufgestellt und denen sich das Reichsversicherungsamt angeschlossen hat (s. GE. Nr. 3238) ist hier insoweit wesentlich der dort unter Nr. 5 angeführte, wonach "die sogenannten Unfallneurosen" (um eine solche handelte es sich bei dieser Entscheidung)" ... durch endgültige Erfüllung des zugrundeliegenden Wunsches ... ebenso sicher günstig beeinflußt bzw. beseitigt werden wie nach letztinstanzlicher Gerichtsentscheidung durch endgültige Ablehnung des Wunsches".

Zutreffend weist aber in diesem Zusammenhang der Prozeßbevollmächtigte des Klägers darauf hin, daß bei Annahme einer Begehungsneurose sich dessen Leiden nach Bewilligung der Alfu hätte legen müssen, da die Schüttelneurose nunmehr überflüssig geworden wäre. Das Gegenteil sei jedoch der Fall, er leide weiter an ständigen Schüttelerscheinungen.

Zur Weiterentwicklung der Auffassung vom Wesen des Neurosen sei verwiesen auf die für die Beurteilung des vorliegenden Falles beachtlichen Ausführungen von Glatzel "Zur gutachtlichen Bewertung der Rentenneurose in der Sozialversicherung" (Wege zur Sozialversicherung 1954 S. 352) mit der Feststellung: "Der Rentenneurotiker ist selbst verantwortlich für seine abnormen körperlichen und seelischen Symptome. Man kann und muß von ihm verlangen, daß er seine Affekte und Triebe beherrscht" und die entschiedene Entgegnung hierauf von Leonhardt "Irrwege in der Neurosen-Begutachtung" (Soziale Sicherheit 1955 S. 111), auf Baetzner und Lindenberg (Soz.Sich. 1952 S. 106, 108), weiter besonders auf Lungwitz "Neurose - das Hauptübel unserer Zeit" (Soz.Sich. 1953 S. 201), der die Neurose als eine echte Krankheit bezeichnet, ferner Hülsmann "Verdeckte Wirklichkeiten bei Arbeitsunwilligkeit und Rentenneurosen" (Soz.Sich. 1955 S. 171). Aus allen diesen Darlegungen, die zum Teil im scharfen Gegensatz zu einander stehen, erhellen die Schwierigkeiten, die sich bei der Beurteilung der Neurosen an sich und in ihrer Wirkung auf die Leistungsfähigkeit ergeben.

Erschwerungen bei der Möglichkeit der Vermittlung durch den körperlichen oder geistigen Zustand eines Arbeitslosen allein können jedenfalls nicht die Annahme von Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen (vgl. dazu auch die oben erwähnte GE. Nr. 5258 und die nicht-grunds. E. vom 12.2.1937, EuM. Bd. 41 S. 133).

XIII. Beachtenswert wäre vom Landessozialgericht außerdem gemäß § 103 SGG in diesem Zusammenhang die oben unter VI erwähnte Feststellung des Ermittlers gewesen, daß der Kläger sich auf dem ererbten Besitztum seiner Frau betätigt hat, zumal er das selbst - eingeschränkt auf "leichtere Arbeiten" - zugegeben hat. Da nach den Angaben des Ermittlers auch der Bürgermeister von ... bestätigt hat, daß der Kläger "sein Land selbst bearbeitet", wäre es erforderlich gewesen, mindestens durch Vernehmung des Bürgermeisters als Zeugen Klarheit darüber zu schaffen, welche Arbeiten der Kläger ausgeführt hat. Dies hätte auch für die ärztlichen Gutachten wertvolle Hinweise bieten können.

XIV. Da der Tatbestand, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht genügend geklärt ist, konnte der Senat den Streitfall nicht selbst entscheiden. Er mußte deshalb die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2373465

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