Leitsatz (amtlich)

Dem Anspruch eines Rentners auf einen Beitragszuschuß zu seiner freiwilligen Krankenversicherung (RVO § 381 Abs 4) steht nicht entgegen, daß das private Versicherungsunternehmen, bei dem er versichert ist, seinen Sitz nicht im Inland hat und nicht der deutschen Versicherungsaufsicht unterliegt. Auch der Aufenthalt des Rentners in den Niederlanden schließt nach dem Abk Niederlande SV die Zahlung des Beitragszuschusses nicht aus.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Frist zur Einlegung der Revision beträgt in entsprechender Anwendung des SGG § 87 Abs 1 S 2 drei Monate, wenn das angefochtene Urteil den Revisionskläger außerhalb des Geltungsbereichs des SGG zugestellt wird.

2. Ausländische Versicherungseinrichtungen gehören nicht zu den Trägern der "gesetzlichen KK" nach RVO § 381 Abs 4 S 1, können aber "private Sicherungsunternehmen" iS des RVO § 381 Abs 4 S 2 sein; dabei bedeutet "privat" nicht das gleiche wie "privat-rechtlich", sondern schließt - unabhängig von ihrer Organisationsform - alle Versicherungsunternehmen ein, die nicht Träger der "gesetzlichen KV" sind.

 

Normenkette

RVO § 381 Abs. 4 Fassung: 1956-06-12, § 1315 Fassung: 1960-02-25; SVAbk NLD Art. 3 Fassung: 1951-03-29; SGG § 87 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 23. März 1966 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Juni 1964 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO schon vom 1. Dezember 1958 an zu zahlen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens - einschließlich etwaiger Kosten des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - und des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Pflicht der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, dem Kläger zu seiner in den Niederlanden bestehenden freiwilligen Krankenversicherung einen Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu zahlen.

Der Kläger, 1885 geboren, ist niederländischer Staatsangehöriger und lebt seit November 1958 wieder in seiner Heimat, nachdem er sich zuvor lange Zeit in Deutschland, zuletzt in A/Ostfriesland, aufgehalten hatte. Seit 1950 bezieht er eine Rente von der Beklagten, die seit 1957 als Altersruhegeld gewährt wird. Bis Ende November 1958 war er bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse Aurich als Rentner krankenversichert (seit August 1956 freiwillig) und erhielt von der Beklagten auch einen Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO. Seit dem 30. November 1958 ist er freiwilliges Mitglied des Algemeen Provinciaal Zickenfonds voor Utrecht en Omstreken "Voorzorg en Hulp bij Ziekte", einer zur freiwilligen Versicherung von Altersruhegeldberechtigten zugelassenen niederländischen Krankenkasse. Der Versicherungsbeitrag, den er selbst zu zahlen hat - die Krankenkasse erhält außerdem Zuschüsse vom niederländischen Staat und von einer allgemeinen Ausgleichskasse der niederländischen Sozialversicherung -, beträgt seit Anfang 1966 monatlich 46,90 Gulden.

Die Beklagte hält sich nicht für verpflichtet, einen Beitragszuschuß zu den Kosten der niederländischen Krankenversicherung des Klägers zu leisten. Entsprechende Anträge des Klägers vom Mai 1959 und April 1961 lehnte sie im Juli 1961 zunächst formlos und - nach Gegenvorstellungen des Klägers - mit Bescheid vom 20. Juni 1962 ab, weil das Krankenversicherungsunternehmen, bei dem der Kläger versichert sei, seinen Sitz nicht im Inland habe.

Auf seine Klage, mit der er die Weiterzahlung des Beitragszuschusses über November 1958 hinaus beantragte, verurteilte das Sozialgericht (SG) die Beklagte, ihm den Beitragszuschuß ab April 1961 wieder zu gewähren; der Zahlungsbeginn ergebe sich aus seinem Schreiben vom 18. April 1961, das einen diesbezüglichen Antrag enthalte (Urteil vom 3. Juni 1964).

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) begründet § 381 Abs. 4 RVO keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuß, wenn die freiwillige Krankenversicherung bei einem ausländischen Versicherungsunternehmen mit Sitz im Ausland besteht. Zwar schließe der Wortlaut des Gesetzes einen solchen Anspruch nicht aus. Ihm ständen jedoch allgemeine Grundsätze des deutschen Sozialversicherungsrechts entgegen, insbesondere das Territorialprinzip, nach dem der Staat seinen Gesetzen nur auf seinem Hoheitsgebiet Geltung verschaffen könne. Wenn ein Rentner einem ausländischen Versicherungsunternehmen beitrete, verlagere sich sein Versicherungsverhältnis so stark in das Ausland, daß es dem Herrschaftsbereich des deutschen Rechts entzogen sei. Müßte ein deutscher Versicherungsträger einen Beitragszuschuß zu einer solchen Versicherung leisten, würde der deutsche Versicherungsschutz auf ausländisches Gebiet ausgedehnt werden. Im übrigen wäre der Kläger besser als ein in Deutschland freiwillig versicherter Rentner gestellt, wenn er zu seiner - teilweise aus öffentlichen Mitteln finanzierten - niederländischen Krankenversicherung noch einen Beitragszuschuß des deutschen Rentenversicherungsträgers erhielte. Ein Anspruch darauf ergebe sich auch nicht aus dem deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommen vom 29. März 1951 und aus der Verordnung Nr. 3 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 25. September 1958 (EWG-VO Nr. 3). Daß insbesondere § 22 Abs. 2 der EWG-VO Nr. 3 den Klaganspruch nicht begründen könne, sei durch die - vom LSG eingeholte - Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften geklärt worden; dieser habe nämlich am 1. Dezember 1965 entschieden, daß Beitragszuschüsse nicht zu den Sachleistungen im Sinne der genannten Bestimmung gehörten. - Zugleich mit der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der Abweisung der Klage hat das LSG eine vom Kläger eingelegte Anschlußberufung, mit der er die Zahlung des Beitragszuschusses schon ab Dezember 1958 beantragt hatte, zurückgewiesen (Urteil des LSG Berlin vom 23. März 1966).

Der Kläger hat gegen dieses Urteil, das seinem besonderen Vertreter (§ 72 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) am 23. Mai 1966 im Inland zugestellt worden ist, am 4. August 1966 die vom LSG zugelassene Revision eingelegt; in der Rechtsmittelbelehrung hatte das LSG die Dauer der Revisionsfrist mit drei Monaten angegeben.

Der Kläger rügt die Verletzung des materiellen Rechts. Seiner Ansicht nach schließt die Zahlung der Rente "schon dem Begriff nach" auch den Beitragszuschuß mit ein, da jeder Rentner, der die Voraussetzungen des § 381 Abs. 4 RVO erfülle, einen Anspruch auf den Beitragszuschuß habe. Auch bei ihm lägen die Voraussetzungen der genannten Bestimmung vor; sie mache keinen Unterschied, ob der Rentner einer deutschen oder einer ausländischen Krankenversicherung angehöre. Für die Zahlung der Rente sei das Territorialprinzip längst aufgegeben; das gleiche müsse angesichts der über die Grenzen der einzelnen Staaten hinausgehenden Entwicklung auch für den streitigen Beitragszuschuß gelten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 23. März 1966 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Juni 1964 zurückzuweisen, außerdem auf seine Anschlußberufung die Beklagte zu verurteilen, ihm den Beitragszuschuß schon ab Dezember 1958 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf das ihrer Ansicht nach zutreffend begründete Urteil des LSG.

II

Die Revision des Klägers ist rechtzeitig. Wie das Bundessozialgericht (BSG) schon entschieden hat, beträgt die Frist zur Einlegung der Revision drei Monate, wenn das angefochtene Urteil dem Revisionskläger außerhalb des Geltungsbereichs des SGG zugestellt worden ist; § 87 Abs.1 Satz 2 SGG, der die Klagefrist bei Zustellung des Verwaltungsakts im Ausland auf drei Monate verlängert, ist im Revisionsverfahren entsprechend anzuwenden (SozR Nr. 42 zu § 164 SGG). Noch nicht entschieden ist dagegen, ob das gleiche gilt, wenn dem im Ausland wohnenden Revisionskläger das Urteil nicht dort, sondern im Inland über seinen Prozeßbevollmächtigten oder seinen besonderen Vertreter (§ 72 Abs. 3 SGG) zugestellt worden ist. Diese Frage braucht auch im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Wäre sie zu bejahen, so hätte die Revisionsfrist nach der dann zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des LSG drei Monate betragen; innerhalb dieser Frist hat der Kläger Revision eingelegt. Wäre die Frage dagegen zu verneinen, so hätte das LSG eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt; die Revision hätte dann noch innerhalb eines Jahres eingelegt werden können (§ 66 Abs. 2 SGG). Die Revision des Klägers ist hiernach in jedem Falle rechtzeitig.

Die Revision ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des LSG schließt weder der Umstand, daß der Kläger einer Versicherungseinrichtung mit Sitz in den Niederlanden angehört, noch sein eigener Aufenthalt in den Niederlanden die Gewährung eines Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 RVO aus.

Nach § 381 Abs. 4 RVO erhalten Rentner, die nicht schon kraft Gesetzes gegen Krankheit versichert sind, auf Antrag von dem zuständigen Rentenversicherungsträger einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag, "wenn sie nachweisen, daß sie als freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Den gleichen Anspruch haben Empfänger von Renten ..., die bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert sind". Diese Vorschriften, die auf dem Gesetz über Krankenversicherung der Rentner - KVdR - vom 12. Juni 1956 (BGBl I, 500) beruhen, sind erst während der parlamentarischen Beratung des Gesetzes eingefügt worden (vgl. zur Entstehungsgeschichte BSG 14, 112, 113 und 116, 118). Ihr Wortlaut gibt in mehrfacher Hinsicht zu Zweifeln Anlaß (BSG 23, 211, 212). Ihre Auslegung und Anwendung muß sich deshalb in erster Linie an ihrem Sinn und Zweck orientieren. Danach war es offenbar die Absicht des Gesetzgebers, "jedem Rentenempfänger" aus Gründen der Gleichbehandlung aller Rentner einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz zu geben (BSG aaO). Soweit dies nicht durch eine Pflichtversicherung der Rentner bei den gesetzlichen Krankenkassen geschah (vgl. § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RVO), sollte ihnen wenigstens der Abschluß einer freiwilligen Versicherung durch Zahlung eines Beitragszuschusses ermöglicht werden. Dieser Zuschuß ist somit grundsätzlich jedem Empfänger einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen, der sich freiwillig gegen Krankheit versichert. Hiervon solche Rentner auszunehmen, die bei einer ausländischen Krankenkasse versichert sind, ist nicht gerechtfertigt.

Zwar gehört eine ausländische Versicherungseinrichtung, selbst wenn sie in ihrem Heimatstaat Aufgaben wahrnimmt, die im Bundesgebiet den gesetzlichen Krankenkassen übertragen sind, nicht zu den Trägern der "gesetzlichen Krankenversicherung" im Sinne des § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO; denn diese beschränkt sich ihrem Begriff nach auf die durch die deutsche Gesetzgebung geschaffenen Krankenkassen einschließlich der Ersatzkassen. Die ausländische Versicherungseinrichtung kann jedoch ein "privates Versicherungsunternehmen" im Sinne des § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO sein.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes braucht das private Versicherungsunternehmen seinen Sitz nicht im Inland zu haben. Es wäre auch nicht einzusehen, daß einem in Deutschland wohnenden Rentner der Beitragszuschuß nur deshalb vorenthalten bleibt, weil er sich nicht bei einem deutschen, sondern einem ausländischen Versicherungsunternehmen, d.h. bei einem Unternehmen, das seinen Hauptsitz im Ausland hat, gegen Krankheit versichert hat. Ein solches Unternehmen unterliegt zwar nicht der deutschen Versicherungsaufsicht, sofern es das Versicherungsgeschäft nicht zugleich im Inland durch Vermittler betreibt (vgl. § 105 i.V.m. § 111 Abs. 1 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen - VAG - vom 6. Juni 1931, RGBl I, 315, 750). Die Frage, ob und von welcher Stelle ein Versicherungsunternehmen beaufsichtigt wird, ist jedoch für die Anwendung des § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO unerheblich. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf einen Beitragszuschuß nicht davon abhängig gemacht, daß das private Versicherungsunternehmen dem Rentner einen Versicherungsschutz gewährt, der qualitativ bestimmten, mit den Mitteln der Versicherungsaufsicht sicherzustellenden Erfordernissen genügt. Die Auswahl des Versicherungsunternehmens (und des Tarifs, sofern nur eine Vollversicherung besteht, vgl. BSG 23, 42) ist vielmehr dem Gutdünken des einzelnen Rentners überlassen worden. Auf den Sitz des Unternehmens im Inland und seine Beaufsichtigung durch eine deutsche Stelle kommt es mithin nicht an. Daß im übrigen "privat" hier nicht das gleiche bedeutet wie "privatrechtlich", sondern alle Versicherungsunternehmen einschließt, die nicht Träger der "gesetzlichen Krankenversicherung" sind, mögen sie privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert sein, hat der Senat schon früher entschieden (BSG 14, 116, 118, dort für die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten; vgl. ferner Bescheid des Bundesministers für Arbeit vom 1. Februar 1957, DOK 1957, 116 und Heyn, Die Rentnerkrankenversicherung, S. 253 f).

Ein "privates Versicherungsunternehmen" (§ 381 Abs. 4 Satz 2 RVO) ist hiernach auch die niederländische Versicherungseinrichtung, deren Mitglied der Kläger seit 1958 ist. Obwohl anscheinend Teil des öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungssystems der Niederlande, gehört sie nicht zur "gesetzlichen Krankenversicherung", sondern ist im Sinne des § 381 Abs. 4 RVO eine "private" Einrichtung. Andererseits erfüllt sie, da sie von ihren Mitgliedern Beiträge erhebt und ihnen offenbar bei Eintritt des Versicherungsfalles Leistungen mit Rechtsanspruch gewährt, die Merkmale eines Versicherungsunternehmens, ist also keine reine Unterstützungskasse im Sinne des § 1 Abs. 2 VAG. Der Kläger hat deshalb für die Zeit seiner Mitgliedschaft bei ihr Anspruch auf einen Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO.

Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers - trotz seines Aufenthalts im Ausland - auch zu erfüllen.

Das frühere Recht der KVdR, das nur eine Pflichtversicherung der Rentner bei Trägern der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung kannte, galt allerdings nicht für Rentner, deren Rente in das Ausland gezahlt wurde (§ 20 Abs. 1 der Verordnung über die KVdR vom 4. November 1941, RGBl I, 689); für sie brauchte der Träger der Rentenversicherung daher keine Beiträge zur KVdR zu entrichten.

Das neue Recht, das die Pflichtversicherung auf bestimmte Gruppen von Rentnern beschränkt, für die übrigen aber eine freiwillige Versicherung zuläßt, enthält keine Vorschrift mehr, die im Falle eines Auslandsaufenthalts den Versicherungsschutz allgemein ausschließt. Soweit solche Rentner einer inländischen Krankenkasse angehören und von ihr unmittelbar oder auf dem Wege der Aushilfe über eine ausländische Kasse Leistungen erhalten - Familienhilfe für die im Inland lebenden Angehörigen ist in jedem Falle zu gewähren (§§ 216 Abs. 2, 313 Abs. 5 Satz 2 RVO) -, wird auch die Pflicht des Rentenversicherungsträgers zur Beitragszahlung bejaht (vgl. DOK 1956, 548 f; für freiwillig versicherte Rentner: Bescheid des Bundesarbeitsministers vom 17. Dezember 1956, DOK 1957, 91; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 6. Aufl., S. 452 f II; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 6. Aufl., § 381 Anm. 5 am Ende; Harms, Die Angestelltenversicherung, 1962, 246, 248).

Etwas anderes nimmt eine verbreitete Meinung dagegen für den Fall an, daß der im Ausland wohnende Rentner nicht Mitglied einer inländischen, sondern einer ausländischen Krankenkasse ist; in diesem Fall soll keine Beitragspflicht des Rentenversicherungsträgers bestehen (anderer Ansicht jedoch Ludwig, Wege zur Sozialversicherung 1957, 276, 277 f; unentschieden wohl Heyn aaO S. 237, 277). Auch das LSG hat sich dieser Auffassung angeschlossen und sie mit dem "Territorialprinzip" begründet. Dem kann der Senat nicht folgen.

Richtig ist allerdings, daß die Ausübung staatlicher Gewalt, von Ausnahmen abgesehen, auf das eigene Staatsgebiet beschränkt ist. Die deutsche Sozialversicherung als eine - in der Regel mit Beitragspflichten verbundene - Zwangsversicherung erstreckt sich deshalb grundsätzlich nicht auf Personen im Ausland (vgl. Brackmann, aaO S 239). Ob dieser Grundsatz auch dann uneingeschränkt gilt, wenn sich der staatliche Versicherungszwang, wie bei den pflichtversicherten Rentnern, lediglich darin äußert, daß das Gesetz die Mitgliedschaft und damit die Leistungsberechtigung bei einem (inländischen) Versicherungsträger begründet, ohne daß der Gewährung des Versicherungsschutzes eigene Beitragspflichten des Versicherten gegenüberstehen, läßt der Senat offen. Das Territorialprinzip schließt jedenfalls nicht aus, einen inländischen Versicherungsträger zu Leistungen an Personen im Ausland zu verpflichten, wenn diese Leistungen, wie die Beitragszuschüsse nach § 381 Abs. 4 RVO, auf Antrag gewährt werden und den Begünstigten nur die Möglichkeit geben sollen, sich im Ausland einen angemessenen Krankenversicherungsschutz zu verschaffen. Ein Zwang irgendwelcher Art, wie er für die Ausübung staatlicher Gewalt kennzeichnend ist, ist mit der Zahlung solcher Leistungen nicht verbunden. Mit ihnen wird auch nicht innerstaatlicher Versicherungsschutz auf ausländisches Gebiet ausgedehnt, wie das LSG meint. Das Territorialprinzip nötigt deshalb nicht dazu, Beitragszuschüsse nach § 381 Abs. 4 RVO von der Zahlung ins Ausland auszunehmen.

Andererseits begründet für den Bereich der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) nicht schon Art. 22 der EWG-VO Nr. 3 eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 RVO; denn ein solcher Zuschuß fällt, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 1. Dezember 1965 entschieden hat, nicht unter den Begriff der - bei Krankheit zu gewährenden - Sachleistungen im Sinne der genannten Vorschrift (vgl. Die Sozialgerichtsbarkeit 1967, 346 und Haug ebenda S. 337, 341 f).

Ob und inwieweit Leistungen der Rentenversicherung ins Ausland zu zahlen sind, richtet sich vielmehr nach den §§ 1315 ff RVO = §§ 94 ff AVG ("Zahlung von Leistungen bei Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes") und nach den besonderen Bestimmungen des zwischen- oder überstaatlichen Rechts. Zu den Regelleistungen der Rentenversicherung gehören nach § 1235 Nr. 5 RVO = § 12 Nr. 5 des Angestelltenversicherungsgesetze (AVG) auch Beiträge der Rentenversicherungsträger zur KVdR; ihnen gleichzustellen sind die Beitragszuschüsse nach § 381 Abs. 4 RVO. In den genannten gesetzlichen Vorschriften ist die Zahlung von Beitragszuschüssen bei Auslandsaufenthalt nicht geregelt. Ob ihre Zahlung deswegen grundsätzlich unzulässig ist, weil nur die ausdrücklich in den §§ 1315 ff RVO = §§ 94 ff AVG zugelassenen Zahlungen in das Ausland geleistet werden dürfen (vgl. BSG 22, 263 für Beitragserstattungen und BSG 24, 227 für Witwenrentenabfindungen), kann für den vorliegenden Rechtsstreit unentschieden bleiben (die Frage wird bejaht in einem Bescheid des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger vom 25. Januar 1967, Die Beiträge 1967, 204). Im Falle des Klägers ist die Beklagte jedenfalls aufgrund des deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommens vom 29. März 1951 (BGBl II, 222) zur Zahlung des Beitragszuschusses verpflichtet.

Art. 3 dieses Abkommens sieht vor, daß Personen, die im Gebiet eines der beiden Vertragsstaaten wohnen oder sich dort aufhalten, Anspruch auf die nach den Vorschriften jedes der beiden Vertragsstaaten unter Berücksichtigung dieses Abkommens zu gewährenden Leistungen der Sozialversicherung haben, und zwar grundsätzlich "ohne jede Einschränkung" (Abs. 1). Zur Verdeutlichung dieser Regelung, die einen "Hauptgrundsatz" des Abkommens enthält (vgl. dazu das im Bundesarbeitsblatt 1952, 66 abgedruckte Memorandum unter I 1), bestimmt Art. 3 Abs. 3, daß innerstaatliche Vorschriften, die wegen des Wohnorts oder Aufenthalts im Ausland den Ausschluß eines Anspruchs oder das Ruhen oder die Entziehung von Leistungen vorsehen, nicht entgegenstehen. Hiernach sind auch Beitragszuschüsse nach § 381 Abs. 4 RVO an Anspruchsberechtigte in den Niederlanden "ohne jede Einschränkung", namentlich ohne Rücksicht darauf zu zahlen, ob etwa innerdeutsche Vorschriften wie §§ 1315 ff RVO = §§ 94 ff AVG der Zahlung entgegenstehen. Daran hat sich auch nach dem Inkrafttreten der EWG-VO Nr. 3 nichts geändert; denn diese hat die hier maßgebende Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 des deutsch-niederländischen Abkommens - Art. 3 Abs. 3 hat neben ihr nur deklatorische Bedeutung - ausdrücklich für weiter anwendbar erklärt (Art. 6 Abs. 2 Buchst. e der EWG-VO Nr. 3 i.V.m. Anhang D "Bundesrepublik Deutschland-Niederlande" Nr. 1; vgl. auch das Schreiben des Bundesministers für Arbeit vom 21. Oktober 1961, abgedruckt bei Plöger/Wortmann, Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten; Stand: November 1966, Teil III Niederlande, S. 8 f).

Der Kläger wird auch dadurch, daß er zu seiner - teilweise aus öffentlichen Mitteln finanzierten - niederländischen Krankenversicherung noch einen Beitragszuschuß des deutschen Rentenversicherungsträgers erhält, entgegen der Ansicht des LSG nicht besser gestellt als ein Rentner, der sich in Deutschland unter im übrigen gleichen Voraussetzungen freiwillig krankenversichert. Auch hier gibt es größere Gruppen von Rentnern, die bei einer Einrichtung freiwillig versichert sind, die ihnen wegen erheblicher öffentlicher Zuschüsse besonders günstige Tarife bietet (z.B. die Postbeamten-Krankenkasse und die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten). Dieser Umstand beeinträchtigt indessen ihren Anspruch auf den - vollen - Beitragszuschuß selbst dann nicht, wenn der Zuschuß den vom Rentner zu zahlenden Versicherungsbeitrag übersteigt (BSG 14, 116). Im Falle des Klägers ist der Beitrag, den er an seine niederländische Krankenversicherung trotz deren öffentlicher Subventionierung zu entrichten hat, höher als der von der Beklagten zu zahlende Beitragszuschuß. Eine ungerechtfertigte "Besserstellung" des Klägers gegenüber entsprechenden deutschen Versicherten liegt also nicht vor.

Der Senat hat hiernach auf seine Revision das Urteil des LSG, das auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG, das dem Kläger den Beitragszuschuß ab April 1961 zugesprochen hat, zurückgewiesen. Zugleich hat der Senat die Beklagte auf die Anschlußberufung des Klägers verurteilt, den Beitragszuschuß schon ab Dezember 1958 zu zahlen. Der Kläger hat erstmals im Mai 1959 die weitere Zahlung des Zuschusses über November 1958 hinaus bei der Beklagten beantragt und diesen Antrag im April 1961 wiederholt. Auch im Verfahren vor dem SG hat er seinen Antrag nicht, wie das SG angenommen zu haben scheint, auf die Zeit ab April 1961 eingeschränkt (vgl. S. 3 des Schriftsatzes vom 22. Juni 1964). Da er die Voraussetzungen für die Weitergewährung des Beitragszuschusses seit Dezember 1958 erfüllt - er ist seit Ende November 1958 Mitglied einer niederländischen Krankenkasse -, hat die Beklagte ihm den Zuschuß nicht erst ab April 1961, sondern schon ab Dezember 1958 zu zahlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 129

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