Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Übergangsgeldes
Leitsatz (amtlich)
Das Übergangsgeld für einen Behinderten ist nach seinem Arbeitsentgelt zu bemessen, das er unmittelbar vor einer als Rehabilitationsmaßnahme gewährten Umschulung erzielte, falls er zwischen dieser Maßnahme und einer vorausgegangenen Berufsfindung und Arbeitserprobung nach seinem Entgelt zumutbar beschäftigt war.
Normenkette
AFG § 59 Abs 3 S 1, § 59c
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 16.12.1988; Aktenzeichen L 6 Ar 112/88) |
SG Trier (Entscheidung vom 27.06.1988; Aktenzeichen S 1 Ar 11/88) |
Tatbestand
Umstritten ist die Höhe des Übergangsgeldes (Übg) für den Kläger, der aus gesundheitlichen Gründen gegen Ende 1985 seinen Metzgerberuf aufgegeben und seitdem als Metallschleifer gearbeitet hat.
Das Arbeitsamt bewilligte ihm für Januar 1987 als berufsfördernde Maßnahme der Rehabilitation Behinderter eine Arbeitserprobung und Berufsfindung (Bescheid vom 30. September 1986) und zahlte ihm ua Übg nach § 59 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Danach war der Kläger wieder als Metallschleifer tätig und verdiente im September 1987 3.993,70 DM. Ab 1. Oktober 1987 nahm er an einer Vorschulung und anschließend an einer ebenfalls bewilligten Umschulung zum Informationselektriker teil. Das Arbeitsamt berechnete für diese Zeit das Übg nach dem im November 1986 erzielten Arbeitsentgelt in Höhe von 2.080,- DM (Bescheid vom 29. Oktober 1987, Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 1988). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Berechnung das höhere Arbeitsentgelt vom September 1987 zugrunde zu legen (Urteil vom 27. Juni 1988). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 16. Dezember 1988). Nach seiner Überzeugung ist für den Regellohn, das entgangene regelmäßige Entgelt, nach dem sich das Übg bemißt, das Arbeitsentgelt in dem Bemessungszeitraum maßgebend, in dem es der Behinderte im letzten Lohnabrechnungszeitraum unmittelbar vor der Vorschulung und Umschulung als selbständigen, von der Berufsfindung und Arbeitserprobung unterschiedenen Förderungsmaßnahmen erzielte. Als "Maßnahme" in diesem Sinn sei nicht die Arbeitserprobung gemeinsam mit den beiden folgenden Förderungshilfen anzusehen.
Die Beklagte rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung des § 59 AFG. Die verschiedenen Maßnahmen ständen in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang und bildeten eine umfassende Rehabilitation, so daß das vor Beginn der ersten Maßnahme, der Arbeitserprobung, erzielte Entgelt für die Bemessung des Übg während des ganzen Verfahrens maßgebend bleibe.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Die Vorinstanzen haben zu Recht das Arbeitsentgelt, das der Kläger unmittelbar vor der Vorschulung und anschließenden Umschulung erzielte, als Berechnungsgrundlage für maßgebend gehalten, dagegen nicht das Entgelt aus der Zeit vor der Berufsfindungs- und Arbeitserprobungsmaßnahme.
Der behinderte Kläger hatte in der Zeit, in der er wegen der Teilnahme an der zusammenhängenden Vor- und Umschulung als berufsfördernder Maßnahme der Rehabilitation nicht ganztägig erwerbstätig sein konnte, Übg zu beanspruchen (§ 59 Abs 1 Satz 1, § 56 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und 3 Nr 1, Abs 4 Satz 2, § 58 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 1 Satz 1 AFG idF seit dem Rehabilitations-Angleichungsgesetz -RehaAnglG- vom 7. August 1974 - BGBl I 1881 -, § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 6, § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 RehaAnglG). Diese Leistung war nach dem Regellohn, dh nach dem entgangenen regelmäßigen Entgelt, zu bemessen (§ 59 Abs 2 Satz 1 AFG). Der Regellohn bestimmte sich nach dem Entgelt, das der Kläger "im letzten vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum des letzten Beschäftigungsverhältnisses" - Bemessungszeitraum - erzielte (§ 59 Abs 3 Satz 1 AFG; dazu BSGE 58, 175, 178 ff = SozR 4100 § 59 Nr 3).
Als "Maßnahme", vor deren Beginn der Regellohn erzielt worden sein mußte, könnte die Vor- und anschließende Umschulung maßgebend sein, weil diese beiden berufsfördernden Veranstaltungen nach dem gesetzlichen Leistungskatalog neben der Berufsfindung und Arbeitserprobung (§ 59 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG) selbständige Maßnahmen zur Rehabilitation sind (§ 11 Abs 2 Satz 1 Nrn 2 und 3 RehaAnglG; BSGE 57, 113, 116 = SozR 4100 § 59d Nr 2; SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 2; zum Begriff "Maßnahme": BSG SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 4; 2200 § 1241e Nr 19; zum Bemessungszeitraum in der Rentenversicherung: BSG 9. Mai 1984 - 4 RJ 65/83 -). Dafür könnte sprechen, daß ein Gesamtplan über die Rehabilitation des Klägers (§ 5 Abs 3 RehaAnglG) erst nach der Berufsfindung aufgestellt und daß erst dann entschieden wurde, welche eigentlichen Förderungshilfen iS der §§ 56 ff AFG dem Kläger gewährt werden sollten. Berufsfindung und Arbeitserprobung sollten erst die Eignung für einen bestimmten Beruf und für eine darauf gerichtete Förderung ermitteln (BSGE 46, 190, 192 = SozR 2200 § 182 Nr 34; BSGE 49, 10, 11 f = SozR 2200 § 1241e Nr 8; SozR 2200 § 1241e Nr 14). Diese Auslegung des § 59 Abs 3 Satz 1 AFG lag möglicherweise bei längerem zeitlichen Abstand zwischen Berufsfindung und Umschulung nahe. Seit entschieden ist (Urteil des 7. Senats vom 22. August 1984 BSGE 57, 113 = SozR 4100 § 59d Nr 2), daß zwischen zwei beruflichen Rehabilitationsabschnitten Anspruch auf Übergangsgeld bestehen kann, gilt das aber entgegen der Meinung des LSG nicht immer, wenn ein Behinderter zwischen zwei Abschnitten für mehr als vier Wochen entgeltlich arbeitet; es gilt nur in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Kläger gemessen am Entgelt des Berufs, den er behinderungsbedingt aufgeben mußte, in zumutbarer Weise beschäftigt war.
Das LSG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß die Anspruchsgrundlage für das Übergangsgeld den "letzten vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum des letzten Beschäftigungsverhältnisses" für maßgebend erklärt und keine Einschränkungen vorsieht (vgl § 59 Abs 3 Satz 1 AFG. Gewiß mögen nach allgemeinem Sprachgebrauch im Sozialrecht unter "Maßnahmen" im Zusammenhang mit der Rehabilitation im allgemeinen nicht das ganze Rehabilitationsverfahren, sondern die einzelnen zusammenhängenden Abschnitte gemeint sein. Mit dieser Erkenntnis ist aber nicht geklärt, daß es dem Willen des Gesetzes entspreche, die Höhe des Übergangsgeldes in allen Fällen einer Zwischenbeschäftigung von wenigstens vier Wochen nach dem Entgelt in dieser Beschäftigung zu bestimmen. Das hieße, die Lebensgrundlage für oft mehrere Jahre der Rehabilitation nach kurzfristigen und oft von Zufälligkeiten abhängigen Zwischenbeschäftigungen auszurichten.
Der Wille des Gesetzes kommt vielmehr in anderen Regelungen zum Ausdruck, die auch dazu geführt haben, den Behinderten ein sogenanntes Zwischenübergangsgeld zuzusprechen, das im AFG nicht ausdrücklich für alle Fallgestaltungen einer abschnittsweisen Rehabilitation vorgesehen ist. Daß die Rehabilitation Behinderter ein einheitliches Ganzes sein muß, auch wenn mehrere Rehabilitationsträger nacheinander beteiligt sind und sich die einzelnen Rehabilitationsschritte nicht nahtlos aneinander anschließen, hat den Gesetzgeber veranlaßt, auch die Existenzsicherung in dieser Zeit grundsätzlich einheitlich zu regeln. Damit ist vor allem verhütet worden, daß in den Zwischenzeiten, in denen nicht gezielt rehabilitiert wird, die Existenzgrundlage absinkt (vgl § 17 des RehaAnglG und die entsprechenden Vorschriften in der Rentenversicherung - § 1241e der Reichsversicherungsordnung -RVO-, in der Unfallversicherung - § 568a RVO - und im Versorgungsrecht - § 16e des Bundesversorgungsgesetzes -BVG-). Eine entsprechende Regelung fehlt zwar im AFG, diese Regelung ist aber, was der 7. Senat aaO überzeugend ausgeführt hat, unabsichtlich und nicht planmäßig unterlassen worden. Im Wege der richterlichen Lückenfüllung ist daher geklärt worden, daß Übergangsgeld zwischen zwei berufsfördernden Maßnahmen zu gewähren ist, wenn die nachfolgende Maßnahme aus Gründen, die der Behinderte nicht zu vertreten hat, nicht im unmittelbaren Anschluß an die vorherige Maßnahme durchgeführt wird, dem Behinderten ein Anspruch auf Krankengeld nicht zusteht und ihm eine zumutbare Beschäftigung nicht vermittelt werden kann.
Der Anspruch auf Zwischenübergangsgeld ist ein Anspruch auf Weiterzahlung des Übergangsgeldes (BSG aaO S 416). Es ist nach dem Entgelt zu berechnen, das der Behinderte vor dem ersten Rehabilitationsschritt verdient hat. Dieses Entgelt kann für den nächsten und alle weiteren Rehabilitationsschritte und für die Pausen zwischen den einzelnen Rehabilitationsabschnitten, somit für das ganze Rehabilitationsverfahren maßgebend bleiben.
Mit der Entscheidung für das Zwischenübergangsgeld sind aber noch nicht abschließend die Fälle geregelt, in denen der Behinderte während einer Unterbrechung, für die das Zwischenübergangsgeld vorgesehen ist, Arbeitsentgelt erzielt. Es ist aber gesetzlich geregelt, daß dieses Arbeitsentgelt für das Übergangsgeld des nächsten Rehabilitationsabschnittes nicht maßgebend sein kann, wenn es geringer ist als das Übergangsgeld. Dann wird nämlich das Arbeitsentgelt nach § 59e AFG nur angerechnet. Übergangsgeld wird, wenn auch nur in verringerter Höhe, als Zwischenübergangsgeld weitergezahlt und nach § 59c AFG ist bei der Berechnung des Übergangsgeldes für den nächsten Rehabilitationsabschnitt wieder das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das dem Übergangsgeld zugrunde lag. Auch für die Fälle, in denen der Behinderte ein - um die gesetzlichen Abzüge vermindertes - Arbeitsentgelt bezieht, das das Übergangsgeld übersteigt, so daß kein Übergangsgeld mehr zu zahlen ist, ergeben sich zwanglos Regelungen aus den Erwägungen, die der Einführung des Zwischenübergangsgeldes in das Rehabilitationsrecht des AFG zugrunde liegen. Der Anspruch auf Zwischenübergangsgeld entfällt nach der genannten Entscheidung nur, wenn der Behinderte eine zumutbare Beschäftigung aufnimmt. Die Zumutbarkeit wird sich in der Regel nach dem erzielten Entgelt richten. Denn das Übergangsgeld und auch das Zwischenübergangsgeld soll jeweils während einer Förderungsmaßnahme, solange der Behinderte infolge der Teilnahme an ihr nicht voll erwerbstätig sein kann, den ausfallenden Lohn ersetzen und weiterhin annähernd denjenigen Lebensunterhalt gewährleisten, der durch das letzte vorher erzielte Arbeitseinkommen ermöglicht wurde (BSGE 53, 229, 232 = SozR 2200 § 1241 Nr 21; SozR 2200 § 568 Nr 6; Urteil vom 9. Mai 1984). Das Zwischenübergangsgeld hat vor allem den Sinn, den Lebensstandard nicht nur in der ersten Rehabilitationsphase, sondern auch in den nächsten Rehabilitationsabschnitten einschließlich etwaiger späterer Unterbrechungen aufrechtzuerhalten. Das wäre gefährdet, wenn das in einer Rehabilitationsunterbrechung erzielte niedrigere Arbeitsentgelt maßgebend würde. Im vorliegenden Fall war bei einem Entgeltvergleich die sogenannte Zwischenbeschäftigung zumutbar.
Der in der Zwischenzeit erzielte Lohn lag insgesamt nicht unter der Höhe des letzten Verdienstes in dem Beruf, den der Kläger wegen einer Behinderung aufgeben mußte (Metzger). Dieser Beruf ist für die Prüfung, ob der Kläger eine zumutbare Beschäftigung ausgeübt und damit ein zumutbares Entgelt erzielt hat, zugrundezulegen. Das ist aus den Regelungen des § 59a AFG zu entnehmen, der bei einem länger zurückliegenden Arbeitsentgelt anordnet, welcher Maßstab anzulegen ist. Maßgebend ist das Arbeitsentgelt für diejenige Beschäftigung, für die der Behinderte ohne die Behinderung nach seinen beruflichen Fähigkeiten und nach seinem Lebensalter in Betracht käme. Das war hier der Beruf als Metzger. Unter diesen Umständen liegt es auch fern, Rechtsmißbrauch einzuwenden, weil das Arbeitsentgelt in dem Abrechnungszeitraum zwischen den beiden Rehabilitationsabschnitten fast doppelt so hoch war wie das Arbeitsentgelt, das unmittelbar vor dem ersten Rehabilitationsabschnitt erzielt worden ist. Denn dieses erste Entgelt nach Eintritt der Rehabilitationsbedürftigkeit war besonders niedrig, was die Beklagte hätte veranlassen können, zu prüfen, ob nach § 59a Satz 1 Nr 3 AFG unter Härtegesichtspunkten ein anderes Entgelt hätte zugrunde gelegt werden können. Hingegen lag das Arbeitsentgelt in der maßgebenden Zwischenzeit nicht wesentlich über dem Arbeitsentgelt, das der Kläger verdient hatte, bevor er behinderungsbedingt seinen erlernten Beruf als Metzger aufgegeben hat.
Diese Auslegung wird nicht etwa durch den Grundsatz verdrängt, daß die dem Unterhalt dienende Leistung des Arbeitslosengeldes (Alg) nach einem Arbeitsentgelt aus einer Anwartschaftszeit unverändert - auch während verschiedener aufeinanderfolgender Leistungsfälle mit Zwischenbeschäftigungen - berechnet wird, bis der Leistungsanspruch aus dieser Anwartschaftszeit verbraucht ist (BSGE 54, 110 ff, bes 113 f = SozR 4100 § 112 Nr 21; SozR 4100 § 117 Nr 19; für das Unterhaltsgeld: BSG SozR 4100 § 112 Nr 17). Diese Regelung hat ihren Grund darin, daß der Anspruch auf Alg dementsprechend zeitlich begrenzt ist (§§ 106 ff AFG). Gleiches gilt jedoch nicht für das Übg. Obgleich es ebenso wie das Alg einen ausgefallenen Lohn ersetzen soll und als Anwartschaft grundsätzlich eine beitragspflichtige Beschäftigung von bestimmter Mindestdauer innerhalb einer Rahmenfrist - den letzten fünf Jahren vor Beginn der Maßnahme - oder einen bestimmten Alg-Bezug, der eine Anwartschaftszeit erfordert, voraussetzt (§ 59 Abs 1 Satz 3 AFG; Abwandlungen in Satz 4 und 6 und Abs 5), wird doch der Anspruch auf Übg nicht ebenso in Abhängigkeit von der versicherungsrechtlichen Vorleistung einer beitragspflichtigen Beschäftigung zeitlich begrenzt. Vielmehr ist die Bezugsdauer an die Dauer der jeweiligen Maßnahme gebunden (BSGE 47, 51, 53 = SozR 2200 § 1241e Nr 5). Das folgt aus der eingangs dargelegten Bindung an eine berufsfördernde Maßnahme, deren Dauer durch ihren Zweck bestimmt wird, und wird durch Vorschriften über eine Weitergewährung nach der Zeit einer Maßnahme in § 59d AFG bestätigt.
Dies ist auch wegen einer gleichartigen Bemessung des Krankengeldes aus der gesetzlichen Krankenversicherung geboten, dem das Übg als eine Leistung während der beruflichen Rehabilitation (§ 13 RehaAnglG; vgl BSG SozR 2200 § 1241 Nr 32 S 108 f) gleicht. Krankengeld wird bei einer neuen Arbeitsunfähigkeit nach dem Arbeitsentgelt berechnet, das zwischen dieser und einer früheren Arbeitsunfähigkeit erworben wurde (BSGE 36, 55, 57 f = SozR Nr 59 zu § 182 RVO; BSGE 54, 62, 66 = SozR 2200 § 182 Nr 84).
Demnach ist der umstrittene Anspruch begründet. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen