Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit vom 1. September 1976 bis zum 21. November 1976 das Übergangsgeld zusteht.

Der Kläger, der zuletzt als Betonbauer tätig gewesen war, nahm auf Kosten der Beklagten seit dem 5. Februar 1975 an einem Umschulungslehrgang zum Bürokaufmann teil. Die Beklagte gewährte ihm das Übergangsgeld. Der Kläger bestand zwar die mündliche, nicht aber die schriftliche Prüfung, die in der Zeit vom 16. bis zum 18. August 1976 stattfand. Die Beklagte stellte mit Ablauf des 31. August 1976 die Zahlung des Übergangsgeldes ein. Der Kläger nahm seit dem 22. November 1976 auf Kosten der Beklagten an dem Intensivunterricht der nächstfolgenden Abschlußklasse teil und bestand in der Zeit vom 13. bis zum 15. Dezember 1976 die schriftliche Prüfung. Für diese Zeit gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 5. November 1976 das Übergangsgeld. Sie lehnte jedoch den Antrag des Klägers ab, ihm auch für die Zeit vom 1. September 1976 bis zum 21. November 1976 das Übergangsgeld zu gewähren.

Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger für die Zeit vom 1. September 1976 bis zum 21. November 1976 berufsfördernde Maßnahmen zu gewähren. Der Kläger habe daher auch nach § 1241 d der Reichsversicherungsordnung (RVO) für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Übergangsgeld. Etwas anderes könne allenfalls in solchen Fällen gelten, in denen der Zeitraum zwischen dem Nichtbestehen der Prüfung und der Vorbereitungszeit für die neue Prüfung so extrem kurz ist, daß eine Arbeitsvermittlung nicht möglich sei. Bei einem Zwischenraum von fast drei Monaten seien die Arbeitsämter aber durchaus imstande, Arbeitsplätze zu vermitteln.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der - vom SG durch Beschluß zugelassenen - Sprungrevision angefochten. Er ist der Ansicht, das Übergangsgeld stehe ihm nach § 1241e Abs. 3 RVO zu, denn er sei mit Ablauf der berufsfördernden Maßnahme am 31. August 1976 beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet gewesen und habe der beruflichen Eingliederung zur Verfügung gestanden. Für die Anwendung dieser Vorschrift sei es nicht erforderlich, daß die Berufsförderungsmaßnahme erfolgreich abgeschlossen gewesen sei; es genüge vielmehr auch die Beendigung auf andere Weise.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 5. November 1976 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 1977 zu verurteilen, an den Kläger auch für die Zeit vom 1. September bis zum 21. November 1976 Übergangsgeld zu zahlen;

hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und trägt zusätzlich vor, die Anwendung des § 1241e Abs. 1 RVO setze voraus, daß die Berufsförderungsmaßnahme mit Erfolg abgeschlossen sei, wie sich aus der Rechtsprechung zu § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO ergebe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Sprungrevision des Klägers hat insofern Erfolg, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das SG zurückverwiesen wird. Die festgestellten Tatsachen reichen zur abschließenden Entscheidung nicht aus.

Nach § 1240 Satz 1 RVO besteht ein Anspruch auf Übergangsgeld während einer berufsfördernden Maßnahme, wenn der Betreute arbeitsunfähig ist oder wegen Teilnahme an der Maßnahme keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor, denn die von der Beklagten zunächst gewährte berufsfördernde Maßnahme hat nicht über den 31. August 1976 hinaus angedauert, sondern war mit dem Nichtbestehen der schriftlichen Prüfung beendet. Daran ändert die Tatsache nichts, daß von vornherein Ziel der berufsfördernden Maßnahme die erfolgreiche Umschulung zum Bürokaufmann und damit die bestandene Prüfung war. Zwar ist die gesamte Umschulung bis zur bestandenen Prüfung als eine einheitliche Ausbildung anzusehen. Das bedeutet aber nicht, daß es sich i.S. des § 1240 RVO um eine einheitliche berufsfördernde Maßnahme handelte. Mit dem Nichtbestehen der Prüfung war die von der Beklagten gewährte berufsfördernde Maßnahme zunächst beendet. Es bedurfte einer neuen Entschließung der Beklagten, die Teilnahme des Klägers an dem Intensivunterricht der nächstfolgenden Abschlußklasse zu bewilligen, so daß darin die Gewährung einer weiteren berufsfördernden Maßnahme - wenn auch mit demselben Ziel - liegt.

Nach Beendigung der ersten berufsfördernden Maßnahme könnte der Kläger daher nur einen Anspruch auf Weiterzahlung des Übergangsgeldes haben, wenn die Voraussetzungen des § 1241e RVO vorliegen. Einen Anspruch nach § 1241e Abs. 3 RVO hat der Kläger allerdings nicht, weil die berufsfördernde Maßnahme mit dem Nichtbestehen der schriftlichen Prüfung zwar beendet, nicht aber im Sinne der genannten Vorschrift abgeschlossen war. Nicht jede Beendigung der gewährten berufsfördernden Maßnahme führt zu ihrem Abschluß, sondern nur diejenige, mit der das gesteckte Ziel erreicht wird (vgl. Verbandskommentar Anm. 4 zu § 1241e; Eicher/Haase/Rauschenbach, "Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten", 6. Aufl. Anm. 7 zu § 1241e). Das folgt zwar nicht schon - wie die Beklagte meint - aus einem Vergleich zu § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO; denn im Gegensatz dazu geht es hier nicht um den Abschluß der Ausbildung, sondern um den Abschluß der berufsfördernden Maßnahme. Der Gesetzgeber wollte in § 1241e As 3 RVO die Fälle erfassen, in denen der Betreute nicht sofort in den Umschulungsberuf vermittelt werden kann. Da das Ziel der berufsfördernden Maßnahme erst mit der Aufnahme einer Tätigkeit im Umschulungsberuf erreicht ist, soll der Versicherungsträger noch bis zur erfolgreichen Vermittlung für eine Übergangszeit den Lebensunterhalt des Betreuten sichern. Das setzt aber voraus, daß der Betreute durch die berufsfördernde Maßnahme die Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt hat, die zur Ausübung des Umschulungsberufes notwendig sind. Deshalb kann sich die Vorschrift nur auf eine mit Erfolg beendete berufsfördernde Maßnahme beziehen. Wird die berufsfördernde Maßnahme erfolglos beendet, so kann es nicht Aufgabe des Versicherungsträgers sein, den arbeitslosen Versicherten über die Beendigung der gewährten Maßnahme hinaus zu unterstützen, weil dann die Arbeitslosigkeit in keinem Zusammenhang zur Maßnahme steht und deshalb die Arbeitsämter einzutreten haben.

Das schließt aber einen Anspruch des Klägers auf das Übergangsgeld nicht unbedingt aus. In § 1241e Abs. 1 RVO ist der Fall geregelt, daß nach Abschluß medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation berufsfördernde Maßnahmen erforderlich sind und diese aus Gründen, die der Betreute nicht zu vertreten hat, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden. Ein solcher Fall liegt hier zwar nicht vor, jedoch könnte die Interessenlage ähnlich sein, so daß die Vorschrift möglicherweise analog anzuwenden ist. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat in seinem Urteil vom 19. Apri1 1978 - 4 RJ 21/77 - die Frage offengelassen, ob eine entsprechende (analoge) Anwendung des § 17 Abs. 1 des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes und des § 1241e Abs. 1 RVO in Betracht kommt, falls mehrere berufsfördernde Maßnahmen nicht nahtlos aufeinander folgen. Diese Frage muß jedoch bejaht werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 1241e Abs. 1 RVO vorliegen (ebenso Verbandskommentar Anm. 2 zu § 1241e Eicher/Haase/Rauschenbach a.a.O. Anm. 5 zu § 1241e). Der Gesetzgeber hat nur den relativ häufigen Fall gesehen und geregelt, daß verschiedenartige Rehabilitationsmaßnahmen aufeinander folgen, nicht aber an den seltenen Fall gedacht, daß zur Zweckerreichung mehrere gleichartige Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich sind. Die Vorschrift des § 1241e Abs. 1 RVO hat den Sinn, daß derjenige Versicherte, der sich während einer Pause zwischen der medizinischen und berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme zur Verfügung des Rentenversicherungsträgers halten muß und nicht als Arbeitsunfähiger durch Krankengeld oder als Arbeitsfähiger durch Arbeitsentgelt in seiner wirtschaftlichen Existenz gesichert ist, vom Rentenversicherungsträger unterhalten werden muß, da dieser durch die Anordnung der Rehabilitationsmaßnahme den Betreuten an anderen Dispositionen hindert (vgl. Urteil des 4. Senats vom 27. Juni 1978 - 4 RJ 90/77 -). Das gilt ebenso für eine vom Betreuten nicht zu vertretende Pause zwischen zwei berufsfördernden Maßnahmen, so daß anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber nach seiner Gesamtkonzeption diesen Fall i.S. des § 1241e Abs. 1 RVO geregelt hätte, wenn er ihn in seinem Blickfeld gehabt hätte.

Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Kläger die Pause zwischen den beiden berufsfördernden Maßnahmen nicht zu vertreten hatte, denn er hatte keinen Einfluß auf den Beginn des Intensivunterrichts der nächstfolgenden Abschlußklasse. Aus den Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils ist jedoch nicht erkennbar, wann die Teilnahme an dem Intensivunterricht der nächstfolgenden Abschlußklasse geplant worden ist. Diese Frage ist deshalb von Bedeutung, weil nur derjenige Versicherte, der sich in der Pause zwischen zwei Maßnahmen zur Verfügung des Versicherungsträgers halten muß und deshalb eine zumutbare Arbeit nicht aufnehmen kann, in der Form des Übergangsgeldes vom Versicherungsträger unterhalten werden soll. Nimmt der Versicherte eine Tätigkeit nicht auf, obwohl eine weitere Maßnahme noch nicht geplant ist, so besteht zwischen der Arbeitslosigkeit und den Maßnahmen des Versicherungsträgers kein innerer Zusammenhang, so daß der Versicherungsträger für den Lebensunterhalt des Versicherten auch nicht einzutreten braucht. Darüber hinaus ist nach § 1241e Abs. 1 RVO erforderlich, daß der Betreute in der Zwischenzeit entweder ohne Anspruch auf Krankengeld arbeitsunfähig ist oder aber nicht in eine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann.

Ob die eine oder andere dieser beiden Voraussetzungen vorliegt, steht ebenfalls nicht fest. Das SG wird die entsprechenden Tatsachenfeststellungen nachzuholen haben. Rechtlich ist dabei von dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung auszugehen (vgl. Urteil des 4. Senats vom 27. Juni 1978 - 4 RJ 90/77 -); die Zumutbarkeit einer Beschäftigung richtet sich nach § 103 Abs. 1a des Arbeitsförderungsgesetzes.

Der Senat hat auf die danach begründete Revision des Klägers das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur Nachholung der erforderlichen Tatsachenfeststellungen an das SG zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518715

BSGE, 51

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