Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Aufwendungen für eine dem halbseitig gelähmten J…H… (im folgenden: H.) zur Verfügung gestellte hydraulische Zeichenmaschine.

Der am 31. März 1955 geborene H. ist seit einer Erkrankung an Kinderlähmung linksseitig spastisch gelähmt. Nach Beendigung der Hauptschule wurde er vom 1. September 1972 bis zum 31. August 1975 beim Staatlichen Hochbauamt R… als Bauzeichner ausgebildet und anschließend dort weiter beschäftigt. Seit Beginn seines Ausbildungsverhältnisses wurden Pflichtbeiträge an die Beklagte entrichtet.

Am 16. August 1974 beantragte H. bei der Beklagten die Beschaffung bzw. eine Übernahme der Kosten einer hydraulischen Zeichenmaschine als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) vom 21. Oktober 1974 ab, weil ihre Zuständigkeit nicht gegeben sei. Zur Ausstattung des Arbeitsplatzes des H. mit den erforderlichen Arbeitshilfen sei nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) der Arbeitgeber des H. verpflichtet. Könne er die notwendigen Arbeitshilfen nicht beschaffen, komme eine Kostenübernahme aus der Ausgleichsabgabe und im übrigen durch die Arbeitsverwaltung in Betracht. Der Arbeitgeber des H. lehnte die Beschaffung der Zeichenanlage aus eigenen Mitteln ebenfalls ab. Daraufhin kam die Klägerin einstweilen für die Kosten der am 27. November 1974 gelieferten Anlage in Höhe von 6.323,67 DM auf.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 1974 machte die Klägerin bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe der Beschaffungskosten für die Zeichenanlage geltend. Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab.

Die auf Zahlung gerichtete Klage sowie die Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts - SG - Nürnberg vom 21. September 1977 und des Bayerischen Landessozialgerichts - LSG - vom 4. Dezember 1979). Das LSG hat seine ablehnende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klägerin mache nicht einen auf sie übergegangenen Anspruch des H., sondern einen auf § 6 Abs. 3 des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG) gestützten eigenen Erstattungsanspruch geltend. Dieser könne zulässigerweise mit der sogen. echten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) verfolgt werden. Der Zulässigkeit der Klage stehe die Bindungswirkung des dem H. erteilten Bescheides vom 21. Oktober 1974 nicht entgegen. Zuständig für die von der Klägerin erbrachte Leistung sei die Beklagte. Die Zeichenmaschine gehöre zu den von ihr zu erbringenden Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme. H. sei im Zeitpunkt der Antragstellung (16. August 1974) "Versicherter" gewesen. Daß er bereits bei Eintritt in das Erwerbsleben behindert gewesen sei, schließe die Zuständigkeit der Beklagten nicht aus. Diese Zuständigkeit sei aber nicht gleichbedeutend mit der konkreten Verpflichtung zur Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen im Einzelfall. Allerdings bleibe für eine Ermessensausübung durch die Beklagte kein Raum mehr. Voraussetzung für die Vorleistung der Klägerin sei jedoch die Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahme. Die Erforderlichkeit sei ein gerichtlich nachprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff. Bei seiner Ausfüllung stehe aber dem vorleistungspflichtigen Rehabilitationsträger ein Beurteilungsspielraum zu, der einer Ermessensausübung sehr nahe komme. Die Klägerin habe somit anstelle der Beklagten prüfen müssen, ob die Anschaffung der Zeichenanlage erforderlich gewesen sei. Hierbei könne nicht unbeachtet bleiben, daß dem H. als Schwerbehindertem gegenüber seinem Arbeitgeber ein einklagbarer Anspruch auf Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen zustehe. Zwar bestehe diese arbeitsrechtliche Verpflichtung dann nicht, wenn die Durchführung dieser Aufgabe den Arbeitgeber ernstlich schädigen würde oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre. Jedoch hätten weder die Klägerin noch H. dessen Arbeitgeber angehalten, seiner Pflicht zur behindertengerechten Ausstattung eines Arbeitsplatzes für Schwerbehinderte nachzukommen. Ohne eine solche - gegebenenfalls arbeitsgerichtliche - Klärung des Anspruchs des H. sei die Übernahme der Anschaffungskosten für eine Zeichenanlage durch einen Rehabilitationsträger nicht erforderlich und die Klägerin nicht vorleistungsberechtigt gewesen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzungen der §§ 6, 11, 20 RehaAnglG, §§ 56, 58 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), § 48 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (A-Reha) vom 31. Juli 1975 sowie der §§ 13, 14a, 19 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Das LSG habe die Voraussetzungen ihrer - der Klägerin - Vorleistungspflicht und insofern zunächst verkannt, daß sie zur Vorleistung nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet gewesen sei. Die Zeichenmaschine sei zur Herstellung oder Erhaltung der Erwerbsfähigkeit des Behinderten mit dem Ziel einer dauernden Eingliederung erforderlich gewesen. Zu Unrecht habe das LSG die Erforderlichkeit der Vorleistung zusätzlich davon abhängig gemacht, daß zuvor ohne Erfolg versucht worden sei, die als solche erforderliche Maßnahme vom Arbeitgeber zu erlangen. Dies widerspreche dem Zweck der Vorleistungsregelung und führe im Ergebnis unter sozialpolitisch weder beabsichtigter noch vertretbarer Ungleichbehandlung zu einem Ausschluß derjenigen schwerbehinderten Arbeitnehmer, deren Erwerbsfähigkeit durch technische Arbeitshilfen erhalten, gebessert oder hergestellt werden könne, von den Vorteilen der Vorleistungsregelung des § 6 Abs. 2 RehaAnglG. Bei der Entscheidung über die Vorleistung könne lediglich zu prüfen sein, ob der Arbeitgeber innerhalb der für den Eintritt der Vorleistungspflicht maßgebenden Frist die technische Arbeitshilfe tatsächlich stelle. Diese Prüfung habe sie (Klägerin) vorgenommen. Ihrem Erstattungsanspruch könne nicht entgegenstehen, daß sie sich Anspruch des H. nicht habe abtreten lassen und ihn nicht gegen dessen Arbeitgeber gerichtlich verfolgt habe. Einmal sei sie hierzu gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet gewesen. Zum anderen sei die Weigerung des Arbeitgebers des H., die erforderliche Zeichenanlage zu stellen, nach den insoweit heranzuziehenden Beurteilungsmerkmalen rechtlich vertretbar gewesen, weil es sich hierbei um unverhältnismäßige Aufwendungen gehandelt hätte.

Die Klägerin beantragt, die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. Dezember 1979 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 21. September 1977 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 6.323,67 DM zu verurteilen; hilfsweise: den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, das LSG habe zu Recht ihm Erstattungspflicht verneint. Die Voraussetzungen einer Vorleistungspflicht der Klägerin seien nicht erfüllt gewesen, Diese Pflicht bestehe nur, wenn für die Leistung ein anderer Rehabilitationsträger letztlich zuständig sein könne. Sei hingegen eine andere Stelle primär zuständig, so könne der Rentenversicherungsträger nicht erstattungspflichtig sein. Vorliegend sei in erster Linie der Arbeitgeber des H. leistungspflichtig. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, daß ihm die Erbringung der Leistung unzumutbar sei. Das bedürfe gegebenenfalls der arbeitsgerichtlichen Klärung. Solange die Unzumutbarkeit nicht positiv feststehe, könne die Klägerin nicht ihre - der Beklagten - primäre Leistungspflicht unterstellen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist zulässig und begründet.

Die Klägerin begehrt eine Erstattung ihrer Aufwendungen für die dem H. zur Verfügung gestellte Zeichenmaschine. Rechtsgrundlage dieses Erstattungsanspruchs ist der am 1. Oktober 1974 in Kraft getretene § 6 Abs. 3 Satz 1 RehaAnglG. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift hat dann, wenn ungeklärt ist, welcher der in § 2 RehaAnglG genannten Rehabilitationsträger zuständig ist, oder wenn die unverzügliche Einleitung der erforderlichen Maßnahmen aus anderen Gründen gefährdet ist, in Fällen berufsfördernder Maßnahmen zur Rehabilitation die Bundesanstalt für Arbeit längstens nach Ablauf einer Frist von sechs Wochen vorläufig Leistungen zu erbringen. Hat ein Träger nach § 6 Abs. 2 RehaAnglG Leistungen erbracht, für die ein anderer Träger zuständig ist, so hat dieser die Leistungen zu erstatten (§ 6 Abs. 3 Satz 1 RehaAnglG).

§ 6 Abs. 3 Satz 1 RehaAnglG ist auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Bezüglich der von einzelnen Versicherten geltend gemachten Ansprüche auf Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über solche Ansprüche ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses oder Umstandes geltende Recht maßgebend. Demzufolge bleiben auch für nach dem Inkrafttreten des RehaAnglG am 1. Oktober 1974 zu erbringende Leistungen die vorher geltenden Vorschriften maßgebend, somit die Ereignisse oder Umstände, die den Anspruch des Versicherten auf Leistungen zur Rehabilitation oder auf fehlerfreie Ermessensausübung begründen, vor dem 1. Oktober 1974 vorgelegen haben (vgl. BSGE 44, 231, 232 = SozR 2200 § 1236 Nr. 3 S. 3; BSGE 45, 212, 214 = SozR 2200 § 182 Nr. 29 S. 50; BSG SozR 2200 § 1237 Nr. 10 S. 11). Entsprechendes muß für den Erstattungsanspruch des einen gegen den anderen Träger der Rehabilitation gelten. Auch insoweit ist das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses oder Umstandes geltende Recht maßgebend. Anspruchsbegründender Umstand ist im Rahmen des Erstattungsanspruchs regelmäßig der Aufwand der Kosten, deren Erstattung begehrt wird. Maßgebend ist demzufolge das im Zeitpunkt des Aufwandes dieser Kosten geltende Recht (so auch BSGE 50, 68, 69 für den Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 1531 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Das ist im vorliegenden Fall § 6 Abs. 3 RehaAnglG. Die Klägerin hat die Kosten, deren Erstattung sie nunmehr von der Beklagten begehrt, nach dem 1. Oktober 1974 aufgewendet.

Das LSG hat zu Recht über den von der Klägerin erhobenen Erstattungsanspruch sachlich entschieden. Prozessuale Gründe haben dem nicht entgegengestanden. Insbesondere ist die von der Klägerin erhobene reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zulässig. Die an einem Erstattungsrechtsverhältnis im Sinne des § 6 Abs. 3 RehaAnglG beteiligten Leistungsträger sind einander gleichgeordnet. Erstattungs- oder Ersatzansprüche gleichgeordneter Leistungsträger sind im Wege der echten Leistungsklage gerichtlich geltend zu machen (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., § 54, Anm. 6 c, S. 185/13 - 4/10 -; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl., 1981, § 54, Rdnr. 41, S. 158).

Die Vorinstanzen haben weder H. noch dessen Arbeitgeber zum Rechtsstreit beigeladen. Das ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision hat insoweit Verfahrensrügen nicht erhoben. Damit ist dem Senat die Prüfung der Frage verwehrt, ob eine Beiladung etwa zur Klärung der Frage, ob der Arbeitgeber des H. die Zeichenanlage aus eigenen Mitteln hätte beschaffen können, gem. § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG zweckmäßig gewesen wäre. Bei einer zulässigen Revision ist von Amts wegen das Verfahren der Vorinstanzen nicht hinsichtlich des Unterlassens einer fakultativen Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG (BSG SozR 4100 § 141n Nr. 1 S. 2), sondern lediglich hinsichtlich des Unterlassens einer notwendigen Beiladung im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG zu überprüfen (BSG SozR 4100 § 163 Nr. 1 S. 2; 1500 § 75 Nr. 29 S. 24; jeweils m.w.N.). Insoweit liegt indes ein Verfahrensmangel nicht vor. Nach der hier allein in Betracht kommenden ersten Regelung des § 75 Abs. 2 SGG sind Dritte zum Rechtsstreit beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits über das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten hinaus zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingreift (BSG SozR 1500 § 75 Nr. 8 S. 8; Nr. 15 S. 13; Nr. 21 S. 17, jeweils m.w.N.). Die Entscheidung des vorliegenden Erstattungsrechtsstreits greift in die Rechtssphäre weder des H. noch seines Arbeitgebers unmittelbar ein. Der bereits erfüllte Anspruch des H. auf Gestellung der Zeichenmaschine wird durch die Feststellung, welcher der am Rechtsstreit beteiligten Leistungsträger letztlich zur Tragung der Kosten verpflichtet ist, nicht berührt. Hiervon ebenfalls unberührt bleibt die Frage, ob der Arbeitgeber des H. zur Anschaffung der Zeichenmaschine verpflichtet gewesen ist. Zwar tritt die Beklagte dem gegen sie erhobenen Erstattungsanspruch gerade mit dem Hinweis auf eine ihrer Meinung nach vorrangige Verpflichtung des Arbeitgebers entgegen. Diese Verpflichtung würde im Falle ihres Bestehens jedoch nicht davon abhängig sein, ob die Beklagte der Klägerin die von dieser für die Zeichenmaschine aufgewendeten Kosten zu erstatten hat oder nicht.

In der Sache selbst kann den Vorinstanzen nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat der Klägerin den Betrag von. 6.323,67 DM zu erstatten.

Die Beklagte wendet gegenüber dem Erstattungsanspruch der Klägerin in erster Linie ein, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 RehaAnglG seien schon deswegen nicht erfüllt, weil die Klägerin nicht im Sinne des § 6 Abs. 2 RehaAnglG vorgeleistet habe. Von einer Vorleistung in diesem Sinne könne nur dann die Rede sein, wenn ein anderer Rehabilitationsträger letztlich zuständig sein könne. Komme dagegen eine andere Stelle - wie hier der Arbeitgeber des H. - als letztlich zuständig in Betracht, so habe der leistende Rehabilitationsträger nicht vorgeleistet und damit auch keinen Erstattungsanspruch gegen einen anderen Rehabilitationsträger.

Der Senat braucht nicht abschließend darüber zu befinden, ob diese Argumentation nicht schon vom Ansatz her verfehlt ist. Zwar regelt § 6 Abs. 3 RehaAnglG ausschließlich den Erstattungsanspruch des vorleistenden gegen den letztlich zuständigen Träger der Rehabilitation. Es ist jedoch nicht zwingend, daß eine solche Vorleistung nicht vorliegen und damit ein Erstattungsanspruch nicht gegeben sein soll, wenn letztlich eine andere Stelle für die Leistung zuständig ist. Für diese Fälle ließe sich entgegen der Meinung der Beklagten auch die Auffassung vertreten, daß sehr wohl ein Erstattungsanspruch des vorleistenden Trägers besteht und es Sache des erstattungspflichtigen Trägers ist, seinerseits einen Erstattungsanspruch gegenüber der letztlich zuständigen anderen Stelle zu erheben. Indes kann dies im vorliegenden Fall auf sich beruhen. Denn für die dem H. erbrachte Leistung ist eine andere Stelle nicht zuständig. Das gilt insbesondere für den Arbeitgeber des H.

Zwar sind nach § 11 Abs. 3 Satz 2 SchwbG (hier maßgebend in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. April 1974; BGBl. I S. 1005; vgl. nunmehr Neufassung des Gesetzes vom 8. Oktober 1979, BGBl. I S. 1649) Arbeitgeber gegenüber Schwerbehinderten verpflichtet, deren Arbeitsplätze mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen auszustatten. Diese Verpflichtung besteht jedoch im Verhältnis zu den Trägern der Rehabilitation nur subsidiär. Das ergibt sich zunächst aus dem SchwbG. Hierdurch bleiben die den Trägern der Rehabilitation nach den geltenden Vorschriften obliegenden Aufgaben unberührt (§ 27 Abs. 2 SchwbG). Leistungen der Rehabilitationsträger dürfen, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, nicht deshalb versagt werden, weil nach dem SchwbG entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 28 Abs. 4 Satz 2 SchwbG). Demnach gebührt bei einer Konkurrenz zwischen Ansprüchen des Behinderten nach dem SchwbG einerseits und auf sozialrechtliche Leistungen zur Rehabilitation andererseits letzteren Ansprüchen der Vorrang. Darin kommt zum Ausdruck, daß das arbeitsrechtliche Schwerbehindertenrecht dem Behinderten lediglich einen zusätzlichen Schutz gewähren soll. Nicht aber sollen sozialversicherungsrechtliche Leistungsansprüche durch arbeitsrechtliche Ansprüche verdrängt werden (Wilrodt-Neumann, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl., 1980, § 27, Rdnr. 12, S. 328). Auch die einzelnen Regelungen des sozialrechtlichen Rehabilitationsrechts lassen erkennen, daß die Arbeitgeber von zusätzlichen Kosten für die Eingliederung Behinderter in das Erwerbsleben durch sozialrechtliche Vorkehrungen weitgehend entlastet werden sollen. So haben die Rehabilitationsträger nicht nur Leistungen zur Ausbildung, Umschulung und Fortbildung sowie sonstige Hilfen der Arbeits- und Berufsförderung zu erbringen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 bis 4. RehMg1G). Sie haben vielmehr auch Hilfen zur Erhaltung und Erlangung eines Arbeitsplatzes für Behinderte zu leisten (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RehaAnglG). Aus diesem Regelungszusammenhang ergibt sich, daß die Integration der Behinderten in das Erwerbsleben der umfassenden Zuständigkeit der Rehabilitationsträger (§ 2 RehaAnglG) überantwortet ist. Diese Verpflichtung umschließt namentlich die Gewährung von Hilfen zur behindertengerechten Ausstattung von Arbeitsplätzen.

Zu Unrecht verweisen demgegenüber das Berufungsgericht und die Beklagte auf die Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 3 SchwbG, wonach der Arbeitgeber (nur) dann von der Verpflichtung zur Ausstattung der Arbeitsplätze mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen befreit sei, soweit ihre Durchführung den Betrieb ernstlich schädigen würde oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre. Dieser Hinweis läßt den systematischen Zusammenhang der Regelung außer Betracht. Übersteigen die Kosten für die behindertengerechte Ausstattung von Arbeitsplätzen die in § 11 Abs. 3 Satz 3 SchwbG festgesetzte Zumutbarkeitsgrenze, so steht dem Arbeitgeber gem. § 28 Abs. 3 Satz 3 SchwbG gegenüber der Hauptfürsorgestelle ein Anspruch auf Geldleistungen aus den von dieser verwalteten Mitteln der Ausgleichsabgabe (§ 8 SchwbG) zu. § 11 Abs. 3 Satz 3 SchwbG umschreibt die Voraussetzungen eines Anspruchs des Arbeitgebers auf Bezuschussung von Investitionen zur Schaffung behindertengerechter Arbeitsplätze. Die Vorschrift normiert jedoch keine Einschränkungen der rehabilitationsrechtlichen Leistungsansprüche. Durch diese Deutung der in § 11 Abs. 3 Satz 3 SchwbG getroffenen Regelung laufen die arbeitsrechtlichen Verpflichtungen des Schwerbehindertenrechts nicht leer. Entsprechend der allgemeinen Aufgabenverteilung zwischen Rehabilitationsträgern und Hauptfürsorgestelle beschränkt sich die Zuständigkeit letzterer auf die Gewährung nachgehender Hilfen für Schwerbehinderte (§ 28 Abs. 1 Nr. 3 SchwbG; vgl. Gröninger, Schwerbehindertengesetz, 1980, § 28 Anm. 2a; Jung/Cramer, Schwerbehindertengesetz, 2. Auf 1980, § 28, Rdnrn. 6 und 11; Zanker, ZfSH 1979, 161f.). Für die berufliche Eingliederung Behinderter fehlt ihr hingegen die Zuständigkeit (vgl. § 27 Abs. 2 SchwbG). Demzufolge ist die Hauptfürsorgestelle in erster Linie für diejenigen Maßnahmen verantwortlich, die der Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen von Behinderten dienen. Sie hat namentlich für zusätzliche Aufwendungen aufzukommen, die durch die Beschäftigung bereits eingegliederter Behinderter entstehen. Aufwendungen dieser Art liegen etwa vor, wenn ein Unternehmen entsprechend der in § 4 SchwbG statuierten Verpflichtung eine größere Zahl von Behinderten beschäftigt und für sie besondere behindertengerechte betriebliche Einrichtungen geschaffen werden müssen (Rampen für Rollstuhlfahrer, Aufzüge, Toilettenanlagen). Diese Aufwendungen können nicht individuell dem einzelnen Behinderten zugerechnet und damit auch nicht durch die Rehabilitationsträger übernommen werden. In diesen Fällen sind im Wege der nachgehenden Hilfe im Arbeitsleben die dafür notwendigen Maßnahmen durch Leistungen der Hauptfürsorgestelle zu ermöglichen. Als weiterer Fall einer Bezuschussung nach § 28 Abs. 3 SchwbG kommt etwa die Leistung zugunsten beruflich eingegliederter Behinderter in Betracht, deren Behinderung sich während der Beschäftigung verschlechtert hat und daher zusätzliche Aufwendungen erfordert, ohne daß deshalb ihr Arbeitsplatz gefährdet wäre. Auch für diese Maßnahmen hat - mangels eines rehabilitationsrechtlichen Anspruchs - der Arbeitgeber aufzukommen, wobei ihm hierzu Zuschüsse nach § 28 Abs. 3 SchwbG gewährt werden können.

Zusammenfassend ist somit aus § 11 Abs. 3 Satz 3 SchwbG nicht herzuleiten, daß mangels Vorliegens oder zumindest mangels Feststellung der Voraussetzungen dieser Vorschrift primär der Arbeitgeber des H. zur Übernahme der Kosten für die Anschaffung der Zeichenmaschine verpflichtet gewesen ist. Dann aber hat die Klägerin diese Kosten entgegen der Ansicht der Beklagten im Wege der Vorleistung im Sinne des § 6 Abs. 2 RehaAnglG Übernommen.

Die Beklagte hat diese Kosten zu erstatten. Sie ist der zuständige Träger im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 RehaAnglG.

In verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht steht einer Erstattungspflicht der Beklagten nicht entgegen, daß sie mit dem an H. gerichteten Bescheid vom 21. Oktober 1974 eine Übernahme der Kosten abgelehnt hat. Zwar hat H. diesen nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid nicht innerhalb eines Jahres (§ 66 Abs. 2 SGG) angefochten; er ist somit bindend geworden (§ 77 SGG). Diese Bindungswirkung besteht jedoch nicht gegenüber der Klägerin. Ihr ist der Bescheid vom 21. Oktober 1974 nicht zugestellt worden. Damit ist ihr auf § 6 Abs. 3 RehaAnglG gestützter Erstattungsanspruch unabhängig von diesem Bescheid allein danach zu beurteilen, ob eine Leistungszuständigkeit der auf Erstattung in Anspruch genommenen Beklagten besteht (vgl. BSG SozR 2200 § 184a Nr. 4 S. 19).

Das ist der Fall. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AVG kann die Beklagte, wenn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet oder gemindert ist und sie voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann, Leistungen zur Rehabilitation in dem in den §§ 14 bis 14b AVG bestimmten Umfang gewähren. Die versicherungsrechtlichen und leistungsrechtlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. H. ist Versicherter (vgl. § 13 Abs. 1a AVG in seiner hier maßgebenden Fassung vor der Änderung durch Art 2 § 2 Nr. 4 Buchst. b des 20. Rentenanpassungsgesetzes - 20. RAG - vom 27. Juni 1977; BGBl. I S. 1040). Seine Erwerbsfähigkeit ist jedenfalls in der Zeit vor der Anschaffung der Zeichenmaschine gefährdet gewesen. Dabei ist die Erwerbsfähigkeit nicht unter Heranziehung der in § 23 Abs. 2 Satz 2 AVG aufgeführten Kriterien zu beurteilen. Vielmehr genügt eine Minderung oder Gefährdung der Erwerbsfähigkeit allein in dem bisherigen Beruf des Versicherten (vgl. Urteile des erkennenden, Senats in BSGE 48, 74, 75 = 2200 § 1237a Nr. 6 S. 8 und in BSGE 50, 156, 157 f. = SozR 2200 § 1237 Nr. 15 S. 19). Eine solche Gefährdung hat vorgelegen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (S. 9 des angefochtenen Urteils) hat die Beklagte dem Vorbringen der Klägerin, der Abschluß der Ausbildung des H. zum Bauzeichner und seine nachfolgende Übernahme in ein Angestelltenverhältnis beim Hochbauamt R…, seien in Frage gestellt gewesen, nicht widersprochen. Daß die hierfür ursächliche Behinderung des H. bereits vor seinem Eintritt in das Erwerbsleben bestanden hat, ist rechtlich unerheblich. Wie das LSG insoweit zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG (BSGE 45, 183, 186 f. = SozR 2200 § 1236 Nr. 5 S. 9 f.; BSGE 50, 47, 48 = SozR 2200 § 184a Nr. 3 S. 10) ausgeführt hat, läßt die Tatsache, daß eine Behinderung in das Versicherungsleben "eingebracht" worden ist, für sich allein die Versagung von Leistungen zur Rehabilitation nicht zu.

Die von der Klägerin erbrachte und ihrem Erstattungsanspruch zugrundeliegende Leistung ist eine solche zur beruflichen Rehabilitation im Sinne der §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AVG. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSGE 48, 74, 76 f. = SozR 2200 § 1237 a Nr. 6 S. 8 ff.; BSGE 50, 156, 158 = SozR 2200 § 1237 Nr. 15 S. 20) gehört es entgegen der insoweit mißverständlichen Systematik des § 13 Abs. 1 Satz 1 AVG nicht erst zu den leistungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Leistung zur Rehabilitation, daß die Erwerbsfähigkeit des Versicherten voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Dies ist vielmehr Voraussetzung dafür, um eine Leistung überhaupt als solche "zur Rehabilitation" ansehen zu können. Die dem H. gewährte Leistung erfüllt diese Voraussetzungen. Sie hat ihm die Fortsetzung seiner Tätigkeit als Bauzeichner beim Hochbauamt R ermöglicht und damit eine Hilfe zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes im Sinne des § 14a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AVG dargestellt.

Für diese Hilfe ist im Verhältnis zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern die Beklagte endgültig zuständig. Zwar weist die Klägerin selbst (S. 3 der Revisionsbegründung vom 9. Mai 1980) darauf hin, daß im Rahmen des § 56 Abs. 1 AFG auch sie für eine derartige Leistung zuständig sein könne. Indes darf sie nach § 57 Satz 1 AFG berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation nur gewähren, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger im Sinne den RehaAnglG zuständig ist. Nach der Rechtsprechung insbesondere des 7. Senats des BSG (BSG 50, 111, 112 f. = SozR 4100 § 57 Nr. 11 S. 33) ist diese Vorschrift dahin auszulegen, daß im Falle der Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers jegliche Leistungsverpflichtung der Klägerin entfällt und ihr auch eine Aufstockung der Leistungen des anderen Trägers versagt ist. Darauf braucht hier nicht eingegangen zu werden. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Frage der Aufstockung. Streitig ist allein, ob die gesamten Kosten für die dem H. zur Verfügung gestellte Zeichenmaschine von der Klägerin oder von der Beklagten zu tragen sind. Für diesen Fall muß auch nach Ansicht des erkennenden Senats § 57 Abs. 1 AFG eingreifen mit der Folge, daß die Beklagte zur Tragung der Kosten und damit zu ihrer Erstattung an die Klägerin verpflichtet ist.

Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AVG Leistungen zur Rehabilitation gewähren "kann" und somit nur nach ihrem Ermessen zu gewähren braucht. Es kann auf sich beruhen, ob im Rahmen eines Erstattungsstreites dem Rentenversicherungsträger Ermessenserwägungen gegenüber dem vorleistenden Träger überhaupt versagt sind (BSGE 48, 92, 100 = SozR 2200 § 1236 Nr. 15 S. 35 f.) oder im Falle der Notwendigkeit der Rehabilitationsmaßnahme eine Art von "Reduzierung des Ermessens auf Null" oder von "Ermessensschrumpfung" stattfindet (BSGE 50, 51, 55 = SozR 2200 § 1237a Nr. 12 S. 30). Jedenfalls kam die Berufung des Rentenversicherungsträgers darauf, daß er Leistungen zur Rehabilitation lediglich nach seinem Ermessen zu erbringen brauche, nur dann beachtlich sein, wenn Ermessensgründe im einzelnen vorgetragen werden (BSGE 50, 47, 50 = SozR 2200 § 184a Nr. 3 S. 12). Die Beklagte hat derartige Ermessensgründe nicht vorgetragen. Sie hat im wesentlichen das Bestehen einer Vorleistungspflicht der Klägerin und allein aus diesem Grunde ihre Verpflichtung zur Übernahme bzw. Erstattung der Kosten der dem H. zur Verfügung gestellten Zeichenmaschine bestritten.

Die Revision muß nach alledem Erfolg haben und unter Aufhebung der angefochtenen Urteile zur Verurteilung der Beklagten gemäß dem Revisionsantrag führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 117

Breith. 1982, 970

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