Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf Altersgeldansprüche. Auswirkung der Beitragsbefreiung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein gemäß GAL 1957 § 26 vom Unternehmensvorgänger erklärter Verzicht auf Altersgeldansprüche wird nicht dadurch berührt, daß der Hofnachfolger gemäß 6. ÄndG GAL Art 2 § 2 auf seine mit Hilfe des Verzichts erlangte Beitragsbefreiung verzichtet und Beiträge nachentrichtet.

 

Normenkette

GAL § 26; GAL 1957 § 26; GALÄndG 6 Art. 2 § 2 Fassung: 1972-07-26

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. März 1974 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Klägerin Altersgeld zusteht.

Die 1902 geborene Klägerin hat nach dem Tod ihres Ehemanns den kurze Zeit von ihr allein bewirtschafteten Hof im Jahre 1952 an ihren Sohn F. übergeben. Dieser beantragte im Februar 1958 bei der Beklagten die Befreiung von der Beitragspflicht (§ 26 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte - GAL - 1957). Dabei legte er eine Erklärung der Klägerin vor, worin sie auf Altersgeldansprüche verzichtete. Die Beklagte entsprach dem Befreiungsantrag (Bescheid vom 19. März 1959).

Im Oktober 1972 verzichtete der Sohn nach Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL vom 26. Juli 1972 (BGBl I 1293) auf seine Befreiung von der Beitragspflicht. Die Beklagte stellte nun eine Beitragspflicht ab Oktober 1957 fest, worauf der Sohn der Klägerin die Beiträge für diese Zeit nachentrichtete.

Gleichfalls im Oktober 1972 beantragte die Klägerin die Gewährung von Altersgeld; sie hielt ihren früheren Verzicht nunmehr für gegenstandslos. Die Beklagte lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 5. Dezember 1972 ab.

Mit ihrer Klage hatte die Klägerin in erster Instanz Erfolg. Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte, ab November 1972 Altersgeld zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) dagegen wies die Klage ab. Nach der Ansicht des LSG ließ der Verzicht des Sohnes auf die Befreiung von der Beitragspflicht den früheren Verzicht der Klägerin auf Altersgeldansprüche unberührt. Ihr Verzicht habe zwar in engem Zusammenhang mit der Beitragsbefreiung gestanden; der Gesetzgeber des 6. Änderungsgesetzes zum GAL habe jedoch nur diejenigen begünstigt, die seinerzeit befreit wurden, und nur ihnen ermöglicht, bis zum 31. Dezember 1973 auf die Befreiung zu verzichten. Eine ausdehnende Auslegung verbiete sich, weil es sich um eine befristete Rechtswohltat besonderer Art handele; eine echte Gesetzeslücke liege nicht vor. Für die Unternehmensvorgänger enthalte das Gesetz - offenbar bewußt - keine Regelung; für sie sei daher der Verzicht des Nachfolgers auf die Beitragsbefreiung ohne Wirkung.

Mit der zugelassenen Revision beantragt die Klägerin (sinngemäß),

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe verkannt, daß der Gesetzgeber, hätte er für die Unternehmensvorgänger den Anspruch auf Altersgeld endgültig ausschließen wollen, dies ausdrücklich hätte regeln müssen. Das Schweigen des Gesetzgebers habe wegen des unlösbaren Zusammenhangs zwischen Verzicht und Beitragsbefreiung zur Folge, daß der frühere Verzicht der Klägerin auf Altersgeldansprüche gegenstandslos geworden sei.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Revision.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet.

Ein Anspruch auf Gewährung von Altersgeld setzt voraus, daß dafür eine gesetzliche Grundlage gegeben ist; hieran fehlt es. Die Klägerin hat im Jahre 1958 auf Altersgeldansprüche verzichtet. Der Verzicht ist nach § 26 GAL 1957 zulässig gewesen. Er war Bedingung für die Befreiung ihres Sohnes von der Beitragspflicht und ist mit ihr wirksam geworden. Nach Sinn und Zweck des § 26 GAL 1957 waren sowohl Beitragsbefreiung als auch Verzicht endgültig, dh nicht mehr änderbar. Diese Rechtslage besteht für den Verzicht nach wie vor, er ist mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen Regelung weiterhin wirksam. Dem steht nicht entgegen, daß das 6. Änderungsgesetz zum GAL an der Endgültigkeit der Beitragsbefreiung nicht mehr festgehalten hat.

Bei der Einführung der landwirtschaftlichen Altershilfe im Jahre 1957 war die Befreiung den Landwirten freigestellt worden, die sich durch eine Lebensversicherung ausreichend gesichert fühlten (§ 26 GAL 1957). Der Gesetzgeber hat jedoch in Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL dem Anliegen dieses Personenkreises, in die Altershilfe für Landwirte aufgenommen zu werden, entsprochen und ihnen bis zum 31. Dezember 1973 die Möglichkeit eingeräumt, auf die Befreiung zu verzichten. Ein Grund dafür, den oft als Härte empfundenen Ausschluß von der landwirtschaftlichen Altershilfe widerrufbar zu machen, mag darin gelegen haben, daß nur mit zusätzlich 600 Altersgeldempfängern infolge der Gesetzesänderung gerechnet wurde (vgl BT-Drucks VI/3463, Amtl Begründung S 11 C). Außerdem war wohl nicht zu übersehen, daß die landwirtschaftliche Altershilfe mehr und mehr attraktiv geworden war und das Altersgeld nicht mehr wie früher reinen Zuschußcharakter hatte.

Die Folgen eines Verzichts auf die Beitragsbefreiung sind in Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes ausdrücklich geregelt worden. Nach dessen Satz 2 "bewirkt die Verzichtserklärung" Versicherungspflicht für die ohne die Beitragsbefreiung versicherungspflichtig gewesene Zeit. Damit wird aber die Beitragsbefreiung nicht einfach rückgängig gemacht; vielmehr sind nach Satz 3 für die zurückliegende Zeit die die Monatsbeiträge in der für 1973 maßgebenden Höhe zu zahlen. Satz 4 bestimmt die zuständige Alterskasse und Satz 5 erlaubt dieser schließlich, für die nachzuentrichtenden Beiträge Ratenzahlungen bis zum 31. Dezember 1974 zuzulassen.

Über die Vorgänger im Unternehmen und über ein Aufleben etwaiger Ansprüche auf Altersgeld wird in Art 2 § 2 nichts gesagt. Wie das LSG muß jedoch auch der Senat annehmen, daß dies absichtlich nicht geschehen ist. Zwar ergeben die Gesetzesmaterialien darüber keine eindeutigen Erkenntnisse. Wie der Vertreter des Gesamtverbandes der landwirtschaftlichen Alterskassen in dem Parallelverfahren 11 RLw 2/75 glaubhaft vorgetragen hat, hat indessen der Gesamtverband im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens versucht, eine andere Regelung zu erreichen, dh auch dem noch lebenden Unternehmensvorgänger die Möglichkeit zu geben, seine frühere Verzichtserklärung zu widerrufen. Der Vorschlag ist allerdings nicht durchgedrungen und auch später nicht mehr erörtert worden. Die Frage der Auswirkung auf die Unternehmensvorgänger war mithin offensichtlich bekannt; der Gesetzgeber hat aber davon absehen wollen, die Begünstigung auch auf diesen Personenkreis zu erstrecken. Dafür spricht auch, daß dieser Personenkreis in die Vorauskalkulation der Folgekosten nicht ein einbezogen worden ist. Da der Gesetzgeber sich mit den Folgen des Verzichts auf die Beitragsbefreiung in Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL befaßt hat, kann hiernach eine durch die Rechtsprechung ausfüllbare Gesetzeslücke nicht angenommen werden. Zwar hätte auch die Verzichtserklärung der Unternehmensvorgänger für widerruflich erklärt werden können; dies hätte jedoch einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft, zumal auch ua der Beginn von Leistungen an Unternehmensvorgänger zweifelhaft sein konnte. Jedenfalls kann somit aus dem Schweigen des Gesetzes - entgegen der Auffassung der Revision - nicht gefolgert werden, daß der frühere Verzicht der Klägerin gegenstandslos geworden sei.

Das Aufleben etwaiger Altersgeldansprüche der Unternehmensvorgänger läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß der frühere Verzicht in unlösbarem Zusammenhang mit der Beitragsbefreiung gestanden habe und mit deren Wegfall auch seine "Geschäftsgrundlage" weggefallen sei; denn abgesehen vom öffentlich-rechtlichen Vertragsrecht ist für die Anwendung einer derartigen vorwiegend privat-rechtlichen Norm im öffentlichen Recht kein Raum. Schließlich ist eine Verletzung von Grundrechten (Art 3 des Grundgesetzes - GG -) bei der getroffenen Regelung nicht erkennbar. Die verzichtenden Unternehmensvorgänger hatten in der Regel kaum eigene Beiträge zur Alterskasse geleistet; sie konnten möglicherweise für die Bereitschaft zum Verzicht auf Altersgeldleistungen Ausgleichsleistungen des Hofnachfolgers erlangt haben; sie hatten bisher ohne Altersgeldleistungen auskommen müssen und konnten mit solchen Leistungen nicht mehr rechnen. Insofern unterschied sich ihre Lage wesentlich von der anderer Anspruchsberechtigten. Anders als jedenfalls die Mehrzahl der Hofnachfolger standen sie nicht mehr im Erwerbsleben; der Gesetzgeber konnte in dem weiteren Ausschluß der Hofnachfolger von der landwirtschaftlichen Altershilfe eine größere Härte sehen als in dem weiteren Festhalten der Hofvorgänger an ihrem Leistungsverzicht.

Die Beklagte hat es somit zu Recht abgelehnt, der Klägerin Altersgeld zu gewähren; ihre Revision muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Fundstellen

BSGE, 150

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