Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkenntnis iS von § 101 SGG. Fälligkeit der Ansprüche

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs 1 Nr 3 SGB 1) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag iS von § 44 Abs 2 SGB 1 spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten Unterlagen eingereicht hat.

 

Orientierungssatz

1. Anerkenntnis iS von § 101 Abs 2 SGG kann nur der prozessuale Anspruch oder ein abtrennbarer Teil des Anspruchs, also die Anerkennung einer Rechtsfolge aus dem vom Kläger behaupteten Tatbestand, nicht der Tatbestand selbst oder ein Tatbestandselement sein (vgl BSG vom 21.11.1961 9 RV 374/60 = SozR Nr 3 zu § 101 SGG).

2. Zur Frage der Fälligkeit zu verzinsender Ansprüche bei wiederkehrenden oder laufenden Geldleistungen.

 

Normenkette

SGB 1 § 44 Abs 2, § 17 Abs 1 Nr 3, § 16 Abs 3; SGG § 101 Abs 2; SGB 1 § 44 Abs 1

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 27.01.1988; Aktenzeichen L 13 An 225/86)

SG Landshut (Entscheidung vom 20.10.1986; Aktenzeichen S 5 An 183/85)

 

Tatbestand

Streitig ist die Verzinsung einer Rentennachzahlung.

Der 1926 in E.         /Pommern geborene Kläger, von Beruf selbständiger Steuerbevollmächtigter und Steuerberater, beantragte am 8. Februar 1982 durch seine Prozeßbevollmächtigten auf dem von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) herausgegebenen Antragsvordruck die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) oder Berufsunfähigkeit (BU) einschließlich Kinderzuschuß für seinen Sohn Olaf und teilte mit, die Geburtsurkunde für Olaf werde er nachreichen. Die Spalte auf der ersten Seite des Antragsvordrucks: "Bestätigung der Personenstandsdaten zu Ziff. 2 - Art und Nummer des Nachweises sowie ausstellende Behörde angeben" füllte er nicht aus. Nr 11 des Antragsvordrucks mit der Überschrift "Anlagen" enthält ua den Hinweis: "Soweit eine Bestätigung der Personenstandsdaten auf Seite 1 dieses Antrags vorgenommen wurden, werden Geburtsurkunden ... nicht benötigt". Ferner findet sich unter Nr 11 aaO eine vom Antragsteller ggf auszufüllende Auflistung in Betracht kommender Unterlagen wie folgt: "Als Anlage sind beigefügt: ... Geburtsurkunde ..."

Mit Schreiben vom 18. März 1982 forderte die BfA ua die Geburtsurkunde des Klägers und Olafs an. Nachdem sie den Rentenantrag mit Bescheid vom 29. April 1982 abgelehnt hatte, weil BU nicht vorliege, anerkannte sie im anschließenden Klageverfahren im September 1984, der Kläger habe Anspruch auf Rente wegen BU ab 1. März 1982. Mit weiteren Schreiben vom 24. Oktober 1984 und 22. November 1984 forderte sie erneut die beiden Geburtsurkunden an. Am 17. Januar 1985 übersandte der Kläger Olafs Geburtsurkunde und eine eigene notariell beglaubigte eidesstattliche Versicherung vom 26. Juli 1946 über seine Personenstandsdaten.

Mit Bescheid vom 4. Februar 1985 bewilligte die BfA dem Kläger Rente wegen BU ab 1. März 1982. Es ergab sich ein Nachzahlungsbetrag von 39.203,40 DM, davon 3.363,80 DM an Kinderzuschuß. 35.839,60 DM wurden dem Kläger im Februar 1985, 3.363,80 DM im Juni 1985 ausgezahlt.

Den Antrag, Zinsen auf den Nachzahlungsbetrag zu zahlen, lehnte die BfA mit den streitigen Bescheiden vom 29. April 1985 und 18. Juni 1985, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1985 ab, weil nach § 44 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB 1) die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger beginne, ein vollständiger Antrag aber erst am 17. Januar 1985 vorgelegen habe, während der Kläger bereits im Februar 1985 über den Nachzahlungsbetrag habe verfügen können.

Vor dem Sozialgericht (SG) Landshut haben die Beteiligten zur Niederschrift durch das SG erklärt, sie seien sich darüber einig, daß lediglich die Geburtsurkunde des Kindes zur Vollständigkeit des Antrags gefehlt habe. Auf den Hilfsantrag des Klägers hat das SG die Beklagte unter Abänderung der streitigen Bescheide verurteilt, "den Nachzahlungsbetrag ohne Kinderzuschuß ab 1. September 1982 zu verzinsen" (Urteil vom 20. Oktober 1986). Nachdem der Kläger erklärt hatte, die Verzinsung des Kinderzuschusses sei nicht mehr Streitgegenstand, hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) auf die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten das Urteil des SG abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 27. Januar 1988). Das LSG hat ausgeführt: Der Leistungsantrag sei iS von § 44 Abs 2 SGB 1 erst am 17. Januar 1985 vervollständigt worden. Die Vorlage einer Geburtsurkunde, welche die Beklagte mehrfach angemahnt habe, dürfe gemäß § 60 SGB 1 auch nach Vergabe einer Versicherungsnummer zur Überprüfung des für die Rentenberechnung (zB für die pauschale Ausfallzeit) bedeutsamen Geburtsdatums gefordert werden und sei jedem Rentenantragsteller zumutbar iS von § 65 SGB 1. Die Erklärung vor dem SG könne kein Anerkenntnis iS von § 101 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sein, weil die "Einigung" nur ein Tatbestandselement des Anspruchs auf Verzinsung betroffen habe. Ein Geständnis iS von § 288 der Zivilprozeßordnung (ZPO) sei dem vom Amtsermittlungsprinzip (§ 103 SGG) beherrschten Sozialgerichtsverfahren fremd.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 101 Abs 2 SGG und § 44 Abs 2 SGB 1. Er meint, die Einigung vor dem SG sei ein die Beklagte und die Gerichte bindendes Teilanerkenntnis. Da die Beklagte sein für die Rentenberechnung notwendiges Geburtsdatum schon 1975/76 im Verfahren betreffend die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Art 2 § 49a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG), 1976 im Verfahren betreffend die Entrichtung freiwilliger Beiträge, 1978 im Kontenklärungsverfahren und auch bei Erteilung der Versicherungsnummer zu prüfen gehabt habe, müsse davon ausgegangen werden, daß sie sich längst Gewißheit über seine Identität und sein Geburtsdatum verschafft gehabt habe. Dafür spreche auch, daß sie während des ersten Klageverfahrens keine diesbezüglichen Ermittlungen durchgeführt habe. Den Kläger treffe kein Verschulden, weil er keine Geburtsurkunde mehr besessen habe. Der wahre Grund der Verzögerung sei die rechtswidrige Ablehnung der Rente gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 27. Januar 1988 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen LSG vom 27. Januar 1988 als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein Teilanerkenntnis iS von § 101 Abs 2 SGG habe sie vor dem SG nicht abgegeben (Hinweis auf den Beschluß des Bundessozialgerichts -BSG- vom 2. Juli 1982 - 12 BK 18/82). Von einem vollständigen Leistungsantrag iS von § 44 Abs 2 SGB 1 könne nur gesprochen werden, wenn sie in die Lage versetzt werde, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu prüfen (Hinweis auf BSG SozR 1200 § 44 Nr 5). Wegen der Bedeutung des Geburtsdatums für die Rentenberechnung sei der Leistungsantrag nicht vor Eingang der Geburtsurkunde vollständig. In den früheren Verwaltungsverfahren, die nicht den Erlaß von Leistungsbescheiden betroffen hätten, sei keine Urkunde in die Verwaltungsakten gelangt, die das Geburtsdatum bestätige.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Streitig ist, ob dem Kläger vier vom Hundert (4 vH) Zinsen auf die seit dem 1. März 1982 fällig gewordenen Rentenzahlbeträge abzüglich jeweiliger Anteile für den Kinderzuschuß zustehen, deren Verzinsung er - wie er vor dem LSG klargestellt hat - nicht mehr begehrt.

Nach § 44 Abs 1 SGB 1 sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 vH zu verzinsen. Nach § 41 SGB 1 werden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig, also sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs 1 SGB 1). Gemäß § 44 Abs 2 Halbs 1 SGB 1 beginnt die Verzinsung jedoch frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, dh, der Anspruch auf Zinsen (Abs 1 aaO) entsteht nur, wenn der zuständige Leistungsträger die zustehende Geldleistung dem Berechtigten erst nach Ablauf dieser Bearbeitungs- und Handlungsfrist auszahlt. Die Frist beginnt, sobald der "vollständige Leistungsantrag" beim zuständigen Leistungsträger (hier: bei der BfA) eingeht. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Leistungsantrag des Klägers, der am 8. Februar 1982 bei der BfA einging, bereits damals "vollständig" war oder ob er erst am 17. Januar 1985, als ua die eidesstattliche Versicherung des Klägers über seine Personenstandsdaten bei der Beklagten eintraf, vervollständigt worden ist. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß der BfA erst im letztgenannten Zeitpunkt ein "vollständiger Leistungsantrag" iS von § 44 Abs 2 Halbs 1 SGB 1 vorlag mit der Folge, daß ein Zinsanspruch nicht entstanden ist, weil die Beklagte die fälligen Rentenleistungen - wie das LSG bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat - vor Ablauf von sechs Kalendermonaten nach dem 17. Januar 1985 erbracht hat.

Wie der erkennende Senat in Fortsetzung einer ständigen Rechtsprechung des BSG bereits klargestellt hat (BSG SozR 1200 § 44 Nr 16 S 49 f mwN), liegt - woran keine strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl BSG USK 82246 S 1133) - ein "vollständiger" Leistungsantrag iS von § 44 Abs 2 Halbs 1 SGB 1 vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, dh die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 SGB 10) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen. Für den Antragsteller bedeutet Vollständigkeit des Leistungsantrags, die Amtsermittlung des Leistungsträgers in dem im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeit und -pflichten (§ 60, 65 SGB 1) im zumutbaren Umfang vorzubereiten und zu ermöglichen. Ein Leistungsantrag ist daher nicht erst dann "vollständig" iS des Gesetzes, wenn der Leistungsträger allein schon durch ihn in die Lage versetzt wird, das Leistungsbegehren abschließend zu verbescheiden (BSG aaO; Bundesverwaltungsgericht - BVerwG Buchholz 436.0 § 5 Nr 3 S 5 = ZfSH/SGB 1983, 176 ff; Elsner/Leingärtner, SozSich 1979, 336 ff; kritisch dazu Benz, SozSich 1980, 119 ff). In diesem Sinne reicht es aus, wenn "der Antrag alle Tatsachen enthält, die der Antragsteller zur Bearbeitung seines Antrags angeben muß" (so BT-Drucks 7/868 S 30, Hervorhebung durch den Senat).

Unverkennbar ist nach alledem der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns wegen der wechselseitigen Abhängigkeit von Amtsermittlung (§§ 20 ff SGB 10) und Mitwirkungsobliegenheiten bei der Antragstellung (§§ 60, 65 SGB 1) im Einzelfall uU von Zufälligkeiten abhängig und nur unter abwägender Beurteilung der beiderseitigen Handlungspflichten feststellbar. Dies widerstreitet dem Konzept des Gesetzgebers, die Verzinsung aus Gründen größtmöglicher Verwaltungsvereinfachung ausschließlich vom Zeitablauf (BT-Drucks 7/868 aaO), also von einem objektiv bestimmten und leicht feststellbaren Kriterium abhängig zu machen. In diesem Zusammenhang erlangt Bedeutung, daß der Gesetzgeber die Grundlinien des Zusammenwirkens von Leistungsträgern und Berechtigten bei der Antragstellung modellhaft vorgezeichnet hat: Gemäß § 17 Abs 1 Nr 3 SGB 1 sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke. Sie haben nach § 16 Abs 3 SGB 1 auch darauf hinzuwirken, daß klare und sachdienliche Anträge gestellt werden. Entsprechend sollen die Antragsteller nach § 60 Abs 2 SGB 1 diese Antragsvordrucke für die Angaben benutzen, die sie nach § 60 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB 1 zu machen haben. Sind die Angaben "unvollständig", hat der Leistungsträger gemäß § 16 Abs 3 SGB 1 unverzüglich auf ihre Ergänzung hinzuwirken. Ersichtlich ermächtigt das Gesetz die Leistungsträger, denen bekannt ist, welche Angaben und Unterlagen für die zügige Bearbeitung eines Antrags typischerweise erforderlich sind, nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Grenzen der Mitwirkungspflichten (§§ 60, 65 aaO) zweckmäßig gestaltete Antragsvordrucke zur - obligatorischen - Benutzung (§ 60 Abs 2 aaO) durch die Antragsteller herauszugeben, um es diesen zu ermöglichen, einen von vornherein vollständigen Leistungsantrag zu stellen.

Dem ist bei Auslegung und Anwendung des § 44 Abs 2 SGB 1 Rechnung zu tragen: Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs 1 Nr 3 SGB 1) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs 1 Nr 3 aaO) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller - etwa aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls - über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (Abs 1 Nr 1 und 2 aaO), Erklärungen (Abs 1 Nr 1 und 3 aaO) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (Abs 1 Nr 3 aaO) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs 1 und 3 aaO). Denn das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen (§ 17 Abs 1 Nr 3 aaO) die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen "vollständigen" Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall - abgesehen von der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks (§ 60 Abs 2 aaO) - keine über §§ 60, 65 aaO hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs 1 aaO), unangemessen (§ 65 Abs 1 Nr 1 aaO) oder unzumutbar (Abs 1 Nr 2 aaO) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (Abs 1 Nr 3 aaO) oder ein Verweigerungsrecht (Abs 3 aaO) besteht. Ein Antrag kann also "vollständig" sein, obwohl der Antragsvordruck "unvollständig" ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht (§§ 60 Abs 1, 65 Abs 1 und 3 aaO) bestanden hat.

Danach war der am 8. Februar 1982 wirksam gestellte Leistungsantrag des Klägers erst mit Eingang der eidesstattlichen Versicherung, der Beweisurkunde ua für sein Geburtsdatum, bei der BfA am 17. Januar 1985 "vollständig". Nach den bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG hatte der Kläger den von der Beklagten für Leistungsanträge ua auf Rente wegen BU herausgegebenen Antragsvordruck zwar benutzt, ihn aber bezüglich der Bestätigung der Personenstandsdaten unvollständig ausgefüllt und die stattdessen im Vordruck erbetene Geburtsurkunde nicht übersandt. Die unverzügliche (Schreiben der BfA vom 18. März 1982) Anforderung seiner Geburtsurkunde hat er bis zum 17. Januar 1985 - trotz weiterer Erinnerungen - nicht beantwortet, nicht einmal mit dem Hinweis, er besitze diese Urkunde nicht. Gemäß § 60 Abs 1 Nr 3 SGB 1, nach dem der Antragsteller auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen hat, war er - worauf im Antragsvordruck hingewiesen worden ist - verpflichtet, zum Nachweis seiner Personenstandsdaten beizutragen. Denn das Geburtsdatum ist - wie der Kläger selbst einräumt - für die Berechnung der Rente notwendig, also "erheblich" iS von § 60 Abs 1 aaO und - solange es nicht durch ein geeignetes Beweismittel (§§ 21 ff SGB 10) bestätigt ist - beweisbedürftig. Hieran fehlte es entgegen der Ansicht des Klägers nicht etwa deshalb, weil die Beklagte sich des Geburtsdatums schon während der vorausgegangenen Verwaltungsverfahren vergewissert oder sich durch geringeren Aufwand als er den Nachweis hätte selbst beschaffen können (§ 65 Abs 1 Nr 3 aaO). Denn weder während der früheren Beitragsverfahren noch im Kontenklärungsverfahren oder bei Vergabe der Versicherungsnummer war das Geburtsdatum des Klägers urkundlich oder durch ein anderes Beweismittel nachgewiesen worden. Es ist auch nicht ersichtlich, die Beklagte habe ohne Kenntnis davon, daß der Kläger keine Geburtsurkunde mehr besaß, die Möglichkeit gehabt, eine geeignete Beweisurkunde mit geringerem Aufwand als der im Besitz seiner eidesstattlichen Versicherung vom 26. Juli 1946 befindliche Kläger zu erlangen. Da es für die Frage, ob ein Leistungsantrag vollständig ist, auf ein Verschulden des Antragstellers nicht ankommt, ist unerheblich, ob der Kläger (vermeidbar) irrig angenommen hat, mangels einer Geburtsurkunde oder der Beweisbedürftigkeit seines Geburtsdatums nicht verpflichtet zu sein, das Verlangen der BfA zu beantworten.

Das Berufungsgericht hat richtig entschieden, daß die Erklärung der Beteiligten vor dem SG, der Leistungsantrag sei lediglich im Blick auf den Kinderzuschuß unvollständig gewesen, kein die Beteiligten und die Gerichte bindendes Teilanerkenntnis iS von § 101 Abs 2 SGG ist. Gegenstand eines Anerkenntnisses iS dieser Vorschrift kann nur der prozessuale Anspruch oder ein abtrennbarer Teil des Anspruchs, also die Anerkennung einer Rechtsfolge aus dem vom Kläger behaupteten Tatbestand, nicht der Tatbestand selbst oder ein Tatbestandselement sein (BSG SozR Nr 3 zu § 101 SGG; BSGE 24, 4, 5; BSG SozVers 1984, 136; BSG VersorgB 1982, 119; BSG Beschluß vom 2. Juli 1982 - 12 BK 18/82). Die og Erklärung der Beteiligten betrifft hingegen - wie das LSG bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat - nur ein Tatbestandselement des Anspruchs auf Verzinsung, nämlich die Vollständigkeit des Leistungsantrags. Hingegen hat die Beklagte - was der Kläger selbst nicht verkennt - den Anspruch auf Zinsen vor dem SG nicht, auch nicht für einen Teil des Nachzahlungsbetrags anerkannt. Die Beteiligten haben aber auch nicht durch Vergleichsvertrag (§ 101 Abs 1 SGG; §§ 54 Abs 1 und 2, 53 Abs 1 Satz 2 SGB 10) rechtlich bindend außer Streit gestellt, wann der Leistungsantrag "vollständig" war. Zwar kann durch Vergleich - anders als durch Anerkenntnis (so) - nicht nur eine Rechtsfolge, sondern auch ein Tatbestandselement, hinsichtlich dessen bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage eine Ungewißheit besteht, durch gegenseitiges Nachgeben vertraglich bindend festgestellt werden (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 33 S 105 f). Jedoch kommt - wie der Senat schon klargestellt hat (SozVers 1984, 136 ff) - ein wirksamer Prozeßvergleich nur zustande, wenn in der Sitzungsniederschrift ua vermerkt ist, daß der Vergleich vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt und genehmigt worden ist (§ 162 Abs 1 Satz 1 iVm § 160 Abs 3 Nr 1 ZPO, § 122 SGG). Wie sich aus der vom LSG in Bezug genommenen Sitzungsniederschrift des SG vom 20. Oktober 1986 ergibt, ist dies hier nicht geschehen. Schließlich setzt sich die Beklagte mit dem Begehren, den Zinsanspruch abzuweisen, auch nicht treuwidrig (§ 242 BGB) in Widerspruch zu ihrem Verhalten vor dem SG. Sie hat dort dem Kläger keinen Anlaß gegeben, schutzwürdig darauf zu vertrauen, sie habe ihren Rechtsstandpunkt, sein Leistungsantrag sei bis zum 17. Januar 1985 unvollständig iS von § 44 Abs 2 SGB 1 gewesen, aufgegeben und werde ihm dies nicht mehr entgegenhalten. Derartiges läßt sich schon der in mancher Hinsicht unklaren Einigungserklärung nicht, zumindest nicht ohne erhebliche Zweifel entnehmen, steht aber vor allem in Widerspruch dazu, daß die BfA im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erklärung und gestützt auf die vorgenannte Rechtsansicht vor dem SG beantragt hat, die Klage auch insoweit abzuweisen, als der Kläger (hilfsweise) nur Verzinsung der Rentennachzahlung ohne Kinderzuschuß begehrt.

Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß das Urteil des SG auch im Blick auf die Höhe der zuerkannten Zinsen keinen Bestand hätte haben können. Denn der "Nachzahlungsbetrag ohne Kinderzuschuß" - also insgesamt 35.839,60 DM - war nicht "ab dem 1. September 1982" zu verzinsen. Wie der erkennende Senat (BSG SozR 1200 § 44 Nr 18 S 53 mwN) bereits entschieden hat, ist bei wiederkehrenden oder laufenden Geldleistungen (hier: Rente wegen BU) Gegenstand der Verzinsung der Anspruch auf die - jeweils monatlich im voraus zahlbare (§ 74 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG) - Renten-Einzelleistung. Während der erste Einzelleistungsanspruch mit dem Stammrecht entsteht und fällig wird, sobald die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind (hier: 1. März 1982), werden die weiteren Einzelleistungsansprüche mit dem Beginn der Zeiträume fällig, für die sie bestimmt sind. Sie sind daher ggf jeweils nach Ablauf eines Kalendermonats nach ihrer Entstehung - also nur "gestaffelt" - verzinsbar, dh der Rentenanspruch für März 1982 seit dem 1. April 1982 usw.

Nach alledem war die Revision des Klägers gegen das zutreffende Urteil des Bayerischen LSG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1648442

BSGE, 160

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