Leitsatz (amtlich)

Zu "den bisher entrichteten Beiträgen", aus denen wegen der Beitragserstattung weitere Ansprüche ausgeschlossen sind, gehört der Pflichtbeitrag für den Monat, in dem der Antrag auf Beitragserstattung gestellt worden ist, auch dann, wenn er erst nach der Auszahlung des Erstattungsbetrags entrichtet worden ist.

 

Normenkette

AVG § 47 Fassung: 1936-12-23; RVO § 1309a Abs. 1 S. 1 Fassung: 1937-12-21, Abs. 2 S. 1 Fassung: 1937-12-21, Abs. 1 Fassung: 1938-09-01, Abs. 4 Fassung: 1938-09-01

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 25. August 1955 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt ein Ruhegeld aus der Angestelltenversicherung. Sie war früher berufstätig und pflichtversichert. Bei ihrer Heirat im Mai 1941 ließ sie sich ihre Beitragsanteile erstatten. Nach ihrer Heirat setzte sie ihre bisherige Tätigkeit zunächst fort. Von Juni 1941 bis Oktober 1945 wurden erneut 53 Pflichtbeiträge für sie entrichtet; für 1949 leistete sie 6 Beiträge freiwillig. Das sind zusammen 59 Monatsbeiträge. Seit April 1950 ist sie berufsunfähig. Im Januar 1953 stellte sie einen Antrag auf Gewährung von Ruhegeld.

Die Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein, die damals die Aufgaben der Angestelltenversicherung wahrnahm, lehnte den Antrag durch Bescheid vom 31. März 1953 ab, weil mit 59 Beitragsmonaten die Wartezeit nicht erfüllt sei. Im Berufungsverfahren machte die Klägerin geltend, daß nach der Beitragserstattung im Mai 1941 ihr damaliger Arbeitgeber für sie - neben einem von ihr freiwillig geleisteten Beitrag - einen weiteren Beitrag für Mai 1941 entrichtet habe. Zusammen mit diesem bisher nicht erstatteten Beitrag sei die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten erfüllt. Das Oberversicherungsamt S wies die Berufung durch Urteil vom 18. August 1953 zurück: Es sei nicht zulässig, für einen Monat zwei Beiträge zu entrichten; deshalb habe ein zweiter für Mai 1941 geleisteter Beitrag keine Gültigkeit erlangt. Die gegen dieses Urteil eingelegte weitere Berufung an das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ging mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes am 1. Januar 1954 als Berufung auf das Landessozialgericht Schleswig über. An die Stelle der Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein ist als Beklagte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte getreten. Das Landessozialgericht bestätigte durch Urteil vom 25. August 1955 die Entscheidung des Oberversicherungsamts. Es unterstellte die Entrichtung eines zweiten Beitrags für Mai 1941 als richtig, lehnte jedoch eine Anrechnung dieses Beitrags auf die Wartezeit für das Ruhegeld ab. Es ließ die Revision zu.

Die Klägerin legte gegen das ihr am 15. Oktober 1955 zugestellte Urteil des Landessozialgerichts am 15. November 1955 Revision ein und begründete sie am 12. Dezember 1955. Sie beantragte, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und ihr vom 1. Februar 1953 an Ruhegeld zuzusprechen. Der Ende Mai 1941 entrichtete Beitrag dürfe nicht unberücksichtigt bleiben. Weil der erste für Mai entrichtete Beitrag mit erstattet worden sei, liege für diesen Monat tatsächlich noch ein Beitrag vor. Sie habe ihr Dienstverhältnis nach ihrer Heirat unmittelbar, also noch im Mai 1941, fortgesetzt, so daß schon für Mai und nicht erst für Juni 1941 eine neue Beitragspflicht entstanden sei.

Die Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits ist das vor dem Erlaß des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 geltende Recht maßgebend (Art. 1 §§ 83, 82; Art. 2 § 27 AnVNG).

Das Landessozialgericht hat mit Recht ausgeführt, daß die Wartezeit der Klägerin nur erfüllt ist, wenn der zweite für Mai 1941 - möglicherweise - geleistete Beitrag auf die Wartezeit angerechnet werden darf. Der erste von der Klägerin selbst für diesen Monat freiwillig entrichtete Beitrag ist bereits damals mit erstattet worden.

Bei der Beitragserstattung wegen Heirat wird der Versicherten die Hälfte ihrer Beiträge für die Zeit bis zum Ende des Monats, in dem sie den Antrag gestellt hat, erstattet (§ 47 a. F. AVG in Verb. mit § 1309 a Abs. 1 Satz 1 RVO in der damals geltenden Fassung des Gesetzes vom 21.12.1937, später § 1309 a Abs. 1 a. F. RVO). Die Erstattung schließt weitere Ansprüche aus den bisher entrichteten Beiträgen aus (§ 47 a. F. AVG in Verb. mit § 1309 a Abs. 2 Satz 2 RVO i. d. Fassung des Gesetzes vom 21.12.1937, später § 1309 a Abs. 4 a. F. RVO). Nach dem Wortlaut und dem Sinn dieser Vorschriften umfaßt die Erstattung auch den Beitrag für den Antragsmonat. Der erst Ende des Monats fällig werdende und dann vom Arbeitgeber zu entrichtende Beitrag fällt mit unter den Erstattungsanspruch. Aus dem inneren Zusammenhang der einzelnen Absätze des § 1309 a RVO ergibt sich, daß unter den "bisher entrichteten Beiträgen" (Abs. 4) alle Beiträge verstanden werden müssen, die "für die Zeit bis zum Ende des Antragsmonats" (Abs. 1) entrichtet wurden. Aus ihnen können, abgesehen von dem Anspruch auf Erstattung, keine weiteren Rechte hergeleitet werden. Dies gilt auch dann, wenn die sonstigen Beiträge schon vor der Entrichtung dieses Beitrags erstattet wurden. Auf den Zeitpunkt der Erstattung kommt es nicht an. Ein etwa nicht mit erstatteter Beitrag für den Antragsmonat gehört zu "den bisher entrichteten Beiträgen" und wird von dem Ausschluß aller später aus diesen Beiträgen erhobenen Ansprüche mit erfaßt. Auch wenn er auf dem Beitragskonto stehen bleibt, darf er später nicht mehr mit berücksichtigt werden. Er ist gegebenenfalls nachträglich - zur Hälfte - zu erstatten. Nur aus den Beiträgen, die nach dem Ende des Antragsmonats entrichtet werden, können neue Rechte erwachsen (ebenso Hartmann, Deutsche Rentenversicherung 1939, S. 23; Koch-Hartmann, AVG, 2. Auflage, S. 525).

Die Klägerin war im Mai 1941 durchgehend beschäftigt und pflichtversichert. Ihr Arbeitgeber war daher gehalten, für sie für diesen Monat einen Pflichtbeitrag zu entrichten. Die Erstattung erstreckte sich rechtlich auch auf diesen Beitrag, wenn er auch bei der Berechnung des Erstattungsbetrags tatsächlich nicht berücksichtigt worden ist. Die Ansicht der Klägerin, dieser Beitrag müsse auf die neue Wartezeit angerechnet werden, ist mit den gesetzlichen Vorschriften nicht vereinbar. Er kann auch nicht deshalb dem neuen Beitragskonto zugerechnet werden, weil die Klägerin nach ihrer Heirat das Beschäftigungsverhältnis fortsetzte. Versicherungsrechtliche Wirkungen sind erst wieder, wie bereits dargelegt wurde, aus den Beiträgen entstanden, die für die auf den Antragsmonat folgende Zeit, also die Zeit von Juni 1941 an, entrichtet worden sind. Der Gesetzgeber hat die Grenze zwischen dem Ausschluß von Ansprüchen aus den entrichteten Beiträgen und dem frühsten Beginn neuer Rechte weder auf den Tag der Heirat oder der Auszahlung des Erstattungsbetrags noch auf den der Fortsetzung des alten oder der Aufnahme eines neuen Dienstverhältnisses gelegt, sondern - der Klarheit der Verhältnisse wegen - auf den Ablauf des Kalendermonats, in dem der Antrag auf die Beitragserstattung gestellt worden ist.

Das Urteil des Landessozialgerichts ist also im Ergebnis richtig. Die Revision mußte daher zurückgewiesen werden (§§ 170, 193 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2290903

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