Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitsloser ist für den Zeitraum, für den er volles Arbeitsentgelt aus einer Vollbeschäftigung erhalten hat, grundsätzlich nicht bedürftig iS von § 134 Abs 1 Nr 3 iVm § 137 Abs 1 AFG.

 

Orientierungssatz

Sicherstellung des Lebensbedarfs für eine Woche - Verfassungsmäßigkeit des § 134 Abs 3a AFG:

1. Sowohl beim Arbeitslosengeld wie bei der Arbeitslosenhilfe handelt es sich um eine auf ganze Wochen bezogene Sozialleistung, die dazu bestimmt ist, den Lebensbedarf der Woche unter Einschluß des Sonntags abzudecken (vgl BSG vom 24.8.1988 7 RAr 78/87 = SozR 1500 § 144 Nr 38).

2. § 134 Abs 3a AFG verstößt nicht gegen Art 3 GG.

3. Nicht in jedem Fall ist der Tag der Arbeitslosmeldung und Antragstellung für die Bestimmung der Vorfrist iS von § 134 Abs 1 Nr 4 AFG maßgebend, sondern gegebenenfalls ein späterer Tag, an dem erstmalig alle Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe - auch die der Bedürftigkeit - erfüllt sind.

 

Normenkette

AFG § 114 S. 1, § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3a, § 137 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

SG Hildesheim (Entscheidung vom 13.08.1986; Aktenzeichen S 16 Ar 146/86)

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 14.04.1987; Aktenzeichen L 7 Ar 277/86)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 14. Februar 1986.

Er ist 1951 geboren und legte nach Hochschulstudium und Vorbereitungsdienst als Studienreferendar im Januar 1980 die Prüfung für das Lehramt an Gymnasien ab. Ab 1. Februar 1980 bezog er Alhi. Die letzte Bewilligung erfolgte für die Zeit vom 2. Februar 1982 bis 1. Februar 1983. Mit Wirkung ab 15. Februar 1982 wurde die Bewilligung der Alhi wegen Arbeitsaufnahme des Klägers aufgehoben und zugleich ein Leistungsbezug bis zum 13. Februar 1982 bescheinigt (Bescheid vom 15. Februar 1982).

In der Zeit vom 15. Februar 1982 bis 14. Februar 1986 war der Kläger aufgrund eines Arbeitsvertrages mit dem Schulverein der Deutschen Schule in Rio de Janeiro (Brasilien) tätig. Der Vertrag, der zunächst bis zum 14. Februar 1984 befristet war und später bis zum 14. Februar 1985 und dann noch einmal bis zum 14. Februar 1986 verlängert wurde, ist vom Kläger und dem vorbezeichneten Schulträger unterschrieben worden. Nach § 2 des Vertrages war der Kläger ua zur Erteilung von 24 Wochenstunden Unterricht verpflichtet; Anordnungen des Schulträgers, die sein Anstellungsverhältnis betrafen, hatten über den Schulleiter zu ergehen; für Weisungen in schulisch-pädagogischen Angelegenheiten war der Schulleiter zuständig; es galt die an der Auslandsschule festgelegte Ferienordnung. Gemäß § 3 des Vertrages hatte der Kläger für seine Dienstleistung vom Schulträger eine Vergütung sowie Nebenleistungen zu beanspruchen, deren Höhe gemäß den Regelungen für das Sonderprogramm zur Beschäftigung von voll ausgebildeten, noch nicht beamteten Lehrern und Lehrerinnen an amtlich geförderten Schulen im Ausland bemessen und im Auftrag der Schule vom Bundesverwaltungsamt - Zentralstelle für Auslandsschulwesen - (BVA) errechnet und unmittelbar auf ein vom Kläger zu benennendes innerdeutsches Konto überwiesen wurde. Die Vergütung wurde nach den Richtlinien des Auswärtigen Amtes gezahlt und setzte sich aus steuerpflichtigem Grundgehalt (1.513,-- DM), steuerpflichtigem Verheiratetenzuschlag (370,-- DM), steuerfreiem Auslandszuschlag (3.442,-- DM), steuerfreiem Mietzuschuß (224,07 DM) und steuerfreiem Auslandskinderzuschlag (369,-- DM) zusammen. Diese Leistungen wurden bis zum 14. Februar 1986 gewährt, ausgenommen der Mietzuschuß, der bis zum 31. Januar 1986 geleistet wurde. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wurden entrichtet (§ 2 Abs 1 Nr 10 Angestelltenversicherungsgesetz -AVG-), nicht hingegen zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung.

Am 14. Februar 1986 meldete der Kläger sich beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos und beantragte Alhi. Die Beklagte lehnte den Antrag mit dem Hinweis ab, die Voraussetzungen des § 134 Abs 3a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für einen Anspruch auf Alhi nach einer Beschäftigung außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes seien nicht erfüllt; wohl seien die Merkmale der Nrn 1 und 3 der genannten Vorschrift verwirklicht, nicht aber die der Nr 2; der Kläger habe nicht innerhalb der auf vier Jahre erweiterten Vorfrist (14. Februar 1982 bis 13. Februar 1986) Arbeitslosengeld (Alg) oder Alhi bezogen; diese Leistungen würden gemäß § 114 Satz 1 AFG nur für die sechs Wochentage, also für Montag bis Samstag, gewährt; der Kläger habe Alhi nur bis zum 13. Februar 1982 erhalten, da der 14. Februar 1982 ein Sonntag gewesen sei; eine Härteregelung sei im Gesetz nicht vorgesehen (Bescheid vom 3. April 1986; Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 1986).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. August 1986), das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 14. April 1987). In den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts heißt es:

Der Kläger habe für die Zeit ab 14. Februar 1986 keinen Anspruch auf Alhi. Er habe, anders als § 134 Abs 1 Nr 4b AFG verlange, nicht innerhalb der einjährigen Vorfrist in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden (§ 104, § 134 Abs 4 Satz 1, § 168 AFG). Zwar könne hierunter auch eine auf vorübergehender Entsendung ins Ausland beruhende Beschäftigung fallen (§ 173a AFG, § 4 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften über die Sozialversicherung - -SGB 4-). Jedoch sei Voraussetzung, daß der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses im Inland liege. Das sei hier nicht der Fall. Arbeitgeber des Klägers sei nicht das BVA, sondern der brasilianische Schulträger gewesen. Der Kläger sei nicht in dem Betrieb des BVA eingegliedert gewesen. Er habe nicht den Weisungen des BVA unterlegen und weder in seinem Auftrag noch in seinem Interesse gehandelt. Sein Beschäftigungsverhältnis lasse sich nicht als Konkretisierung der Arbeitsbedingungen iS einer Dienstreise, Versetzung oder Abordnung eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ansehen. Bestimmte Mitteilungspflichten wegen der Vergütung oder eine etwaige Verpflichtung zur Abfassung von Tätigkeitsberichten gegenüber dem BVA vermöchten hieran nichts zu ändern. Auf der anderen Seite seien die Dienstverträge allein mit dem brasilianischen Schulträger abgeschlossen worden. Gestaltung und Wahrnehmung wesentlicher Rechte - wie zB Urlaubs-, Kündigungs- und Disziplinarrecht - hätten dem brasilianischen Schulträger oblegen. Die Geltendmachung der Rechte des Klägers habe sich nicht nach deutschem, sondern nach brasilianischem Recht gerichtet. Die Zahlung des Arbeitsentgelts durch das BVA stehe der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem brasilianischen Schulträger nicht entgegen. Allerdings sei die Verpflichtung zur Zahlung der Arbeitsvergütung wichtiges Indiz für die Qualifizierung als Arbeitgeber. Das gelte vor allem, wenn das Arbeitsentgelt an die im Ausland Beschäftigten in gleicher Weise wie für die im Inland Beschäftigten ausgewiesen werde. Ein solcher Sachverhalt sei hier indes nicht gegeben. Das BVA habe seine Zahlungen an die Lehrer, die wie der Kläger im Rahmen des erwähnten Sonderprogrammes tätig gewesen seien, nämlich nicht in gleicher Weise wie die Zahlungen an die von ihm beschäftigten Arbeitnehmer, sondern unter einem gesonderten Haushaltstitel ausgewiesen.

Zwischenstaatliche Abkommen sähen eine Gleichstellung der in Brasilien zurückgelegten Beschäftigungszeiten mit inländischen Versicherungszeiten nicht vor. Andere Zeiten, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könnten, habe der Kläger nicht zurückgelegt. So habe er keine Ersatzzeiten nach § 107 AFG aufzuweisen. Auch Ersatztatbestände nach § 134 Abs 2 und 3 AFG seien nicht ersichtlich. Eine Anrechnung ausländischer Beschäftigungszeiten (§ 108 AFG) oder eine Berücksichtigung ausländischer Versicherungszugehörigkeit (§ 109 AFG) kämen mangels entsprechender Rechtsverordnungen nicht in Betracht.

Der Kläger verwirkliche entgegen seiner Ansicht auch nicht die Merkmale des § 134 Abs 3a AFG, wonach Zeiten der Auslandsbeschäftigung unter bestimmten Voraussetzungen den Zeiten einer Beschäftigung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG gleichstünden. Der Kläger habe, anders als in Nr 2 dieser Vorschrift gefordert, nicht innerhalb der auf vier Jahre erweiterten Vorfrist Alg oder Alhi bezogen. Die Beklagte sei in ihren Bescheiden davon ausgegangen, daß die Vorfrist vom 14. Februar 1982 bis zum 13. Februar 1986 gelaufen sei, weil am 14. Februar 1986 alle sonstigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi erfüllt gewesen seien. Dies treffe jedoch nicht zu.

Zum einen sei der Kläger am 14. Februar 1986 nicht arbeitslos gewesen (§ 101 AFG). Allerdings sei nach seinen Angaben der Schulunterricht am 19. Dezember 1985 beendet gewesen; anschließend hätten die großen Ferien begonnen; der Rückflug in die Bundesrepublik Deutschland sei von ihm am 12. Februar 1986 angetreten worden. Doch sei der Urlaub auf das Direktionsrecht eines Arbeitgebers und auf die Eingliederung eines Arbeitnehmers in seinen Betrieb ohne Einfluß; er unterbreche weder das rechtliche Arbeitsverhältnis noch das tatsächliche Beschäftigungsverhältnis.

Zum anderen sei der Kläger am 14. Februar 1986 nicht bedürftig gewesen (§§ 137, 138 AFG). Er habe mit Ausnahme des Mietzuschusses sämtliche Vergütungsarten bis einschließlich 14. Februar 1986 ausgezahlt erhalten. Dahinstehen könne, ob der steuerfreie Auslandskinderzuschlag (369,-- DM) nicht als Einkommen anzusehen sei (§ 138 Abs 3 Nrn 3 und 8 AFG). Jedenfalls falle der Auslandszuschlag (3.442,-- DM), obwohl steuerfrei, nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 138 Abs 3 Nr 3 AFG; er berücksichtige jede durch die Beschäftigung im Ausland möglicherweise bedingte Erhöhung des allgemeinen Lebensbedarfs; hingegen beinhalte er nicht, wie von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 138 Abs 3 Nr 3 AFG gefordert, einen abgrenzbaren besonderen Mehrbedarf. Allein unter Berücksichtigung des Auslandszuschlages (3.442,-- DM), des Grundgehaltes (1.513,-- DM) und des Verheiratetenzuschlages (370,-- DM) habe der Kläger über ein monatliches Bruttoeinkommen von 5.315,-- DM verfügt. Das hieraus nach den Abzügen gemäß § 138 Abs 2 AFG resultierende Nettoeinkommen habe den dem Kläger zustehenden Alhi-Leistungssatz eindeutig überschritten. Die Beklagte habe eine Einstufung des Klägers in die Gehaltsgruppe III des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT) für zutreffend erachtet (§ 136 Abs 2 Satz 1, § 112 Abs 7 AFG). Begründete Bedenken dagegen seien nicht erkennbar. Die Beklagte habe das danach als Bemessungsentgelt zugrunde zu legende Monatsgehalt mit 4.206,45 DM, in einem früheren Aktenvermerk mit 4.984,58 DM angegeben. Dem entsprächen wöchentliche Entgelte von 970,-- DM oder 1.150,-- DM und Alhi-Sätze von wöchentlich 314,-- DM bzw 354,60 DM. Selbst bei Zugrundelegung der höheren Entgelte und höheren Leistungssätze habe das Nettoeinkommen des Klägers am 14. Februar 1986 den ihm zustehenden Alhi-Satz somit überstiegen.

Die sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alhi hätten nach alledem erst am 15. Februar 1986 vorgelegen. Demzufolge habe sich die vierjährige Vorfrist des § 134 Abs 3a AFG nicht vom 14. Februar 1982 bis zum 13. Februar 1986, sondern vom 15. Februar 1982 bis zum 14. Februar 1986 erstreckt. Damit seien die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alhi gemäß § 134 Abs 3a AFG nicht erfüllt; denn am 15. Februar 1982 habe der Kläger unzweifelhaft Alhi nicht mehr bezogen. Damit erübrige sich ein Eingehen auf die Frage, ob der Kläger trotz des § 114 Satz 1 AFG am 14. Februar 1986 Alhi bezogen habe.

Schließlich könne der Kläger sein Klagebegehren nicht mit Erfolg auf den sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Offenbleiben könne, ob es bereits an einer Verletzung der Beratungspflicht fehle; denn der dem Kläger entstandene Rechtsnachteil lasse sich nicht durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigen. Der Kläger hätte den Nichterwerb eines Anspruchs auf Alhi gemäß § 134 Abs 3a AFG nur dadurch vermeiden können, daß er seinen Arbeitsvertrag - unterstellt, dies wäre möglich gewesen - unter Wegfall der entsprechenden Vergütung vorzeitig gelöst hätte. Nur dann wäre er am nächstfolgenden Tag arbeitslos und bedürftig gewesen und hätte durch Arbeitslosmeldung und Leistungsantrag alle sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen können. Daß es zu einer solchen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gekommen sei, könne und dürfe die Beklagte nicht unberücksichtigt lassen; sie dürfe nicht zu einem Handeln verpflichtet werden, das gesetzeswidrig sei.

Der Kläger rügt mit der Revision, soweit er sie rechtzeitig (§ 164 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) begründet hat, eine Verletzung des § 114 und des § 134 Abs 3a AFG, des § 3 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 Abs 1 Grundgesetz -GG-). Zur Begründung macht er geltend:

Der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 15. Februar 1982 besage, daß der Anspruch auf Alhi mit Wirkung von diesem Tage an entfalle. Das bedeute, daß Alhi bis einschließlich Sonntag, den 14. Februar 1982, geleistet worden sei. Demgegenüber berufe die Beklagte sich zu Unrecht auf § 114 AFG. Diese Vorschrift betreffe die Zahlungsart. Die Alimentation als solche erfolge nicht für sechs, sondern für sieben Tage. Habe der Kläger aber für Sonntag, den 14. Februar 1982, noch Alhi erhalten, sei die auf vier Jahre erweiterte Vorfrist des § 134 Abs 3a Nr 2 AFG gewahrt.

Die Beklagte habe die vierjährige Vorfrist als solche (14. Februar 1982 bis 13. Februar 1986) richtig berechnet. Das LSG habe nicht eine völlig neue Fristberechnung (15. Februar 1982 bis 14. Februar 1986) in das Verfahren einbringen dürfen. Ebensowenig habe es darauf abheben dürfen, ob am 14. Februar 1986 die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit und der Bedürftigkeit vorgelegen hätten. Diese Fragen seien nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen. Feststehe, daß der Kläger seinen Leistungsantrag fristgerecht zum 14. Februar 1986 gestellt habe. Wann die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi eingetreten seien, hätte gesondert geprüft werden können.

Sofern dem Kläger ein Anspruch auf Alhi nicht zugebilligt werden könne, verstoße § 134 Abs 3a Nr 2 AFG gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 GG). Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb im Ausland Arbeitende schlechter gestellt werden dürften als im Inland Beschäftigte. Die Ungleichbehandlung wirke sich dahin aus, daß der erstgenannte Personenkreis sozialhilfebedürftig werde, der zweite nicht.

Schließlich werde das Recht des Klägers auf Bildungs- und Arbeitsförderung (§ 3 Abs 1 SGB 1) vereitelt; denn die Beklagte habe einen Anspruch auf Umschulung des Klägers vom Bestehen eines Anspruchs auf Alhi abhängig gemacht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. April 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1986 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 14. Februar 1986 Alhi zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verweist auf die nach ihrer Auffassung zutreffenden Entscheidungsgründe des LSG-Urteils.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Ob dem Kläger für die Zeit ab 14. Februar 1986 Anspruch auf Alhi zusteht, richtet sich nach § 134 AFG idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484), in Kraft getreten am 1. Januar 1986 (Art 13). Nach Absatz 1 dieser Vorschrift hat Anspruch auf Alhi, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt hat (Nr 1), keinen Anspruch auf Alg hat (Nr 2), bedürftig ist (Nr 3) und die Anwartschaftsvoraussetzungen (Nr 4) erfüllt. Für eine im Ausland ausgeübte Beschäftigung ist die besondere Anwartschaftsvoraussetzung des Absatzes 3a zu beachten.

Der Kläger hat sich am 14. Februar 1986 beim ArbA arbeitslos gemeldet (§ 105 Abs 1 Satz 1 AFG) und Antrag auf Alhi gestellt. Ihm stand ab 14. Februar 1986 kein Anspruch auf Alg zu; er hat nicht die dafür erforderliche Anwartschaftszeit zurückgelegt (§ 104 AFG). Die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt, wer in der dreijährigen Rahmenfrist, die dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorausgeht, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind, 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat (§ 104 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und 3 Halbs 1 AFG). Hier stand der Kläger innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist zwar in einem Beschäftigungsverhältnis; sein Beschäftigungsverhältnis unterlag jedoch nicht der Beitragspflicht. Der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) unterliegen, worauf das LSG zu Recht hingewiesen hat, nur diejenigen Arbeitnehmer, die im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches beschäftigt sind (§ 173a AFG, § 3 Nr 1 SGB 4); eine Beschäftigung von Deutschen im Ausland ist grundsätzlich nicht beitragspflichtig (Eckert in Ambs ua, Gemeinschaftskomm zum AFG, Stand August 1988, § 168 Rz 9). Eine Durchbrechung dieses sog Territorialitätsprinzips kann im Wege der sog Ausstrahlung anzunehmen sein (§ 173a AFG, § 4 SGB 4). Charakteristisch für diesen Ausnahmetatbestand ist aber, daß der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses im Inland verbleibt (BT-Drucks 7/4122 S 30 zu § 4; BSG SozR 4100 § 141b Nr 28; Eckert, aaO, Rz 17). Im vorliegenden Fall lag der Schwerpunkt der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Klägers nicht im Inland, sondern in Brasilien.

Das BVA kann unter keinem Aspekt als Arbeitgeber des Klägers angesehen werden. Die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses hängt von mindestens zwei Erfordernissen ab, nämlich der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers und der Verfügungsmacht des Arbeitgebers (BSG Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit Rechtsprechung - Dienstbl BA R - Nr 2547a zu § 104 AFG und Nr 2755a zu § 125 AFG). Der Kläger hat sich gegenüber dem BVA nicht zur Erbringung von Diensten bereiterklärt. Das BVA hat ihm gegenüber keine Direktionsbefugnisse ausgeübt. Der Kläger hat seine Lehrertätigkeit in Rio de Janeiro auch nicht im Auftrag und Interesse des BVA aufgenommen. Ebensowenig kann von einer Dienstreise, Abordnung oder Versetzung des Klägers auf Veranlassung des BVA die Rede sein. Lediglich die Bezüge des Klägers, die sich nach den Richtlinien des Auswärtigen Amtes richteten, wurden durch das BVA abgewickelt. Allerdings wurden sie nicht in gleicher Weise wie die Zahlungen für die beim BVA beschäftigten Arbeitnehmer, sondern unter einem eigenen Haushaltstitel ausgewiesen, wodurch die Sonderstellung der im Rahmen des Sonderprogramms tätigen Auslandslehrer zum Ausdruck kam. Auf der anderen Seite waren im Verhältnis zwischen dem brasilianischen Schulträger der Deutschen Schule in Rio de Janeiro und dem Kläger alle Voraussetzungen für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben. In diesem Verhältnis wurden der Arbeitsvertrag und die beiden Verlängerungsverträge abgeschlossen. Der brasilianische Schulträger übte gegenüber dem Kläger das Direktionsrecht aus. Er erteilte die Anordnungen, die das Angestelltenverhältnis des Klägers betrafen; für Weisungen in schulisch-pädagogischen Angelegenheiten war der Schulleiter zuständig. Umgekehrt war der Kläger gegenüber dem brasilianischen Schulträger zur Erteilung von 24 Wochenstunden Unterricht verpflichtet. Schließlich waren alle weiteren Rechte und Pflichten ausschließlich im Verhältnis zwischen dem brasilianischen Schulträger und dem Kläger wahrzunehmen, so zB in bezug auf das Urlaubs-, Kündigungs- und Disziplinarrecht. Damit lag der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers eindeutig in Brasilien mit der Folge, daß der Kläger nicht der Beitragspflicht zur BA unterworfen war und nicht die für einen Anspruch auf Alg erforderliche Anwartschaftszeit erworben hat.

Der Kläger hat auch keine anderen Zeiten zurückgelegt, die den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehen. Weder ist die Beschäftigung des Klägers aufgrund eines zwischenstaatlichen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Brasilien bundesdeutschen Beschäftigungszeiten gleichgestellt, noch hat der Kläger Ersatzzeiten nach § 107 AFG zurückgelegt, noch kommen mangels entsprechender Rechtsverordnungen eine Anrechnung ausländischer Beschäftigungszeiten gemäß § 108 AFG oder die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszugehörigkeit gemäß § 109 AFG in Betracht.

Indes fehlt es an der für einen Anspruch auf Alhi erforderlichen Anwartschaft. Die Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Nr 4 AFG liegen nicht vor; denn der Kläger hat nicht innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind, Alg bezogen (Nr 4 Buchst a) oder 150 Tage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können (Nr 4 Buchst b). Er hat auch keine Zeiten, die dieser sog kleinen Anwartschaft gleichgestellt sind, zurückgelegt. Es ist nicht ersichtlich, daß er Zeiten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, des Wehr- oder Zivildienstes (§ 134 Abs 2 Nrn 1 und 2 AFG) oder Zeiten nach § 241a AFG absolviert hat; er bringt dies selbst nicht vor. Dasselbe trifft auf die in § 134 Abs 3 AFG aufgeführte Zahlung von Sozialleistungen zu, die als Anwartschaftsersatz gilt.

Der Kläger erfüllt aber auch nicht die Voraussetzungen nach § 134 Abs 3a AFG. Danach steht eine Beschäftigung außerhalb des Geltungsbereiches des AFG, die bei Ausübung im Geltungsbereich des AFG zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könnte, einer Beschäftigung iS des Absatzes 1 Nr 4 Buchst b gleich, wenn der Arbeitslose ua (1.) insgesamt mindestens zwanzig Jahre seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des AFG gehabt, (2.) innerhalb der auf vier Jahre erweiterten Vorfrist Alg oder Alhi bezogen hat und (3.) innerhalb von drei Monaten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, das außerhalb des Geltungsbereiches des AFG bestanden hat, im Geltungsbereich des AFG sich arbeitslos gemeldet hat. Die Voraussetzungen der Nrn 1 und 3 dieser Sonderregelung sind hier verwirklicht; auch die Beklagte räumt dies ein. Würde die oa Vorfrist der Nr 2 vom 14. Februar 1982 bis 13. Februar 1986 laufen, hätte der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten auch die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt. Er hätte dann innerhalb der vierjährigen Vorfrist für einen Tag, nämlich für den 14. Februar 1982, Alhi bezogen. Zwar wird Alhi nur für sechs Wochentage, also von Montag bis Samstag, gezahlt (§ 114 Satz 1, § 134 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 AFG). Doch handelt es sich, wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, sowohl beim Alg wie bei der Alhi um eine auf ganze Wochen bezogene Sozialleistung, die dazu bestimmt ist, den Lebensbedarf der Woche unter Einschluß des Sonntags abzudecken (BSG SozR 1500 § 144 Nr 38; BSG vom 14. Februar 1989 - 7 RAr 56/87 -). Das bedeutet, daß der Kläger entgegen der Aussage im Bescheid vom 15. Februar 1982 Alhi auch für Sonntag, den 14. Februar 1982, erhalten hat. Dieser eine Bezugstag würde deshalb im Rahmen des § 134 Abs 3a AFG zur Berücksichtigung der Auslandsbeschäftigung des Klägers ausreichen, sofern die maßgebliche Vorfrist, wie oben beschrieben, gelaufen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Vorfrist von vier Jahren umfaßt nämlich den Zeitraum vom 15. Februar 1982 bis zum 14. Februar 1986. Dies folgt aus § 134 Abs 1 Nr 4 Halbs 1 AFG, der in einer auch für die Vorfrist des § 134 Abs 3a Nr 2 AFG maßgeblichen Weise die rechtlichen Voraussetzungen für die Bestimmung der Frist regelt, innerhalb deren die für den Anspruch auf Alhi erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Nach § 134 Abs 1 Nr 4 Halbs 1 AFG liegt die Vorfrist zeitlich unmittelbar vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind. Maßgeblich dafür ist mithin nicht der Kalendertag einer Arbeitslosmeldung und Antragstellung schlechthin, sondern der (ggf spätere) Tag, an dem der Antragsteller erstmalig alle Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Nrn 1 bis 3 AFG erfüllt. Im vorliegenden Fall war dies frühestens der 15. Februar 1986; denn für den 14. Februar 1986 fehlt es zumindest an der Bedürftigkeit des Klägers iS von § 134 Abs 1 Nr 3 AFG.

Gemäß § 137 Abs 1 AFG ist der Arbeitslose bedürftig iS des § 134 Abs 1 Nr 3 AFG, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 AFG nicht erreicht. Innerhalb der danach gemäß den §§ 137 und 138 AFG vorzunehmenden Bedürftigkeitsprüfung unterscheidet man zwischen allgemeiner und spezieller Bedürftigkeitsprüfung (Kühl in Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand September 1988, § 137 Rz 3). Soweit Bedürftigkeit bereits nach der allgemeinen Bedürftigkeitsprüfung zu verneinen ist, erübrigt sich die spezielle Bedürftigkeitsprüfung - und umgekehrt (BVerfGE 9, 20, 29; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl, § 137 Rz 3). Hier ergibt sich bereits aufgrund der allgemeinen Bedürftigkeitsprüfung, daß der Kläger am 14. Februar 1986 nicht bedürftig war.

Das Gesetz selbst enthält keine Regelung darüber, für welche Zeiträume laufendes Arbeitsentgelt aus einer Vollbeschäftigung im Rahmen der allgemeinen Bedürftigkeitsprüfung anzusetzen ist. Auch der Senat hat hierzu bislang keine Stellungnahme bezogen. Die Antwort folgt jedoch aus dem die Alhi beherrschenden Grundsatz der Subsidiarität. Er besagt, daß jemandem ein Anspruch auf Alhi nicht zusteht, solange und soweit er für sich und seine Angehörigen selbst sorgen kann (Kühl, aaO, § 137 Rz 3). Daraus ergibt sich, daß ein Arbeitsloser für den Zeitraum, für den er volles Arbeitsentgelt aus einer Vollbeschäftigung erhalten hat, grundsätzlich nicht bedürftig iS von § 134 Abs 1 Nr 3 iVm § 137 Abs 1 AFG ist. Eine solche Situation liegt hier vor. Der Kläger konnte am 14. Februar 1986 für sich und seine Angehörigen selbst aufkommen; denn er erhielt für die Zeit vom 1. bis 14. Februar 1986 volles Arbeitsentgelt aus einer Vollbeschäftigung. Dieses Arbeitsentgelt war auch dazu bestimmt, den Lebensunterhalt des Klägers und den seiner Familie für diesen Zeitraum abzudecken. Besondere Umstände, die zB dem Zweck oder der Verwendungsmöglichkeit des Arbeitsentgelts entgegenstanden, sind nicht ersichtlich. Das schließt die Annahme von Bedürftigkeit des Klägers für den 14. Februar 1986 aus. Jedes andere Ergebnis erschiene unbillig, zumal die Kosten der Alhi aus allgemeinen Steuermitteln übernommen werden (§ 188 AFG).

Da der Kläger am 14. Februar 1986 nicht bedürftig war, kann offenbleiben, ob er an diesem Tag arbeitslos (§ 101 AFG) und verfügbar (§ 103 AFG) gewesen ist.

Dem Kläger kann, wie vom LSG im Ergebnis richtig entschieden, auch für die Zeit ab 15. Februar 1986 kein Anspruch auf Alhi zuerkannt werden. Allerdings wirken die Arbeitslosmeldung und die Antragstellung auf Alhi bis zu diesem Tag fort. Der Kläger war an diesem Tag auch arbeitslos (§ 101 AFG). Ebenso stand er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung (§ 103 AFG). Ferner hatte er mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit keinen Anspruch auf Alg. Schließlich war er jetzt auch bedürftig iS von §§ 137, 138 AFG. Doch fehlt es für die Zeit ab 15. Februar 1986 an den Voraussetzungen des § 134 Abs 3a AFG. Die Beschäftigung des Klägers in Brasilien, die bei Ausübung im Geltungsbereich des AFG zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könnte, steht einer Beschäftigung iS des Absatzes 1 Nr 4 Buchst b AFG deswegen nicht gleich, weil der Kläger nicht innerhalb der vierjährigen Vorfrist (15. Februar 1982 bis 14. Februar 1986) wenigstens an einem Tag Alhi bezogen hat. Dies gilt selbst dann, wenn man, wie oben dargetan, davon auszugehen hat, daß Alhi dazu dient, den Lebensbedarf der Woche unter Einschluß des Sonntags sicherzustellen; denn am 15. Februar 1982 hat der Kläger auf keinen Fall mehr Alhi bezogen.

Der Kläger kann sein Klagebegehren auch nicht mit Erfolg auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Dieser ist auf Vornahme einer Rechtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Entscheidend ist also das Ausbleiben von gesetzlich vorgesehenen Vorteilen infolge eines rechtswidrigen Verhaltens des Leistungsträgers im Rahmen eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses (BSG SozR 4100 § 56 Nr 18; BSG vom 11. Januar 1989 - 7/11b RAr 16/87 - jeweils mwN). Ob hier von einer fehlerhaften oder unrichtigen Beratung der Beklagten gesprochen werden kann, ist fraglich, da § 134 Abs 3a AFG erst am 1. Januar 1986 in Kraft getreten ist und die Beklagte keine Gelegenheit hatte, den Kläger insoweit zu beraten. Ebenso erscheint es zweifelhaft, ob es im Verhältnis zwischen dem BVA und dem Kläger zu einer Verletzung der Beratungspflicht gekommen ist und ob die Beklagte sich dieses anrechnen lassen müßte. Doch können beide Fragen offenbleiben; denn es handelt sich bei der fehlenden Bedürftigkeit des Klägers am 14. Februar 1986 und bei der fehlenden vierjährigen Vorfrist am 15. Februar 1986 um tatsächliche Gegebenheiten, die nicht durch eine rechtmäßige Amtshandlung der Beklagten verändert werden können und die deshalb nicht unberücksichtigt bleiben dürfen; die Beklagte darf nicht zu einer Handlung verpflichtet werden, die gesetzeswidrig wäre (BSG vom 14. Februar 1989 - 7 RAr 18/87 - mwN).

Schließlich kann der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bestimmung des § 134 Abs 3a Nr 2 AFG verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 GG). Dieser enthält die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfGE 3, 58, 135; 9, 237, 244; 18, 38, 46). Er ist nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber nicht die gerechteste oder zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern erst dann, wenn die äußersten Grenzen des Ermessens überschritten sind (BVerfGE 9, 137, 146; 11, 245, 253; 19, 354, 367f), dh wenn sich ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt (BVerfGE 24, 220, 228; 25, 101, 105; 27, 375, 386). Daß für eine Anwartschaftsbegründung aus vorangegangener Beschäftigung grundsätzlich nur Tätigkeiten im Geltungsbereich des AFG berücksichtigt werden, begründet keine Verletzung des Art 3 GG; denn insoweit werden alle Antragsteller gleich behandelt. Für diese Regelung bestehen im übrigen sachlich einleuchtende Gründe. Dasselbe gilt für den Inhalt des § 134 Abs 3a AFG als solchen, der für gleichgelagerte Sachverhalte ebenfalls stets die gleichen Rechtsfolgen anordnet. Soweit der Kläger geltend machen möchte, § 134 Abs 3a AFG verletze deswegen Art 3 GG, weil er Auslandsbeschäftigungen nicht unmittelbar so wie Inlandsbeschäftigungen mit anwartschaftsbegründender Wirkung behandle, kann ihm der Senat nicht folgen. Die am 1. Januar 1986 in Kraft getretene Vorschrift will die Aufnahme vorübergehender Auslandsbeschäftigung erleichtern. Arbeitnehmer, die nach einer vorübergehenden Auslandsbeschäftigung in den Geltungsbereich des AFG zurückkehren, sollen - anders als vor dem 1. Januar 1986 - nicht mehr auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen, sondern durch Alhi geschützt sein (BT-Drucks 10/4483 S 11 zu Art 1 Nr 29 -§ 134 AFG-). Insoweit bewirkt die Vorschrift also eine Verbesserung des früheren Rechtszustandes, obwohl dieser, wie dargelegt, selbst mit Art 3 GG in Einklang steht. Diese Entscheidung des Gesetzgebers kann auch hinsichtlich ihrer Grenzziehung nicht als willkürlich bezeichnet werden. Sie trägt vielmehr der Idee des Sozialstaats (Art 20 Abs 1, 28 Abs 1 GG) hinreichend Rechnung. Einerseits berücksichtigt sie, daß zwischen den Arbeitnehmern, die im Ausland ohne Beitragspflicht zur BA beschäftigt sind, und den Arbeitnehmern, die aufgrund ihrer Tätigkeit im Inland der Beitragspflicht zur BA unterworfen sind, von der Sache her anzuerkennende Unterschiede bestehen. Andererseits gewährleistet sie, daß jedenfalls die Arbeitnehmer durch Alhi geschützt werden, die bereits längere Zeit im Geltungsbereich des AFG gewohnt haben und dort tätig waren oder Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen haben und die im Anschluß an eine vorübergehende Beschäftigung im Ausland in ihre Heimat zurückkehren. Mit der Vorfrist von vier Jahren trägt das Gesetz dem Anliegen, vorübergehende Auslandsbeschäftigungen einzubeziehen, zielorientiert Rechnung. Daß damit nicht alle Auslandsbeschäftigungen erfaßt sind, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Möglicherweise sind für Auslandsbeschäftigte noch günstigere und ggf auch noch angemessenere Lösungen denkbar. Doch begründet das keine Verletzung des Gleichheitssatzes, wenn sich für die getroffene Regelung - wie hier - ausgewogene und sachlich einleuchtende Gründe anführen lassen (BVerfGE 21, 209, 217f; 37, 1, 34; 44, 283, 288; 16, 48; 68, 155, 172).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174560

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