Leitsatz (amtlich)

Eine Versicherung gegen Arbeitsunfall nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO ist nicht gegeben, wenn der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung seinem Mitglied zu einer von diesem mit einem Spezialinstitut vereinbarten stationären Behandlung nur einen Zuschuß aus Mitteln der Gesundheitsfürsorge bewilligt. Die stationäre Behandlung wird in diesem Fall nicht von dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung "gewährt".

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Gewährung lediglich eines Zuschusses von einem Krankenversicherungsträger zu einer Kur ist keine "stationäre Behandlung" iS des § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a Fassung: 1974-08-07, § 559 Fassung: 1974-08-07, § 184 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 184a Fassung: 1974-08-07, § 187 Fassung: 1977-06-27

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 26.08.1981; Aktenzeichen L 4 U 122/80)

SG Lübeck (Entscheidung vom 03.10.1980; Aktenzeichen S 1 U 98/79)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Witwe des bei der Barmer Ersatzkasse (BEK) als Rentner für den Fall der Krankheit versichert gewesenen  K., der am 15. September 1977 auf der Fahrt von seinem Wohnort G nach  L mit seinem Kraftwagen verunglückt und infolge der dabei erlittenen Verletzungen am selben Tag gestorben ist. K. beabsichtigte, sich in dem Spezialinstitut für Bruchleiden und Kneipp-Sanatorium "" in  L einer Behandlung zu unterziehen, nachdem er zuvor mit dem leitenden Arzt, Facharzt für innere Krankheiten Dr. L, über die Behandlung eine private Vereinbarung getroffen hatte. Die BEK hatte K. mit Schreiben vom 12. September 1977 aus Mitteln der Gesundheitsfürsorge für die beabsichtigte Behandlung einen Zuschuß von 75,-- DM täglich, jedoch nicht mehr als die Selbstkosten für die Dauer bis zu 28 Tagen bewilligt. Damit sollten alle entstehenden Kosten für Unterkunft und Verpflegung, ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei- und Kurmitteln, Kurtaxe und Reisekosten abgegolten sein. Einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 6. Oktober 1978 ab, weil K. auf der zum Unfall führenden Fahrt nicht nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a der Reichsversicherungsordnung (RVO) gegen Arbeitsunfall versichert gewesen sei. Die BEK habe K. nicht stationäre Behandlung iS des § 559 RVO gewährt. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 1979 zurück.

Klage und Berufung mit dem Antrag, Hinterbliebenenrente zu gewähren, sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts -SG- Lübeck vom 3. Oktober 1980 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts -LSG- vom 26. August 1981). Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte und die vorinstanzlichen Gerichte hätten den Begriff "Gewährung" iS des § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO fehlerhaft interpretiert und seien zu der unzutreffenden Auffassung gelangt, daß ein Arbeitsunfall in Form eines Wegeunfalls nicht vorgelegen habe. Für die Gewährung einer stationären Behandlung komme es nicht darauf an, wer vor ihrem Beginn die Verbindung mit der Kuranstalt aufgenommen habe. Entscheidend sei allein, wer mit den Kosten der Kur belastet werde. Im vorliegenden Fall habe die BEK und nicht der Verstorbene die gesamten Kosten der Kur übernommen. Die BEK habe in ihrem Schreiben vom 12. September 1977 auch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß mit dem Betrag von täglich 75,-- DM alle entstehenden Kosten für Unterkunft und Verpflegung, Versorgung mit Arznei- und Kurmitteln, Kurtaxe und Reisekosten abgegolten seien. Damit habe sich die BEK für Dritte erkennbar und unmißverständlich als eigentlicher Träger der beabsichtigten Kurmaßnahme zu erkennen gegeben.

Die Klägerin beantragt, die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 26. August 1981 und des SG Lübeck vom 3. Oktober 1980 sowie den Bescheid vom 6. Oktober 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1979 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenrente aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie trägt vor, daß unbeschadet des von der BEK gewährten Zuschusses, der die voraussichtlichen Kosten der Behandlung bis auf 170,-- DM gedeckt hätte, keine Gewährung einer stationären Behandlung durch die BEK vorgelegen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenrente aus Anlaß des tödlichen Unfalls ihres Ehemannes am 15. September 1977.

Die Gewährung von Hinterbliebenenrente setzt nach § 589 Abs 1 Nr 3 RVO iVm § 590 RVO voraus, daß der Tod durch Arbeitsunfall herbeigeführt worden ist. Als Arbeitsunfall gilt nach § 550 Abs 1 RVO ein Unfall auf einem mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Der Ehemann der Klägerin befand sich auf der Fahrt von G nach  L jedoch nicht auf einem mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg. Denn bei dem Aufenthalt in dem Spezialinstitut für Bruchleiden und Kneipp-Sanatorium des Dr. L in Bad Lauterberg wäre K. nicht gegen Arbeitsunfall versichert gewesen. Folglich hat er auch auf dem Weg dorthin nicht unter Versicherungsschutz gestanden.

Nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO sind nur Personen gegen Arbeitsunfall versichert, denen ua von einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung "stationäre Behandlung iS des § 559 RVO gewährt wird". Nach der Begriffsbestimmung in § 559 RVO ist stationäre Behandlung eine Heilbehandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einem Krankenhaus oder einer Kur- oder einer Spezialeinrichtung. Zwar mag die beabsichtigte Behandlung im Spezialinstitut für Bruchleiden und Kneipp-Sanatorium des Dr. L als eine "stationäre Behandlung" iS des § 559 RVO anzusehen sein. Sie wurde aber K. nicht von der BEK "gewährt".

Nach § 5 Abs 5 der Satzung der BEK (Stand: 1. Juli 1977) bestimmen die Versicherungsbedingungen (VB) das Nähere über Art und Umfang der Leistungen. Die VB der BEK (Stand 1. Juli 1977) unterscheiden zwischen Krankenhauspflege und Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in Kur- und Spezialeinrichtungen (§§ 16 und 16b VB) einerseits - dies entspricht den nach § 184 und 184a RVO von allen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährenden Leistungen - sowie Kuren und sonstigen Maßnahmen der Gesundheits- und Genesendenfürsorge (§ 19 VB) andererseits. Letztere gehören zu den satzungsmäßigen Mehrleistungen, zu denen § 187 RVO ermächtigt und die dadurch gekennzeichnet sind, daß die Krankenkassen sie nicht wie erstere als Sachleistungen gewähren müssen (zum Sachleistungsprinzip vgl von Maydell, Zur Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung, 1982 S 24 ff), sondern sich nur mit einem Zuschuß an den Kosten beteiligen können.

Dies war auch bei K. der Fall. Die BEK hatte ihm, aufgrund der Ermächtigung des § 187 RVO gemäß § 19 Abs 4 VB einen Zuschuß von täglich 75,-- DM zugesagt (vgl Schreiben der BEK an die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 21. Dezember 1978). Daß nach dem Bewilligungsschreiben der BEK vom 12. September 1977 damit alle entstehenden Kosten für Unterkunft und Verpflegung, ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei- und Kurmitteln, Kurtaxe und Reisekosten abgegolten sein sollten, kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dahin interpretiert werden, daß die BEK damit K. von eigenen Kosten überhaupt freihalten wollte und sie ihm "also" stationäre Behandlung iS des § 559 RVO habe gewähren wollen. Vielmehr ist das Schreiben der BEK vom 12. September 1977 dahin zu verstehen, daß K. unbeschadet der von ihm tatsächlich aufzuwendenden Kosten für Unterkunft und Verpflegung, ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei- und Kurmitteln, Kurtaxe und Reisekosten nicht mehr als 75,-- DM täglich von der BEK erhalten sollte, andererseits aber, wie ausdrücklich erwähnt ist, auch nicht mehr als die Selbstkosten.

Entscheidend für den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO ist aber, daß bei einer von einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung gewährten stationären Behandlung die Krankenkasse damit zum Unternehmer wird (§ 658 Abs 2 Nr 3 RVO), was gleichzeitig ihre Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung (§ 723 Abs 1 RVO) nach sich zieht (vgl BSG Urteil vom 27. Juni 1978 - 2 RU 20/78 - BSGE 46, 283, 286 und Urteil vom 31. Oktober 1978 - 2 RU 70/78 - USK 78132; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl S. 475 i). Demgegenüber wäre die BEK bei der von K. aufgrund privater Vereinbarung in Aussicht genommenen Heilbehandlung im Spezialinstitut für Bruchleiden und Kneipp-Sanatorium des Dr. L nicht Unternehmer gewesen. Denn zwischen der BEK und dem Spezialinstitut hat keine Vereinbarung zur Sicherstellung der Versorgung des K. in dem Spezialinstitut bestanden. Sie hatte dadurch auch nicht die Möglichkeit über die Kontrolle des Spezialinstituts wirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen (vgl von Maydell aa0 S 32). Der Inhalt der Vereinbarung des K. mit dem Spezialinstitut für Bruchleiden und Kneipp-Sanatorium des Dr. L war ihr nicht bekannt und sie wußte nicht, welche Kosten K. zu übernehmen gehabt hätte (vgl Schreiben der BEK an die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 21. Dezember 1978). Dies rechtfertigt die beabsichtigte Heilbehandlung in dem Spezialinstitut, die aufgrund privater Vereinbarung des K. zustandegekommen war und zu der die BEK nur einen Kostenzuschuß bewilligt hat, nicht als eine von der Krankenkasse "gewährte" stationäre Behandlung iS der §§ 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a und 559 RVO anzusehen (vgl Hamacher, BG 1977, 567).

Da K. sich mit dem ihm von der BEK durch Schreiben vom 12. September 1977 aus Mitteln der Gesundheitsfürsorge bewilligten Zuschuß von täglich 75,-- DM (§ 19 Abs 4 VB) zufrieden gegeben hat, braucht nicht geprüft zu werden, ob er stationäre Behandlung als Sachleistung von der BEK hätte beanspruchen können und dann Unfallversicherungsschutz auf der Fahrt nach Bad Lauterberg/Harz bestanden hätte.

Die Revision der Klägerin mußte daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 30

Breith. 1983, 867

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