Leitsatz (redaktionell)

1. Die Entziehung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist ein gestaltender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der die entzogenen Leistungsansprüche bis zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht vernichtet.

2. Die Entziehung wird mit Nachholung der Mitwirkung rechtswidrig. Sie bleibt wirksam, bis sie rückwirkend zum Zeitpunkt der Nachholung pflichtgemäß aufgehoben wird. Damit entsteht ein Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über eine darüber hinausgehende nachträgliche Leistungsbewilligung.

 

Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Streitig ist die "vorläufige Einstellung der Rentenzahlung" an die Klägerin ab 1. März 1989.

Die 1914 geborene Klägerin ist deutsche Staatsbürgerin. Sie lebt seit 1962 in Chile und wohnt dort im Gelände der "Socieda Benefactora y Educacional Dignidad" (der sog. Colonia Dignidad, im folgenden: CD) in der Gemeinde Parral in Chile. Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährt ihr seit dem 1. März 1979 ein Altersruhegeld (Arg) wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (Bescheid vom 30. April 1979), das gemäß Bestimmung der Klägerin auf ein Bankkonto ihres mit ihr in der CD wohnenden Ehemannes in Bremen überwiesen wurde.

Im September 1987 teilte ein Konsul bei der Deutschen Botschaft in Chile der Beklagten mit, die sog. Legalisierung der Lebensbescheinigungen von Rentenberechtigten, die in der CD wohnten, sei nicht möglich; es sei nicht gesichert, daß die Rentenempfänger noch lebten. Die Klägerin übersandte 1988/1989 von der Botschaft nicht legalisierte Lebensbescheinigungen. Am 22. Februar 1988 führte der Auswärtige Ausschuß des Deutschen Bundestages, Unterausschuß für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, eine öffentliche Anhörung zu dem Thema durch, ob sich deutsche Staatsangehörige unfreiwillig und unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen in der CD in Chile befänden. Diese Frage wurde von der überwiegenden Zahl der vom Unterausschuß gehörten Auskunftspersonen bejaht, vom behandelnden Arzt der Klägerin, Dr. H , der die CD vertrat, aber bestritten. Nach dem Ergebnis dieser öffentlichen Anhörung ergab sich der Verdacht, bei der Klägerin könne - wie bei anderen Einwohnern der CD - infolge von physischer und psychischer Zwangseinwirkung ein die Geschäftsfähigkeit i.S. von § 104 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berührender Zustand der Fremdbeherrschung erreicht und nicht mehr sichergestellt sein, daß ihr die Rente wirklich zufließe.

Mit Schreiben vom 8. September 1988, in der CD am 15. September 1988 eingegangen, wies die BfA die Klägerin u.a. auf die Ergebnisse der Anhörung im vorgenannten Unterausschuß sowie auf ihre Zweifel daran hin, ob ihr die Rente auch tatsächlich zufließe bzw. ob sie ihre Rente wirksam abgetreten habe. Da die Klärung der Verdachtsmomente nur in einem persönlichen Gespräch möglich sei, forderte die BfA die Klägerin unter Hinweis auf § 61 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auf, einen Gesprächstermin am 23. November 1988 in dem Ort Chillan wahrzunehmen. Sollte sie zu diesem persönlichen Gespräch nicht erscheinen, sehe die BfA sich gezwungen, die Rentenzahlung vorläufig einzustellen (Hinweis auf § 66 SGB I). Die Fahrtkosten würden erstattet. Für den Fall gesundheitlicher Verhinderung werde um Mitteilung und um die Erlaubnis zu einem Hausbesuch gebeten. Unter Berufung auf einen Auftrag der Klägerin und anderer Bewohner der CD übersandte eine Frau S. schon unter dem 10. September 1988 der Beklagten gleichlautende eidesstattliche Erklärungen zu den von der BfA im og Schreiben angesprochenen Fragen. Ferner lehnte ein chilenischer Rechtsanwalt die Teilnahme der Klägerin an einem Gespräch mit der Beklagten ab und bestritt die im Anhörungstermin des og Unterausschusses des Bundestages erhobenen Anschuldigungen gegen die CD. Die BfA, deren Vertreter am 23. November 1988 vergeblich in Chillan gewartet hatten, verfügte deshalb mit dem streitigen Bescheid vom 24. Januar 1989, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 1989, die Rentenzahlung werde mit Ablauf des Monats Februar 1989 vorläufig eingestellt.

Klage und Berufung der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts [SG] Berlin vom 3. März 1992; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Berlin vom 16. März 1994). Das Berufungsgericht ist folgender Ansicht: Die Beklagte sei zu der streitigen "vorläufigen Renteneinstellung" gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 3 SGB I befugt gewesen. Sie habe die Klägerin unter angemessener Fristsetzung auf ihre Pflicht zum persönlichen Erscheinen und auf die Folgen ungenügender Mitwirkung ordnungsgemäß hingewiesen. Für die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin zur Mitwirkung verpflichtet und die Beklagte zur Renteneinstellung befugt gewesen sei (§§ 66 Abs. 1, 61 SGB I) komme es auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides an; nachträgliche Änderungen in den Verhältnissen seien nicht mehr zu berücksichtigen (Hinweis auf Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl. 1993, § 54 Rz 32). Auf die Frage, ob die Beklagte infolge der seit Ende 1990 wieder eingegangenen ordnungsgemäßen Lebensbescheinigungen der Klägerin zur Aufhebung ihrer ursprünglichen Entscheidung verpflichtet sei, komme es hier bereits deshalb nicht an, weil die Entscheidung über die Aufhebung der streitigen Verwaltungsentscheidungen nach § 67 SGB I zu ergehen hätte; diese Vorschrift sehe eine Ermessensentscheidung des Leistungsträgers vor. In einem solchen Fall sei nach allgemeiner Ansicht der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides maßgeblich (Hinweis auf Meyer-Ladewig, a.a.O., § 54 Rz 33). Bei Erlaß des Widerspruchsbescheides seien i.S. von § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen gewesen. Hierzu gehörten nicht nur die Anspruchsvoraussetzungen, sondern bei Rentnern mit dauerndem Aufenthalt im Ausland u.a. die Sicherstellung des Zuflusses der Rente. Im Blick hierauf habe die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Sie sei nach § 61 SGB I zum persönlichen Erscheinen verpflichtet gewesen, weil die Verdachtsmomente nur in einem persönlichen Gespräch hätten ausgeräumt werden können. Schriftliche Erklärungen reichten hierfür nicht aus; denn es sei nicht auszuschließen, daß diese aufgrund von physischem oder psychischem Zwang zustande gekommen seien. Die Klägerin habe ihre Mitwirkungspflicht, die ihr auch angesichts des angebotenen Hausbesuches zumutbar gewesen sei, nicht erfüllt. Es komme nicht darauf an, ob sie das Scheitern des Gesprächstermins (sowie der in den späteren Jahren angebotenen Termine) verschuldet habe. Ein persönliches Gespräch der Klägerin mit Vertretern der Beklagten hätte längst stattgefunden, wenn die Klägerin, die Leitung der CD und speziell deren "Geistlicher" P Sch dies gewollt hätten. Wegen der bestehenden Zweifel an der freien Willensbestimmung der Klägerin habe die Beklagte das zur Aufklärung des Sachverhaltes notwendige persönliche Gespräch mit der Klägerin verlangen und bis zur Klärung dieser Zweifel die Rente vorläufig einstellen dürfen.

Zur Begründung der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 60, 61, 65, 66 und 67 SGB I. Die streitigen Verwaltungsentscheidungen seien ermessensfehlerhaft ergangen, weil eine Abwägung der besonderen Verhältnisse der Klägerin sowie die Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles und anderer Ermittlungsmöglichkeiten fehle. Es sei aber schon der Tatbestand des § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht erfüllt. Denn unzweifelhaft lägen bei der Klägerin die Voraussetzungen für den Bezug eines Arg vor. Die Frage, ob die Rentenleistung der Klägerin auch zufließe, betreffe keine Voraussetzung für die Leistung. Deshalb könne es auch nicht an einer Mitwirkungspflicht fehlen. Darüber hinaus habe die Klägerin angeboten, daß die Rente an ihren Prozeßbevollmächtigten überwiesen werde. Ferner habe sie ordnungsgemäß mitgewirkt; denn sie habe durchgängig notariell beglaubigte Lebensbescheinigungen und eidesstattliche Versicherungen übersandt, wodurch die Fragen der Beklagten beantwortet worden seien. Daß die Deutsche Botschaft in Chile 1988 und 1989 den Legalisierungsvermerk verweigert habe, sei ihr nicht anzulasten. Da also mildere Mittel zur Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung gestanden hätten, habe die Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht erfolgen dürfen. Das Bestehen auf einem persönlichen Gespräch sei bei dieser Sachlage rechtsmißbräuchlich gewesen. Außerdem habe die Klägerin die Hausbesuche bzw. die persönlichen Gespräche nicht verweigert. Diese seien vielmehr - wie etwa am 15. Januar 1991 - aus von der Beklagten zu vertretenden Gründen nicht zustande gekommen. Mindestens seit dem 5. Oktober 1992 sei jedoch die Nachholung der Mitwirkung erfolgt. Denn durch legalisierte Lebensbescheinigungen vom 23. Oktober 1990 und vom 14. August 1991 sowie durch die persönliche Erklärung vom 5. Oktober 1992, daß ihre Rente auf das Konto ihres Ehemannes bei der Bremer Landesbank überwiesen worden sei, die Eheleute gemeinsam über das Konto verfügt hätten und eine Rentenzahlung auch an ihren Prozeßbevollmächtigten erfolgen dürfe, habe für die Beklagte kein Klärungsbedarf mehr bestanden. Ermessensfehlerhaft sei also eine Entscheidung nach § 67 SGB I unterblieben. Schließlich hätten die Vorinstanzen es verfahrensfehlerhaft unterlassen aufzuklären, ob die von der BfA in Chile durchgeführten Handlungen völkerrechtlich zulässig gewesen seien; ein Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Chile sei erst seit dem 1. Januar 1994 in Kraft. Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 13. Juni 1994 (Bl 25 bis 29 der Akte des Bundessozialgerichts [BSG-Akte]) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 16. März 1994 und des Sozialgerichts Berlin vom 3. März 1992 sowie den Bescheid vom 24. Januar 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 1989 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Altersruhegeld seit dem 1. März 1989 fortlaufend auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Wegen ihres weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 13. Juli 1994 (Bl 35 bis 43 der BSG-Akte) Bezug genommen.

Während des Revisionsverfahrens hat am 19. Oktober 1994 ein Rentensprechtag in Parral in Chile stattgefunden, an dem 25 Angehörige der CD sowie der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin teilnahmen; die Klägerin hat wegen einer Erkrankung nicht teilgenommen; ihr behandelnder Arzt Dr. H hat ein persönliches Gespräch im Hause der Klägerin mit Rücksicht auf deren Gesundheit abgelehnt. Daraufhin hat die Beklagte mit einem am 6. Februar 1995 beim BSG eingegangenen Schriftsatz mitgeteilt, sie sehe sich aufgrund des Ergebnisses des Rentensprechtages nicht mehr in der Lage, ihren streitgegenständlichen Entziehungsbescheid für die Zukunft aufrechtzuerhalten. Insoweit habe sich der Bescheid vielmehr erledigt. Sie werde daher der Klägerin die Rente laufend ab April 1995 wieder anweisen. Für die Zeit zwischen dem Rentensprechtag vom 19. Oktober 1994 bis zum Beginn der laufenden Rentenzahlung im April 1995 bestehe zwar ebenfalls ein unbedingter Anspruch auf Zahlung der Rente. Allerdings müsse sie, die BfA, unter Beachtung des Art 23 des Deutsch-Chilenischen Sozialversicherungsabkommens, welches die Einbehaltung von Nachzahlungen zum Zwecke der Befriedigung ersatzberechtigter chilenischer Fürsorgeträger gebiete, vorab klären, ob und welche Stellen in Chile der Klägerin nach dem 31. Dezember 1993 Sozialleistungen erbracht hätten. Die Entscheidung über eine Nachzahlung von Renten für den Zeitraum zwischen dem 1. Februar 1989 (gemeint wohl: 1. März 1989) und dem 19. Oktober 1994 stehe gemäß § 67 SGB I in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Sie werde hierüber einen gesonderten Bescheid erteilen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht hat die Beklagte auf Befragen des Gerichts erklärt, sie habe die streitige Entziehungsentscheidung nicht aufgehoben, auch nicht für die Zeit nach dem 19. Oktober 1994.

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Zwar ist sie mit ihrem Revisionsantrag, die Beklagte zu verurteilen, ihr Arg seit dem 1. März 1989 fortlaufend auszuzahlen, über ihren in den Vorinstanzen gestellten Antrag, die streitigen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben, hinausgegangen. Darin liegt aber keine im Revisionsverfahren gemäß § 168 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unzulässige Klageänderung. Nach § 123 SGG entscheidet nämlich das Gericht über die erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Das wirkliche Begehren der Klägerin war aber von vornherein und durchgängig in allen Instanzen darauf gerichtet, auch eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der seit März 1989 einbehaltenen Rentenbeträge zu erlangen. Sie hat also im gesamten Sozialgerichtsprozeß nicht nur einen Anspruch auf Aufhebung der streitigen Verwaltungsentscheidungen durch das Gericht, sondern auch einen Leistungsanspruch geltend gemacht. Daher liegt lediglich eine Erweiterung des Klageantrags in der Hauptsache vor, die nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als Änderung der Klage anzusehen ist.

Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen, weil das SG die Klage zutreffend abgewiesen hat.

Richtige Rechtsschutzform gegen die streitigen Verwaltungsentscheidungen ist die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Regelung 1 SGG; BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13). Denn die im Bescheid vom 24. Januar 1989 verfügte "vorläufige Renteneinstellung" ist ein Verwaltungsakt (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Sein Regelungsgehalt besteht darin, für die Dauer seiner eigenen Wirksamkeit den im bindenden Bescheid vom 30. April 1979 zuerkannten Rechtsanspruch auf monatliche Zahlung bestimmter Rentenbeträge zu vernichten.

Mit ihrer Anfechtungsklage hat die Klägerin in gesetzlich gestatteter Klagehäufung (§ 56 SGG) zulässigerweise eine allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG verbunden. Zwar ist dem 7. Senat des BSG (SozR 1200 § 66 Nr. 13 S. 13 m.w.N.) darin beizupflichten, daß die auf § 66 SGB I gestützte Versagung einer Leistung mit der isolierten Anfechtungsklage angegriffen werden muß, also grundsätzlich mit einer Leistungsklage nicht verbunden werden kann; denn die Anfechtung der Ablehnung eines Leistungsantrages (= Versagung; dazu BSG SozR 3-7833 § 6 Nr. 2) wegen fehlender Mitwirkung führt nur zur gerichtlichen Überprüfung der Ablehnungsvoraussetzungen i.S. von § 66 SGB I, mangels einer Sachentscheidung der Verwaltung über das Leistungsbegehren jedoch noch nicht zu einer Prüfung der materiellrechtlichen Leistungsvoraussetzungen durch das Gericht. Grundsätzlich anders liegen aber die Umstände dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine bindende Bewilligung eines Leistungsanspruchs vorliegt und die darin verbürgte Rechtsposition durch eine Entziehung wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I teilweise vernichtet wird. Da die isolierte Anfechtungsklage gegen den Entziehungsbescheid nur zu einem Gestaltungsurteil führen kann, wird die durch das Verhalten der Verwaltung bewirkte Erschütterung des Vertrauens des Berechtigten in die Durchsetzbarkeit der ihm bindend zuerkannten Rechtsposition durch die Aufhebung der Entziehung nicht ausreichend beseitigt; denn dem Leistungsberechtigten bliebe weiterhin ein gegen die Verwaltung unmittelbar vollstreckbarer Titel versagt. Effektiven Rechtsschutz i.S. von Art 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) kann derjenige, in dessen bindend zuerkannten Leistungsanspruch die Verwaltung bei gleichzeitiger Leistungseinstellung eingegriffen hat, in der Regel erst dadurch erlangen, daß er nicht nur den Rechtseingriff abwehren, sondern auch einen vollstreckbaren Leistungstitel erlangen kann. Wenn also - wie hier - ein den Rentenanspruch, also den "Zahlungsanspruch" (§ 194 Abs. 1 BGB) bewilligender Verwaltungsakt (Arg-Bescheid vom 30. April 1979) vorliegt, der nicht aufgehoben worden, dem die Beklagte aber nicht nachgekommen ist, kann der Berechtigte seine isolierte Anfechtungsklage gegen die Entziehung mit der allgemeinen Leistungsklage auf Verurteilung zur Zahlung verbinden (vgl. BSG USK 87161).

Die zulässigen Klagen sind aber nicht begründet, weil die angefochtene Verwaltungsentscheidung vom 24. Januar 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 1989 rechtmäßig erlassen worden und wirksam geblieben ist.

Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff ist § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Danach kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise (versagen oder) entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige, der eine Sozialleistung erhält, seinen Mitwirkungspflichten u.a. nach § 61 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert wird. Darüber hinaus dürfen nach § 66 Abs. 3 SGB I Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur (versagt oder) entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

Der streitige Verwaltungsakt ist eine Leistungsentziehung i.S. der vorgenannten Vorschriften. Zwar lautet der Verfügungssatz des Bescheides vom 24. Januar 1989, die Rentenzahlung werde ab 1. März 1989 vorläufig eingestellt. Dies könnte auf den Erlaß eines einstweiligen Verwaltungsaktes (dazu stellv BSG SozR 3-1300 § 32 Nrn 2 und 4 m.w.N.) ebenso hindeuten, wie die Zusage der Beklagten, die Rentenzahlung unverzüglich wiederaufzunehmen und die Nachzahlungsbeträge anzuweisen, sobald das persönliche Gespräch stattgefunden habe und die Rentenberechtigung festgestellt sei. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob die Geschäftsführung der Beklagten als Ausgangsbehörde derartige Regelungen, die in den §§ 66, 67 SGB I nicht vorgesehen sind, hat treffen wollen. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist nämlich gemäß § 95 SGG der ursprüngliche Verwaltungsakt vom 24. Januar 1989 nur in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 1989. Darin ist aber die vorgenannte Zusage nicht wiederholt, sondern auf das Hinweisschreiben vom 8. September 1988 abgestellt worden, in dem eine Regelung nach § 66 SGB I in Aussicht gestellt worden war. Demgemäß sind die streitigen Verwaltungsentscheidungen so zu verstehen, daß die in § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I vorgesehene Rechtsfolge gesetzt werden sollte, nämlich "die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung zu entziehen".

Die Entziehungsermächtigung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I erlaubt dem Leistungsträger, durch gestaltenden Verwaltungsakt einen Sozialleistungsanspruch oder ein sonstiges subjektives Leistungsrecht des Bürgers zu verändern. Dies geschieht dadurch, daß (Einzel-) Ansprüche ganz oder teilweise vernichtet werden. Die Entziehung verhindert nicht das Entstehen eines Leistungsanspruchs oder das Bestehen eines subjektiven Leistungsrechts; jedoch gehen Leistungsansprüche vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entziehungsentscheidung an, d.h. zukunftsgerichtet (BSG SozR 1200 § 66 Nr. 10), für die Dauer der Wirksamkeit der Entziehungsentscheidung unter. Dies bedeutet für Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, daß die Entziehung ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist. Da die Entziehung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I rechtmäßig nur wegen fehlender Mitwirkung des Leistungsberechtigten, nicht aber wegen Fehlens materieller Leistungsvoraussetzungen ausgesprochen werden darf, wird dieser Verwaltungsakt rechtswidrig, sobald die Mitwirkungspflicht nachgeholt wird oder aus sonstigen Gründen entfällt. Dann ist der Entziehungsbescheid gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB X aufzuheben. Dies hat jedoch wegen der vernichtenden Wirkung der Entziehung nicht zur Folge, daß die Ansprüche, die während der Geltungszeit der Entziehungsentscheidung erloschen waren, rückwirkend wieder aufleben. Vielmehr entsteht, sobald die Mitwirkung nachgeholt wird, gemäß § 67 SGB I i.V.m. § 39 Abs. 1 SGB I ein Recht des Bürgers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (dazu BSG - 4 RA 42/94, Urteil vom 14. Dezember 1994, zur Veröffentlichung vorgesehen) über die nachträgliche Erbringung der entzogenen Sozialleistungen (im Ergebnis ebenso: Habersbrunner, Rechtsfolgen fehlender und nachgeholter Mitwirkung von Antragsteller und Leistungsempfänger im Sozialverwaltungsverfahren, 1992, S. 151ff., 158, 181, 185, 197f., 202f. jew m.w.N.).

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestehen nicht (vgl. BSG USK 81110). Bei der Befugnis zur Entziehung der Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I geht es (anders als bei der Versagung) typischerweise darum, daß der verpflichtete Leistungsträger solche tatsächlichen Umstände ohne Mitwirkung des Berechtigten nicht aufklären kann, deren Vorliegen zur Minderung oder zum Fortfall eines Leistungsanspruchs führen oder den Schuldner zur Einstellung der Leistung berechtigen würde. Die Vorschrift trifft eine ausgewogene und verhältnismäßige Regelung. Sie schützt einerseits die Versichertengemeinschaften bzw. die Allgemeinheit vor der Bewirkung von Leistungen, die dem (vermeintlich) Berechtigten nach materiellem Recht in Wirklichkeit nicht zustehen; andererseits schützt sie den (wirklich) Berechtigten, der "nur" seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, durch den Fortbestand des subjektiven Leistungsrechts i.V.m. dem Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch nach § 67 SGB I vor einem endgültigen Rechtsverlust. Die Regelung ist insbesondere deutlich milder, als es eine Umkehr der materiellen Beweislast zu Lasten des Leistungsempfängers gewesen wäre (vgl. Hauck/Haines, SGB I, Komm, § 66 Rz 9). Vor diesem Hintergrund ist verfassungsrechtlich auch unbedenklich, daß die Entziehungsbefugnis tatbestandlich allein daran anknüpft, daß der Leistungsempfänger seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I objektiv nicht nachgekommen ist; ein Verschulden wird nicht vorausgesetzt. Gleichwohl werden die individuellen Verhältnisse des Leistungsempfängers vom Gesetz angemessen berücksichtigt. Denn sie finden schon Eingang in die Prüfung der Entstehung von Mitwirkungspflichten, deren Grenzen (§§ 60 bis 65 SGB I) sowie in die Prüfung der Zumutbarkeit der Entziehung im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I.

Die Entscheidung, der Klägerin die Rente zum 1. März 1989 zu entziehen, ist nach § 66 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB I gerechtfertigt.

Die Klägerin ist - entgegen ihrer Ansicht - in dem Schreiben vom 8. September 1988 schriftlich, unmißverständlich und konkret (dazu BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13) darauf hingewiesen worden, die Rente werde ihr i.S. von § 66 SGB I entzogen werden, wenn sie zu dem angebotenen Gesprächstermin persönlich nicht erscheine oder ein ersatzweise (dh als sog. Austauschmittel) zu vereinbarender Hausbesuch nicht stattfinden könne. Die Beklagte hat der Klägerin auch eine angemessene Frist zur Mitwirkung gesetzt. Diese betrug mehr als zwei Monate; denn die Klägerin, die das Hinweisschreiben der Beklagten am 15. September 1988 erhalten hatte, hätte sich auf den Termin am 23. November 1988 vorbereiten, einen Ausweichtermin vorschlagen oder einen Hausbesuch vereinbaren können. Daß sie sich darauf beschränkt hat, ein persönliches Gespräch mit Vertretern der Beklagten von vornherein abzulehnen, berührt die Angemessenheit der ihr gesetzten Frist nicht.

Der Entziehungsbescheid leidet auch nicht an einem Anhörungsfehler. Gemäß § 42 Satz 1 und 2 SGB X ist zwar ein Verwaltungsakt, der - wie der streitige Entziehungsbescheid - in ein Recht eines Beteiligten, hier in die Rentenansprüche der Klägerin, eingreift, allein wegen fehlender Anhörung aufzuheben, wenn die Behörde vor seinem Erlaß dem Betroffenen keine Gelegenheit gegeben hat, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, und wenn dieser Mangel bis zum Abschluß des Vorverfahrens nicht ordnungsgemäß nachgeholt worden ist (§§ 24, 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X). Diese Vorschriften werden jedoch für Entziehungsentscheidungen nach § 66 Abs. 1 SGB I durch die Spezialvorschrift über die Hinweispflicht nach § 66 Abs. 3 SGB I verdrängt. Hiernach muß die Behörde vor Erlaß eines Entziehungsbescheides wegen fehlender Mitwirkung dem Betroffenen auf seine Mitwirkungspflicht hinweisen und ihm eine angemessene Frist zur ihrer Nachholung setzen. Schon dadurch wird ihm Gelegenheit gegeben, sich gegenüber dem Leistungsträger auch zur Frage des Bestehens der Mitwirkungspflicht zu äußern. Der Schutz vor Überraschungsentscheidungen und für die Mitwirkungsrechte des Bürgers im Verwaltungsverfahren, den die §§ 24, 41, 42 SGB X gewähren (stellv dazu BSG SozR 3-1300 § 24 Nr. 4 m.w.N.), wird von § 66 Abs. 3 SGB I zumindest in gleicher Intensität garantiert.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung liegen vor. Die Klägerin ist Leistungsempfängerin; sie erhält seit März 1979 ein Arg wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und damit eine Sozialleistung (§ 11 Satz 1 SGB I). Sie ist einer Mitwirkungspflicht nach § 61 SGB I nicht nachgekommen. Nach dieser Vorschrift soll derjenige, der Sozialleistungen erhält, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers (hier: der Beklagten) zur mündlichen Erörterung von Maßnahmen, die für die Entscheidung über die Leistung notwendig sind, persönlich erscheinen. Die Klägerin ist zu dem Termin am 23. November 1988 nicht erschienen. Ein - i.S. von § 66 Abs. 3 SGB I ordnungsgemäßes - "Verlangen des zuständigen Leistungsträgers" lag vor. Ein persönliches Gespräch zwischen der Klägerin und Vertretern der Beklagten war auch notwendig. Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, daß schriftliche Erklärungen der Klägerin oder Stellungnahmen von Personen, die in ihrem Namen auftraten, von vornherein objektiv ungeeignet waren, die Zweifel der Beklagten auszuräumen. Es bestand nämlich der begründete Verdacht, die Rente fließe der Klägerin nicht zu, ihre Bestimmung einer Zahlungsadresse sei rechtlich unwirksam. Hierzu hat das Berufungsgericht die tatsächlichen, gemäß §§ 163, 164 Abs. 2 Satz 3 SGG für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen getroffen, bei der Klägerin könne infolge von physischer und psychischer Zwangseinwirkung ein die Geschäftsfähigkeit i.S. von § 104 Nr. 2 BGB berührender Zustand der Fremdbeherrschung erreicht und nicht mehr sichergestellt sein, daß ihr die Rente wirklich zufließe. Um einen solchen Verdacht auszuschließen, war - so zutreffend das LSG - ein persönlicher Kontakt zur Erörterung der Umstände unumgänglich; die Verdachtsmomente konnten nur in einem persönlichen Gespräch ausgeräumt werden; schriftliche Erklärungen reichten hierfür nicht aus, weil sie aufgrund von physischem oder psychischem Zwang zustande gekommen sein konnten.

Entgegen der Revision hat das Berufungsgericht auch richtig erkannt, daß das persönliche Erscheinen der Klägerin "für die Entscheidung über die Leistung" notwendig war. Schon der Gesetzeswortlaut beschränkt die Mitwirkungspflicht nicht auf Fragen, die nur für die Entscheidung über den Anspruch auf Leistung Bedeutung haben, sondern stellt auf jede "Entscheidung über die Leistung" ab. Hierunter ist jede Entscheidung zu verstehen, welche der verpflichtete Leistungsträger auf dem Weg bis zur Verwirklichung des Leistungszwecks treffen muß. Dazu gehören aber nicht nur die verwaltungsverfahrensrechtlichen Entscheidungen zwecks Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen und die Entscheidung über das subjektive Recht auf eine Sozialleistung oder die über das Bestehen eines Einzelanspruchs, sondern auch alle weiteren Entscheidungen über Einwendungen, Einreden und über die Art und Weise der Leistungserbringung. Gemäß § 2 Abs. 2 SGB I muß der Leistungsträger nämlich "sicherstellen", daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend "verwirklicht" werden. Insbesondere ist er nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I "verpflichtet", darauf hinzuwirken, daß jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen "erhält". Das Gesetz legt den Leistungsträger also eine Obhutspflicht (als Nebenpflicht) auf, u.a. dafür zu sorgen, daß der Berechtigte die ihm vom Gesetz zugedachte Sozialleistung wirklich erhält. Dies liegt sowohl im Interesse des Begünstigten als auch in dem der Versichertengemeinschaft bzw. der Allgemeinheit, die vor dem Schaden aus fehlgeleiteten Sozialleistungen bewahrt bleiben muß. Angesichts der schweren Verdachtsmomente war die Beklagte also gesetzlich verpflichtet zu entscheiden, ob sie die zuerkannte Rente weiterhin überweisen durfte. Hierfür mußte sie notwendig klären, ob die Rentenzahlung die Klägerin überhaupt erreicht und ob es ihrem freien Willen entsprach, das Geld auf ein gemeinsames Konto mit ihrem Ehemann oder auf ein Konto des Prozeßbevollmächtigten zu überweisen. Zu dieser "Entscheidung über die Leistung" war ein persönlicher Kontakt mit der Klägerin notwendig.

Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, durch das Verlangen nach einem persönlichen Erscheinen der Klägerin seien die Grenzen der Mitwirkungspflicht überschritten worden. Nach § 65 Abs. 1 SGB I bestehen die Mitwirkungspflichten u.a. nach § 61 SGB I nicht, soweit ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht (Nr 1 a.a.O.). Gerade dann wenn - wie der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin vorträgt - die gegen die CD gegebenen Verdachtsmomente objektiv unbegründet gewesen sein sollten, wäre ein persönliches Erscheinen beim Gesprächstermin oder im Rahmen eines Hausbesuches ein besonders mildes Mittel gewesen, den Verdacht einer die Existenzsicherung der Klägerin gefährdenden Fehlleitung ihres Arg auszuräumen. Nach Nr. 2 a.a.O. besteht die Mitwirkungspflicht ferner nicht, soweit ihre Erfüllung den Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und aus dem Vorbringen der Klägerin in allen Instanzen ergibt sich indes kein Anhalt, es könne ein wichtiger Grund dafür vorliegen, daß ihr der persönliche Kontakt mit einem Vertreter der Beklagten, uU einem von ihr beauftragten Arzt, nicht zugemutet werden konnte bzw. kann. Gemäß Nr. 3 a.a.O. besteht die Mitwirkungspflicht schließlich auch dann nicht, soweit der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Die Beklagte hat aber kein milderes Mittel als den persönlichen Kontakt, die objektive Begründetheit des gegebenen Verdachtes zu überprüfen; auch der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat kein anderes Mittel genannt, das gleichgeeignet und milder als die Pflicht zum persönlichen Erscheinen wäre. Insbesondere bedeutete es für die Beklagte kein geeignetes Mittel mit geringerem Aufwand, sich die notwendigen Kenntnisse über Art und Inhalt der Einwirkungen der Leitung der CD auf die Klägerin durch Ermittlungen gegen die CD zu verschaffen. Keiner Darlegung bedarf, daß das einzig in Betracht kommende Alternativmittel, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten aufgrund einer Untersuchung außerhalb des Einflußbereiches der CD, im Verhältnis zu der Pflicht zum persönlichen Erscheinen kein milderes Mittel ist. Die Beklagte hat nach den vom LSG festgestellten Tatsachen auch nichts verlangt, was zu erfüllen der Klägerin objektiv unmöglich gewesen wäre. Insbesondere schließt die behauptete Krankheit persönliche Kontakte u.a. mit ihrem behandelnden Arzt Dr. H nicht aus. Es liegt kein Anhalt dafür vor, bei einem persönlichen Kontakt mit einem von der Beklagten beauftragten Arzt könne ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden; ebensowenig ist ersichtlich, ein solcher Besuch könne für sie mit erheblichen Schmerzen verbunden sein oder einen erheblichen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit bedeuten (§ 65 Abs. 2 Nrn 1 bis 3 SGB I).

Nach alledem war die Klägerin gemäß § 61 SGB I verpflichtet, zu einem Gesprächstermin zu erscheinen oder einen persönlichen Kontakt auf andere Weise, etwa im Rahmen eines Hausbesuches, zu ermöglichen. Dies gilt gerade dann, falls - wie die Klägerin im Rechtsstreit behauptet - sie unter keiner ihre Geschäftsfähigkeit ausschließenden Fremdbeherrschung seitens Dritter gestanden hat.

Die Klägerin ist dieser Pflicht i.S. von § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I "nicht nachgekommen". Das Unterlassen der persönlichen Kontaktaufnahme ist ihr rechtlich zuzurechnen. Dies bedarf keiner Darlegung für den - von der Klägerin behaupteten -Fall, daß sie geschäftsfähig ist; hierbei kann offenbleiben, ob die persönliche Kontaktaufnahme als solche rechtlich eine reine Tathandlung ist. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht aber auch angenommen, es komme für das Fehlen der Mitwirkung i.S. von § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nur rein objektiv darauf an, ob der Leistungsempfänger die ihm obliegende Mitwirkung erbracht hat. Dies rechtfertigt sich aus der Funktion und der Struktur der Vorschrift. Besteht nach den §§ 60 bis 65 SGB I eine Mitwirkungspflicht des (Antragstellers oder) Leistungsberechtigten, kann deren Erfüllung nach dem SGB nicht erzwungen werden. Ebensowenig sieht das Gesetz bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht einen völligen Verlust des Leistungsrechts vor (so). Damit hängt es ausschließlich von Umständen in der Rechtssphäre des Leistungsberechtigten ab, ob die Mitwirkung erfolgt; es ist dem Verwaltungsträger nicht einmal eine Befugnis verliehen aufzuklären, weshalb sie ggf unterblieben ist. Vor diesem Hintergrund ist es die Funktion der §§ 66, 67 SGB I, die Versichertengemeinschaften bzw. die Allgemeinheit vor Nachteilen aufgrund objektiv nicht erfolgter Mitwirkung zu schützen. Deshalb reicht es nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I für die objektive Zurechnung pflichtwidrig nicht erfolgter Mitwirkung aus, daß diese unterblieben ist. Persönliche Umstände, welche für die subjektive Zurechnung der fehlenden Mitwirkung erheblich sein können, sind - soweit "ohne weitere Ermittlungen" erkennbar - ggf bei der Abwägung im Rahmen der Ermessensbetätigung mit zu berücksichtigen. Die Entziehungsbefugnis nach § 66 Abs. 1 SGB I ist also weder Straf- noch Schadenersatz-, sondern Präventionsrecht. Daher kommt es nicht auf ein Verschulden der Klägerin oder auf die von ihr angesprochene Frage an, wer für das Scheitern von Gesprächsterminen verantwortlich war.

Die Klägerin hat die Aufklärung des Sachverhaltes dadurch erheblich erschwert, nämlich der Sache nach unmöglich gemacht, daß sie keinen persönlichen Kontakt mit Vertretern der Beklagten aufgenommen hat. Denn die Beklagte war dadurch nicht in der Lage zu klären, ob "die Voraussetzungen der Leistung" weiterhin nachgewiesen waren. Unter "Voraussetzungen der Leistung" ist (wie oben zur "Entscheidung über die Leistung" i.S. von § 61 SGB I ausgeführt) jede Voraussetzung zu verstehen, die nachgewiesen sein muß, damit der Leistungsträger die Sozialleistung erbringen darf. Hierzu zählen also - entgegen der Revision - nicht nur die Voraussetzungen für ein Leistungsrecht oder einen Leistungsanspruch, sondern alle Umstände, die für die Sicherstellung der Leistungsbewirkung, d.h. auch für den Erhalt der Leistung durch den Leistungsberechtigten, vorliegen müssen. Bei der in § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I vorgesehenen Entziehung von Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung waren - entgegen der Revision - jedenfalls nach Auffassung der Behörde, welche die Leistung zuvor bewilligt hatte, immer einmal "die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs" nachgewiesen; die Fälle anfänglich rechtswidriger Leistungsbewilligung sind nicht in § 66 SGB I, sondern in § 45 SGB X geregelt. Die Entziehung wegen fehlender Mitwirkung kommt daher grundsätzlich nur im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens in Betracht, dessen Prüfungsgegenstand die Frage ist, ob eine Entscheidung nach den §§ 45 oder 48 SGB X (oder Spezialvorschriften hierzu) ergehen oder aber geklärt werden soll, ob andere Voraussetzungen für die Leistungserbringung nachträglich entfallen sind. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lagen erhebliche Verdachtsgründe dafür vor, daß die Altersrente der Klägerin nicht ihr, sondern Dritten zufloß, ohne daß sie rechtswirksam darin eingewilligt hätte. Damit wäre eine "Voraussetzung der Leistung" entfallen; denn die Beklagte hätte die Leistung einem Nichtberechtigten erbracht, wäre dadurch gegenüber der Klägerin von ihrer Leistungspflicht nicht frei geworden und hätte die Versichertengemeinschaft zweifach belastet.

Seitdem also der hinreichende Verdacht der objektiven Fremdbeherrschung der Klägerin bestand, war nicht mehr nachgewiesen, daß die Berechtigte die Leistung der Beklagten erhielt; die Aufklärung der Sachlage war infolge des Fehlens eines persönlichen Kontakts mit der Klägerin "erheblich" erschwert, so daß der Versichertengemeinschaft der Schaden drohte, zu dessen Verhinderung § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I der Beklagten die Entziehungsbefugnis verliehen hat.

Zu Unrecht rügt die Revision, die Beklagte habe das ihr eingeräumte Ermessen nicht bzw. fehlerhaft betätigt. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I "kann" der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise entziehen. Das Gesetz räumt den Verwaltungsträgern einen Entscheidungsspielraum ein, den die Gerichte zu achten haben. Gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG dürfen sie nur prüfen, ob die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, maW, ob sie die ihr durch das Verwaltungsverfahrensrecht (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I) auferlegte Verhaltenspflicht beachtet haben, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Liegen also - wie hier - keine sog. Vorermessensfehler, die der vollen gerichtlichen Kontrolle nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG unterliegen, vor, beschränkt sich die gerichtliche Prüfung darauf, ob der Leistungsträger seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (falls nein: Ermessensnichtgebrauch), ob er mit dem Ergebnis seiner Ermessensbetätigung, d.h. mit seiner Ermessensentscheidung, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, d.h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt (ggf: Ermessensüberschreitung) und ob er von dem Ermessen (und hier liegt der Entscheidungsfreiraum der Verwaltung) in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit, Ermessensmißbrauch; zum Vorstehenden BSG - 4 RA 42/94, Urteil vom 14. Dezember 1994, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG SozR 3-1300 § 50 Nr. 16, jeweils m.w.N.). Es liegt hier kein sog. Ermessensfehler vor:

Die Beklagte hat ihr Ermessen betätigt. Zur Ermessensausübung ist der Leistungsträger verfahrensrechtlich verpflichtet; insoweit steht ihm kein Entscheidungsspielraum zu. Gegenstand dieser sog. Eingangsprüfung hat zu sein, welche Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung im konkreten Fall eröffnet sind, den Zweck der Ermächtigungsnorm zu verwirklichen oder zu fördern. Diese Prüfung hat die Beklagte durchgeführt, wie sich aus ihrem Hinweisschreiben vom 8. September 1988, der Begründung des angefochtenen Bescheides vom 24. Januar 1989 und des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 1989 ergibt. Sie hat darin erörtert, daß fraglich geworden ist, ob die Rente der Leistungsberechtigten auch tatsächlich zufließt, und erkannt, daß § 66 Abs. 1 SGB I für den Fall der Unaufklärbarkeit infolge fehlender Mitwirkung den Schutz der Versichertengemeinschaft (und ggf auch des Berechtigten) bezweckt und dazu die völlige oder teilweise Entziehung der Leistung erlaubt. Die Beklagte hat also ihre rechtlichen Handlungsmöglichkeiten erkannt und sich für eine von ihnen, die völlige Entziehung der Leistung, entschieden; deshalb kann ihr nicht entgegengehalten werden, sie habe ihr Ermessen gebotswidrig nicht betätigt.

Sie hat auch nicht gegen das (keinen Entscheidungsspielraum lassende) Verbot verstoßen, eine vom Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge zu setzen (Verbot der Ermessensüberschreitung); die völlige Entziehung der Leistung "bis zur Nachholung der Mitwirkung" ist in § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I ausdrücklich vorgesehen.

Schließlich hat sie ihren Entscheidungsspielraum auch "entsprechend dem Zweck der Ermächtigung" ausgefüllt. Ermessensmißbrauch liegt schon deswegen nicht vor, weil die Beklagte ihrer Entscheidung den og gesetzlichen Zweck des § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I zugrunde gelegt hat. Es ist ihr auch kein Abwägungsdefizit vorzuwerfen. Zwar weist die Revision zutreffend darauf hin, daß der Schutzzweck der Entziehungsermächtigung gerade aufgrund des in dieser Vorschrift eingeräumten Ermessens rechtlich nicht von vornherein in jedem Fall eine (völlige oder teilweise) Entziehung der Leistung rechtfertigt; in die Abwägung zwischen dem og Interesse der Versichertengemeinschaft bzw. der Allgemeinheit am Schutz vor Nachteilen einerseits und dem Interesse eines materiell Berechtigten, der nicht mitgewirkt hat, die Leistung weiterhin ungeschmälert zu beziehen, sind besondere Umstände des Einzelfalles sowie persönliche Verhältnisse des Berechtigten einzubeziehen; dies gilt aber nur, soweit sie dem Leistungsträger "ohne weitere Ermittlungen" bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens bekannt geworden sind. Jedoch ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vorbringen der Klägerin auch im Revisionsverfahren kein Anhalt dafür, es könne der Beklagten bei Erlaß des Widerspruchsbescheides am 9. Mai 1989 ein Umstand bekannt gewesen sein, der dafür hätte sprechen können, die Rente ohne vorherige Ausräumung der Verdachtsmomente ganz oder teilweise weiterzuzahlen.

Durch die Entziehung der Rente hat die Beklagte auch keine verfassungsrechtlichen Grenzen ihres Abwägungsspielraumes verletzt. Anhaltspunkte für eine willkürliche Gleich- oder Ungleichbehandlung i.S. von Art 3 Abs. 1 GG liegen nicht vor. Das rechtsstaatliche Übermaßverbot ist beachtet worden. Es erlaubt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht, ihre Einschätzung, welches Verhalten zweckmäßig gewesen wäre, an die Stelle der Einschätzung der Verwaltung zu setzen. Gerichtlicher Kontrolle unterliegt nur, ob ein zur Verwirklichung (bzw Förderung) des Gesetzeszwecks eindeutig ungeeignetes Mittel eingesetzt wurde, ob von mehreren gleichgeeigneten Mitteln eines nicht gewählt wurde, das den Einzelnen und die Allgemeinheit eindeutig weniger belastet hätte, und ob ein mit dem gewählten Mittel verbundener Nachteil zu dem vom Gesetz verfolgten Zweck eindeutig außer Verhältnis steht. Entgegen der Ansicht der Revision liegt derartiges nicht vor. Die völlige Rentenentziehung war geeignet, die Versichertengemeinschaft vor Schäden aus fehlgeleiteten Rentenleistungen zu schützen. Ein zur Förderung dieses Zwecks gleichgeeignetes, aber weniger belastendes Mittel gab es nicht und ist auch von der Revision nicht benannt worden. Die sog. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist beachtet worden. Denn die Entziehung "bis zur Nachholung der Mitwirkung" belastet die Klägerin nur solange, bis sie die fehlende Mitwirkung nachholt; Dauer und Ausmaß der Belastung hängen also vom Verhalten der Klägerin ab.

Nach alledem ist die streitige Entziehung zu Recht ausgesprochen worden. Sie ist seit ihrem Erlaß auch wirksam und rechtmäßig geblieben. Zu Unrecht gehen die Beteiligten davon aus, der Entziehungsbescheid nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I könne sich i.S. von § 39 Abs. 2 SGB X allein dadurch "erledigen", daß der Leistungsberechtigte die zuvor unterlassene Mitwirkung nachholt.

Der die Entziehung der Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung regelnde Verwaltungsakt ist weder kraft individueller Regelung in den streitigen Verwaltungsentscheidungen, die nur den Gesetzestext wiedergeben, noch seiner Art nach kraft Gesetzes durch die Nachholung der Mitwirkung auflösend bedingt (iS von § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X). Mit der Formulierung "bis zur Nachholung der Mitwirkung" begrenzt das Gesetz die Entziehungsbefugnis des Leistungsträgers, d.h., es richtet ihr eine materiellrechtliche Schranke auf. Da die Ermächtigung der Prävention gegen Nachteile aus fehlender Mitwirkung dient (so), kann sie eine Leistungsentziehung materiell nur rechtfertigen, solange eine unerfüllte Mitwirkungspflicht besteht. Tritt gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Entziehungsbescheides dadurch eine Änderung ein, daß die Mitwirkungspflicht nachträglich entfällt oder erfüllt wird, gerät die im Verwaltungsakt getroffene Entziehungsregelung in Widerspruch zum materiellen Recht. Abgesehen von den hier nicht einschlägigen Fällen der Nichtigkeit (§ 40 SGB X) wird ein Verwaltungsakt nicht unwirksam, wenn er nach seinem Erlaß rechtswidrig wird. Er ist vielmehr gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 für die Zukunft und nach Satz 2 (hier: Nr. 1) a.a.O. rückwirkend für Zeiten bis zum Eintritt der Änderung der Verhältnisse der neuen Sach- und Rechtslage anzupassen (vgl. Seewald in: Kasseler Komm, § 66 Rz 29, 31). § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I macht also nicht die Befugnis zum Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig (Bedingung), sondern begrenzt die rechtfertigende Wirkung der Entziehungsermächtigung auf die Zeit "bis zur Nachholung der Mitwirkung". Das bedeutet: Solange der Entziehungsbescheid durch einen anderen Verwaltungsakt nicht aufgehoben wird, bleibt er wirksam (§ 39 Abs. 2 SGB X). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war daher auch die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen, soweit der Streit angebliche Vorermessensfehler betrifft, die der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegen (so). Anderes gilt nur für den eigentlichen Ermessensakt, für den es auch bei einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Rahmen einer isolierten Anfechtungsklage auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt.

Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG konnte der Senat abschließend entscheiden. Soweit die Revision meint, die Entziehung sei im Blick auf die Übersendung von beglaubigten Lebensbescheinigungen und eidesstattlichen Versicherungen sowie jedenfalls wegen der persönlichen Erklärung der Klägerin vom 5. Oktober 1992, die Rentenzahlung dürfe auch an ihren Prozeßbevollmächtigten erfolgen, rechtswidrig geworden, trifft dies nicht zu. Die streitigen Verwaltungsentscheidungen sind rechtlich eigenständig (auch) auf die Verletzung der Pflicht zum persönlichen Erscheinen gestützt worden. Diese Pflicht konnte durch die Übersendung von schriftlichen Erklärungen in ihrer Bedeutung für die Ausräumung der erheblichen Verdachtsmomente der Beklagten nicht ersetzt werden. Dasselbe gilt für die Erklärung, das Konto des Prozeßbevollmächtigten könne Zahlungsadresse sein.

Das Urteil des LSG war auch nicht im Blick auf Zeiträume nach dem 19. Oktober 1994 aufzuheben (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Zwar ist die zwischen den Beteiligten unstreitige Tatsache, daß nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 19. Oktober 1994 ein Rentensprechtag in Parral in Chile stattgefunden hat, im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, weil hierdurch schutzwürdige Interessen der Beteiligten nicht beeinträchtigt werden (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Komm, § 163 Rz 5). Beide Beteiligte haben aber darüber hinaus keine neuen, vom LSG noch nicht geprüften Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein Anhaltspunkt dafür ergeben könnte, daß die streitigen Verwaltungsentscheidungen wegen Fortfalls von Ermessensvoraussetzungen rechtswidrig geworden sein könnten. Übereinstimmend behaupten sie, die Klägerin sei nicht persönlich erschienen, sondern habe sich mit Krankheit entschuldigt. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I kommt es - wie ausgeführt - für den Ermächtigungstatbestand allein auf das objektive Fehlen der gebotenen Mitwirkung an. Wird also zugunsten der Klägerin unterstellt, daß sie krankheitsbedingt verhindert war, am 19. Oktober 1994 beim Rentensprechtag zu erscheinen, obwohl sie hierzu jetzt bereit war, bleibt der Tatbestand des § 66 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 SGB I weiterhin erfüllt. Hinsichtlich der Ermessensbetätigung im angefochtenen Bescheid kommt es jedoch - wie das LSG insoweit richtig erkannt hat - bei der isolierten Anfechtungsklage maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an. Daher kann offenbleiben, ob das Revisionsgericht ausnahmsweise solch neues, im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zulässiges Tatsachenvorbringen berücksichtigen dürfte. Die Beklagte hat ferner die streitigen Verwaltungsentscheidungen auch nicht (mit Wirkung für Zeiten seit dem 19. Oktober 1994) aufgehoben. Ebensowenig liegt eine Entscheidung über die nachträgliche Gewährung entzogener Leistungen nach § 67 SGB I vor (vgl. dazu BVerwGE 71, 8, 12).

Nach alledem haben die Vorinstanzen der isolierten Anfechtungsklage der Klägerin gegen die Entziehungsentscheidung zutreffend nicht stattgegeben. Diese ist wirksam geblieben. Deswegen kann die Klägerin auch mit ihrer allgemeinen Leistungsklage nicht durchdringen. Daher mußte ihre Revision ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 3 SGG.4 RA 44/94

BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Haufe-Index 518426

BSGE, 16

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