Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Der Kläger erlitt am 28. Oktober 1968 bei seiner Arbeit als Maurer Verletzungen am Kopf und an der rechten Hand. Vom 5. Mai 1970 an wurde er auf Kosten und Veranlassung der Beklagten wegen der Folgen der Kopfverletzung im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg stationär nachbehandelt. Bei der abschließenden Untersuchung am 26. Juni 1970 wurde seine Entlassung auf den 30. Juni 1970 mit Arbeitsfähigkeit vom 7. Juli 1970 an festgesetzt. Am 28. Juni 1970 feierte er im Krankenhaus seinen Abschied in der Zeit von etwa 16 Uhr bis 21.30 Uhr und nahm dabei Alkohol zu sich. Gegen 22 Uhr begab er sich auf sein Krankenzimmer, das er mit zwei anderen Patienten teilte. Kurz darauf betrat er den von seinem Zimmer aus unmittelbar zugänglichen Balkon. Von dort stürzte er ab und zog sich dabei einen Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers zu. Der Balkon befindet sich etwa 8 m über dem Erdboden, die Brüstung ist 90 cm hoch.

Durch Bescheid vom 26. März 1971 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. Oktober 1968 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um zuletzt 20 v. H. für die Zeit vom 10. Juni 1969 bis zum 30. September 1970. Die Weitergewährung über diesen Zeitpunkt hinaus lehnte sie mit der Begründung ab, eine meßbare MdE liege nicht mehr vor. Den Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers erkannte die Beklagte nicht als Folge des Arbeitsunfalls an, da das zu dieser Verletzung führende Verhalten des Klägers nicht durch die Folgen der Kopfverletzung vom 28. Oktober 1968 motiviert gewesen sei.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er sei infolge von Gleichgewichtsstörungen, die auf den Arbeitsunfall vom 28. Oktober 1968 zurückzuführen seien, über die nur 90 cm hohe Brüstung des Balkons gestürzt. Die Klage mit dem Antrag auf Gewährung einer Rente nach einer MdE um mehr als 50 v. H. vom 28. Juni 1970 an für die Folgen beider Unfälle hat das Sozialgericht (SG) Schleswig durch Urteil vom 7. März 1972 abgewiesen. Es hat einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Sturz vom Balkon und dem Arbeitsunfall vom 28. Oktober 1968 bzw. dessen Folgen verneint und dabei die Möglichkeit der absichtlichen Herbeiführung des Sturzes nicht ausgeschlossen.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, die Berufung richte sich nicht gegen die im Bescheid vorgenommene Einschätzung der aus den unmittelbaren Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. Oktober 1968 resultierenden MdE, sondern gegen die Nichtberücksichtigung des Lendenwirbelkörperbruches als Unfallfolge.

Er hat beantragt, ihm vom 7. Oktober 1970 an Rente nach einer MdE um 40 v. H. zu zahlen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 8. März 1974 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 28. Oktober 1968 und dem Sturz vom Balkon sei nicht festzustellen. Es könne dahingestellt bleiben, ob überhaupt ein Schwindelanfall den Sturz verursacht habe. Denn jedenfalls sei ein angeblicher Schwindelanfall nicht Folge des Arbeitsunfalls. Da unaufklärbar sei, welcher Art der vom Kläger als Schwindelanfall bezeichnete Vorgang gewesen sei, lasse sich nicht beurteilen, ob zwischen ihm und dem Arbeitsunfall vom 28. Oktober 1968 ein Kausalzusammenhang bestehe. Den Nachteil der Unaufklärbarkeit habe der Kläger zu tragen. Der ursächliche Zusammenhang werde auch nicht nach § 555 der Reichsversicherungsordnung (RVO) fingiert. Diese Vorschrift sei hier nicht anwendbar, weil der Kläger den Unfall nicht "bei" der Durchführung einer Heilbehandlung erlitten habe. Der durch das Wort "bei" gekennzeichnete Zusammenhang zwischen Heilbehandlung und gesundheitlicher Schädigung (§ 555 RVO) entspreche dem nach § 548 RVO erforderlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Heilbehandlung und dem Lendenwirbelkörperbruch sei nicht festzustellen. Zwar gehöre zu den möglichen Ursachen für den zum Sturz führenden angeblichen Schwindelanfall u.a. die Einnahme von Medikamenten zusammen mit dem unstreitigen Genuß alkoholischer Getränke. Dies sei jedoch nicht zu verifizieren. Es könne dahinstehen, ob die in den Tagen vor der Entlassung verabreichten Medikamente überhaupt geeignet gewesen seien, derartige Reaktionen auszulösen, was nicht feststehe. Im übrigen wären Ansprüche aus einem derart verursachten Sturz aus dem Gesichtspunkt der selbstgeschaffenen Gefahr ausgeschlossen, da die Unverträglichkeit vieler Medikamente mit Alkohol allgemein bekannt sei. Die Gesundheitsschädigung sei auch nicht von Umständen ausgegangen, denen der Kläger durch den behandlungsbedingten Aufenthalt im Krankenhaus ausgesetzt gewesen sei. Ein stationär behandelter Versicherter stehe nicht 24 Stunden täglich während des gesamten Krankenhausaufenthalts unter Versicherungsschutz, unabhängig davon, wann und auf welche Weise er zu Schaden komme. Der Krankenhausaufenthalt sei zwar im weiteren Sinne ohne zeitliche Beschränkung behandlungsbedingt. Dies gelte aber auch für den Aufenthalt des Geschäftsreisenden in einer fremden Stadt, ohne daß diesem deshalb ein zeitlich unbeschränkter Versicherungsschutz zuteil werde. Auf einer Dienstreise werde unterschieden zwischen der versicherten betrieblichen Sphäre und dem unversicherten Privatbereich, wobei letzterer grundsätzlich in dem Augenblick beginne, in dem der Versicherte sich zur Nachtruhe begebe. Dieser Grundsatz sei aus Gründen der Gleichbehandlung auch im Rahmen des § 555 RVO anzuwenden, soweit eine klare Abgrenzung beider Bereiche unter den besonderen Umständen einer Krankenhausbehandlung möglich sei. Diese Möglichkeit bestehe bei einem Patienten, dessen Behandlung - wie hier - so gut wie abgeschlossen sei und der unmittelbar vor seiner Entlassung stehe. Tagsüber habe der Kläger zwar noch der täglichen ärztlichen Visite routinemäßig unterlegen und auch noch Medikamente erhalten. Im übrigen habe der Bereich seiner privaten Betätigung jedoch auch tagsüber schon einen erheblichen Raum eingenommen, wie die ausgedehnte Abschiedsfeier am 28. Juni 1970 zeige. Spätestens mit Antritt der Nachtruhe sei der Kläger an diesem Tage nicht mehr "Gegenstand von Heilmaßnahmen" gewesen. Er habe sich nicht mehr in dem im engeren Sinn therapiebedingten Bereich, sondern in einer Sphäre befunden, die seinem Privatbereich zuzurechnen sei. Dem stehe nicht entgegen, daß die ihm verabfolgten Medikamente möglicherweise so dosiert gewesen seien, daß sie ihre Wirkung über den Beginn der Nachtruhe hinaus entfaltet hätten. Dies sei auch bei einer ambulant verordneten Medikation der Fall, die der Versicherte im häuslichen Bereich durchführe, ohne daß dieser damit seinen Charakter als Privatsphäre verliere. Der Sturz vom Balkon habe sich aber in einem Zeitpunkt ereignet, in dem der Kläger sein Krankenzimmer bereits betreten gehabt habe, um sich zur Nachtruhe zu begeben. Nur weil ihm schlecht gewesen sei, habe er sich noch einmal auf den Balkon begeben, um frische Luft zu genießen. Der Sturz sei auch nicht die Folge einer besonderen Beschaffenheit oder Schadhaftigkeit des Balkons gewesen, wie aufgrund der polizeilichen Ermittlungen feststehe.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Die Revision ist der Auffassung, bei der gebotenen entsprechenden Anwendung der für den Versicherungsschutz auf Dienstreisen geltenden Grundsätze sei der Kläger aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles im Unfallzeitpunkt nach § 555 RVO versichert gewesen. Nach den Feststellungen des LSG auf S. 6 des Urteils habe sich der Kläger Schlaftabletten verabreichen lassen, sich nach dem Aufsuchen seines Zimmers angezogen auf sein Bett gesetzt und sodann, da er Übelkeit verspürt habe, den Balkon aufgesucht, um frische Luft zu schöpfen. Das LSG habe daraus zu Unrecht gefolgert, der Kläger habe bereits Vorbereitungen zur Nachtruhe getroffen gehabt, die zur Beendigung des Versicherungsschutzes geführt hätten. Unabhängig davon hätte das LSG, so hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, nicht dahingestellt lassen dürfen, ob dem Kläger durch die ihm verabreichten Medikamente schlecht geworden sei. Darüber hinaus ergebe sich aus der vom LSG festgestellten - Höhe der Balkonbrüstung von nur - 90 cm, daß der Balkon entgegen der Auffassung des LSG für den Kläger, der 1, 83 m groß sei, eine besondere Gefahrenquelle gebildet habe.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, des Urteils des Sozialgerichts Schleswig vom 7. März 1972 sowie des Bescheides der Beklagten vom 26. März 1971 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 7. Oktober 1970 eine Rente nach einer MdE von 40 v. H. zu zahlen, hilfsweise, die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend im Ergebnis und in der Begründung und meint, die Revision gehe zum Teil von einem Sachverhalt aus, den das LSG in dieser Weise nicht festgestellt habe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Das LSG hat mit Recht die Frage, ob dem Kläger ein Entschädigungsanspruch wegen der Folgen seines Sturzes vom Balkon des Krankenhauses zusteht, unter zwei verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten - nach § 548 und nach § 555 RVO - geprüft. Auch ein Unfall, bei dem kein Versicherungsschutz besteht, ist als mittelbare Folge eines früheren Arbeitsunfalls (§ 548 RVO) anzuerkennen, wenn die durch den Arbeitsunfall verursachte Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes bei der Entstehung oder dem Ausmaß der Folgen des späteren Unfalls rechtlich wesentlich mitgewirkt hat (BSG 1, 254, 256; vgl. auch - für die Kriegsopferversorgung - BSG 25, 165, 168; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl. S. 488 f. II mit weiteren Nachweisen). Einen solchen mittelbaren Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 28. Oktober 1968 und dem Sturz vom Balkon am 28. Juni 1970 hat das LSG jedoch aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen, gegen die Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind, zutreffend verneint. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, daß er infolge eines Schwindelanfalls gestürzt ist, läßt sich nach den Feststellungen des LSG nicht klären, ob der Schwindelanfall auf die Folgen des früheren Arbeitsunfalls ursächlich zurückzuführen ist. Zutreffend geht das LSG davon aus, daß die Unaufklärbarkeit dieser anspruchsbegründenden Tatsache nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast den Kläger trifft (vgl. BSG 19, 52, 53; Brackmann, a.a.O., S. 480 o I mit weiteren Nachweisen).

Der vom Kläger erhobene Anspruch hängt somit dem Grunde nach davon ab, ob die Voraussetzungen des § 555 RVO gegeben sind. Nach dieser Vorschrift in der Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. April 1963 (BGBl. I 241; s. Art. 4 § 16 dieses Gesetzes) bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl. I 1881) am 1. Oktober 1974 (s. §§ 21 Nr. 39, 45 Abs. 1 dieses Gesetzes) gilt als Folge eines Arbeitsunfalls auch ein Unfall, den der Verletzte bei der Durchführung der Heilbehandlung erleidet. Andere in § 555 RVO aufgeführte Tatbestände kommen hier nicht in Betracht.

Da der Kläger vom 5. Mai 1970 an wegen der Kopfverletzung vom 28. Oktober 1968 im Krankenhaus stationär behandelt wurde, ereignete sich der Unfall vom 28. Juni 1970 während einer von der Beklagten veranlaßten Heilbehandlung (s. § 557 Abs. 1 Nr. 1 RVO), die wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls durchgeführt wurde. Der Senat brauchte nicht die Streitfrage zu entscheiden, ob § 555 RVO eine gesetzliche Fiktion des Kausalzusammenhangs zwischen dem früheren Arbeitsunfall und den in dieser Vorschrift aufgeführten Tatbeständen enthält, aus denen der zweite Unfall erwächst, oder ob der Gesetzgeber eine verbindliche Wertung dahin vorgenommen hat, daß der in diesen Fällen stets gegebene Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn zwischen der Tätigkeit (§ 548 RVO), dem Arbeitsunfall und dem weiteren Unfall bei der Heilbehandlung auch als rechtlich wesentlich anzusehen ist (vgl. hierzu Brackmann, a.a.O., S. 488 h II, 488 k I mit Nachweisen). Zu prüfen ist vielmehr nach § 555 RVO allein, ob der Verletzte einen Unfall "bei" der Durchführung der Heilbehandlung erlitten hat. Die Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist, richtet sich im Grundsatz nach denselben Kriterien, nach denen in Anwendung des § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO als Arbeitsunfall ein Unfall anzusehen ist, den ein Versicherter "bei" einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 aufgeführten Tätigkeiten erleidet. Schon der insoweit übereinstimmende Wortlaut der beiden Vorschriften - Unfall "bei" einer … Tätigkeit; Unfall "bei" der Durchführung … - macht deutlich, daß nach § 555 RVO ein nur zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen der Heilbehandlung und dem weiteren Wall nicht genügt, sondern auch ein innerer ursächlicher Zusammenhang vorausgesetzt wird. Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die von § 555 RVO erfaßten Tatbestände sind in den Versicherungsschutz einbezogen worden, weil nach der in der Begründung des Gesetzentwurfs zum Ausdruck gebrachten Auffassung in Fällen dieser Art "die Rechtsprechung den besonderen sozialpolitischen Bedürfnissen der Unfallversicherung nicht immer hinreichend Rechnung getragen" habe (vgl. Bundestags-Drucksache IV/120). Mit dem Zweck der Einbeziehung der Tatbestände des § 555 RVO in den Versicherungsschutz wäre es nicht vereinbar, einen nur äußeren - örtlichen und zeitlichen - Zusammenhang zwischen dem Aufenthalt im Krankenhaus während der Heilbehandlung und einem dabei sich ereignenden Unfall für die Begründung von Entschädigungsansprüchen ausreichen zu lassen. Anderenfalls würde für die von § 555 RVO erfaßten Tatbestände eine besondere Art von "Betriebsbann" geschaffen, für dessen Annahme in der allgemeinen Unfallversicherung - abgesehen von der Binnenschiffahrt (vgl. BSG 14, 197 = SozR Nr. 38 zu 542 RVO a.F.) und anders als in der See-Unfallversicherung grundsätzlich kein Raum ist (vgl. Brackmann, a.a.O., S. 480 S. I).

Mit Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß ein Versicherungsschutz des Klägers aufgrund des § 555 RVO hiernach nicht schlechthin während der gesamten Dauer seines Aufenthalts im Krankenhaus unabhängig von der Art seiner jeweiligen Betätigung bestanden hat. Es kann allerdings aus Anlaß der Entscheidung dieses Falles offengelassen werden, ob - wie das LSG meint - die für den Umfang des Unfallversicherungsschutzes auf Dienst- und Geschäftsreisen in der Rechtsprechung als maßgebend erachteten funktionellen Abgrenzungsmerkmale entsprechend auch für die Beurteilung herangezogen werden können, unter welchen Voraussetzungen allgemein ein Unfall bei der Durchführung der Heilbehandlung im Sinne des § 555 RVO anzunehmen ist. Denn hier läßt sich jedenfalls der erforderliche rechtlich wesentliche Ursachenzusammenhang zwischen dem Sturz des Klägers vom Balkon seines Krankenzimmers und der Durchführung der Heilbehandlung nicht bejahen.

Es ist für die Entscheidung nicht rechtserheblich, ob der Kläger vor dem Unfall sein Krankenzimmer in der Absicht betreten hatte, sich zur Nachtruhe zu begeben. Es kann deshalb dahinstehen, ob das angefochtene Urteil insoweit tatsächliche Feststellungen enthält oder, wie die Revision meint, lediglich eine nach ihrer Ansicht unzutreffende Schlußfolgerung des LSG aus der Tatsache, daß der Kläger zuvor sein Zimmer aufgesucht hatte. Für die Beurteilung der Frage, ob der Kläger einen Unfall bei der Durchführung der Heilbehandlung, also in ursächlichem Zusammenhang mit ihr erlitten hat, kommt es vielmehr auf die Prüfung an, welche Umstände den Sturz des Klägers vom Balkon herbeigeführt haben und ob diese mit der Behandlung rechtlich wesentlich zusammenhängen. Das LSG hat die insoweit nach der Lage des Falles in Betracht kommenden Umstände zu klären versucht. Es hat jedoch nicht feststellen können, auf welche Weise und aus welcher Ursache der Kläger abgestürzt ist. Am Ende der Entscheidungsgründe (S. 15 des Urteils) hat das LSG zwar ausgeführt, der Kläger habe sich, weil ihm schlecht gewesen sei, noch einmal auf den Balkon begeben, um frische Luft zu genießen. Insoweit hat das LSG tatsächliche Feststellungen getroffen, die, da sie nicht angefochten sind, das Revisionsgericht nach § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) binden. Die zum Teil weitergehenden Ausführungen im Tatbestand (S. 6 des Urteils) enthalten dagegen - anders als die Revision meint - keine tatsächlichen Feststellungen, da sie lediglich berichtend Angaben des Klägers, von Mitpatienten und von Polizeibeamten wiedergeben. Bei der Prüfung, ob dem Kläger infolge einer Verabreichung von Medikamenten übel oder schwindlig geworden ist, hat das LSG eine Klärung nicht erreicht; es hat vielmehr in seinem Urteil letztlich zum Ausdruck gebracht, dies habe sich nicht als wahr feststellen und nicht klären lassen. Ein Verstoß des LSG gegen gesetzliche Vorschriften ist insoweit nicht zu erkennen. Danach steht also nicht fest, daß eine Übelkeit des Klägers mit der Krankenhausbehandlung in einem ursächlichen Zusammenhang gestanden hat. Es ist außerdem, wie sich aus dem Urteil des LSG ergibt, nicht klärbar, daß der Kläger einen Schwindelanfall erlitten hat. Die Frage, ob der Sturz die Folge einer besonderen Beschaffenheit oder einer Schadhaftigkeit des Balkons gewesen ist, hat das LSG verneint. Dem angefochtenen Urteil ist zwar die Feststellung zu entnehmen, daß die Brüstung des Balkons 90 cm hoch war. Dies allein reicht aber entgegen der Auffassung der Revision auch bei der Körpergröße des Klägers (1,83 m) nicht aus, einen ursächlichen Zusammenhang des Sturzes mit der Heilbehandlung anzunehmen. Da lediglich feststeht, daß der Kläger wegen seines schlechten Befindens auf den Balkon getreten ist, um frische Luft zu genießen, läßt sich aus der Beschaffenheit des Balkons und der Körpergröße des Klägers ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht zwingend zugleich auch darauf schließen, wie es zu dem Unfall gekommen ist. Welche weiteren Umstände hinzugetreten sind, damit es zu dem Sturz kommen konnte, hat das LSG nicht festgestellt und nicht klären können. Begründete Verfahrensrügen sind hiergegen von der Revision nicht geltend gemacht worden. Das LSG hat mit Recht angenommen, daß die Unaufklärbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen den Kläger trifft.

Die Revision des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. …

 

Fundstellen

BSGE, 137

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