Leitsatz (redaktionell)

RVO § 1279 Abs 1 - Berechnung der Witwenrente aus der RV ohne Berücksichtigung des RVO § 1278 Abs 1:

Der Senat kommt im vorliegenden Fall nur zu dem Ergebnis, daß es nicht folgerichtig und nicht zulässig ist, bei Anwendung des RVO § 1279 Abs 1 S 1 den Rentenbezug des Versicherten im Falle des RVO § 1278 Abs 1 S 1 für rechtlich relevant, im Falle des RVO § 1278 Abs 3 Nr 1 dagegen für rechtlich irrelevant anzusehen. Dabei kann offen bleiben, ob man RVO § 1279 Abs 1 S 1 abstrakt und losgelöst von sämtlichen für den Versicherten nach RVO § 1278 geltenden Kürzungsvorschriften anwenden will.

 

Normenkette

RVO § 1279 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 1278 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30, Abs. 3 Nr. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Oktober 1963 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, wie die Witwenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter (ArV) gem. § 1279 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu berechnen ist, wenn sie mit einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) zusammentrifft. Streitig ist, ob und inwieweit § 1278 RVO auch für die Regelung des § 1279 Abs. 1 RVO gilt.

Die Klägerin erhält Witwenrente aus der gesetzlichen UV ihres am 16. April 1959 verstorbenen Ehemannes vom Todestage an; sie wurde ihr zum ersten Mal im Dezember 1959 ausgezahlt. Die Beklagte gewährt ihr vom 1. Mai 1959 an aus der ArV des Ehemannes Witwenrente. Der Ehemann war seit Dezember 1953 invalide und bezog vom 1. Januar 1954 an Invalidenrente. Wegen einer im November 1955 festgestellten Berufskrankheit erhielt er Verletztenrente aus der gesetzlichen UV. Beide Renten bezog er bis zum Tode ungekürzt (§ 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO).

Die Beklagte zahlte der Klägerin die Witwenrente aus der ArV vom 1. Januar 1960 an nur zum Teil aus, weil diese Rente wegen des Zusammentreffens mit der Witwenrente aus der UV teilweise ruhe. Bei der Berechnung des ruhenden Teils der Witwenrente wandte die Beklagte zur Ermittlung der Rente, die dem Versicherten zur Zeit seines Todes i.S. des § 1279 Abs. 1 RVO zugestanden hätte, die Ruhensvorschrift des § 1278 Abs. 1 RVO an (Bescheid vom 23. März 1961).

Mit der Klage hat sich die Klägerin darauf berufen, die Beklagte hätte bei Berechnung der fiktiven Witwenrente die Vorschrift des § 1278 Abs. 1 RVO nicht anwenden dürfen, weil die Berufskrankheit ihres Ehemannes erst nach dessen Invalidität eingetreten sei (§ 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO). Sie hat die Auszahlung der ungekürzten Witwenrente vom 1. Januar 1960 an beantragt. Die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, bei der Berechnung der Witwenrente sei nur Abs. 1 des § 1278 RVO anzuwenden, weil der Tod als selbständiger Versicherungsfall zeitlich nach der Berufskrankheit des verstorbenen Versicherten eingetreten sei, so daß für eine Berücksichtigung der Ausnahmevorschrift des § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO kein Raum sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Oktober 1961). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG abgeändert, den Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, die der Klägerin für die Zeit seit dem 1. Januar 1960 gewährte Witwenrente so zu berechnen, daß als Rente, die dem Verstorbenen i.S. des § 1279 Abs. 1 RVO zur Zeit seines Todes wegen Erwerbsunfähigkeit zugestanden hätte, die Versichertenrente ohne Anwendung der Ruhensvorschrift des § 1278 Abs. 1 RVO zugrunde gelegt wird; es hat die Revision zugelassen.

Zur Begründung hat sich das LSG auf das Urteil des erkennenden Senats vom 28. August 1963 (BSG in SozR Nr. 1 zu § 1279 RVO) bezogen und im wesentlichen ausgeführt: § 1279 Abs. 1 RVO zwinge dazu, die fiktive Erwerbsunfähigkeitsrente des Verstorbenen so zu berechnen, als ob er an seinen Todestag gelebt hätte und erwerbsunfähig gewesen wäre. Diese Rente könne daher auch nur in der Höhe als maßgebend angesehen werden, wie sie dem Versicherten unter Anwendung des für den Erlebensfall geschaffenen § 1278 RVO zugestanden hätte. § 1279 Abs. 1 RVO enthalte seinem Inhalt nach eine uneingeschränkte Verweisung auf § 1278 RVO, die für die Berechnung nicht nur den Todeszeitpunkt als maßgebend unterstelle, sondern zur Ermittlung des Höchstbetrages ganz allgemein auf den Versicherten, d.h. auf seine gesamten für die Rentenberechnung am Todestag maßgeblichen Verhältnisse abstelle. Da das Gesetz mit der Inbezugnahme des § 1278 RVO auf die Verhältnisse des Versicherten für den Fall des Erlebens abstelle, gehe die Ansicht der Beklagten fehl, daß sein Tod als ein dem Unfall nachfolgendes Ereignis der Berücksichtigung des § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO entgegenstehe. Der für die Höhe der Hinterbliebenenrentenansprüche maßgebende gesetzliche Grundgedanke gehe dahin, den Witwen und Waisen einen bestimmten Bruchteil des vom Versicherungsschutz umfaßten Einkommens zu sichern, über das der verstorbene Ernährer für sich und seine Familie verfügt habe. Sofern ein Versicherter zu Lebzeiten Anspruch auf Auszahlung der ungekürzten Versichertenrente gehabt habe bzw. gehabt hätte, müsse sich die Bemessung der Witwenrente mithin an diesem Einkommen orientieren, wenn sie den Zweck des Gesetzes erfüllen solle. Für die Berechnung der Sechs-Zehntel-Grenze des § 1279 Abs. 1 RVO sei daher auch die Vorschrift des § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO zu beachten, so daß von einer ungekürzten Erwerbsunfähigkeitsrente des Versicherten dann auszugehen sei, wenn sich - wie hier - der Unfall nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit des Versicherten ereignet habe (Urteil vom 1. Oktober 1963).

Gegen das Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt; sie rügt, das LSG habe die Vorschriften der §§ 1278, 1279 RVO unrichtig angewandt. Der Versicherungsfall des Todes sei nicht unter die in § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO aufgezählten Ereignisse einzuordnen, die zur Nichtanwendung des § 1278 Abs. 1 RVO führten. Bei der Ermittlung der Bezugsgröße, nach der die der Klägerin zustehende Rente zu errechnen sei, müsse man von einer nach § 1278 Abs. 1 RVO festgestellten Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ausgehen. Der Sinn des § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO liege darin, daß der Empfänger einer Rente aus der Rentenversicherung keine Minderung seines bereits erworbenen Anspruchs dadurch erfahren solle, daß ihm für einen später eintretenden Unfall eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung gewährt werde. Folge später ein - höherwertiger - Versicherungsfall in der Rentenversicherung, so sei nunmehr § 1278 Abs. 1 RVO anzuwenden, weil § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO - anders als Nrn. 2 und 3 - nicht ein für allemal die Anwendung der Ruhensvorschriften ausschließe. Hätte der Gesetzgeber die Anwendung der Ruhensvorschriften auch für künftige Versicherungsfälle ausschließen wollen, so wäre die gewählte Formulierung mit ihrer Einzelaufzählung unverständlich. Wenn in Anwendung des § 1279 Abs. 1 RVO eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu berechnen sei, die dem Verstorbenen zur Zeit des Todes nach § 1278 RVO zugestanden hätte, so könne bei diesem Berechnungsvorgang die Vorschrift des § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO nicht zu einer Nichtanwendung des § 1278 Abs. 1 RVO führen, weil die zugrunde zu legende Vollrente aus der UV sich nicht auf einen Unfall beziehe, der sich nach Eintritt der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres ereignet hätte, sondern - ebenso wie die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - fiktiv auf den Zeitpunkt des Todes. § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO habe mithin nur Bedeutung bei der Anwendung der Ruhensvorschriften auf Versichertenrentenansprüche; bei Anwendung der Ruhensvorschriften auf die Witwenrentenansprüche sei stets die nach § 1278 Abs. 1 RVO berechnete - fiktive - Versichertenrente zugrunde zu legen, und zwar auch dann, wenn die Versichertenrente, die der Verstorbene bis zu seinem Tode tatsächlich bezogen habe, wegen der Vorschrift des § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO in voller Höhe gezahlt worden sei.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 1. Oktober 1963 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Dortmund vom 17. Oktober 1961 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtlich zutreffend.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Die Entscheidung des LSG, daß bei Anwendung des § 1279 Abs. 1 RVO die Witwenrente aus der Rentenversicherung ohne Berücksichtigung der Ruhensvorschrift des § 1278 Abs. 1 RVO zu berechnen ist, läßt jedenfalls im Ergebnis eine Gesetzesverletzung nicht erkennen.

Nach § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO soll beim Zusammentreffen einer Witwenrente aus der UV mit einer solchen aus der ArV eine Höchstgrenze an Bezügen nicht überschritten werden. Als Grenze bestimmt das Gesetz den Betrag von sechs Zehnteln der Rentenbezüge, die dem Versicherten zur Zeit des Todes als Vollrente aus der UV oder als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der ArV (ohne Kinderzuschlag und ohne Kinderzuschuß) zugestanden hätten, wenn er zu diesem Zeitpunkt erwerbsunfähig gewesen wäre. Der über diese Grenze hinausgehende Betrag hat bei der Witwenrente aus der ArV zu ruhen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes scheint es nicht darauf anzukommen, ob und welche Leistungen der Versicherte aus beiden Versicherungszweigen tatsächlich bezogen hat; die Bezüge der Witwe sind vielmehr an dem Gesamtbetrag der Leistungen zu messen, die ihm als im Zeitpunkt des Todes erwerbsunfähigen Unfallgeschädigten fiktiv zugestanden hätten.

Aus dem Wortlaut des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO ist auch nicht unmittelbar zu ersehen, inwieweit bei der Berechnung der dem Versicherten fiktiv zustehenden Rente aus der ArV die Vorschrift des § 1278 RVO zu berücksichtigen ist, ob hier, wie das LSG meint, im Hinblick auf § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO von der ungekürzten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auszugehen ist, oder ob diese Vorschrift, wie die Revision geltend macht, wegen der auf den Todeszeitpunkt abgestellten Fiktion außer Betracht zu bleiben hat. In einem ähnlich liegenden Streitfall, in dem der Versicherte neben der Unfallrente eine (gem. § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO ungekürzte) Altersrente aus der ArV bezogen hatte, hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) die Auffassung vertreten, daß § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO nicht allein auf Abs. 1 Satz 1 des § 1278 RVO Bezug nimmt, sondern auf die Tatbestände dieser Vorschrift im ganzen, zumindest in ihren Grundzügen (Urteil vom 29. November 1967 in BSG 27, 230). Die Geltung somit auch des § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO im Rahmen der der Witwe zustehenden Gesamtleistung i.S. des § 1279 Abs. 1 RVO leitet der 4. Senat in dieser Entscheidung in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte dieser gesetzlichen Bestimmung und außerdem unter Berücksichtigung der für die Fälle des Ruhens von Renten geltenden allgemeinen Prinzipien ab.

Folgt man dieser Auslegung des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO durch den 4. Senat in der genannten Entscheidung, so ist die Revision unbegründet und entfallen auch alle Argumente, die mit der Revision vorgetragen wurden. Dem steht auch nicht entgegen, daß im vorliegenden Rechtsstreit der Versicherte vor seinem Tode aus der ArV nicht ein Altersruhegeld, sondern eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen hat. Diese Abweichung im Sachverhalt rechtfertigt keine unterschiedliche Beurteilung. Im vorliegenden Fall kann aber dahingestellt bleiben, ob der erkennende Senat sich die Auffassung im Urteil vom 29. November 1967, daß die Berücksichtigung des tatsächlichen Geschehensablaufes zu Lebzeiten des Versicherten - im Sinne des Erwerbs einer auf § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO beruhenden höchstmöglichen Versichertenrente - von der Vorschrift des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO mit erfaßt ist, zu eigen macht. Selbst im Falle einer abweichenden Rechtsansicht kann nämlich die Revision im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Der Revision ist zuzugeben, daß der Wortlaut des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO, insbesondere die dort vom Gesetz verwendete Konjunktivformulierung, nicht an reale Gegebenheiten, sondern an einen nur vorgestellten Sachverhalt anknüpft. Bei wörtlicher Auslegung des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO wäre aber selbst eine stillschweigende Verweisung auf § 1278 RVO überhaupt - und damit sowohl auf dessen Abs. 1 als auch auf dessen Abs. 3 - zu verneinen. Vielmehr könnte aus § 1279 Abs. 5 RVO, wonach lediglich § 1278 Abs. 4 RVO entsprechend gilt, gerade der Umkehrschluß zu dem Ergebnis führen, daß § 1278 Abs. 1 bis 3 RVO bei der Rentenbegrenzung nach § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO nicht entsprechend gelten soll. Für eine solche Deutung würde auch der durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476) neu eingefügte Satz 2 des § 1279 Abs. 1 RVO sprechen. Danach gilt auch bei der Gesamtberechnung der Witwenrente i.S. des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO die - ebenfalls durch das RVÄndG eingefügte - Vorschrift des § 1278 Abs. 1 Satz 2 RVO. Diese Verweisung wäre aber überflüssig, wenn § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO bereits ohnedies auf den gesamten Abs. 1 des § 1278 RVO verweisen würde. Schließlich mag es auch zweifelhaft sein, ob die Entstehungsgeschichte des § 1279 RVO den Schluß zuläßt, daß bei dem Höchstbetrag von sechs Zehnteln ohne Kinderzulage und ohne Kinderzuschuß für die Witwe immer erst von dem Höchstbetrag des Verstorbenen unter Beachtung des § 1278 Abs. 1 bzw. Abs. 3 RVO ausgegangen werden muß. Die dem § 1279 RVO entsprechende Vorschrift des § 1275 Abs. 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Fassung enthielt nämlich beim Zusammentreffen einer Hinterbliebenenrente aus der Invalidenversicherung mit einer solchen aus der Unfallversicherung eine uneingeschränkte Verweisung auf § 1274 RVO aF, d.h. auf die Ruhensbestimmungen beim Zusammentreffen der Versichertenrenten. Wenn aber der Gesetzgeber bei der Rentenreform des Jahres 1957 eine gleichbleibende Regelung gewollt hat, so ist es nicht recht verständlich, weshalb er dann nicht - wie bisher in § 1275 Abs. 1 RVO aF - auch in § 1279 RVO eine entsprechende umfassende Anwendung des nunmehr an die Stelle des § 1274 RVO aF getretenen § 1278 RVO vorschrieb, sondern in § 1279 RVO eine andere und - jedenfalls nach dem Wortlaut - auch von § 1278 Abs. 1 Satz 1 RVO losgelöste Gesetzesfassung wählte.

Diese Erwägungen können dafür sprechen, daß bei der Berechnung der Gesamtleistung für die Witwe nach § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO nicht die realen Gegebenheiten zu Lebzeiten des Versicherten, sondern eine vom wirklichen Tatsachenablauf und vom Rentenbezug des Versicherten losgelöste Fiktion zugrunde gelegt werden sollte. Eine Auslegung des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO im Sinne einer rein abstrakten Berechnungsgrundlage - d.h. einer fiktiv errechneten Vollrente aus der UV, die dem Verstorbenen zur Zeit des Todes aus der gesetzlichen UV zugestanden hätte, und einer fiktiv errechneten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitpunkt des Todes als allein maßgebende Faktoren für die Ruhensbestimmung des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO - würde aber dazu führen, daß Kürzungsvorschriften, die für den Rentenbezug des Versicherten nach § 1278 RVO gelten, überhaupt ohne Einfluß auf die Berechnung des Höchstbetrages der Gesamtleistung an die Witwe gem. § 1279 RVO bleiben müßten. Bei einer solchen Auslegung des § 1279 RVO wäre also davon auszugehen, daß das Gesetz davon abgesehen hat, sämtliche Kürzungsvorschriften, die für den Rentenbezug des Versicherten selbst gegolten hätten, bei der Berechnung der Gesamtleistung für die Witwe anzuwenden. Dies würde demnach bedeuten, daß die Bestimmung des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO eine Rentenbegrenzung eigener Art darstellt, die außer der in § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO selbst vorgeschriebenen Kürzung eine vorausgegangene Kürzung nach § 1278 Abs. 1 RVO ohnehin nicht zuließe.

Die Revision erweist sich also auch bei einer rein wörtlichen Auslegung des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO im Sinne einer fiktiven, von § 1278 RVO überhaupt losgelösten Berechnungsgrundlage als unbegründet.

Der Senat kann aber dahingestellt sein lassen, ob er eine solche abstrakte Auslegung des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO - unter Aufgabe der im Urteil vom 28. März 1963 (SozR Nr. 1 zu § 1279 RVO) und in Abweichung der in der Entscheidung des 4. Senats in BSG 27, 230 vertretenen Rechtsauffassungen - für richtig hält. Vielmehr kommt der Senat im vorliegenden Fall nur zu dem Ergebnis, daß es nicht folgerichtig und nicht zulässig ist, bei Anwendung des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO den Rentenbezug des Versicherten im Falle des § 1278 Abs. 1 Satz 1 RVO für rechtlich relevant, im Falle des § 1278 Abs. 3 Nr. 1 RVO dagegen für rechtlich irrelevant anzusehen. Dabei kann offen bleiben, ob man aufgrund der dargelegten Erwägungen § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO abstrakt und losgelöst von sämtlichen für den Versicherten nach § 1278 RVO geltenden Kürzungsvorschriften anwenden will oder ob man mit den in den Urteilen des BSG vom 28. März 1963 und 29. November 1967 aaO gegebenen Begründungen auch im Rahmen des § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO die für den Rentenbezug des Versicherten bis zum Tod jeweils maßgebenden Kürzungsvorschriften insgesamt - d.h. sowohl § 1278 Abs. 1, als auch § 1278 Abs. 3 RVO - für anwendbar hält.

In beiden Fällen ist nämlich dem angefochtenen Urteil im Ergebnis beizupflichten, daß jedenfalls bei der der Klägerin zustehenden Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung nach § 1279 Abs. 1 Satz 1 RVO die Anwendung der Ruhensvorschrift des § 1278 Abs. 1 RVO nicht in Betracht kommt.

Die Revision der Beklagten kann aus diesen Gründen keinen Erfolg haben.

Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284936

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