Leitsatz (amtlich)

In Zulassungsstreitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Auswahlentscheidung nicht nur für die Gerichte maßgebend, die die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung nachzuprüfen haben, sondern auch für die Verwaltung, die nach Aufhebung ihrer Auswahlentscheidung erneut zwischen denselben Bewerbern über die Zulassung zu befinden hat.

 

Normenkette

SGG § 54 Fassung: 1953-09-03; RVO § 368a Fassung: 1932-01-14; ZÄZO 1935 § 29 Fassung: 1938-01-21, § 30 Fassung: 1938-01-21

 

Tenor

Die Revision des Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 1957 wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen tragen die Beteiligten die Kosten des Revisionsverfahrens selbst.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Um die für Porz/Rhein ausgeschriebene Stelle eines Kassenzahnarztes bewarben sich u.a. der Kläger und der Beigeladene. Das Schiedsamt für Zahnärzte und Dentisten für den Regierungsbezirk Köln hatte den gemäß § 24 Abs. 3 der Zulassungsordnung für Zahnärzte und Dentisten (Zul O) vom 9. Mai 1935 (RGBl. I S. 594) in der Fassung der Verordnung vom 21. Januar 1938 (RGBl. I S. 29) ausgeschriebenen Kassenarztsitz durch Beschluß vom 25. Juli 1955 dem Beigeladenen (Zahnarzt W..., geboren 1917, als Dentist anerkannt im März 1949, Bestallung als Zahnarzt Juli 1953, ledig) zugesprochen und die Bewerbung des Klägers (Zahnarzt Dr. H... geboren 1927, Bestallung als Zahnarzt Dezember 1951, seit dieser Zeit Assistent an der Universitätsklinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten in Bonn, verheiratet, zwei Kinder) abgelehnt: Nach §§ 29, 30 Zul O für Zahnärzte 1935/38 sei der Bestberechtigte ausgewählt worden. Der Beigeladene sei zehn Jahre älter als der Kläger und fast drei Jahre vor dessen Approbation als Dentist anerkannt, er habe ferner seit November 1950 das Risiko der freiberuflichen Niederlassung am Zulassungsort getragen. Der Kläger sei zwar Schwerkriegsbeschädigter (MdE. 50 v.H.), aber auch der Beigeladene sei Kriegsteilnehmer und Inhaber des Verwundetenabzeichens.

Das Sozialgericht hat auf die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage die Entscheidung des Schiedsamts durch Urteil vom 8. Mai 1956 aufgehoben: Das Schiedsamt hätte das mit der Niederlassung in Porz verbundene Risiko nicht zugunsten des Beigeladenen werten dürfen. Es habe sich auch mit dem Familienstand des Klägers, der möglicherweise zu seinen Gunsten zu würdigen sei, nicht erkennbar auseinandergesetzt. Der bloße Hinweis in dem angefochtenen Beschluß, die in Frage kommenden Gesichtspunkte, wie Lebensalter, Familienstand, wirtschaftliche Verhältnisse, seien gegeneinander abgewogen worden, lasse nicht erkennen, ob und wie die für die Ermessensentscheidung wesentlichen Umstände gewürdigt worden seien.

Die Berufungen des Schiedsamts und des Beigeladenen gegen dieses Urteil hat das Landessozialgericht durch Urteil vom 25. Juni 1957 - unter Zulassung der Revision - zurückgewiesen: Das Rechtschutzinteresse des Klägers an der Klage sei entgegen der Ansicht des Beigeladenen zu bejahen. Es könnte nur dann verneint werden, wenn bei Anwendung der bei der neuen Auswahlentscheidung maßgebenden Zulassungsordnung für Zahnärzte vom 28. Mai 1957 (BGBl. I S. 582) - ZO-Zahnärzte - der Kläger keine Aussicht auf Berücksichtigung hätte. Zwar sei die Auswahl in einem künftigen Verfahren nach anderen Gesichtspunkten durchzuführen als bei Erlaß des hier streitigen Verwaltungsakts. Während nämlich nach § 30 Zul O 1935/38 Schwerbeschädigte und verheiratete Bewerber mit Kindern "in der Regel" zu bevorzugen seien, sei nach § 22 der neuen Zulassungsordnung bei der Auswahl in erster Linie die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der zahnärztlichen Tätigkeit zu berücksichtigen und sodann erst die Eigenschaft als Schwerbeschädigter. Dem stehe auch § 36 des Schwerbeschädigtengesetzes (SchwBG) nicht entgegen, wonach Schwerbeschädigten bei fachlicher Eignung und Erfüllung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen die Zulassung bevorzugt erteilt werden sollte. Durch § 22 ZO-Zahnärzte habe dieses Vorrecht des Schwerbeschädigten für das Gebiet der Kassenzulassung seine Ausgestaltung erfahren, diese Bestimmung gehe daher als die jüngere und auch speziellere Bestimmung dem § 36 SchwBG vor. Wenn bei der neuen Auswahl die berufliche Eignung den Ausschlag gebe, so hätten die Zulassungsinstanzen die auf längerer selbständiger Berufstätigkeit beruhende Erfahrung des Beigeladenen und die durch mehrjährige Tätigkeit in einer Universitätsklinik gesammelten Kenntnisse des Klägers gegeneinander abzuwägen; es könne nicht von vornherein gesagt werden, wie diese Abwägung ausfalle, so daß die Schwerbeschädigteneigenschaft des Klägers doch Bedeutung haben könne. Der Auffassung des Beigeladenen, die Tätigkeit des Klägers in der Universitätsklinik mache ihn zum Kassenarzt ungeeignet (§ 20 Abs. 1 ZO-Zahnärzte), könne nicht gefolgt werden, weil davon auszugehen sei, daß er im Falle seiner Zulassung die Assistententätigkeit aufgebe. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung sei im gegenwärtigen Verfahren unter Berücksichtigung der am Tage der Auswahl (25.7.1955) geltenden Zulassungsrichtlinien zu prüfen. Bei dieser Prüfung könnten nicht die am 1. Juni 1957 in Kraft getretene ZO-Zahnärzte oder die Grundsätze des § 368 c Abs. 2 Nr. 11 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) angewendet werden; denn die hier streitige Auswahlentscheidung sei vor Inkrafttreten des GKAR (20.8.1955) getroffen worden. Das GKAR habe sich aber keine rückwirkende Kraft beigelegt, so daß die Rechtmäßigkeit einer vor seinem Inkrafttreten getroffenen Auswahlentscheidung nur nach den im Zeitpunkt der Auswahl geltenden Bestimmungen beurteilt werden dürfe. Bei Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 27. Juli 1955 müsse daher § 30 Zul O für Zahnärzte (1935/38) beachtet werden, wonach Schwerbeschädigte bei der Auswahl in der Regel zu bevorzugen seien. Dieser Vorrang sei aber kein unbedingter gewesen, so daß das Schiedsamt berechtigt gewesen wäre, den Schwerbeschädigten zu übergehen, wenn dafür triftige Gründe vorgelegen hätten. Die Überlegung des Schiedsamts, die Nichtbeachtung des Vorrangs sei deshalb zulässig, weil auch der Beigeladene Kriegsteilnehmer und Träger des Verwundetenabzeichens sei, entspreche aber nicht dem Sinn des Gesetzes. Das Sozialgericht habe daher den angefochtenen Verwaltungsakt mit Recht aufgehoben. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der Beigeladene die Kassenpraxis schon zwei Jahre ausgeübt habe, denn ihm sei bekannt gewesen, daß seine Zulassung noch nicht rechtskräftig sei.

Mit der rechtzeitig eingelegten und begründeten Revision hat der Beigeladene folgendes vorgebracht: Das Landessozialgericht habe zu Unrecht das Rechtsschutzinteresse des Klägers bejaht, weil im Falle einer rechtskräftigen Aufhebung des Beschlusses des Schiedsamts er - der Beigeladene - wiederum zugelassen werden müsse. In dem neuen Zulassungsverfahren müßte § 22 der ZO-Zahnärzte (1957) angewandt werden, wonach bei der Auswahl der Bewerber in erster Linie die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der zahnärztlichen Tätigkeit zu berücksichtigen seien, während die Eigenschaft als Schwerbeschädigter erst in zweiter Linie gewertet werden dürfe. Er - der Beigeladene - verdiene sowohl wegen seiner beruflichen Eignung als auch wegen seines Approbationsalters und wegen der Dauer seiner praktischen zahnärztlichen Tätigkeit gegenüber dem Kläger den Vorzug. Während die Tätigkeit des Klägers als Assistent "einer Kieferklinik" mehr auf die wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Zahnheilkunde ausgerichtet sei, habe er - der Beigeladene - seit Jahren den freien Beruf des Zahnbehandlers ausgeübt. Bei der Ermessensentscheidung müsse auch berücksichtigt werden, daß er - der Beigeladene - nunmehr seit mehreren Jahren die ihm durch Bescheid vom 25. Juli 1955 übertragene Kassenpraxis ausübe. Wenn ihm die im Laufe von mehr als zwei Jahren aufgebaute Kassenpraxis wieder genommen würde, so stelle dies einen Eingriff in den inzwischen erworbenen Besitzstand dar. Das Landessozialgericht hätte bei Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts bereits die neue ZO-Zahnärzte anwenden müssen, weil für den Kläger durch die rechtskräftige Aufhebung des angefochtenen Bescheides nichts gewonnen werde, da in dem dann folgenden neuen Zulassungsverfahren das jetzt geltende Zulassungsrecht anzuwenden sei.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und bringt noch vor, seine langjährige Tätigkeit in der Klinik habe ihn weit über das normale Maß hinaus qualifiziert; es könne nicht außer acht bleiben, daß die Kliniktätigkeit ihm eine intensivere wissenschaftliche und praktische Fortbildung ermöglicht habe, als die allgemeine praktische Tätigkeit des Beigeladenen. Aber auch bei gleicher Bewertung der Qualifikation müsse die Eigenschaft des Klägers als Schwerbeschädigter den Ausschlag geben. Die Übergangsregelung des Art. 4 § 11 Abs. 2 GKAR gelte nicht für Fälle, in denen das Verfahren vor den Zulassungsinstanzen schon vor Inkrafttreten des GKAR abgeschlossen gewesen sei.

Der nunmehr an die Stelle des Schiedsamts getretene Berufungsausschuß für Zahnärzte Nordrhein hat keine Anträge gestellt.

II.

Die Revision ist nicht begründet, weil das angefochtene Urteil - jedenfalls im Ergebnis - zutreffend ist.

Das Landessozialgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß das Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Durchführung der Klage auch nach Inkrafttreten der neuen Zulassungsordnung vom 28. Mai 1957 bestehen geblieben ist. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage richtet sich gegen den Beschluß des früheren Schiedsamts für Zahnärzte und Dentisten für den Regierungsbezirk Köln vom 25. Juli 1955, durch den im Rahmen einer nach §§ 29, 30 Zul O für Zahnärzte und Dentisten vom 9. Mai 1935 (RGBl. I S. 594) in der Fassung der Fünften Verordnung über die Zulassung von Zahnärzten und Dentisten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen vom 12. Januar 1938 (RGBl. I S. 29) getroffenen Auswahlentscheidung der Beigeladene als Kassenzahnarzt zugelassen worden ist. Die Bestimmungen dieser Zul O in der durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 vom 20. September 1945 abgeänderten Fassung widersprechen nicht dem Grundgesetz, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 4. Dezember 1956 (BSG. 4 S. 156, hier S. 161) näher dargelegt hat. Bei Prüfung der vom Kläger behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, der die Auswahl unter mehreren Bewerbern um einen Kassenarztsitz zum Gegenstand hat, ist, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts auszugehen. Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 3. Juli 1957 (BSG. 5 S. 238, hier 241) ausgeführt hat, ergibt sich schon aus der Doppelnatur der Zulassungsentscheidung, die einerseits den zugelassenen Bewerber begünstigt, andererseits die abgelehnten Bewerber beschwert, daß bei der Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit grundsätzlich nur die im Zeitpunkt dieses Erlasses bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse maßgebend sein dürfen. Sonst könnten diejenigen Bewerber, welche die ihnen ungünstige Entscheidung mit Rücksicht auf die zur Zeit ihres Erlasses gegebene Sach- und Rechtslage - mit Recht - nicht angefochten haben, benachteiligt werden. Aber auch das gesetzlich begründete Streben eines Bewerbers, das ihm durch die rechtswidrige Zulassung eines Mitbewerbers zugefügte Unrecht wiedergutzumachen, müßte erfolglos bleiben, wenn spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage zu seinen Ungunsten berücksichtigt werden dürften. Im übrigen erfordert auch das öffentliche Interesse an der baldigen Besetzung eines ausgeschriebenen Kassenarztsitzes, daß die Entscheidung über die Person des zuzulassenden Bewerbers nicht von wechselnden Verhältnissen abhängt, was leicht zu neuen Verschiebungen der für die Auswahl maßgebenden Gesichtspunkte und damit unter Umständen zu erheblichen Verzögerungen bei der endgültigen Besetzung des Kassenarztsitzes führen könnte (Urteil des erkennenden Senats vom 28.3.1958 in BSG. 7 S. 129, hier 133 f.). Dem steht auch die Vorschrift des Art. 4 § 11 Abs. 2 Satz 2 GKAR nicht entgegen. Sie bestimmt, daß Verfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der nach § 368 c RVO n.F. zu erlassenden Zulassungsordnungen anhängig sind, "mit der Errichtung der Zulassungsausschüsse und der Berufungsausschüsse (§ 368 b) auf diese übergehen" und nach den bisherigen Vorschriften fortzuführen sind, soweit diese für die beteiligten Ärzte günstiger sind. Wie das Landessozialgericht mit Recht angenommen hat, setzt die Anwendung der neuen Zulassungsbestimmungen nach Art. 4 § 11 Abs. 2 Satz 2 GKAR voraus, daß die früheren Zulassungsinstanzen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Zulassungsordnung noch keine Entscheidung über die Zulassung getroffen hatten, weil nur in diesen Fällen ein "Übergang" des Verfahrens auf die neu errichteten Instanzen in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall war aber beim Inkrafttreten der neuen ZO-Zahnärzte (1.6.1957) bereits eine Zulassungsentscheidung ergangen (25.7.1955). Ein Übergang des Zulassungsverfahrens und eine Anwendung der neuen Zulassungsbestimmungen nach Art. 4 § 11 Abs. 2 Satz 2 GKAR kommt demnach bei der gerichtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Schiedsamts vom 25. Juli 1955 nicht in Betracht.

Der an die Stelle des Schiedsamts getretene Berufungsausschuß für Zahnärzte hat ebenfalls nach Aufhebung des Beschlusses vom 25. Juli 1955 bei seiner neuen Entscheidung nicht die Bestimmungen der ZO-Zahnärzte vom 28. Mai 1957, sondern die im Zeitpunkt der Entscheidung des Schiedsamts für die Auswahl der Bewerber maßgebenden Bestimmungen der Zul O 1935/38 zugrunde zu legen; andernfalls würde dem Restitutionsgedanken - Herstellung des Zustands, der bei rechtmäßiger Entscheidung der Zulassungsinstanzen eingetreten wäre - nicht Rechnung getragen werden. Daß die Zulassungsinstanzen ihrer neuen Entscheidung die Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen haben, die bei ihrer wegen Rechtswidrigkeit aufgehobenen Entscheidung nicht zutreffend berücksichtigt worden ist, ergibt sich im übrigen auch daraus, daß die Gerichte in solchen Fällen, in denen die Anfechtungsklage mit einer Verpflichtungsklage verbunden und der Rechtsstreit in jeder Beziehung spruchreif ist, die Verwaltungsbehörde zum Erlaß des beantragten Verwaltungsakts verurteilen können und dabei von der im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts bestehenden Sach- und Rechtslage auszugehen haben (BSG. 5 S. 238, hier 245). Deshalb kann der Auffassung des Landessozialgerichts, bei der neuen Zulassungsentscheidung seien die Bestimmungen der ZO-Zahnärzte anzuwenden, nicht beigetreten werden. Vielmehr ist in Zulassungsstreitigkeiten die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Auswahlentscheidung nicht nur für die Gerichte maßgebend, welche die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung nachzuprüfen haben, sondern auch für die Verwaltung, die nach Aufhebung ihrer Auswahlentscheidung noch einmal zwischen denselben Bewerbern über die Zulassung zu befinden hat. Bleibt aber die alte Sach- und Rechtslage die Grundlage auch des neuen Zulassungsverfahrens, so kann dem Kläger das Rechtsschutzinteresse an der Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des nach altem Recht ergangenen Verwaltungsaktes - auch nach Inkrafttreten der neuen Zulassungsordnung - nicht abgesprochen werden.

B) In der Sache selbst hat das Landessozialgericht mit Recht angenommen, daß die vom Schiedsamt getroffene Auswahlentscheidung auf einem Ermessensfehler beruht, weil das Schiedsamt den Vorrang des Klägers, der ihm als Schwerbeschädigter gebührt, nicht mit der Begründung als aufgewogen ansehen durfte, auch der Beigeladene sei Kriegsteilnehmer und Inhaber des Verwundetenabzeichens. Nach § 30 Nr. 3 Zul O 1935/38 sind bei der nach § 29 zu treffenden Auswahl in der Regel Schwerkriegsbeschädigte, sonstige Kriegsteilnehmer und Kriegerwaisen zu bevorzugen. Von dieser Regel können die Zulassungsinstanzen nur aus triftigen Gründen abweichen, wie das Landessozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Das Abweichen von den in der Zulassungsordnung aufgestellten Auswahlgrundsätzen muß durch besondere Umstände des Einzelfalls begründet sein und darf nicht dazu führen, daß die nach der Zulassungsordnung zu beachtenden Gesichtspunkte, wie die Eigenschaft als Schwerbeschädigter, ohne zwingenden Grund unberücksichtigt bleiben (vgl. BSG. 4 S. 239, hier 241). § 30 Nr. 3 Zul O 1935/38 gibt zwar auch "sonstigen Kriegsteilnehmern" einen Vorrang vor den übrigen Bewerbern. Aus dem Zweck dieser Bestimmung ergibt sich jedoch, daß ein Bewerber, der durch seine Teilnahme am Krieg einen schweren Gesundheitsschaden erlitten hat, der seine Erwerbsfähigkeit dauernd nachhaltig beeinträchtigt, in erster Linie bevorzugt werden soll.

Im übrigen hätte das Schiedsamt bei seiner Auswahlentscheidung neben der Bestimmung des § 30 Nr. 3 Zul O 1935/38 auch die Vorschrift des § 36 SchwBG beachten müssen. Nach dieser Vorschrift, die jedenfalls neben der früher erlassenen Zul O 1935/38 anzuwenden ist, soll, soweit für die Ausübung eines Berufs eine Zulassung erforderlich ist, Schwerbeschädigten bei fachlicher Eignung und Erfüllung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen die Zulassung bevorzugt erteilt werden. Dieser Vorrang gegenüber anderen Bewerbern bezieht sich auch auf Tätigkeiten, die im Rahmen eines selbständigen Berufs nur auf Grund einer besonderen Zulassung ausgeübt werden dürfen, und ist daher auch bei der Auswahlentscheidung nach §§ 29, 30 Zul O 1935/38 anzuwenden (vgl. BSG. 6 S. 95). Der Vorrang des Schwerbeschädigten kann, wie das Landessozialgericht zutreffend angenommen hat, nicht mit dem Hinweis auf den Kriegsdienst oder die Verwundungen eines Mitbewerbers entkräftet werden, die keine wesentlichen nachteiligen Folgen hinterlassen haben.

Die Revision des Beigeladenen ist hiernach als unbegründet zurückzuweisen. Da der nunmehr an Stelle des Schiedsamts getretene Berufungsausschuß bei der von ihm zu treffenden neuen Auswahlentscheidung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen nicht die neue ZO-Zahnärzte, sondern die Zul O 1935/38 anzuwenden hat, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Vorschrift des § 36 SchwBG auch gegenüber der Bestimmung des § 22 Abs. 2 ZO-Zahnärzte den Vorrang hat.

Der Berufungsausschuß wird nunmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Zulassung zu entscheiden und dabei alle nach § 36 SchwBG und §§ 29, 30 Zul O 1935/38 in Betracht kommenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2324677

BSGE, 252

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