Leitsatz (amtlich)

1. Als Verschollener iS des BVG § 52 Abs 1 iVm VerschG § 1 kann nur eine nach ihrem Personenstand bekannte und bestimmte Person angesehen werden.

2. Findelkinder, über deren Eltern Feststellungen nicht getroffen werden können, haben keinen Anspruch auf Verschollenheitsrente nach dem BVG.

 

Leitsatz (redaktionell)

In einem Verfahren, in dem die Entscheidung von der Feststellung tatsächlicher Begebenheiten abhängt und die Ermittlung darüber Aufgabe des Gerichts ist, hat der Kläger zwar nicht die Mühe der Beweisführung, aber die Gefahr der Beweislosigkeit zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gilt auch für das sozialgerichtliche Verfahren der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast, nach dem die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins von Tatsachen von dem Beteiligten zu tragen sind, der aus diesen Tatsachen Rechte herleiten will.

 

Normenkette

BVG § 52 Abs. 1 Fassung: 1953-08-07; SGG § 128 Fassung: 1953-09-03; VerschG § 1 Fassung: 1951-01-15

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 9. November 1962 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die seit 1962 verheiratete Klägerin kam im Juni 1947 als Kind aus dem Lager "R" in Dänemark in das Grenzauffanglager L und von dort im Mai 1948 in das Kindererholungsheim Schloß L bei H. Im Erfassungsbogen war ihr Name mit S P bzw. P, ihr Alter mit fünf Jahren, ihr Geburts- und letzter Wohnort als unbekannt angegeben; einzige amtliche Unterlagen waren zwei Impfnachweise des Lagers in Dänemark, in denen als Name "P S" verzeichnet war. Am 13. Juli 1948 kam die Klägerin als Pflegekind zu dem Ehepaar A A. Nachforschungen des Jugendamts ... und des Bürgermeisteramts O nach den Eltern und deren Verbleib hatten keinen Erfolg. Da auch der Personenstand der Klägerin nicht festgestellt werden konnte, trug das Standesamt I B gemäß § 26 des Personenstandsgesetzes auf Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg am 2. August 1957 als Vornamen S, als Familiennamen ..., als Geburtstag den 13. Juli 1941 und als Geburtsort K/Ostpreußen in das Geburtenbuch ein. Durch Adoption im Juli 1959 erhielt die Klägerin den Familiennamen A.

Im März 1955 stellte der Pflegevater A A für die Klägerin beim Versorgungsamt (VersorgA) Antrag auf Gewährung von Waisenrente (Verschollenheitsrente). Der Antrag wurde mit Bescheid vom 11. Oktober 1956 abgelehnt, weil die Aufklärungsversuche über die Eltern der Klägerin, über deren Namen und Verbleib ergebnislos verlaufen seien und das Ableben der Eltern infolge unmittelbarer oder mittelbarer Kriegseinwirkung nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit (§ 52 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) angenommen werden könne. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1957 zurückgewiesen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 29. September 1961 abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart hat mit Urteil vom 9. November 1962 die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen: dem geltend gemachten Anspruch auf Verschollenheitsrente stehe schon entgegen, daß eine Verschollenheit der Eltern der Klägerin, deren Personenstand völlig unbekannt sei, nicht festgestellt werden könne. Darüber hinaus sei auch nicht feststellbar, ob die Klägerin ehelich oder unehelich geboren sei oder ob - bei ehelicher Geburt - die Eltern zu Beginn des Krieges überhaupt noch am Leben gewesen seien. Aus der Tatsache, daß die Klägerin mit dem Schiff nach Dänemark gekommen sei, könne allenfalls geschlossen werden, daß sie aus Ostdeutschland stamme und gegen Kriegsende vor den herannahenden russischen Truppen nach Dänemark in Sicherheit gebracht worden sei. Selbst dann aber, wenn man zugunsten der Klägerin unterstellen wolle, daß ihre Eltern bei Kriegsausbruch noch gelebt hätten, fehle jeder Anhalt dafür, daß diese mit hoher Wahrscheinlichkeit durch schädigende Vorgänge i. S. des § 1 BVG ums Leben gekommen seien; es könne auch nicht als ausgeschlossen angesehen werden, daß sie den Krieg überlebt hätten und noch - in der alten Heimat, in der Ostzone, in der Bundesrepublik oder im Ausland - am Leben seien. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses ihr am 12. Dezember 1962 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Dezember 1962, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am selben Tage, Revision eingelegt. Mit dem weiteren Schriftsatz vom 8. Januar 1963, eingegangen am 9. Januar 1963, hat sie die Revision begründet. Sie rügt die Verletzung der §§ 1, 52 Abs. 1 BVG und trägt vor, entgegen der Auffassung des LSG stehe der Feststellung der Verschollenheit ihrer Eltern nicht entgegen, daß sie unbekannt seien und sich ihr Personenstand nicht mehr ermitteln lasse. Notwendig sei lediglich, daß die in Frage kommenden Angehörigen - hier also Vater und Mutter - vorhanden gewesen sein müßten. Im übrigen seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 des Verschollenheitsgesetzes (VerschG) erfüllt, nach dem verschollen sei, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt sei, ohne daß Nachrichten darüber vorlägen, ob er in dieser Zeit noch gelebt habe oder gestorben sei, sofern hierdurch nach den Umständen ernstliche Zweifel am Fortleben begründet seien. Darüber hinaus müsse nach den Umständen des Falles und den vom LSG getroffenen Feststellungen auch noch die weitere Voraussetzung für den Rentenanspruch bejaht werden, daß die Eltern mit hoher Wahrscheinlichkeit durch schädigende Vorgänge i. S. des § 1 BVG ums Leben gekommen seien; der bestehende Beweisnotstand dürfe nicht zu ihren (der Klägerin) Lasten gehen, wenn man an die Verhältnisse denke, denen die Zivilbevölkerung beim Einmarsch der russischen Truppen in Ostpreußen ausgesetzt gewesen sei; selbst dann aber, wenn man annehmen wolle, daß die Eltern oder ein Elternteil den Krieg lebend überstanden haben sollten, dürfe dies der Gewährung von Waisenrente nicht im Wege stehen, da dann nämlich die Verschollenheit und die Unmöglichkeit, die Eltern zu finden, auf Kriegsumständen und damit auf schädigenden Vorgängen i. S. des § 1 BVG beruhe. Sie (die Klägerin) könne nicht dafür bestraft werden, daß sie durch unmittelbare Kriegseinwirkungen - dafür spreche die Tatsache ihrer Trennung von den Eltern im Kleinkindalter - ihre Eltern verloren habe. Schließlich ergebe sich der Anspruch auf Waisenrente noch aus dem Willen des Gesetzgebers, der in Fällen der vorliegenden Art, bei sog. Findelkindern, die Gewährung der Rente beabsichtigt habe.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. September 1961 sowie der Bescheide des Beklagten vom 11. Oktober 1956 und 12. Januar 1957 den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin vom 1. März 1955 an Waisenrente zu gewähren,

2. hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Berufungsgerichts für zutreffend und ist wie dieses der Auffassung, daß der Klägerin nach § 52 BVG i. V. m. den §§ 1, 38 BVG eine Versorgung nicht zusteht.

Auf den Schriftsatz der Klägerin vom 8. Januar 1963 sowie auf den des Beklagten vom 20. März 1963 wird verwiesen.

Die Klägerin hat die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) form- und fristgerecht eingelegt und begründet; das Rechtsmittel ist deshalb zulässig. Die Revision ist jedoch nicht begründet.

Nach § 52 Abs. 1 BVG aF (§ 52 Abs. 1 Satz 1 BVG nF) wird Personen, denen als Hinterbliebenen eines Verschollenen eine Rente zustehen würde, diese schon vor der Todeserklärung gewährt, wenn das Ableben des Verschollenen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Voraussetzungen zur Gewährung einer sog. Verschollenheitsrente (schon vor der Todeserklärung), die im übrigen sämtlich nebeneinander erfüllt sein müssen, sind danach die Verschollenheit eines Menschen, die hohe Wahrscheinlichkeit seines Todes sowie seine Zugehörigkeit zum Personenkreis der §§ 1 ff BVG.

Im Falle der Klägerin kann dahingestellt bleiben, ob ihre Eltern gegebenenfalls - in der alten Heimat, in der sowjetischen Besatzungszone, in der Bundesrepublik oder im Ausland - noch am Leben sind oder ob ihr Ableben mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Denn selbst bei der Unterstellung, daß die Eltern nicht mehr leben, ist nichts darüber feststellbar oder auch nur erkennbar, wann sie gestorben sind und daß ihr Tod als Folge eines schädigenden Vorgangs auf eine Schädigung im Sinne des BVG zurückgeführt werden kann. Das LSG hat festgestellt, die Existenz der Klägerin beweise - aus biologischen Gründen - lediglich, daß sie Eltern gehabt haben müsse; darüber hinaus sei über die Eltern nichts feststellbar. Insbesondere sei schon unbekannt, ob die Klägerin ehelich oder unehelich geboren sei, ob im Falle der unehelichen Geburt die Mutter, im Falle der ehelichen Geburt der Vater und die Mutter oder nur einer der Elternteile bei Ausbruch des Krieges oder gegen Kriegsende vor der Besetzung Ostpreußens durch russische Truppen überhaupt noch am Leben gewesen seien, und ob die Klägerin den Fluchtweg mit oder ohne Angehörige angetreten habe; aus der Tatsache, daß die Klägerin mit dem Schiff nach Dänemark gekommen sei, könne allenfalls geschlossen werden, daß sie aus Ostdeutschland stamme und - gegebenenfalls mit einem Kindertransport - gegen Kriegsende vor den herannahenden russischen Truppen nach Dänemark in Sicherheit gebracht worden sei. Nach Auskunft dänischer Behörden sei sicher, daß die Klägerin während ihres Aufenthalts im dänischen Lager in diesem keine Angehörigen besessen habe.

Die Revision hat diese Feststellungen nicht angegriffen, trägt aber vor, bei vollständiger und richtiger Würdigung des festgestellten Tatbestandes habe das Berufungsgericht trotzdem zu dem Schluß kommen müssen, daß die Eltern der Klägerin (die Mutter, der Vater oder beide) - mit hoher Wahrscheinlichkeit - als Folge schädigender Vorgänge durch eine Schädigung im Sinne des BVG ums Leben gekommen seien; die Beweiswürdigung des LSG verschließe die Augen vor den Umständen und Leiden, denen die Zivilbevölkerung in Ostpreußen beim Einmarsch der russischen Truppen ausgesetzt gewesen sei. Dies trifft nicht zu. Denn auch bei Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse in den ehemaligen, jetzt von Rußland und Polen besetzten deutschen Ostgebieten, und insbesondere auch des Leidensweges der Klägerin als Kleinkind, ist keine der - im übrigen erschöpfenden - Feststellungen des LSG geeignet, bei Unterstellung des Ablebens der Eltern hinreichend darzutun, daß eine unmittelbare Kriegseinwirkung (§§ 1 Abs. 2 Buchst. a, 5 Abs. 1 Buchst. a bis c BVG) als schädigender Vorgang eine Schädigung, nämlich den - unterstellten - Tod der Eltern der Klägerin, herbeigeführt hat. Wenn sich im übrigen die Klägerin in diesem Zusammenhang auf den bei ihr bestehenden "ausgesprochenen Beweisnotstand" beruft, den das LSG zu ihren Gunsten habe berücksichtigen müssen, so übersieht sie, daß sie in einem Verfahren, in dem die Entscheidung von der Feststellung tatsächlicher Begebenheiten abhängt und die Ermittlung darüber Aufgabe des Gerichts ist, zwar nicht die Mühe der Beweisführung, aber die Gefahr der Beweislosigkeit zu tragen hat. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch für das sozialgerichtliche Verfahren: Auch in Angelegenheiten der Sozialgerichtsbarkeit gilt der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast, nach dem die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins von Tatsachen von dem Beteiligten zu tragen sind, der aus diesen Tatsachen Rechte herleiten will (BSG 6, 70, 72). Nach allem kann selbst bei der Unterstellung, daß die Eltern der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Leben sind, nicht davon ausgegangen werden, daß diese als Folge eines schädigenden Vorgangs im Sinne des BVG (§§ 1 Abs. 2 Buchst. a, 5 Abs. 1 Buchst. a bis e BVG) den Tod gefunden haben.

Darüber hinaus aber steht dem geltend gemachten Anspruch auf Verschollenheitsrente schon entgegen, daß eine Verschollenheit der Eltern der Klägerin i. S. des § 52 Abs. 1 BVG nicht angenommen werden kann. Zwar meint die Revision, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei es, wenn man die Verschollenheit der Eltern der Klägerin feststellen wolle, unbeachtlich, daß sie unbekannt seien und sich ihr Personenstand nicht mehr feststellen lasse, weil weder im § 52 Abs. 1 BVG noch in Verbindung mit diesem im § 38 BVG (über die Hinterbliebenenversorgung) das gesetzliche Erfordernis enthalten sei, daß die "Identität des Verschollenen oder Verstorbenen nach Namen und näheren persönlichen Daten feststehen müsse"; notwendig sei lediglich, daß der Verschollene oder Verstorbene - im Falle der Klägerin also Vater und Mutter - überhaupt vorhanden gewesen sein müsse; das aber sei bei der Klägerin, da sie ja auf jeden Fall Eltern gehabt haben müsse, der Fall. Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. In den gesetzlichen Vorschriften über die Kriegsopferversorgung ist der im § 52 Abs. 1 BVG gebrauchte Begriff der "Verschollenheit" nicht näher erläutert, er ist deshalb, wie auch das LSG ausgeführt hat, dem VerschG in der Fassung vom 15. Januar 1951 zu entnehmen, in dem er durch die Begriffsbestimmungen seines § 1 gesetzlich festgelegt worden ist; dabei gilt dieser Verschollenheitsbegriff nicht nur für das VerschG, sondern auch für alle anderen gesetzlichen Vorschriften - sofern diese nicht eine besondere Begriffsbestimmung der Verschollenheit enthalten -, in denen aus der Verschollenheit eines Menschen Rechtsfolgen hergeleitet werden. Das geht schon daraus hervor, daß die §§ 1 bis 11 des VerschG an die Stelle der früheren §§ 13 bis 20 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) getreten sind und ihnen deshalb die gleiche Bedeutung zukommt wie den Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB schlechthin (Arnold, Komm. zum Verschollenheitsrecht, 1951, § 1 Anm. 1 c).

Nach § 1 VerschG ist verschollen, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne daß Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden (Abs. 1); verschollen ist nicht, wessen Tod nach den Umständen nicht zweifelhaft ist (Abs. 2). Das bedeutet, daß als Folgerung aus der Verschollenheit eines Menschen i. S. des § 1 VerschG auf die Wahrscheinlichkeit seines Todes - mit den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen - zu schließen ist. Dabei kann allein bei Betrachtung des Wortlauts des § 1 VerschG zweifelhaft sein, ob von einer Verschollenheit - beim Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift - nur dann die Rede sein kann, wenn es sich bei dem "Verschollenen" um eine nach ihrem Personenstand bekannte und bestimmte Person handelt. Die Worte "verschollen ist, wessen ..." lassen lediglich die Möglichkeit einer dahingehenden Auslegung zu. Die Richtigkeit der von der Revision angegriffenen Auffassung des LSG, daß ein "Verschollener" nur der sein kann, über dessen "Identität keinerlei Zweifel bestehen dürfen", ergibt sich indessen aus § 2 VerschG, nach dem ein Verschollener unter den Voraussetzungen der §§ 3 bis 7 VerschG im Aufgebotsverfahren für tot erklärt werden kann. Gegenstand eines Aufgebotsverfahrens in diesem Sinne mit dem Ziel der Todeserklärung kann aber nur eine bestimmte Person sein. Denn für sie müssen die Voraussetzungen derjenigen Vorschrift (§§ 3 bis 7 VerschG) erfüllt sein, die letztlich die Grundlage für das Todeserklärungsverfahren abgibt. Danach kann ein kollektives Todeserklärungsverfahren nicht eingeleitet werden, wenn nicht jede einzelne Person namentlich und unter Angabe ihres genauen Personenstandes aufgeführt ist; das bedeutet sogar, daß im Aufgebotsverfahren hinsichtlich jeder einzelnen Person und ihrer Personengleichheit keinerlei Zweifel bestehen dürfen, um etwaige Verwechslungen auf Grund einer etwaigen Namensgleichheit oder auch nur Namensähnlichkeit von vornherein auszuschließen; unter Umständen, nämlich im Falle des § 3 VerschG, muß sogar zur Berechnung der Fristen ermittelt werden, wann genau die bestimmte Person geboren ist (vgl. Arnold, aaO, § 2 Anm. 2; Vogel, Verschollenheitsrecht, Komm., 1949, § 2 Anm. 2). Aus all dem ergibt sich, daß ebenso wie die Einleitung eines kollektiven Todeserklärungsverfahrens, etwa allgemein für die bei einem Brand oder einem Schiffsuntergang verschollenen Personen ohne ihre namentliche Aufführung, unzulässig ist, auch ein Aufgebotsverfahren mit dem Ziel der Todeserklärung für "den Vater", "den Ehemann", "die Kinder" oder "die Eltern" einer bestimmten Person nicht eingeleitet werden kann. Das hat, da wie bereits ausgeführt die Wahrscheinlichkeit des Todes - und nur diese bietet die Möglichkeit der Einleitung eines Todeserklärungsverfahrens - erst als Folgerung aus der Verschollenheit und nicht umgekehrt als deren Voraussetzung angesehen werden kann, zur Folge, daß "der Vater", "der Ehegatte", "die Kinder" und auch "die Eltern" einer bestimmten Person ohne Feststellung des genauen Personenstandes nicht als verschollen i. S. des § 1 VerschG angesehen werden können. Nichts anderes ergibt sich nach dieser Darlegung im übrigen auch aus § 52 Abs. 1 BVG, nach dem die Verschollenheitsrente beim Vorliegen der Voraussetzungen "schon vor der Todeserklärung" gewährt wird; denn das kann nur bedeuten, daß regelmäßig im Falle einer Verschollenheit wenigstens auch die Möglichkeit einer späteren Einleitung eines Todeserklärungsverfahrens gegeben sein muß. Mit einem etwaigen Antrag auf Einleitung eines solchen Verfahrens hinsichtlich ihrer "Eltern" könnte die Klägerin aber keinen Erfolg haben. Denn nach den auch von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ist über diese nichts bekannt. Das LSG hat deshalb zu Recht entschieden, daß der Begriff der Verschollenheit auf die Eltern der Klägerin nicht angewandt werden kann und dieser auch aus diesem Grunde eine Verschollenheitsrente nach § 52 Abs. 1 BVG nicht zusteht.

Soweit die Revision im übrigen vorträgt, selbst im Falle des Überlebens der Eltern oder eines Elternteiles - mit jetzt unbekanntem Aufenthalt - dürfe dieser Umstand der Gewährung von Waisenrente an die Klägerin nicht entgegenstehen, kann sie damit keinen Erfolg haben. Denn Hinterbliebenenrente - aus Anlaß des Todes eines Beschädigten an den Folgen einer Schädigung - erhalten, abgesehen von den Angehörigen eines Verschollenen unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 BVG, nach §§ 1 Abs. 5, 38 BVG nur Hinterbliebene. Die Klägerin aber könnte für den Fall, daß ihre Eltern noch am Leben wären, als Hinterbliebene nicht angesehen werden, auch wenn die Unmöglichkeit des Auffindens auf kriegerischen Ereignissen beruht; darüber hinaus stellt eine solche Unmöglichkeit für sich allein auch keine Schädigung als Folge eines schädigenden Vorgangs im Sinne des BVG dar.

Schließlich ist auch ein von der Revision angenommener Wille des Gesetzes, daß "Findelkindern" wie der Klägerin die Waisenrente nicht versagt werden solle, nicht ersichtlich. Denn ein solcher Wille hätte im BVG, zumal eine solche Art der Versorgung den Grundsätzen des Gesetzes entgegenstehen würde, erkennbar zum Ausdruck kommen müssen. Dies ist aber nicht der Fall (vgl. auch Erlaß des BMA vom 31. Oktober 1955 - Va 2 - 4198/55 im BVBl 12/55 S. 178, in dem auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, daß einer vorher einmal erfolgten Anerkennung des Versorgungsanspruchs eines Findelkindes - BMA vom 2. Oktober 1954 - IV b 6 - 5637/54 - eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung nicht zukomme).

Nach allem steht der Klägerin Versorgung nach den Vorschriften des BVG nicht zu; das LSG hat deshalb die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Aus den dargelegten Gründen war auch die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

MDR 1965, 424

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