Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachzahlung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen der VBL zur Krankenversicherung der Rentner. notwendige Beiladung der VBL

 

Orientierungssatz

Ist streitig, ob der Kläger von Bezügen, die er von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) erhält, Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nachzuzahlen hat, ist die VBL zu dem Rechtsstreit notwendig beizuladen.

 

Normenkette

SGG § 75 Abs. 2; RVO § 393a Abs. 2 Sätze 2, 6, § 381 Abs. 2 S. 1, § 180 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 8 S. 2 Nr. 5

 

Verfahrensgang

SG Hildesheim (Entscheidung vom 03.03.1987; Aktenzeichen S 2 Kr 5/87)

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 01.07.1987; Aktenzeichen L 4 Kr 29/87)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger von Bezügen, die er von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) erhält, Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nachzuzahlen hat.

Der Kläger ist aufgrund des Bezuges einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der KVdR pflichtversichert. Er teilte der Beklagten auf ihre Anfrage im Jahre 1986 mit, daß er seit dem 1. Mai 1983 eine Zusatzversorgung von der VBL erhalte. Mit Bescheid vom 9. September 1986 verlangte die Beklagte vom Kläger aus der Zusatzversorgung Beiträge. Diese beliefen sich für die Zeit vom 1. Mai 1983 bis zum 31. August 1986 auf 2.060,44 DM und sollten ebenso wie die Beiträge von monatlich 52,30 DM für September bis November 1986 vom Kläger überwiesen werden; vom 1. Dezember 1986 an sei der Einbehalt mit der VBL vereinbart. Der Kläger erhob Widerspruch gegen die Nachforderung. Er habe der Beklagten schon im Mai 1983 angezeigt, daß er Versorgungsbezüge von der VBL erhalte. Dieses habe die Beklagte der VBL mitteilen müssen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 1986).

Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat die Klage durch Urteil vom 3. März 1987 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen durch Urteil vom 1. Juli 1987 das erstinstanzliche Urteil und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Im Falle des Klägers sei die VBL nach § 393a Abs 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verpflichtet gewesen, die Beiträge einzubehalten und sie an die Beklagte zu entrichten. Die Beklagte stütze ihr Einzugsrecht gegenüber dem Kläger zu Unrecht auf § 393a Abs 2 Satz 6 RVO, wonach der Beitragseinzug der Krankenkasse obliege, wenn die Einbehaltung weiterer Beiträge ohne Verschulden der Zahlstelle unterblieben sei. Denn hier treffe die VBL ein Verschulden, weil ihr der Rentenbescheid vorgelegen haben müsse, sie daraus die Versicherungspflicht des Klägers als Rentner habe entnehmen und damit auch ihre Pflicht zum Einbehalt und zum Abführen der Beiträge habe erkennen müssen.

Gegen das Urteil richtet sich die - vom erkennenden Senat zugelassene - Revision der Beklagten, mit der sie geltend macht: Die VBL habe notwendig beigeladen werden müssen. In materiell-rechtlicher Hinsicht könne der VBL nicht generell ein Verschulden zur Last gelegt werden, wenn sie die Krankenversicherungspflicht anhand des Rentenbescheides nicht erkenne und vom Einbehalt der Beiträge absehe.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Aus § 393 a Abs 2 Satz 5 und 6 RVO ergebe sich, daß der Kläger hier nicht mehr in Anspruch genommen werden könne. Die Beklagte könne auch nach Treu und Glauben für längere Zeit zurück keine Beiträge mehr fordern, da sie nicht dargelegt habe, daß sie an der späten Geltendmachung der Beiträge kein Verschulden treffe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist iS einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begründet. Das LSG hat die notwendige Beiladung der VBL unterlassen.

Der Kläger ist als Rentner nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO versicherungspflichtig. Er hat nach § 381 Abs 2 Satz 1, § 180 Abs 5 Nr 2, § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 5 RVO auch vom Zahlbetrag der Bezüge Beiträge zu tragen, die er von der VBL erhält. Diese Beiträge sind gemäß § 393a Abs 2 Satz 2 RVO von Zahlstellen wie der VBL von den Versorgungsbezügen einzubehalten und an die Krankenkasse zu entrichten. Sind in einem Monat keine Beiträge von den Versorgungsbezügen einbehalten worden, so dürfen sie nach § 393a Abs 2 Satz 5 RVO nur bei der nächsten Zahlung von Versorgungsbezügen einbehalten werden. Sodann bestimmt der Satz 6 des § 393a Abs 2 RVO, daß der Beitragseinzug der zuständigen Krankenkasse unterliegt, wenn die Einbehaltung weiterer Beiträge ohne Verschulden der Zahlstelle unterblieben ist.

Fraglich ist, was hiernach im einzelnen gilt, wenn die Einbehaltung aus Verschulden der Zahlstelle unterblieben ist, wobei auch zu prüfen ist, wann ein Verschulden der Zahlstelle vorliegt. Für den Fall eines Verschuldens der Zahlstelle wird vertreten, daß die Krankenkasse den Beitrag beim Versicherten einziehen dürfe und aus § 393a Abs 2 Satz 6 RVO im Umkehrschluß lediglich entnommen werden könne, daß die Zahlstelle für Verschulden hafte, wenn der Beitragseinzug endgültig erfolglos bleibe (Kierstein/Krückel, Komm zur KVdR Nr 285, § 393a RVO Anm 3.5.). Folgt man dagegen der Auffassung des LSG, das aus § 393a Abs 2 Satz 6 RVO bei Verschulden der Zahlstelle ein Freiwerden des Versicherten von der Beitragszahlungspflicht annimmt, so kommt in Betracht, aus § 393a Abs 2 Satz 6 RVO eine Pflicht der Zahlstelle herzuleiten, die Beiträge zu tragen und zu zahlen (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 393a Anm 4). Wenn die Beklagte weder den Kläger noch die Zahlstelle in Anspruch nehmen könnte, fiele sie mit der Beitragsforderung aus.

Die dargelegten Zusammenhänge zeigen, daß an dem Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten hinsichtlich der Frage, wer die Beiträge zu tragen und zu zahlen hat, die VBL derart beteiligt ist, daß die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Sie war daher nach § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen. Da das Revisionsgericht die Beiladung nicht vornehmen kann (§ 168 SGG), mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden.

Das LSG wird bei einer abschließenden Entscheidung auch über die Erstattung außergerichtlicher Kosten - einschließlich des Revisionsverfahrens - zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI921515

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