Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufswechsel. Verweisung auf einen früheren Beruf (Friseurgehilfe. Geschäftsführer. Verwaltungsangestellter)

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Beurteilung der Berufs- und Erwerbsfähigkeit bedarf es der Prüfung, inwieweit der Kläger in der Vergangenheit überhaupt die erwähnten Berufe ausgeübt und in welchem Ausmaß er dadurch die Fähigkeit erlangt hat, solche Tätigkeiten zu verrichten und einen für die Annahme von Berufsfähigkeit ausreichenden Arbeitsverdienst zu erzielen. Nicht zumutbar ist die Verweisung auf Tätigkeiten, denen der Versicherte auf Grund seiner Vor- und Ausbildung und unter Berücksichtigung seiner bisherigen Berufstätigkeit nicht gewachsen ist. Der Ausdruck "Geschäftsführer" stellt keine einheitliche Berufsbezeichnung dar; eine solche Tätigkeit muß daher einer näheren Prüfung unterzogen werden.

Hat der Versicherte seinen Beruf gewechselt, ist bei der Prüfung der Berufsfähigkeit je nach Lage des Einzelfalles ein Vergleich nicht nur mit der letzten, sondern auch mit einer früheren Berufstätigkeit des Versicherten zulässig und geboten. Dies gilt vor allem dann, wenn die Tätigkeit ein wesentliches Glied in der Kette seines Arbeitslebens bildet. Die Verweisung auf eine in der Vergangenheit ausgeübte Berufstätigkeit ist dann nicht mehr zulässig, wenn der Versicherte nach dem Gesamtbild der Umstände aus dem früheren Beruf endgültig herausgetreten und ihm entfremdet ist.

 

Normenkette

AVG § 23 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1246 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 5. März 1957 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger ist früher als Friseurgehilfe und selbständiger Friseur, zeitweilig auch als Arbeiter, tätig gewesen. Im Jahre 1942 wurde er Verwaltungsangestellter bei einem Seefliegerhorst. Nach dem Kriege war er in den Friseurgeschäften S... und A... in Niebüll und seit 1954 in dem Friseurgeschäft seiner Ehefrau tätig. Seit dem 1. August 1942 wurden für ihn Beiträge zur Angestelltenversicherung geleistet.

Wegen der Folgen eines im Januar 1953 erlittenen Unfalls (Schenkelhalsfraktur) beantragte der Kläger im Juli 1953 das Ruhegeld aus der Angestelltenversicherung. Nach fachärztlicher Untersuchung gewährte ihm die Beklagte mit Bescheiden vom 15. September 1954 und 16. August 1955 das Ruhegeld mit den Leistungen aus der Invalidenversicherung wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit und Invalidität für die Zeit vom 5. bis 31. August 1953. Der Kläger erhob gegen diese Bescheide Klage mit dem Antrag, ihm die Rente über den 31. August 1953 hinaus zu gewähren.

Das Sozialgericht Schleswig wies die Klage ab. Nach dem Ergebnis einer erneuten fachärztlichen Untersuchung liege Berufsunfähigkeit und Invalidität nach dem 31. August 1953 nicht mehr vor. Dabei sei nicht von dem Friseurberuf, sondern von den vom Kläger seit 1942 ausgeübten Tätigkeiten als Verwaltungsangestellter und als Geschäftsführer auszugehen. In diesen beiden Berufen, die keinen besonderen körperlichen Einsatz verlangten, könne der Kläger noch ausreichend tätig sein (Urteil vom 17.5.1956).

Die Berufung des Klägers wies das Landessozialgericht Schleswig zurück: Nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchungen könne dem Kläger zwar eine dauernde stehende Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden; als Friseur könne er "wohl kaum noch" tätig sein. Der Kläger habe aber als Verwaltungsangestellter und Geschäftsführer Beiträge zur Angestelltenversicherung geleistet. In diesen Berufen, die der Kläger lange Jahre hindurch ausgeübt habe, komme es mehr auf geistige Regsamkeit und Wendigkeit an als auf die körperliche Einsatzfähigkeit. In beiden Berufen sei der Kläger seit Ende August 1953 wieder voll einsatzfähig (Urteil vom 5.3.1957).

Gegen das ihm am 3. Juni 1957 zugestellte Urteil des Landessozialgerichts legte der Kläger am 3. Juli 1957 Revision ein mit dem Antrag, unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts nach dem Klagantrag zu erkennen, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. Er begründete die Revision am 30. Juli 1957: Die Feststellungen des angefochtenen Urteils beruhten auf einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts (Verstoß gegen § 103 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Schon in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht sei bestritten worden, daß der Kläger in den Jahren von 1945 bis 1953 eine Geschäftsführertätigkeit ausgeübt habe. Hierzu hätten die Geschäftsinhaber der Friseurbetriebe S... und A... als Zeugen gehört werden müssen. Es hätte sich dann ergeben, daß der Kläger in diesen Betrieben rein handwerklich (als Friseurgehilfe) tätig gewesen sei. Der Vorderrichter habe ferner gegen allgemein gültige Denk- und Erfahrungsgesetze verstoßen, wenn er den Kläger noch auf Tätigkeiten eines Verwaltungsangestellten verwiesen habe (Verstoß gegen § 128 SGG). Für die Ausübung dieses Berufs fehle dem Kläger jede Ausbildung. Bei der Übernahme in das Angestelltenverhältnis im Jahre 1942 habe es sich um eine reine Kriegsmaßnahme von kurzer Dauer gehandelt. Er habe Akten abheften, Urlaubsscheine ausschreiben und Registraturarbeiten verrichten müssen. Hierbei habe er nicht die Befähigung zur Ausübung des Berufs eines Verwaltungsangestellten erwerben können.

Die Beklagte beantragte, die Revision als unzulässig zu verwerfen. Nach ihrer Auffassung hat der Kläger keine wesentlichen Mängel des Verfahrens gerügt.

In dem angefochtenen Urteil des Landessozialgerichts ist die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen. Sie ist daher nur statthaft, wenn der Kläger einen wesentlichen Mangel des Verfahrens mit Erfolg rügen kann (§§ 162 Abs. 1 Nr. 2, 164 Abs. 2 SGG; BSGE. 1 S. 150). Dies ist der Fall; die Büge des Klägers, das Landessozialgericht habe den Sachverhalt in wesentlichen Punkten nicht genügend aufgeklärt und bei seiner Entscheidung die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten, ist begründet.

Der Versicherungsfall, auf den der Kläger seinen Rentenanspruch stützt, ist in der Zeit vor dem 1. Januar 1957 eingetreten. Die Rechtmäßigkeit der Bescheide der Beklagten vom 15. September 1954 und vom 16. August 1955 ist daher nach dem vor Inkrafttreten der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze vom 23. Februar 1957 (BGBl. I S. 45 ff.) geltenden Recht zu beurteilen (Art. 2 § 5 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG - und Art. 2 § 6 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - AnVNG -). Die Übergangsbestimmungen in Art. 2 § 6 ArVNG- und in Art. 2 § 7 AnVNG finden keine Anwendung, da es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um ein schwebendes Verfahren im Sinne von Art. 2 § 44 Satz 1 ArVNG und Art. 2 § 43 Satz 1 AnVNG handelt (vgl. Urteile des 4. Senats vom 24.10.1957 - 4 RJ 118/56 - und des 3. Senats vom 17.12.1957 - 3 RJ 160/55 -). Der Kläger begehrt allerdings nicht nur die Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide, mit denen ihm die Beklagte die Gesamtrente aus der Angestelltenversicherung und Invalidenversicherung für die Zeit bis zum 31. August 1953 bewilligt hat; er beansprucht gleichzeitig die Weitergewährung dieser Rente ohne zeitliche Begrenzung. Die Frage, ob bei dem Kläger etwa seit den Inkrafttreten der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze (1.1.1957) Berufsunfähigkeit nach neuem Recht eingetreten ist, muß deshalb unter Zugrundelegung des neuen Rechts (§ 1246 Abs. 2 RVO n.F. und § 23 Abs. 2 AVG n.F.) beurteilt werden.

Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts, die auf den im Verfahren eingeholten ärztlichen Gutachten beruhen, kann dem Kläger eine Berufstätigkeit, bei der er dauernd stehen muß, wegen seines Gesundheitszustandes nicht mehr zugemutet werden. Er kann deshalb - so sind die Ausführungen des angefochtenen Urteils zu verstehen - nicht mehr als Friseur tätig sein. Fraglich ist, ob er trotz seiner körperlichen Behinderung noch für eine andere Tätigkeit in Betracht kommt. Das Landessozialgericht hat angenommen, der Kläger habe jahrelang die Berufe eines Verwaltungsangestellten und eines Geschäftsführers ausgeübt, in diesen Berufen sei er seit Ende August 1953 wieder voll einsatzfähig, er könne deshalb seit dieser Zeit nicht mehr als berufsunfähig und als invalide angesehen werden. Gegen diese Feststellung bringt der Kläger zulässige und begründete Revisionsgründe vor (§ 163 SGG). Denn das Landessozialgericht hat nicht ausreichend geprüft, inwieweit der Kläger in der Vergangenheit überhaupt die erwähnten Berufe ausgeübt und in welchem Ausmaß er dadurch die Fähigkeit erlangt hat, solche Tätigkeiten zu verrichten und einen für die Annahme von Berufsfähigkeit ausreichenden Arbeitsverdienst zu erzielen. Dieser Prüfung bedarf es sowohl für die Beurteilung der Berufs- und Erwerbsfähigkeit des Klägers nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht, wie auch für die Beurteilung dieser Frage nach neuem Recht. Gerade das letztere hat die Berufsausbildung und den bisher ausgeübten Beruf des Versicherten in den Vordergrund gerückt, indem es zum Kreis der Tätigkeiten, auf die ein Versicherter verwiesen werden kann, ausdrücklich solche Tätigkeiten rechnet, die ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs. 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -, § 23 Abs. 2 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -). Nicht zumutbar sind danach - wie schon nach bisherigem Recht - solche Tätigkeiten, denen der Versicherte auf Grund seiner Vor- und Ausbildung und unter Berücksichtigung seiner bisherigen Berufstätigkeit nicht gewachsen ist. Was zunächst den Beruf eines Geschäftsführers anbetrifft, auf den das Landessozialgericht den Kläger verweisen will, so trifft es zwar zu, daß dieser in den Jahren nach 1945 in fremden Friseurgeschäften tätig war und daß für ihn Beiträge zur Angestelltenversicherung entrichtet wurden. Im übrigen läßt sich aber aus den Akten nichts darüber entnehmen, daß der Kläger in dieser Zeit Stellungen als Geschäftsführer bekleidet hat. Der Ausdruck "Geschäftsführer" stellt keine einheitliche Berufsbezeichnung dar. Er findet sich auf verschiedenen Rechtsgebieten mit unterschiedlicher Bedeutung (vgl. z.B. §§ 709 ff. BGB; 114 ff. und 164 HGB; § 219 AktGes.; §§ 35 ff. GmbHGes.; ferner § 8 GSv; § 414 c RVO; § 119 GewO). Wenn die Vorinstanzen den Kläger als früheren Friseurmeister auf die Tätigkeit eines Geschäftsführers verwiesen haben, so haben sie dabei wohl an die Tätigkeit solcher Personen gedacht, die ein Gewerbetreibender zur Leitung seines Betriebs oder eines Teils desselben oder zur Beaufsichtigung bestellt hat (§ 151 GewO), und die im Wirtschaftsleben vielfach als Geschäftsführer bezeichnet werden. Daß der Kläger früher eine derartige Tätigkeit ausgeübt habe, wird erstmals im Urteil des Sozialgerichts gesagt. Hiergegen hat aber der Kläger schon in seiner Berufungsschrift eingewandt, bei der Tätigkeit in den fremden Betrieben nach 1945 habe es sich in Wirklichkeit um die Ausübung des Friseurberufs gehandelt, in welcher Eigenschaft er auch jetzt noch im Friseurgeschäft seiner Ehefrau tätig sei. Aus den Akten ergibt sich ferner, daß die Beklagte vor der Erteilung des Rentenbescheides im Rahmen des § 190 AVG a.F. in Verbindung mit § 1445 b RVO a.F. die seit dem 1. Januar 1952 zur Angestelltenversicherung geleisteten Beiträge mit der Begründung beanstandet (und der Invalidenversicherung überwiesen) hat, der Kläger habe nach 1945 als Friseur (Friseurgehilfe) nicht der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung, sondern derjenigen in der Invalidenversicherung unterlegen. Diese Umstände hätten das Landessozialgericht veranlassen müssen, die angebliche Tätigkeit des Klägers als "Geschäftsführer" einer näheren Prüfung zu unterziehen und zu ermitteln, ob es sich hierbei um eine mit Anordnungs- und Aufsichtsbefugnissen verbundene geschäftsleitende oder doch wenigstens überwiegend kaufmännische Tätigkeit gehandelt hat oder ob der Kläger - wie er behauptet und anscheinend auch die Beklagte annimmt - in den fremden Betrieben nur die handwerklichen Friseurgeschäfte besorgt hat. Für diese Aufklärung stand dem Landessozialgericht als Beweismittel die Anhörung der Inhaber der Betriebe zur Verfügung, in denen der Kläger seit 1945 gearbeitet hat; die Anschriften dieser Zeugen sind aus den Akten zu ersehen. Diese Aufklärung erübrigte sich auch nicht etwa deshalb, weil der Kläger die Meisterprüfung im Friseurhandwerk abgelegt und früher zeitweilig als selbständiger Friseurmeister (Handwerker) tätig gewesen ist. Denn abgesehen davon, daß der Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Beiträge zur Angestelltenversicherung nicht auf Grund der Vorschriften des Handwerkerversorgungsgesetzes (HVG) geleistet hat, kann auch ein selbständiger Handwerker, der die zu seinem Handwerk gehörenden körperlichen Arbeiten nicht mehr verrichten kann, nicht ohne weiteres auf eine ausschließlich betriebsleitende Tätigkeit verwiesen werden (vgl. hierzu BSGE. 2 S. 91). Weil das Landessozialgericht die notwendige Klärung hinsichtlich der bisherigen Geschäftsführertätigkeit des Klägers unterlassen hat, ist seine Feststellung, der Kläger sei auf Grund langjähriger Tätigkeit dieser Art für den Geschäftsführerberuf befähigt, nicht genügend begründet.

Auch gegen die weitere Feststellung des Landessozialgerichts, der Kläger könne noch als Verwaltungsangestellter tätig sein, bestehen Bedenken. Zwar ist, wenn der Versicherte seinen Beruf gewechselt hat, bei der Prüfung der Berufsfähigkeit je nach Lage des Einzelfalles ein Vergleich nicht nur mit der letzten, sondern auch mit einer früheren Berufstätigkeit des Versicherten zulässig und geboten. Dies gilt vor allem dann, wenn der Versicherte die fragliche Berufstätigkeit in nennenswerten Umfang und eine ins Gewicht fallende Zeit hindurch ausgeübt hat, die Tätigkeit also ein wesentliches Glied in der Kette seines Arbeitslebens bildet (vgl. E.d.RVA. Nr. 2890 AN. 1925 S. 298). In dieser Hinsicht geht das angefochtene Urteil davon aus, der Kläger sei von August 1942 bis Kriegsende Verwaltungsangestellter gewesen. Mit dieser Annahme setzt sich das Landessozialgericht jedoch in Widerspruch mit den Feststellungen im Urteil des Sozialgerichts, in dessen Tatbestand gesagt ist, die Verwendung des Klägers als Verwaltungsangestellter sei in der Zeit von Oktober 1942 bis Herbst 1944 durch Militärdienst unterbrochen gewesen. Sollte letzteres zutreffen, so läge nur eine verhältnismäßig kurzfristige, überdies in zwei weit auseinanderliegenden Zeitabschnitten ausgeübte Angestelltentätigkeit vor. Auch wenn die Unterbrechung nicht vorlag, muß außerdem berücksichtigt werden, daß der bis dahin als Heizer tätig gewesene Kläger erst im Laufe des Krieges unter den damals bestehenden besonderen Verhältnissen von einer Dienststelle der Wehrmacht als Verwaltungsangestellter übernommen worden ist. Unter diesen Umständen bedarf es der näheren Prüfung, ob der Kläger bei seinem Einsatz als Verwaltungsangestellter diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, die ihn in die Lage versetzen, auch heute als Verwaltungsangestellter tätig zu sein und hierdurch einen ausreichenden Arbeitsverdienst zu erzielen. Dabei ist zu beachten, daß der Beruf eines Verwaltungsangestellten gewisse Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt und daß hierfür die vom Landessozialgericht beim Kläger bisher festgestellten Eigenschaften, nämlich geistige Regsamkeit und Wendigkeit, allein nicht ausreichen. Wie die Tätigkeit des Klägers als Verwaltungsangestellter im einzelnen beschaffen war und welche Aufgaben ihm damals oblagen, ist bisher nicht ermittelt worden. Auch erhebt sich die Frage, ob nicht die weit zurückliegende, nur durch Kriegseinsatz bedingte Tätigkeit beim Kläger durch dessen spätere Berufstätigkeit so sehr zurückgetreten und verblaßt ist, daß sie für die Prüfung der Berufsfähigkeit nicht mehr herangezogen werden kann. Die Verweisung auf eine in der Vergangenheit ausgeübte Berufstätigkeit ist dann nicht mehr zulässig, wenn der Versicherte nach dem Gesamtbild der Umstände aus dem früheren Beruf endgültig herausgetreten und ihm entfremdet ist (vgl. E.d.RVA. Nr. 4948, AN. 1936 S. IV 45). Auch hierzu hat das Landessozialgericht keine Ermittlungen angestellt. Seine Feststellung, der Kläger könne noch als Verwaltungsangestellter tätig sein und hierdurch den gesetzlichen Mindestverdienst erzielen, beruht daher auf unzureichender Sachaufklärung und stellt gleichzeitig eine Überschreitung des Rechts der freien Beweiswürdigung dar. Danach liegen aber die vom Kläger gerügten wesentlichen Verfahrensmängel vor (Verstöße gegen die §§ 103, 128 SGG). Seine Revision ist daher statthaft.

Die Revision ist auch begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf den genannten Verfahrensmängeln. Die Möglichkeit, daß das Landessozialgericht nach weiteren sachdienlichen Ermittlungen und nach sachentsprechender Würdigung der gesamten Umstände des Falles eine für die Ansprüche des Klägers günstigere Entscheidung getroffen hätte, genügt für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Verletzung des Verfahrensrechts und der getroffenen Entscheidung (BSGE. 2 S. 197/201). Das Urteil des Landessozialgerichts ist daher aufzuheben. Gleichzeitig ist der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache selbst durch das Bundessozialgericht ist nicht möglich, da die im angefochtenen Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen hierfür nicht ausreichen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil des Landessozialgerichts vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2340726

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