Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 14.11.1989; Aktenzeichen L 6 Ka 1/88)

 

Tenor

Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) und 3) wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. November 1989 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger ist als Zahnarzt am Zahnarzt-Ersatzkassenvertrag (EKV-Zahnärzte) beteiligt. Im Jahre 1984 begab sich die Beigeladene zu 2), die bei der Beigeladenen zu 1) krankenversichert ist, in seine Behandlung. Der Kläger führte aufgrund eines von der Krankenkasse (KK) genehmigten Heil- und Kostenplanes, der auch funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen sowie eine Parodontosebehandlung vorsah, die Behandlung durch und versorgte die Versicherte mit Zahnersatz, den er aber nur provisorisch eingliederte. Dafür rechnete er gegenüber der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) 442,89 DM für den Parodontalstatus sowie weitere 8.527,05 DM als Kassenanteil für die prothetische Versorgung ab. Weil die Versicherte Beschwerden mit dem Zahnersatz hatte, führte der Kläger verschiedene Nachbehandlungen durch, bis weitere Behandlungen von der Versicherten abgelehnt wurden. Die beigeladene KK kam nach Einholung von zwei zahnärztlichen Gutachten zu der Auffassung, daß der Kläger gegen die vertraglichen Richtlinien über die Versorgung mit Zahnersatz verstoßen habe, indem er kranke und nichterhaltungswürdige Zähne prothetisch versorgt, die Parodontosebehandlung nicht ordnungsgemäß durchgeführt und seine Leistungen bereits vor ihrem endgültigen Abschluß abgerechnet habe. In Höhe des gezahlten Honorars zuzüglich der Gutachtergebühren von 308,– DM machte die KK gegenüber der Beklagten einen Regreßanspruch geltend. Der Vorstand der Beklagten erkannte diesen Anspruch als berechtigt an und belastete das Abrechnungskonto des Klägers in entsprechender Höhe (Bescheid vom 30. April 1986; Widerspruchsbescheid vom 6. November 1986). In den Vorinstanzen hatte der Kläger Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 7. Oktober 1987; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 14. November 1989). Das LSG hat sich der Auffassung des SG angeschlossen, daß der EKV-Zahnärzte keine Rechtsgrundlage für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen vertragswidriger Behandlung abgebe. Soweit der Kläger seine Leistungen vertragswidrig vor Abschluß der Behandlung abgerechnet habe, seien zu einer Honorarberichtigung nicht der Vorstand und die Widerspruchsstelle der Beklagten, sondern allenfalls die Prüfungsgremien befugt gewesen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision wenden sich die Beklagte sowie die Beigeladene zu 1) und der Beigeladene zu 3) (Ersatzkassenverband) gegen die Rechtsansicht des LSG, daß der EKV-Zahnärzte keine Grundlage für einen Schadensersatzanspruch gegen den Zahnarzt wegen fehlerhafter Behandlung abgebe. Ein solcher Schadensersatzanspruch ergebe sich vielmehr aus dem Sinnzusammenhang des Vertrages. Für seine Geltendmachung gegenüber dem Zahnarzt sei der Vorstand als allgemeine Vertragsinstanz zuständig. Wegen der im Gutachterverfahren festgestellten Behandlungsfehler sei der Kläger deshalb zu Recht auf Schadensersatz in Anspruch genommen und sein Konto entsprechend belastet worden.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,

unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG die Klage abzuweisen,

hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Der Beigeladene zu 3) beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung der angefochtenen Urteile die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Weiterhin vertritt er die Auffassung, die angefochtenen Bescheide seien schon deshalb aufzuheben, weil sie unzureichend begründet seien. Die Beklagte habe sich in den angefochtenen Bescheiden nicht mit den widerstreitenden Gutachten auseinandergesetzt, die jedenfalls zum Teil zu dem Ergebnis gekommen seien, daß ein Behandlungsfehler nicht vorliege. Weil es sich bei der Schadensersatzforderung um eine Ermessensentscheidung handele, könne die Begründung im Klageverfahren nicht mehr nachgeschoben werden. Selbst wenn die Behandlung fehlerhaft gewesen sei, was nach wie vor bestritten werde, könne Schadensersatz jedenfalls nicht in der Form verlangt werden, daß das Honorar zurückgefordert werde. Bei der prothetischen Behandlung handele es sich im übrigen gegenüber dem Versicherten um einen Werkvertrag, so daß vor der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen dem Zahnarzt Gelegenheit zur Nachbesserung eingeräumt werden müsse.

Die Beigeladene zu 5) (Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung) stellt keinen Antrag und nimmt zur Frage der Vertragsverletzung keine Stellung, schließt sich aber im übrigen hinsichtlich der Vertragsgrundlage für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Rechtsauffassung der Revisionskläger an. Die Beigeladenen 2) und 4) haben keine Äußerung abgegeben.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revisionen sind im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz begründet.

Der Senat entscheidet in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Kassenzahnärzte. Es handelt sich um eine Angelegenheit der Kassenzahnärzte iS des § 12 Abs 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), nicht um eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts iS des § 12 Abs 3 Satz 1 SGG.

Bei der Frage, ob es sich um eine Angelegenheit der Kassen(zahn)ärzte handelt, mit der Folge, daß beide ehrenamtlichen Richter aus dem Kreise der Kassen(zahn)ärzte heranzuziehen sind, oder um eine Angelegenheit des Kassen(zahn)arztrechts, mit der Folge, daß je ein ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassen(zahn)ärzte mitwirkt (sog paritätische oder gemischte Besetzung), stellt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in erster Linie darauf ab, wie die Verwaltungsstelle, welche die in dem Rechtsstreit angefochtene Verwaltungsentscheidung getroffen hat, zusammengesetzt ist (BSGE 67, 256, 257 = SozR 3-2500 § 92 Nr 1). Nur wenn die zuständige Verwaltungsstelle zwar feststeht, aber gerade ihre richtige Besetzung streitig ist, ist die Richterbank paritätisch zu besetzen (BSGE aaO). Die angegriffenen Bescheide sind von Organen der kassenzahnärztlichen Selbstverwaltung erlassen worden, deren Besetzung hier nicht streitig ist. Streitig könnte allenfalls sein, ob – wie das LSG angenommen hat – für einen Anspruch auf Honorarrückforderung wegen der vorzeitigen Abrechnung nicht der Vorstand und die Widerspruchsstelle der Beklagten, sondern die Prüfungsgremien zuständig sind. Aber auch diese waren für Quartale bis Ende 1988 rechtmäßig allein mit Kassenzahnärzten besetzt (BSG Urteil vom 8. April 1992 – 6 RKa 27/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen) und in die behördliche Struktur der Beklagten eingegliedert (vgl § 13 Abs 2 EKV-Zahnärzte). Dementsprechend hat auch der 6. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16. Januar 1991 zum Schadensersatzanspruch einer Ersatzkasse wegen Mängel bei der prothetischen Versorgung ohne Erörterung der Besetzungsfrage in der Besetzung mit zwei Kassenzahnärzten entschieden (BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 2).

Die angefochtenen Bescheide können rechtmäßig sein, was aufgrund der bisher festgestellten Tatsachen noch nicht abschließend entschieden werden kann. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG war die Beklagte für die Entscheidung über den Zahlungsanspruch zuständig.

Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht. Diesen hat sie in der Weise berechnet, daß sie das für die Behandlung der Versicherten von der KK gezahlte und über die Beklagte als Abrechnungsstelle an den Kläger weitergeleitete Honorar zurückgefordert und daneben die angefallenen Gutachterkosten, die die KK zu tragen hatte, als deren Aufwendungen in Rechnung gestellt hat. Auch soweit sie die Rückerstattung des Honorars verlangt, macht sie damit nicht geltend, dem Kläger stehe für die von ihm erbrachte Leistung überhaupt kein Honorar zu. Anderenfalls wäre auch zunächst der Honorarbescheid aufzuheben gewesen, mit dem das Honorar auf der Grundlage der Abrechnung des Klägers festgesetzt worden ist (vgl BSGE 62, 32, 43 = SozR 4100 § 71 Nr 2). Diesen Weg hat die Beklagte nicht gewählt. Sie hat zwar ihren Anspruch auch darauf gestützt, der Kläger habe – wie er selbst einräumt – seine Behandlung vorzeitig abgerechnet. Gleichwohl war das Absehen von einer Rücknahme des Honorarbescheides interessegemäß. Denn der Honoraranspruch war im wesentlichen jedenfalls bei Erlaß des streitigen Bescheides fällig. Das vor endgültiger Eingliederung des Zahnersatzes abgerechnete Honorar mag vor Eintritt der Fälligkeit (vgl EKV-Zahnärzte § 11 Nr 2 Abs 3) zu Unrecht geleistet worden sein und aus diesem Grunde einen Aufhebungs- und Rückerstattungsanspruch begründet haben. Das ist aber nicht mehr der Fall, seitdem feststeht, daß die Behandlung jedenfalls durch den Kläger abgeschlossen ist, und zwar wegen des Ausbleibens oder der Weigerung der Versicherten, sich weiterbehandeln zu lassen. Für diesen Fall sieht § 11 Nr 2 Abs 3 EKV-Zahnärzte ausdrücklich eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, daß nur abgeschlossene Leistungen abgerechnet werden dürfen. Der Grund für den Abbruch der Behandlung ist dabei zunächst ohne Bedeutung. Durch den nachträglichen Eintritt der Fälligkeit steht dem Kläger deshalb der Honoraranspruch jedenfalls insoweit zu, als er die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht hat. Das war nach den Feststellungen des LSG bis auf die endgültige Befestigung der Prothese der Fall. Nur soweit in dem ausgekehrten Honorar ein Anteil für die endgültige Eingliederung enthalten ist, wäre der Kläger insoweit materiell zu Unrecht bereichert.

Es kann offenbleiben, ob der Auffassung des LSG zu folgen wäre, für einen Honorarerstattungsanspruch wegen der vorzeitigen Abrechnung seien allein die Prüfungsgremien zuständig, obwohl es sich um eine Frage der sachlich und rechnerisch richtigen Abrechnung handelt, für die gemäß § 12 Nr 1 EKV-Zahnärzte die KZÄV zuständig ist, während gemäß § 14 EKV-Zahnärzte die Prüfungseinrichtungen die Abrechnungen daraufhin überprüfen, ob die Leistungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend, zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich waren. Denn die KZÄV ist berechtigt, unabhängig vom Bestehen sonstiger Erstattungsansprüche wegen schuldhafter Verletzung der Pflichten aus dem EKV-Zahnärzte Schadensersatz von dem Vertragszahnarzt zu verlangen und dabei den Schaden in der Weise zu berechnen, daß der Zahnarzt die Krankenkasse finanziell so zu stellen hat, wie sie stehen würde, wenn er seine vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hätte (vgl BSG SozR 3-5555 § 12 Nrn 1 und 2). Das dem Zahnarzt für seine Leistung zustehende Honorar ist dabei lediglich ein unselbständiger Rechnungsposten in der Gesamtabrechnung.

Für die Feststellung eines solchen Schadensersatzanspruchs und die damit begründete Belastung des Honorarkontos des Klägers war die beklagte KZÄV zuständig. Nach § 12 Nr 6 EKV-Zahnärzte setzt die KZÄV durch Vertragsinstanzen anerkannte Forderungen einer Vertragskasse gegen einen Vertragszahnarzt bei der nächsten Abrechung vom laufenden Honoraranspruch ab. Die KZÄV hat als allgemeine Vertragsinstanz über Schadensersatzansprüche zu entscheiden, weil keine anderen Vertragsinstanzen zuständig sind, jedenfalls nicht im Sinne einer ausschließlichen Zuständigkeit (vgl Urteil des Senats vom 20. Mai 1992 – 14a/6 RKa 9/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Sie konnte insoweit ihr Rechtsverhältnis zum Kläger durch Verwaltungsakt regeln. Wie der 6. Senat des BSG in den bereits erwähnten Entscheidungen ausgeführt hat, handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, der einen dem Versicherten selbst aus dem Behandlungsvertrag möglicherweise erwachsenen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch unberührt läßt und sich aus dem Zusammenhang der Einzelbestimmungen des EKV-Zahnärzte, die sich mit der Folge von Pflichtverletzungen befassen (vgl §§ 15 Nr 3 und 19 Nr 1 Satz 2), entnehmen läßt. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist durch die gesetzliche Ermächtigung in § 525c Reichsversicherungsordnung (RVO) aF gedeckt. Die Einwände, die gegen diese Rechtsprechung erhoben werden (vgl Hess in KassKomm, § 75 SGB V, RdNr 8), überzeugen den erkennenden Senat nicht (vgl ausführlich im erwähnten Urteil vom 20. Mai 1992 – 14a/6 RKa 9/90 –). Er schließt sich insoweit an die bisherige Rechtsprechung an.

Die Feststellungen des LSG reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus, weil das LSG – von seiner Rechtsauffassung her konsequent – keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Kläger schuldhaft gegen seine Verpflichtung aus dem EKV-Zahnärzte verstoßen hat, die Versicherten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst und gemäß den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche kassenzahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen vom 25. November 1977 (BAnz Nr 32 vom 9. Dezember 1977), die gemäß § 525c Abs 3 Satz 2 RVO aF auch im vertragszahnärztlichen Bereich gelten, zu behandeln. Der Kläger hat bei der Versicherten Zahnersatz aufgrund eines von der Krankenkasse genehmigten Heil- und Kostenplans eingegliedert, der nach der Behauptung der Revisionskläger nicht hätte eingegliedert werden dürfen, ohne zuvor die Parodontose ausreichend zu behandeln, das Restgebiß zu sanieren und eine funktionstherapeutische Behandlung durchzuführen. Auf diese Gründe ist – wenn auch ohne nähere Ausführungen – der angefochtene Widerspruchsbescheid gestützt. Es kann dahinstehen, ob die Begründung des Widerspruchsbescheids, gemessen an den Erfordernissen des § 35 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren – (SGB X), ausreichend war. Denn eine unzureichende Begründung führt allein, wie sich aus § 42 Satz 1 SGB X ergibt, nicht zur Aufhebung des Verwaltungsaktes. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der Schadensersatzforderung – auch soweit es um die Gutachterkosten geht – um eine gebundene Entscheidung, die vom Gericht in vollem Umfang zu überprüfen ist und das Gericht, soweit erforderlich, gemäß § 103 SGG zur eigenen Sachverhaltsaufklärung verpflichtet (vgl BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 1).

Das LSG wird deshalb zunächst die erforderlichen Feststellungen dazu zu treffen haben, ob der Kläger in vorwerfbarer Weise gegen seine Verpflichtungen aus dem EKV-Zahnärzte verstoßen hat. Es ist dabei, wie der 6. Senat des BSG bereits entschieden hat (SozR 3-5555 § 12 Nr 1), nicht an die gemäß § 20 EKV-Zahnärzte eingeholten Gutachten gebunden, sondern hat diese im Wege des Urkundenbeweises frei zu würdigen und erforderlichenfalls weitere Beweise zu erheben (vgl dazu ebenfalls Urteil des Senats vom 20. Mai 1992 – 14a/6 RKa 9/90). Sollte sich das Vorbringen der Revisionskläger über die vertragswidrige Leistungserbringung bestätigen, wird das LSG auch Feststellungen zur Schadenshöhe zu treffen haben. Entgegen der Auffassung des Klägers würde der öffentlich-rechtliche Schadensersatzanspruch nicht daran scheitern, daß ihm nicht weitere Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben worden ist. Ein Nachbesserungsrecht bestand selbst dann nicht, wenn die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs aus dem zivilrechtlichen Verhältnis zum Versicherten auch für den öffentlich-rechtlichen Anspruch der KZÄV gelten würden. Denn bei der Versorgung mit Zahnersatz handelt es sich gegenüber dem Patienten nicht um einen Werkvertrag iS des § 631 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sondern um einen Dienstvertrag gemäß § 611 BGB über Dienstleistungen höherer Art, der gemäß § 627 BGB grundsätzlich jederzeit gekündigt werden kann (BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 2 auf S 10; BGH NJW 1975, 305; OLG Zweibrücken NJW 1983, 2094). Soweit die Versicherte aufgrund vertragswidrigen Verhaltens des Klägers zur Kündigung – ausgedrückt durch ihre Weigerung, sich weiter behandeln zu lassen – berechtigt gewesen sein sollte, wäre an einen öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch analog § 628 Abs 2 BGB zu denken (BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 2), der allerdings nur den Schaden erfaßt, der durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses als solcher entstanden ist, also vor allem die zur vollständigen Erreichung des Vertragszieles noch erforderlich gewordenen Mehrkosten abdecken soll (vgl Palandt-Putzo, BGB, § 628 Anm 3). Der durch mangelhafte Leistung als solcher entstandene Schaden kann daneben in Analogie zum zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung ermittelt werden (von BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 2 noch offengelassen). Danach errechnet sich der Schaden in der Weise, daß die Differenz der Kosten zu ermitteln ist, die die KK bei von Anfang an vertragsgemäßer Behandlung zu tragen gehabt hätte, verglichen mit den Kosten, die sie letztlich dafür aufbringen mußte. Eine unwirtschaftliche Planung könnte dem Kläger wegen Genehmigung des Heil- und Kostenplans allerdings nicht entgegengehalten werden (§ 9 Nr 6 Abs 1 letzter Satz EKV-Zahnärzte); er hat nur für solche Kosten einzustehen, die durch eine nicht den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechende Behandlung (zusätzlich) enstanden sind. Der Höhe nach wird der Anspruch sich nur dann mit dem erhaltenen Honorar decken, wenn die Leistung des Zahnarztes völlig unbrauchbar war, aber keine weiteren Schäden mit sich gebracht hat. War die Leistung teilweise brauchbar, können dem Zahnarzt nur die zur vertragsgerechten Versorgung erforderlich gewordenen Mehrkosten (Nachbesserungskosten) sowie die durch fehlerhafte Behandlung darüberhinaus entstandenen Zusatzkosten (Mängelfolgeschäden) in Rechnung gestellt werden. Dazu gehören auch die Gutachterkosten.

Das LSG wird abschließend über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173296

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