Leitsatz (amtlich)

1. Ein mißglückter Arbeitsversuch liegt vor, wenn objektiv feststeht, daß der Beschäftigte bei Aufnahme der Arbeit zu ihrer Verrichtung nicht fähig war oder die Arbeit nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit - etwa unter der Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Leidens - würde verrichten können, und wenn er die Arbeit entsprechend der darauf zu gründenden Erwartung vor Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit aufgegeben hat. Von einem mißglückten Arbeitsversuch kann mithin nicht gesprochen werden, wenn der Beschäftigte trotz der genannten ungünstigen Erwartung tatsächlich brauchbare Arbeit über einen wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeitraum geleistet hat und deshalb nach den Umständen des Falles darauf vertrauen durfte, durch seine Beschäftigung einen Versicherungsschutz erworben zu haben. Die Feststellung der bereits erwähnten schlechten gesundheitlichen Verfassung kann auch noch nachträglich innerhalb einer angemessenen Frist retrospektiv erfolgen (Fortführung von BSG 1964-06-30 3 RK 7/61 = SozR Nr 44 zu § 165 RVO, BSG 1970-11-10 3 RK 94/67 = SozR Nr 63 zu § 165 RVO, BSG 1973-10-04 3 RK 34/72 = SozR Nr 75 zu § 165 RVO, BSG 1974-02-22 3 RK 30/73 = SozR 2200 § 165 Nr 2).

2. Bei der Frage, wann ein wirtschaftlich ins Gewicht fallender Zeitraum zu bejahen ist, darf eine Beschäftigung hinsichtlich ihrer Dauer dann nicht isoliert betrachtet werden, wenn sie sich - ohne wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse - an ein der Art nach gleichgelagertes vorangegangenes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anschließt.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17, § 206 Fassung: 1924-12-15, § 306 Abs. 1 Fassung: 1956-06-12

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 14.04.1976; Aktenzeichen L 4 Kr 887/73)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 18.04.1973; Aktenzeichen S 4 Kr 2896/71)

 

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. April 1976 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Tatbestand

Streitig ist, welche der beteiligten Krankenkassen verpflichtet ist, dem Kläger - überörtlicher Träger der Sozialhilfe - die Aufwendungen zu ersetzen, die diesem im Rahmen der Tuberkulosehilfe für l C (C.) im Zeitraum vom 3. Februar 1971 bis 29. August 1971 entstanden sind.

Der jugoslawische Arbeiter C. war ab 19. Februar 1970 bei der Firma H GmbH in H versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der Innungskrankenkasse l der Beigeladenen zu 1). Wegen einer im Juli 1970 festgestellten frischen aktiven Lungentuberkulose wurde er ab 5. August 1970 arbeitsunfähig krank geschrieben und ab 6. August 1970 stationär behandelt Am 6. Oktober 1970 brach er das noch nicht abgeschlossene Heilverfahren ohne ärztliche Erlaubnis auf eigene Verantwortung ab. Die Kosten der Krankenhilfe trug die Beigeladene zu 1).

Nach dem Abbruch der stationären Behandlung arbeitete C. seinen Angaben zufolge vom 11. Oktober 1970 bis 6. Januar 1971 bei der Fliesenleger-Firma H B in M. Eine Anmeldung und Beitragsentrichtung zur örtlich zuständigen AOK B-V, der Beigeladenen zu 2), erfolgte jedoch nicht. Vom 8. bis 31. Januar 1971 war C. bei der Firma H W, Tief- und Straßenbaugesellschaft in K, beschäftigt und bei der AOK für den R-M-Kreis, der Beklagten, als Mitglied angemeldet. Nach Auskunft seines letzten Arbeitgebers entsprach seine Arbeitsleistung in dieser Zeit der eines qualifizierten Facharbeiters; er erhielt den Lohn eines vergleichbaren Gastarbeiters.

Am 1. Februar 1971 wurde bei C. eine rechtsseitige ältere offene Lungentuberkulose festgestellt. Am 3. Februar 1971 wurde er deshalb in das Sanatorium L zur stationären Behandlung eingewiesen. Am 29. August 1971 brach er auch dieses Heilverfahren in noch arbeitsunfähigem Zustand ab. Ermittlungen über seinen seitherigen Aufenthaltsort blieben ohne Ergebnis.

Sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene zu 1) verneinten gegenüber dem Sanatorium ihre Leistungspflicht. Der gemäß § 1244a der Reichsversicherungsordnung (RVO) als leistungspflichtig in Betracht kommende Rentenversicherungsträger bestritt ebenfalls seine Zuständigkeit, da C. bis zur Feststellung der behandlungsbedürftigen Lungentuberkulose nur für fünf Monate Beiträge entrichtet hatte. Daraufhin gewährte der klagende Landeswohlfahrtsverband vorläufige Tuberkulosenhilfe. Er unterrichtete die Beklagte und die Beigeladene zu 1) über seine Maßnahme und forderte sie auf, Ersatz zu leisten.

Die Beklagte lehnte eine Ersatzleistung mit der Begründung ab, bei der Arbeitsaufnahme des C. am 8. Januar 1971 habe es sich um einen mißglückten Arbeitsversuch gehandelt, so daß die Beigeladene zu 1) nach wie vor leistungspflichtig sei. Die Beigeladene zu 1) wiederum verneinte ihre Leistungspflicht, weil C. in der Zeit vom 8. bis 31. Januar 1971 Arbeit von nicht unerheblicher Dauer verrichtet habe, so daß nicht von einem mißglückten Arbeitsversuch gesprochen werden könne.

Daraufhin machte der Kläger einen Ersatzanspruch in Höhe von 13.777.73 DM (Kosten für die Krankenhauspflege, zahnärztliche Behandlungskosten sowie Taschengeld) gegen die Beklagte, hilfsweise gegen die Beigeladene zu 1) gerichtlich geltend. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte zum Kostenersatz in voller Höhe verurteilt. C. habe bei der Firma W brauchbare Arbeit über einen wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeitraum geleistet, so daß die Beschäftigung kein mißglückter Arbeitsversuch gewesen sei. C. sei deshalb Mitglied der Beklagten geworden (Urteil vom 18. April 1973).

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat zu der Frage, ob C. in der Zeit vom 11. Oktober 1970 bis 6. Januar 1971 bei der Firma B versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist, mehrere Zeugen gehört. Diese haben zum Teil bekundet, C. sei in der fraglichen Zeit beschäftigt gewesen.

Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beigeladene zu 1) zum Kostenersatz verurteilt. Die Beklagte sei nicht leistungspflichtig, weil es sich bei der Beschäftigung vom 8. bis 31. Januar 1971 um einen mißglückten Arbeitsversuch gehandelt habe. Nach den überzeugenden gutachtlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. E und Medizinaldirektor Dr. N stehe fest, daß C. die übernommene Tätigkeit als Hilfsarbeiter im Tief- und Straßenbau nicht oder nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit habe verrichten können. Die Lungentuberkulose habe schon vor Beginn der Beschäftigung bei der Firma W vorgelegen, so daß von Anfang an zu erwarten gewesen sei, C. werde die Arbeit innerhalb kürzester Frist beenden müssen. Der Annahme eines mißglückten Arbeitsversuchs stehe nicht entgegen, daß C. in der Zeit vom 8. bis 31. Januar 1971 Arbeiten von wirtschaftlichem Wert geleistet habe. Leistungspflichtig sei die Beigeladene zu 1), deren Mitglied C. gemäß § 311 Satz 1 RVO in der bis zum 30. September 1974 geltenden Fassung geblieben sei, weil diese ihm wegen der fortbestehenden Lungentuberkulose Leistungen zu gewähren gehabt hätte. C. sei in der Zwischenzeit auch nicht Mitglied der Beigeladenen zu 2) geworden. Denn die Beschäftigung bei der Firma B sei ebenfalls als mißglückter Arbeitsversuch zu werten. Hierbei könne dahinstehen, ob diese Beschäftigung, die nach den Angaben C.'s vom 11. Oktober 1970 bis 6. Januar 1971 gedauert habe, eine an sich versicherungspflichtige Beschäftigung gewesen sei. Es sei nicht zu verkennen, daß C. während dieser sicherlich nicht unerheblichen Zeit Arbeit von gewissem wirtschaftlichen Wert erbracht habe. Gleichwohl sei die Versicherungspflicht dieses Beschäftigungsverhältnisses zu verneinen, weil C. bereits in diesem Zeitraum arbeitsunfähig krank gewesen sei. C. habe auch nicht darauf vertrauen dürfen, daß durch seine Beschäftigung ein wirksames Versicherungsverhältnis zustande gekommen sei. Einer Heilung des unwirksamen Versicherungsverhältnisses durch die Zeit, in der C. maximal bei der Firma B an sich versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein könnte, stehe hier nicht entgegen, daß C. von seiner Arbeitsunfähigkeit genau Kenntnis gehabt habe. Hinzu komme, daß er - als sogenannter Schwarzarbeiter - gewußt habe, daß für ihn keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden seien.

Mit der - vom Senat - zugelassenen Revision rügt die Beigeladene zu 1) eine Verletzung des § 165 Abs 1 Nr 1 RVO. Das angefochtene Urteil gehe zu Unrecht davon aus, daß weder die Beschäftigung bei der Firma B vom 11. Oktober 1970 bis 6. Januar 1971 noch die Beschäftigung bei der Firma W vom 8. bis 31. Januar 1971 versicherungspflichtig gewesen sei. Versicherungspflicht und damit die automatische und zwangsweise Zugehörigkeit zur zuständigen Krankenkasse träten kraft Gesetzes ein, wenn die Voraussetzungen des § 165 Abs 1 Nr 1 bzw Nr 2 RVO erfüllt seien. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz habe die Rechtsprechung nur bei Vorliegen eines mißglückten Arbeitsversuchs zugelassen. Die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts seien hier aber nicht gegeben, weil C. bei der Firma W eine wirtschaftlich ins Gewicht fallende Zeit gearbeitet habe. Bei der Beurteilung dieser Frage müßte die vorangegangene Beschäftigung bei der Firma B berücksichtigt werden. Die sich lückenlos aneinanderreihenden Beschäftigungsverhältnisse seien als eine Einheit zu betrachten. Bei einer danach dreimonatigen Beschäftigungsdauer könne von einem mißglückten Arbeitsversuch keinesfalls mehr gesprochen werden. Dem stehe auch nicht entgegen, daß es sich bei der Beschäftigung bei der Firma B um eine sogenannte Schwarzarbeit gehandelt habe. Die Anmeldung obliege nämlich nicht dem Versicherten, sondern sei Pflicht des Arbeitgebers.

Die Beigeladene zu 1) beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Beigeladene zu 2) zur Zahlung zu verurteilen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Beklagte oder die Beigeladene zu 2) zur Zahlung von 13.777,73 DM zu verurteilen.

Er ist der Ansicht, sowohl bei der Beschäftigung vom 11. Oktober 1970 bis 6. Januar 1971 als auch bei derjenigen vom 8. bis 31. Januar 1971 habe es sich um mißglückte Arbeitsversuche gehandelt. C. habe genau gewußt, daß er krank gewesen sei und wegen Ansteckungsgefahr nicht habe arbeiten dürfen. Ein schutzwürdiges Vertrauen habe deshalb nicht vorgelegen. Leistungspflichtig sei daher die Beigeladene zu 1).

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen.

Sie hält eine Zusammenrechnung der Beschäftigungszeiten vom 11. Oktober 1970 bis 6. Januar 1971 und vom 8. bis 31. Januar 1971 rechtlich für undurchführbar. Jedes einzelne Beschäftigungsverhältnis sei getrennt für sich zu beurteilen.

Frühere Beschäftigungen seien für die Frage, ob es sich bei der neuen Arbeitsaufnahme um einen mißglückten Arbeitsversuch gehandelt hat, ohne jede Bedeutung. Im übrigen sei auch keineswegs erwiesen, ob C. bei der Firma B in einer Weise gegen Entgelt beschäftigt gewesen sei, die zur Begründung eines Versicherungsverhältnisses hätte führen können. Die Vernehmung der zahlreichen Zeugen habe noch nicht einmal die Dauer der Beschäftigung ergeben.

Die Beigeladene zu 2) beantragt,

die Revision zurückzuweisen, soweit hilfsweise ihre Verurteilung beantragt worden ist.

Sie sei schon deshalb nicht leistungspflichtig, weil das LSG nicht festgestellt habe, C. sei vom 11. Oktober 1970 bis 6. Januar 1971 bei der Firma B gegen Entgelt beschäftigt gewesen. Selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, sei jedenfalls kein rechtswirksames Versicherungsverhältnis zustande gekommen. Es müsse für diese Zeit vielmehr ein mißglückter Arbeitsversuch angenommen werden, weil C. als Schwarzarbeiter nicht würdig gewesen sei, Vertrauensschutz zu genießen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beigeladenen zu 1) führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG. Die bisherigen Tatsachenfeststellungen reichen zu einer abschließenden Sachentscheidung nicht aus.

Gegen wen sich der vom Kläger geltend gemachte Ersatzanspruch (§ 59 Abs 2 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - iVm §§ 1531 ff RVO) richtet, hängt davon ab, welche der beteiligten Krankenkassen verpflichtet war, C. in der Zeit vom 3. Februar 1971 bis zum 29. August 1971 Krankenhilfe zu gewähren. Für die Beantwortung dieser Frage ist maßgebend, bei welcher Kasse C. zuletzt Mitglied gewesen ist (§ 206 RVO).

Die Mitgliedschaft beginnt gemäß § 306 Abs 1 RVO mit dem Tage des Eintritts in die versicherungspflichtige Beschäftigung. Ob es sich bei der vom Kläger zuletzt in der Zeit vom 8. bis 31. Januar 1971 ausgeübten Tätigkeit um eine gemäß § 165 Abs 1 Nr 1 RVO versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt hat oder ob ein Krankenversicherungsverhältnis zur Beklagten nicht zustande gekommen ist, weil lediglich ein mißglückter Arbeitsversuch vorgelegen hat, ist nach den bisherigen Feststellungen nicht geklärt.

Ein mißglückter Arbeitsversuch liegt vor, wenn objektiv feststeht, daß der Beschäftigte bei Aufnahme der Arbeit zu ihrer Verrichtung nicht fähig war oder die Arbeit nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit - etwa unter der Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Leidens - würde verrichten können, und wenn er die Arbeit entsprechend der darauf zu gründenden Erwartung vor Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit aufgegeben hat (BSG SozR Nrn 63 und 75 zu § 165 RVO). Von einem mißglückten Arbeitsversuch kann mithin nicht gesprochen werden, wenn der Beschäftigte trotz der genannten ungünstigen Erwartung tatsächlich brauchbare Arbeit (BSG SozR Nr 44 zu § 165 RVO) über einen wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeitraum geleistet hat und deshalb nach den Umständen des Falles darauf vertrauen durfte, durch seine Beschäftigung einen Versicherungsschutz erworben zu haben (BSG SozR 2200 § 165 RVO Nr 2). Die Feststellung der bereits erwähnten schlechten gesundheitlichen Verfassung kann auch noch nachträglich innerhalb einer angemessenen Frist retrospektiv erfolgen (BSG SozR Nr 75 zu § 165 RVO).

Ob ein drei Wochen überschreitender Zeitraum als wirtschaftlich ins Gewicht fallend anzusehen ist, kann nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles gesagt werden. Der erkennende Senat hat es bereits mehrfach abgelehnt, eine bestimmte Frist von Tagen oder Wochen als äußerste zeitliche Grenze des mißglückten Arbeitsversuchs zu fixieren (zuletzt in seiner Entscheidung vom 22. Februar 1974 - SozR 2200 § 165 RVO Nr 2). Daran ist auch nach erneuter Prüfung festzuhalten, um allen denkbaren Fallgestaltungen gerecht werden zu können.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß C. seinen Angaben zufolge vom 11. Oktober 1970 bis 6. Januar 1971 bei der Firma B als Hilfsarbeiter gegen Entgelt beschäftigt war, bevor er - mit nur einem Tag Unterbrechung - seine Arbeit bei der Firma W aufnahm. Sollte dies zutreffen, so käme dem für die rechtliche Beurteilung des nachfolgenden Beschäftigungsverhältnisses entscheidende Bedeutung zu. Zwar ist jedes Versicherungsverhältnis für sich zu betrachten. Bezüglich der Frage, ob ein mißglückter Arbeitsversuch vorliegt, darf jedoch die Dauer einer Beschäftigung dann nicht isoliert betrachtet werden, wenn sich die Beschäftigung an ein vorangegangenes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anschließt.

Es widerspräche dem Sinn und Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Instituts des mißglückten Arbeitsversuches, einen solchen auch dann zu bejahen, wenn der Beschäftigte durch eine vorangegangene Tätigkeit gerade gezeigt hat, daß er trotz seiner Erkrankung tatsächlich brauchbare Arbeit verrichten kann. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Tätigkeit als mißglückter Arbeitsversuch zu beurteilen ist, bleibt stets zu beachten, daß es sich bei dieser im Gesetz nicht verankerten Rechtsfigur um eine eng begrenzte Ausnahme von der grundsätzlich am Faktischen orientierten Versicherungspflicht handelt. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Rechtfertigung für die Verneinung der Versicherungspflicht mehr aus der Notwendigkeit einer Mißbrauchsabwehr ergibt oder ob sie mehr darin zu suchen ist, daß kein am Versicherungsprinzip orientiertes Leistungssystem darauf verzichten kann, daß jeder Versicherte mindestens der Möglichkeit nach zugleich Leistungsempfänger und Beitragszahler ist, niemand also Mitglied der Versichertengemeinschaft werden kann, der von vornherein wegen Arbeitsunfähigkeit als Beitragszahler ausscheidet (so BSG SozR Nr 63 zu § 165 RVO). Denn weder das eine noch das andere Motiv kann für die Annahme eines mißglückten Arbeitsversuchs herangezogen werden, wenn es sich um ein Anschlußbeschäftigungsverhältnis handelt, das seiner Art nach dem vorangegangenen gleicht, und keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten ist. In einem so gelagerten Fall stellt sich die neue Tätigkeit nicht als "Versuch", sondern als Fortsetzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung dar. Der Senat ist daher der Ansicht, daß bei der Frage, wann ein wirtschaftlich ins Gewicht fallender Zeitraum zu bejahen ist, eine Beschäftigung hinsichtlich ihrer Dauer dann nicht isoliert betrachtet werden darf, wenn sie sich - ohne wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse - an ein der Art nach gleichgelagertes vorangegangenes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anschließt.

Ob es sich im vorliegenden Fall um eine Anschlußbeschäftigung im aufgezeigten Sinn gehandelt hat, vermag der erkennende Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht zu entscheiden. Das LSG hat die Frage, ob C. in der Zeit vom 11. Oktober 1970 bis 6. Januar 1971 "an sich" versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist, ausdrücklich dahingestellt sein lassen. Es hat keine Würdigung des Beweisergebnisses vorgenommen, weil es sich bei diesem Beschäftigungsverhältnis ebenfalls nur um einen mißglückten Arbeitsversuch gehandelt habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Wie ausgeführt, lehnt es der Senat zwar ab, allgemein eine bestimmte Frist festzulegen, bei deren Überschreiten nicht mehr von einem mißglückten Arbeitsversuch gesprochen werden kann. Bei einer Beschäftigungsdauer von nahezu drei Monaten ist aber zumindest immer dann von einem wirksamen Versicherungsverhältnis auszugehen, wenn in diesem Zeitraum wirtschaftlich brauchbare Arbeit verrichtet worden ist. Hierfür sprechen vor allem Gründe der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (s. Urteil des erkennenden Senats vom 22. Februar 1974 - SozR 2200 § 165 RVO Nr 2 - unter Hinweis auf die Dreimonatsfrist des § 213 RVO). Die gegenteilige Auffassung des LSG beachtet auch nicht den Ausnahmecharakter des mißglückten Arbeitsversuchs.

Der Annahme eines wirksamen Versicherungsverhältnisses während der Beschäftigung bei der Firma B steht auch nicht entgegen, daß C. während dieser Zeit nicht angemeldet war und für ihn keine Beiträge an die Beigeladene zu 2) abgeführt worden sind. Aus § 306 Abs 1 RVO folgt vielmehr, daß die Mitgliedschaft allein durch die entsprechende Beschäftigung zustandekommt, also weder eine Anmeldung des Arbeitgebers noch die Zahlung der Pflichtbeiträge voraussetzt (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 41. Nachtrag, Anm 3 zu § 306 RVO). Zu Recht weist die Beigeladene zu 1) darauf hin, daß die unterlassene Anmeldung und Beitragsentrichtung dem Versicherten nicht zum Nachteil gereichen darf. Die Melde- und Beitragsabführungspflichten obliegen gemäß § 317 Abs 1, § 393 Abs 1 RVO dem Arbeitgeber, den bei Pflichtverletzungen auch die Sanktionen treffen (§ 530 RVO).

Unter Beachtung dieser Rechtsauffassung wird das LSG zu prüfen haben, ob C. in der Zeit vom 11. Oktober 1970 bis 6. Januar 1971 seinen Angaben entsprechend beschäftigt gewesen ist. Sollte das zutreffen, so wäre die anschliessende Tätigkeit bei der Firma W nicht als mißglückter Arbeitsversuch, sondern als eine die Leistungspflicht der Beklagten begründende versicherungspflichtige Beschäftigung zu beurteilen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655416

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