Leitsatz (amtlich)

Eine nach Verlust der unselbständigen Beschäftigung aufgenommene eigene Tätigkeit schließt die Arbeitslosigkeit nicht schlechthin aus; sie hat diese Wirkung nur, wenn ein "Selbständiger" sie wahrnimmt.

Selbständiger ist eine Person, die für unbestimmte Dauer ( nicht nur gelegentlich) eine selbständige Tätigkeit berufsmäßig zu Erwerbszwecken ausübt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Selbständig iS des AVAVG § 75 Abs 3 S 1 ist, wer für unbestimmte Dauer und nicht nur gelegentlich eine selbständige Tätigkeit berufsmäßig zu Erwerbszwecken ausübt.

Selbständige Tätigkeiten, die nur aus Liebhaberei, zum Zeitvertreib, aus Gründen des körperlichen Trainings (Sport), aus caritativer Nächstenliebe oder aus ähnlichen Motiven vorgenommen werden, schließen Arbeitslosigkeit nach AVAVG § 75 Abs 3 S 1 nicht aus. Ebenso können in einer Anlaufzeit Vorbereitungsarbeiten, die erst den Zutritt zum eigentlichen Erwerbsleben und damit zur Selbständigkeit eröffnen, unschädlich sein, solange der Wille, auch weiterhin berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu bleiben, nachweisbar ist.

 

Normenkette

AVAVG § 75 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1957-04-03

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11 . November 1959 aufgehoben .

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen .

Von Rechts wegen .

 

Gründe

I . Der 1896 geborene Kläger ist vom Beruf Sägearbeiter . Seit seiner Ausweisung aus dem Sudetenland in die Bundesrepublik im Jahre 1946 verrichtete er - von kurzfristigen Unterbrechungen abgesehen - abhängige Lohnarbeit . Vom 25 . August 1956 an bewilligte das Arbeitsamt (ArbA) C ... dem damals in K... wohnhaften Kläger Arbeitslosenunterstützung (Alu) , später umgestellt auf Arbeitslosengeld (Alg) , für 300 Tage . Ab 12 . April 1957 übersiedelte der zu dieser Zeit noch immer arbeitslose Kläger mit seiner Familie (Ehefrau und Sohn) nach V ..., Gemeinde E ..., im Landkreis B .... Er und seine Ehefrau , die in Gütergemeinschaft leben , erwarben dort ein landwirtschaftliches Anwesen von 14 1/2 Tagewerk mit einem Einheitswert von 3 . 700 , -- DM .

Nachdem der Direktor des ArbA Cham wegen Wohnsitzwechsel auf Antrag des Klägers das ArbA S ... für zuständig erklärt hatte , meldete er sich bei der ArbA-Nebenstelle B... am 13 . April 1957 arbeitslos . In dem Antrag auf Weitergewährung des Alg erklärte er seine Bereitschaft , eine volle ganztägige Beschäftigung auszuüben . In einer zusätzlich aufgenommenen , maschinengeschriebenen "Erklärung zu meiner Arbeitsbereitschaft" vom 15 . April 1957 war - vom Kläger unterschrieben - zum Ausdruck gebracht , "daß er vorerst keine Arbeit aufnehmen möchte , weil er sein Anwesen noch instandsetzen wolle . Wenn er damit fertig sei , sei er bereit , die Arbeit wieder aufzunehmen , soweit er von der Landwirtschaft abkömmlich sei . Die Arbeiten in der Landwirtschaft verrichteten dann seine Ehefrau und er nach Arbeitsende . Während der Bestellung der Felder und der Einbringung der Ernte möchte er dann wieder ganztägig in der Landwirtschaft arbeiten . "

Das ArbA Straubing lehnte mit Bescheid vom 27 . April 1957 den Antrag auf Gewährung von Alg unter Hinweis auf § 75 Abs . 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) ab . Als Besitzer eines 14 1/2 Tagewerk großen Anwesens sei der Kläger zum Selbständigen geworden . Sein Widerspruch , mit dem der Kläger geltend machte , daß der insgesamt nur 5 , 06 ha umfassende Grundbesitz lediglich 1 ha Ackerland , 1 . 10 ha Wiesen und im übrigen Wald- und Ödland aufweise , so daß er mit seiner Familie davon nicht leben könne , wurde durch Widerspruchsbescheid vom 8 . Mai 1957 zurückgewiesen .

II . Auf Klage hin hob das Sozialgericht (SG) Landshut (Urteil vom 30 . Mai 1958) die Bescheide der Arbeitsverwaltung vom 27 . April und 8 . Mai 1957 auf und verurteilte die Beklagte , dem Kläger das gesetzliche Alg weiterzugewähren , soweit er der Meldepflicht nachgekommen ist. Dieser sei trotz Erwerb des Grundbesitzes nicht als Inhaber einer Vollbauernstelle und damit nicht als Selbständiger anzusehen . Es handele sich um eines der für das Gebiet des Bayerischen Waldes typischen Kleinanwesen mit unzureichendem Ertrag infolge minderwertiger Bodenbeschaffenheit und ungünstiger klimatischer Verhältnisse . Der Kläger wolle und müsse weiterhin Arbeitnehmer bleiben . Da die Bewirtschaftung des Anwesens von Ehefrau und Sohn bewältigt werden könne , sei auch seine Vermittlungsfähigkeit nicht beeinträchtigt . Die Erklärung vom 15 . April 1957 vor dem ArbA stehe dem nicht entgegen; sie gebe lediglich den Wunsch wieder , vorerst zurückgestellt zu werden , um beabsichtigte Instandsetzungsarbeiten durchführen zu können .

Die Berufung der Beklagten wurde durch Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 11 . November 1959 zurückgewiesen . Der Kläger , der bislang berufsmäßig als Arbeitnehmer tätig gewesen sei und aus dem Berufskreis der Arbeitnehmer auch nicht auszuscheiden beabsichtige , sei durch die Übernahme des landwirtschaftlichen Anwesens nicht zum Selbständigen geworden . Dieser gesetzliche Begriff sei , obzwar § 75 Abs . 3 Satz 1 AVAVG nF von Selbständigen "ohne Rücksicht auf ihr Einkommen" spreche , nur dann erfüllt und aus diesem Grunde Arbeitslosigkeit kraft Gesetzes nur dann zu verneinen , wenn eine selbständige Tätigkeit bereits ihrer Struktur nach die Lebensgrundlage für den Ausübenden bilde . Einer solchen Auslegung stehe auch § 75 Abs . 3 Satz 2 AVAVG nF nicht entgegen . Dem Sinne der Vorschriften nach müsse davon ausgegangen werden , daß der Gesetzgeber in Satz 1 aaO den Selbständigen als Vollgewerbetreibenden meine , dem er in Satz 2 aaO die nebenher Selbständigen als eine besondere Gruppe der Doppelberufler , die neben ihrer unselbständigen Beschäftigung nur in geringem Umfang selbständig seien , gegenüberstelle . Zwar bringe letztere Vorschrift eine nicht widerlegliche Rechtsvermutung der Arbeitslosigkeit unter den dort genannten Voraussetzungen unmittelbar nur für diejenigen Personen , die schon vor Verlust der unselbständigen Beschäftigung nebenher selbständig waren . Das schließe jedoch nicht aus , die Arbeitslosigkeit ebenfalls bei nebenher Selbständigen , die erst nach Verlust der unselbständigen Beschäftigung eine Nebentätigkeit aufnehmen , zu bejahen , wenn sie nach den festgestellten Umständen tatsächlich arbeitslos seien . Dabei könnten die Maßstäbe des Satzes 2 aaO über den Umfang der selbständigen Tätigkeit und das Einkommen daraus entsprechend zugrunde gelegt werden . Daß der Kläger das kleine landwirtschaftliche Anwesen von 14 1/2 Tagewerk (davon etwa 3 Tagewerk Wiesen und 4 Tagewerk Wald) , das in klimatisch ungünstiger Gegend liege und ihm nur zur Hälfte gehöre , lediglich nebenher bewirtschafte , sei eindeutig . Die anfallenden Arbeiten könnten in vollem Umfang von der Ehefrau und dem Sohn erledigt werden . Der Kläger gehöre auch weiterhin zum Kreis der berufsmäßigen Arbeitnehmer und sei daher arbeitslos . Er habe sich nach Erwerb des Grundbesitzes der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt . Seine Erklärung vom 15 . April 1957 , die zudem offensichtlich von einem Bediensteten des ArbA verfaßt und ohne Belehrung über die Rechtsfolgen dem Kläger zur Unterschrift vorgelegt worden sei , ändere hieran nichts , da sie nur den unverbindlichen Wunsch enthalte , zunächst nicht vermittelt zu werden . Schließlich habe der Kläger auch seine Arbeitsbereitschaft nachweisbar durch seine regelmäßigen Meldungen beim ArbA dargetan . Revision wurde zugelassen .

III. Gegen das ihr am 10 . Februar 1960 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 8 . März 1960 Revision ein , die sie am 6 . April 1960 begründete . Ihrer Ansicht nach stellt § 75 Abs . 3 Satz 2 AVAVG nF eine Ausnahme von Satz 1 aaO dar . Im Umkehrschluß müsse daher gefolgert werden , daß Personen , die erst nach Eintritt der Arbeitslosigkeit eine selbständige Tätigkeit aufnehmen , ohne Rücksicht auf deren Umfang nicht arbeitslos im Sinne dieses Gesetzes seien . Insbesondere komme es nicht darauf an , ob die selbständige Tätigkeit die Lebensgrundlage bilden könne , wie sich aus § 75 Abs . 3 Satz 2 AVAVG nF ergebe . Hier seien als Rahmen für die Bestimmung des Begriffs "arbeitslos" die Geringfügigkeitsgrenzen des § 66 Abs . 2 AVAVG nF aufgestellt worden . Von einer nach Umfang oder Ertrag innerhalb dieser Grenzen bleibenden selbständigen Tätigkeit (18 Stunden bzw . 15 , -- DM je Woche) als Voraussetzung für die Bejahung der Arbeitslosigkeit könne aber ernstlich nicht als einer die Lebensgrundlage bildenden Tätigkeit gesprochen werden .

Die Beklagte beantragte ,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des SG Landshut vom 30 . Mai 1958 aufzuheben und die Klage abzuweisen .

Der Kläger beantragte ,

die Revision zurückzuweisen .

Er bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils , die er für zutreffend hält .

IV . Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs . 1 Nr . 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) . Sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§ 164 SGG) und daher zulässig .

Die Revision ist auch sachlich begründet .

Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten (ArbA S ... ) vom 27 . April 1957 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8 . Mai 1957 (§ 95 SGG) . Hierdurch wurde der Antrag des Klägers auf Weiterbewilligung des Alg abgelehnt . Der Kläger hat ein Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung dieser Bescheide , weil sie die ursprüngliche Verfügung des ArbA C ... vom 25 . August 1956 , mit der dem Kläger die Versicherungsleistung für 300 Tage bewilligt worden war , stillschweigend aufgehoben und für die Zeit nach dem 13 . April 1957 (Tag der Arbeitslosmeldung und Antragstellung beim ArbA S...) den bereits bewilligten Alg-Anspruch wieder entzogen haben (vgl . Urteil des erkennenden Senats vom 26 . Mai 1961 - 7 RAr 24/59 -) . Von dieser Rechtslage gehen die Beteiligten auch aus . Die Beschwer des Klägers durch die angefochtenen Bescheide ist daher gegeben (§ 54 Abs . 1 und 2 SGG) .

V . Anspruch auf Alg hat nach § 74 Abs . 1 AVAVG idF der Bekanntmachung vom 3 . April 1957 (BGBl I 321 , 706) , wer arbeitslos ist , der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht , die Anwartschaftszeit erfüllt , sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat . Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ist das LSG ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen , daß die Versagung oder Entziehung des Alg nicht mit einer mangelnden Verfügbarkeit des Klägers im Sinne von § 76 AVAVG nF begründet werden kann . Nach den - nicht angegriffenen - tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Berufungsgerichts , die den Senat binden (§ 163 SGG) , ist der Kläger durch Erwerb und Bewirtschaftung des Grundbesitzes nicht gehindert , eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts auszuüben . Die anfallenden landwirtschaftlichen Arbeiten können von der Ehefrau und dem Sohn ausgeführt werden , so daß hierdurch die Arbeitskraft des Klägers in einer seine Vermittlungsfähigkeit einschränkenden Weise nicht beansprucht wird .

Darüber hinaus hat er sich auch in subjektiver Hinsicht der Vermittlung in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt , wie sich insbesondere aus der regelmäßigen Meldung beim ArbA ergibt . Zutreffend hat das LSG in diesem Zusammenhang die schriftliche Erklärung des Klägers vom 15 . April 1957 vor der Nebenstelle des ArbA S... gewürdigt; diese läßt jedenfalls nicht den Schluß zu , der Kläger sei zur fraglichen Zeit nicht bereit gewesen , ein Arbeitsverhältnis einzugehen . Bei Abwägung der gesamten Umstände kann ihr lediglich die Bedeutung beigemessen werden , daß hinsichtlich der Vermittlung ein bestimmter Wunsch geäußert wurde . Hierdurch wird aber die Verfügbarkeit noch nicht berührt (vgl. BSG 2 , 67; Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 29 . Januar 1960 in ABA 1960 , 165 ff) . Die Richtigkeit dieser Auffassung wird im übrigen dadurch erhärtet , daß der Kläger bereits im Vorverfahren geltend machte , er habe die genannte Erklärung ahnungslos unterzeichnet und damit keineswegs eine mangelnde Vermittlungsbereitschaft zum Ausdruck bringen wollen . Unabhängig davon hatte er sich aber auch schon in seinem Antrag auf Alg vom 13 . April 1957 vorab bereit erklärt , eine volle , ganztägige Beschäftigung auszuüben .

VI . Entscheidend dafür , ob dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung von Alg für die Restdauer zusteht , ist deshalb , ob er nach dem Grundbesitzerwerb noch die Voraussetzung der Arbeitslosigkeit erfüllt . Nach § 75 Abs . 3 Satz 1 AVAVG nF gelten nicht als arbeitslos Selbständige ohne Rücksicht auf ihr Einkommen . Der Begriff "Selbständiger" ist im AVAVG nicht eigens definiert; er ist also auszulegen . Dem abweichenden Wortlaut der Neufassung zufolge kann hierfür der von der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Begriff des "selbständigen Gewerbetreibenden" in § 87 a Abs . 1 Satz 1 AVAVG aF aufgestellte Grundsatz , daß das ausgeübte Gewerbe nach allgemeiner Anschauung die Lebensgrundlage bilden müsse , nicht mehr das bestimmende Merkmal abgeben . Auch ist der weitere Gedanke dieser früheren Rechtsprechung , daß es bei einem sogenannten Doppelberufler darauf ankomme , ob jer im Sinne des § 87 a Abs . 2 AVAVG aF durch den Betrieb soweit gebunden sei , daß er keine anderen als geringfügige Beschäftigungen auszuüben vermöge , nicht mehr anwendbar . Dagegen sind in § 75 Abs. 3 der Neufassung selbst , was das LSG nicht genügend beachtet hat , die wesentlichen Merkmale für die Entscheidung enthalten . Satz 2 aaO bestimmt nämlich , daß , wer schon vor dem Verlust der unselbständigen Beschäftigung nebenher selbständig war , als arbeitslos gilt , wenn er nach dem Verlust der unselbständigen Beschäftigung aus seiner Tätigkeit in dem selbständigen Beruf keine über die Grenzen des § 66 Abs . 2 AVAVG hinausgehendes Einkommen erzielt , der Umfang seiner Tätigkeit 18 Stunden wöchentlich nicht überschreitet und nach den Gesamtumständen angenommen werden kann , daß er auch künftig berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig sein will . Diese Vorschrift , die eine unwiderlegliche Rechtsvermutung zugunsten der Arbeitslosigkeit (" ... gilt als arbeitslos") enthält , falls vor Verlust der abhängigen Arbeit eine selbständige Tätigkeit geringen Grades nebenher gelaufen ist , stellt insoweit eine Ausnahme vom Grundgedanken des Satzes 1 aaO dar , als es unter jenen Bedingungen keiner weiteren Prüfung bedarf , ob die Eigenschaft als Selbständiger tatsächlich bereits erreicht (erfüllt) ist oder nicht . Diese begünstigende Ausnahmeregelung zwingt jedoch nicht zu dem Umkehrschluß , daß jede nach dem Verlust der unselbständigen Beschäftigung aufgenommene Tätigkeit die Arbeitslosigkeit schlecht hin ausschließt; sie hat diese Wirkung vielmehr nur dann , wenn ein "Selbständiger" sie wahrnimmt . Das ist dann jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen .

VII . Nach der vom (ehemaligen) Reichsversicherungsamt zu dem Begriff des Unternehmers entwickelten Rechtsprechung (vgl . Mitgl . Komm . z . RVO 2 . Aufl . Anm . 1 bis 3 zu § 633) ist Selbständiger eine Person , die für unbestimmte Dauer (nicht nur gelegentlich) eine selbständige Tätigkeit berufsmäßig zu Erwerbszwecken ausübt . Persönliche Unabhängigkeit , eigene wirtschaftliche Verantwortung und Verfügungsgewalt über die Betriebseinrichtungen (Betriebsmittel) sind Hauptmerkmale der selbständigen Tätigkeit . Auszuscheiden sind Verrichtungen , die nur aus Liebhaberei , zum Zeitvertreib , aus Gründen des körperlichen Trainings (Sport) , aus caritativer Nächstenliebe oder aus ähnlichen Motiven vorgenommen werden . Ebenso können in einer Anlaufzeit Vorbereitungsarbeiten , die erst den Zutritt zum eigentlichen Erwerbsleben und damit zur Selbständigkeit eröffnen , unschädlich sein (vgl . Urteil des erkennenden Senats vom 26 . Mai 1961 - 7 RAr 24/59 -) , solange der Wille , auch weiterhin berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu bleiben , nachweisbar ist .

Mithin ist der Kläger , bei dem nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG die sonstigen Voraussetzungen für den Alg-Anspruch erfüllt sind , nur dann "Selbständiger" und gilt damit "nicht als arbeitslos" (§ 75 Abs . 3 Satz 1 AVAVG nF) , wenn er das in Gütergemeinschaft mit seiner Ehefrau genutzte Anwesen in persönlicher Unabhängigkeit zu Erwerbszwecken bewirtschaftet . Ergibt sich daraus die Möglichkeit , berufsmäßig Einnahmen zu erzielen , so ist der Selbständigen-Begriff nach § 75 Abs . 3 Satz 1 aaO erfüllt , da diese Vorschrift - im Gegensatz zu Satz 2 aaO - nicht darauf abstellt , ob und in welcher Höhe Einkommen tatsächlich erreicht wird und welchen Umfang die aufgewendete Tätigkeit hat . Zu einer Entscheidung darüber reichen indessen die vom LSG bisher getroffenen Ermittlungen nicht aus . Der Umstand , daß - wovon das Berufungsgericht ausgeht - der erworbene Grundbesitz von 14 1/2 Tagewerk (5 , 06 ha) dem Kläger dem familienrechtlichen Güterstand nach nur zur Hälfte anzurechnen ist und daß von dieser Fläche wiederum weniger als 50 v . H . in der Landwirtschaft ertragsfähig erscheinen , gestattet noch nicht , die berufliche Erwerbstendenz und damit die Eigenschaft des Klägers als Selbständiger zu verneinen . Es wäre deshalb u . a . noch festzustellen

a) zu welchem wirklichen Verwendungszweck , in welchem Zustand , mit welchen Betriebsmitteln und Vorräten der Kläger das Anwesen erworben hat ,

b) inwieweit berufsmäßig eine Bewirtschaftung zu

Erwerbszwecken stattfindet ,

insbesondere ob der Kläger aus seinem Viehbestand laufend Erträge (Milch , Eier , Fleisch) erzielen kann , ob er landwirtschaftliche Produkte (Getreide , Kartoffeln , Obst) verwerten kann , und welche Holznutzung anfällt ,

ferner ob der Kläger ständig oder in Saisonzeiten Räume oder Flächen vermietet oder verpachtet .

Schließlich könnte auch von Bedeutung sein , wie der Vorbesitzer beruflich tätig gewesen ist und ob er das Grundstück zu Erwerbszwecken genutzt hat .

Der gelegentliche , unwesentliche Anfall von Produkten aus Stall oder Acker für den eigenen Verzehr des Klägers und seiner Familie macht ihn jedenfalls nicht zum "Selbständigen" in der Landwirtschaft .

VIII . Diese nachzuholenden tatsächlichen Feststellungen kann der erkennende Senat selbst nicht treffen . Das Urteil des LSG muß deshalb aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurückverwiesen werden (§ 170 Abs . 2 und 4 SGG) .

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten .

 

Fundstellen

BSGE, 56

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