Leitsatz (amtlich)

Rechtsstreitigkeiten wegen der Eintragung in das besondere Verzeichnis nach ZG§19ZHG § 3 Abs 2 betreffen "Angelegenheiten der Kassenzahnärzte" (SGG § 12 Abs 3 S 2); als ehrenamtlicher Richter wirken daher zwei Kassenzahnärzte mit.

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Umfang der Eintragung (Eintragung mit oder ohne Einschränkung) hängt von dem Umfang der Behandlungstätigkeit in der Zeit vor dem Inkrafttreten des ZHG ab; spätere Tätigkeiten auf dem Gebiete der Zahnheilkunde sind grundsätzlich unbeachtlich.

 

Normenkette

SGG § 12 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1953-09-03; ZHG§19ZG § 3 Abs. 2 Fassung: 1970-04-27; ZHG

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. November 1972 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit wird um die Eintragung in das besondere Verzeichnis nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Zulassung von nach § 19 des Zahnheilkundegesetzes berechtigten Personen zur Behandlung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (ZulG) vom 27. April 1970 (BGBl I 415) geführt. Die Beteiligten streiten um den Umfang, in dem der Kläger die Zahnheilkunde ausüben darf.

Der 1919 geborene Kläger war vor dem Krieg kaufmännisch tätig. Während des Wehrdienstes wurde er als Helfer in einer Zahnstation eingesetzt. Nach den Kriege machte er eine Lehre als Zahntechniker durch und bestand Anfang 1950 die Gesellenprüfung. Anschließend arbeitete er zeitweise freiberuflich für Zahnärzte als Zahntechniker, zeitweise war er auch bei Zahnärzten angestellt. Zugleich führte er aber auch in seinen Räumen und mit seinen eigenen Instrumenten - in einem zwischen den Beteiligten streitigem Umfang - Zahnbehandlungen durch. Nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (Zahnheilkundegesetz - ZHG -) vom 31. März 1952 (BGBl I 221) setzte er die Behandlungstätigkeit fort.

Ein aufgrund einer Strafanzeige der Zahnärztekammer eingeleitetes Strafverfahren wegen unberechtigter Ausübung der Zahnheilkunde (§ 18 ZHG) wurde eingestellt. Durch eine Verfügung der Ortspolizeibehörde vom 14. Februar 1955 wurde dem Kläger die zahnbehandlerische Tätigkeit verboten, weil er sich nicht auf die Besitzstandswahrungsklausel des § 19 ZHG berufen könne. Diese vom Landratsamt bestätigte Verfügung wurde durch rechtskräftiges Urteil des Bezirksverwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Dezember 1957 aufgehoben. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß der Kläger vor Inkrafttreten des ZHG am 1. April 1952 die Zahnheilkunde nachhaltig ausgeübt habe. Die Verfügung könne auch nicht teilweise aufrecht erhalten werden.

Nach Inkrafttreten des ZulG beantragte der Kläger unter Vorlage einer Bescheinigung des Amtsarztes vom 10. April 1970 bei der Beklagten, ihn in das besondere Verzeichnis nach § 3 Abs. 2 ZulG aufzunehmen und als Umfang die Zahnheilkunde ohne Einschränkung einzutragen. Die Beklagte entsprach diesem Antrag mit Bescheid vom 5. August 1970 nur teilweise und trug als Umfang der Berechtigung ein: Füllungen, Extraktionen, Wurzelbehandlungen und Zahnersatz. Der weitergehende Antrag wurde abgelehnt. Widerspruch (Bescheid vom 2. Februar 1971), Klage (Urteil des Sozialgerichts - SG - Speyer vom 8. März 1972) und Berufung (Urteil des Landessozialgerichts - LSG - für das Land Rheinland-Pfalz vom 13. November 1972) sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt: Ein Anspruch auf Eintragung in das Verzeichnis bestehe nur bezüglich des Umfangs, in dem die Zahnheilkunde vor dem 1. April 1952 tatsächlich ausgeübt worden sei. Wenn es an dieser tatsächlichen Voraussetzung fehle, könne der Kläger sein Begehren, einen weiteren Umfang einzutragen, nicht mit dem Vorbringen rechtfertigen, er habe seinen Besitzstand seit 1952 gefestigt und erweitert. Angesichts der Schwierigkeiten, Tatsachen aus einer Zeit vor zwanzig Jahren nachzuweisen, dürften zwar keine strengen Anforderungen an die Beweisführung - Glaubhaftmachung nach §§ 2 ZulG mit 4 Abs. 2 b, Abs. 4 der Zulassungsordnung für Kassenzahnärzte (ZO-Zahnärzte) vom 28. Mai 1957 (BGBl I 582) genüge - gestellt werden. Es müsse aber doch deutlich mehr für als gegen die Richtigkeit des Vorbringens des Klägers zum Umfang der Ausübung der Zahnheilkunde vor dem Stichtag sprechen. Das sei aber nicht der Fall. Der Kläger selbst habe nicht vorgetragen, daß er vor dem Stichtag die Zahnheilkunde tatsächlich in allen ihren Erscheinungsformen ausgeübt habe. Die Bestätigung des Amtsarztes vom 10. April 1970 sei mangels Zuständigkeit des Gesundheitsamtes für Feststellungen zu § 19 ZHG nicht bindend. Auch das Urteil des Bezirksverwaltungsgerichts genüge für die notwendige Glaubhaftmachung nicht, denn es sei auch damals nicht festgestellt worden, der Kläger habe Behandlungen durchgeführt, die von der Eintragung nicht erfaßt sind.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er wendet sich gegen die Besetzung des SG mit zwei Kassenzahnärzten und lediglich einem Berufsrichter, weil damit der verfassungsrechtliche Gedanke der richterlichen Neutralität verletzt sei. In sachlich-rechtlicher Hinsicht rügt er sinngemäß die Verletzung des § 1 ZulG. Die Umstände des Falles verböten der Beklagten, ihm nun die vollständige Ausübung der Zahnheilkunde streitig zu machen, nachdem sie ihm zwanzig Jahre lang - bestätigt durch das Verwaltungsgericht - erlaubt gewesen sei. Außerdem müsse die Rüge der mangelnden Sachaufklärung erhoben werden, weil das LSG nicht berücksichtigt habe, daß er in den Jahren 1950 bis 1972 ständig kieferorthopädische Arbeiten durchgeführt habe, die von den Kassen bezuschußt worden seien.

Er beantragt,

unter Abänderung der entgegenstehenden Entscheidungen die Beklagte zu verurteilen, ... in das besondere Verzeichnis einzutragen: Zahnheilkunde ohne Einschränkung.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II

Die Revision ist nicht begründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Der Senat entscheidet wie die Vorinstanzen in der Besetzung mit zwei Kassenzahnärzten (§ 12 Abs. 3 Satz 2 SGG i. V. m. §§ 33 Satz 2, 40 Satz 1 SGG), weil die Frage der Eintragung in das besondere Verzeichnis nach § 3 Abs. 2 ZulG wie die Frage der Eintragung in das Zahnarztregister eine Angelegenheit der Kassenzahnärzte, d. h. der kassenzahnärztlichen Selbstverwaltung, ist (vgl. § 8 ZO-Zahnärzte und § 2 des ZulG). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 28. Mai 1965 (BSG 23, 105) im einzelnen begründet hat, kann die Besetzung mit Kassenärzten in einem gegen die Kassenärztliche Vereinigung gerichteten Verfahren nicht deshalb unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten beanstandet werden, weil diese Richter als Mitglieder der Beklagten nicht dem Idealbild des unbeteiligten Dritten entsprechen. Dem ist auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluß vom 17. Dezember 1969 (BVerfG 27, 312) gefolgt. Angesichts der erforderlichen Sachkunde der ehrenamtlichen Richter und des Übergewichts der Berufsrichter in den höheren Instanzen kann die entfernte Möglichkeit einer nicht ganz unparteiischen Einstellung auch in den Fällen der vorliegenden Art in Kauf genommen werden, in denen der Streit im Ergebnis um die Aufnahme in den Kreis der Kassenzahnärzte geht. Zwar mögen die als ehrenamtliche Richter berufenen Mitglieder der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung an der Frage der Aufnahme von Zahnheilkundigen ohne besonderen Befähigungsnachweis in ihrem Berufsstand größeres Interesse haben als an Honorarstreitigkeiten, die Anlaß für die obengenannten Entscheidungen des erkennenden Senats und des BVerfG gegeben haben. Da aber die Entscheidung über den Umfang der Eintragung in das besondere Register lediglich von Rechtsfragen abhängt, die im Rahmen hinreichend bestimmter Rechtsbegriffe zu klären sind, besteht keine beachtliche Gefahr, daß etwaige sachfremde Einstellungen der ehrenamtlichen Richter zum Tragen kommen. Im übrigen gehört der Kläger - beschränkt - schon zu dem Kreis der Kassenzahnärzte insofern, als er durch seine Zulassung Mitglied der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung geworden ist (§ 5 ZulG), so daß in diesem Fall jedenfalls nicht erkennbar ist, wie eine neutralere Besetzung der Spruchkörper mit ehrenamtlichen Richtern bewerkstelligt werden könnte. - Der Vortrag des Klägers zu dem Übergewicht der ehrenamtlichen Richter am SG kann allenfalls einen Fehler des erstinstanzlichen Urteils, nicht aber einen Fehler des angefochtenen Urteils dartun.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erweiterung der Eintragung über den von der Beklagten anerkannten Umfang der Zahnheilkunde hinaus. Zutreffend hat das LSG entschieden, daß der Umfang der Eintragung in das besondere Verzeichnis nach § 3 Abs. 2 ZulG von dem Umfang der zahnbehandlerischen Tätigkeit in der Zeit vor Inkrafttreten des ZHG abhängt und daß spätere Tätigkeiten auf dem Gebiet der Zahnheilkunde grundsätzlich unbeachtlich sind. Diese schon aus dem Wortlaut der §§ 1, 3 Abs. 2 ZulG und § 19 ZHG sich ergebende Rechtslage kann nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil hiernach Tatsachen festgestellt werden müssen, die etwa zwei Jahr - zehnte zurückliegen und die für das Ausmaß der gegenwärtigen zahnbehandlerischen Tätigkeiten möglicherweise nicht mehr kennzeichnend sind.

Es braucht nicht geklärt zu werden, ob Bedenken bestünden, dem Kläger eine lange Jahre unter Duldung der Behörden ausgeübte berufliche Tätigkeit, die über die bis zum Inkrafttreten des ZHG ausgeübte Tätigkeit hinausgeht, nunmehr unter Berufung auf § 19 ZHG teilweise zu verbieten. Insbesondere kann unentschieden bleiben, ... ob auch in einem Verwaltungsrechtsstreit um ein solches Verbot der Kläger die Folgen zu tragen hätte, die sich daraus ergeben, daß der Umfang der zahnbehandlerischen Tätigkeit vor Inkrafttreten des ZHG nicht mehr genau feststellbar ist. Bei der Interessenlage des vorliegenden Rechtsstreits bestehen jedenfalls derartige Bedenken nicht. Denn es ist keine Beschränkung der bisherigen Tätigkeit im Streit; es geht im Gegenteil um die Frage, in welchem sachlichen Umfang der Kläger seine berufliche Tätigkeit auf die in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten und ihre Angehörigen ausdehnen darf. Diese Frage wird zwar in Anwendung eines die Berufsausübung regelnden Gesetzes entschieden, das unter dem Gesichtspunkt der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) zu prüfen ist. Hierbei ist aber zu beachten, daß das BVerfG bereits durch seinen Beschluß vom 25. Februar 1969 (BVerfG 25, 236, 253, 254) geklärt hat, daß die Zulassung zur zahnärztlichen Kassenpraxis keineswegs - wie dies durch das ZulG geschehen ist - grundsätzlich allen nach § 19 ZHG Berechtigten hätte gestattet werden müssen. Deshalb kann bei Zulassung grundsätzlich aller nach § 19 ZHG Berechtigten wenigstens der Nachweis dieser Berechtigung verlangt werden, wenn er auch zwei Jahrzehnte nach Inkrafttreten des ZHG bisweilen schwer zu erbringen ein wird. Die Beweisschwierigkeiten im Einzelfall sind jedenfalls kein Grund, der Beklagten und damit den gesetzlichen Krankenkassen und den Versicherten zuzumuten, Zahn behandelt ohne Prüfung ihrer Berechtigung in dem Umfang zur Kassenpraxis zuzulassen, in dem sie gegenwärtig tatsächlich die Zahnheilkunde ausüben. Da das LSG zur Feststellung aller für die Eintragung wesentlichen Tatsachen über den Wortlaut des § 2 ZulG, § 4 Abs. 2 b, Abs. 4 ZO-Zahnärzte hinausgehend die Glaubhaftmachung für ausreichend erachtet und auf der Grundlage dieser für den Kläger günstigen Auffassung das Gesamtergebnis des Verfahrens gewürdigt hat, kann der Kläger jedenfalls keine Bedenken aus den Beweisschwierigkeiten herleiten.

Eine Prüfung des Umfangs, in dem die Zahnheilkunde vor dem 1. April 1952 ausgeübt wurde, wäre nur dann hinfällig, wenn eine berufsrechtliche Feststellung des Umfangs der Berechtigung nach § 19 ZHG vorläge, die die Beklagte binden würde. Das ist nicht der Fall. Ein Verfahren zur positiven Feststellung ist im ZHG nicht vorgesehen. Die rechtskräftige Aufhebung der ortspolizeilichen Verbotsverfügung beinhaltet nicht die von dem Kläger in Anspruch genommene Feststellung der Berechtigung in vollem oder auch bloß in einem über die von der Beklagten zugestandene Eintragung hinausgehenden Umfang. Selbst wenn man davon absehen wollte, daß die Verbotsverfügung nicht von der für berufsrechtliche Maßnahmen zuständigen Behörde (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 19 Satz 2 und § 16 ZHG sowie später § 1 der Verordnung vom 14. April 1957 - GVBl Rheinland-Pfalz S. 59 -) erlassen wurde, und eine Bindungswirkung der tragenden Gründe des Urteils des Bezirksverwaltungsgerichts anzunehmen wäre, so könnte das genannte Urteil das Begehren des Klägers nicht stützen. Zwar ist in dem Urteil ausgeführt, die Verbotsverfügung könne auch nicht unter Beschränkung auf ein bestimmtes Gebiet der Zahnheilkunde aufrecht erhalten werden. Hierin ist aber nicht die Feststellung zu sehen, der Kläger dürfe auf allen Gebieten der Zahnheilkunde, wie sie in § 1 Abs. 2 ZHG definiert ist, tätig werden. Das Bezirksverwaltungsgericht macht vielmehr deutlich, daß es nur die Gebiete der Zahnheilkunde geprüft hat, auf denen der Kläger tätig war und die von der Verbotsverfügung erfaßt waren. Nach den Feststellungen des Bezirksverwaltungsgerichts war der Umfang der damaligen Tätigkeit sogar geringer - es fehlten Wurzelbehandlungen -, als von der Beklagten nunmehr anerkannt worden ist.

Die tatsächlichen Feststellungen des LSG rechtfertigen nicht die Folgerung, daß der Kläger in weiterem Umfang zur Zahnbehandlung berechtigt ist. Der Senat teilt die Auffassung des LSG, daß die Feststellung einer Mundbehandlung in Verbindung mit der Anpassung einer Prothese vor dem Stichtag nicht ausreicht, den Umfang der Berechtigung allgemein auf Mundbehandlungen auszudehnen. Von dem Sinn des § 19 ZHG her gesehen, der den Schutz eines beruflichen Tätigkeitsbereiches bezweckt, können nur nachhaltige und auf Dauer berechnete - eben berufliche - Tätigkeiten zu diesem Bereich zählen. Damit ist - was auch das LSG angedeutet hat - nicht ausgeschlossen, daß Mundbehandlungen, die als typische Folgen einer erlaubten Behandlung erforderlich werden, abrechnungsfähig sind.

Aus dem Revisionsvorbringen sind im übrigen keine formgerechten (vgl. § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG) Verfahrensrügen zu entnehmen, so daß der Senat an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen gebunden ist (§ 163 SGG). Insbesondere fehlt jeglicher Hinweis darauf, daß - entgegen dem eigenen Vortrag des Klägers vor dem LSG - Beweismittel zur Verfügung standen, die ergeben hätten, daß der Kläger vor dem 1. April 1952 schon kieferorthopädische Behandlungen durchgeführt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

NJW 1973, 2264

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