Orientierungssatz

Bei der Anpassung des Jahresarbeitsverdienstes von Verletzten, die zur Zeit des Arbeitsunfalls noch nicht 25 Jahre alt waren, ist das ortsübliche Entgelt maßgebend, wenn es günstiger als das tariflich festgesetzte ist (Anschluß an BSG 1975-04-24 8 RU 116/74 = SozR 2200 § 573 Nr 4).

 

Normenkette

RVO § 573 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 1973 aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Der am 18. April 1953 geborene Kläger erlitt am 12. November 1970 auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstätte (Autohaus V in Bad N) einen Unfall, bei dem er erheblich verletzt wurde. Zur Unfallzeit war er Kraftfahrzeugmechaniker-Lehrling. Die Gesellenprüfung legte er im Februar 1971 ab. Wegen der Unfallfolgen konnte er jedoch den erlernten Beruf auf Dauer nicht ausüben und begann am 1. März 1972 eine Lehre als Industriekaufmann.

Durch Bescheid vom 27. Juni 1972 gewährte die Beklagte dem Kläger eine vorläufige Rente vom 18. November 1971 an nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. Durch einen besonderen Bescheid von demselben Tag setzte sie den Jahresarbeitsverdienst (JAV) vom Rentenbeginn an gemäß § 573 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) wie folgt fest:

vom 18. 11. 1971 an (nach Vollendung des 18. Lebensjahres) auf 6907,68 DM,

vom 18. 4. 1972 an (Vollendung des 19. Lebensjahres) auf 7824,44 DM,

vom 18. 4. 1973 an (Vollendung des 20. Lebensjahres) auf 8741,20 DM,

vom 18. 4. 1974 an (Vollendung des 21. Lebensjahres) auf 9210,24 DM.

Sie führte in dem Bescheid aus, der "Tarif- oder ortsübliche Lohn" für einen Kfz-Mechaniker habe im Zeitpunkt des Arbeitsunfalles mit jährlicher Steigerung vom 18. bis zum 21. Lebensjahr stündlich 3,24, 3,67, 4,10 und 4,32 DM betragen. Sie ging aus von dem am Beschäftigungsort des Klägers im Unfallzeitpunkt gültigen Lohntarifvertrag für das Kraftfahrzeuggewerbe in R vom 20. Oktober 1970, der vom 1. November 1970 an für Jugendliche der Lohngruppe III (ua Gesellen im Kfz-Handwerk) die von der Beklagten zugrunde gelegten Stundenlöhne vorsieht. Der JAV errechnete sich aus der Vervielfältigung mit 41 Wochenstunden und 52 Wochen.

Durch Bescheid vom 26. September 1972 - während des Klageverfahrens - stellte die Beklagte die Rente ebenfalls nach einer MdE um 50 v.H. als Dauerrente fest. Wegen der Grundlagen für die Berechnung des JAV verwies sie auf den Bescheid vom 27. Juni 1972.

Der Kläger hat mit der Klage die Berechnung des JAV nach dem ortsüblichen Lohn begehrt, der nach einer Bescheinigung seines früheren Arbeitgebers bereits im ersten Jahr nach beendeter Lehre 5,- DM bis 5,25 DM betrage.

Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat durch Urteil vom 31. Januar 1973 die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 27. Juni 1972 (betr. Anpassung des JAV nach § 573 Abs. 2 RVO) dem Grunde nach verurteilt, den der Rente zugrunde zu legenden JAV nach dem ortsüblichen Entgelt zu berechnen, soweit dies für den Kläger günstiger als der Tariflohn sei. Nach seiner Auffassung ist bei der Anwendung des § 573 Abs. 2 RVO die dem Verletzten jeweils günstigere Regelung zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat mit der Berufung eingewandt, es bestehe gar kein ortsüblicher Lohn, er sei jedenfalls vom SG nicht festgestellt worden, möglicherweise auch nicht feststellbar.

Das LSG hat durch Urteil vom 12. Dezember 1973 die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen, soweit sie die vorläufige Rente betrifft. Im übrigen hat es das Urteil des SG geändert und die Klage gegen den Dauerrentenbescheid vom 26. September 1972 in Verbindung mit dem Bescheid vom 27. Juni 1972 über die Berechnung des JAV abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat es dahingestellt sein lassen, ob am Beschäftigungsort des Klägers überhaupt eine ortsübliche Entgeltregelung für Kraftfahrzeugmechaniker bestehe bzw. feststellbar sei. Nach dem Wortlaut des § 573 Abs. 2 RVO dürfe ein ortsübliches Arbeitsentgelt als JAV nur festgestellt werden, falls ein Tarifvertrag fehle. Dies entspreche auch dem Sinn der Vorschrift. Allein das mutmaßliche Arbeitsentgelt in der bereits zur Unfallzeit rechtsverbindlich festgestellten Höhe sei zu berücksichtigen. Diesem Erfordernis werde die Zugrundelegung des tariflichen Lohnes am ehesten gerecht. Hinzu komme, daß § 573 Abs. 2 RVO der Verwaltungsvereinfachung dienen solle und der Tariflohn sich schneller und zuverlässiger als der ortsübliche Lohn feststellen lasse. Das ortsübliche Entgelt sei im Gesetz nur erwähnt, um die Versicherten nicht zu benachteiligen, für die kein Tarifvertrag bestehe. In diesem Sinne sei auch § 565 RVO aF zu verstehen gewesen ("durch Tarif oder sonst allgemein festgesetzt"), an dessen Stelle § 573 Abs. 1 und 2 RVO getreten sei. Die Anwendung des § 573 RVO bedeute im Verhältnis zur Regelberechnung nach § 571 RVO eine Günstigerstellung des Versicherten; die wahlweise Anwendung der jeweils günstigeren tariflichen oder ortsüblichen Entgeltregelung würde auf eine von dem Sinn des § 573 RVO nicht mehr gedeckte zusätzliche Vergünstigung hinauslaufen. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger vertritt mit der Revision die Ansicht, bei der Anwendung des § 573 RVO gelte das Meistbegünstigungsprinzip. Bei der Ortsüblichkeit komme es auf den Beschäftigungsort an; hier habe der Lohn bei dem damaligen Arbeitgeber des Klägers schon im ersten Jahr nach Beendigung der Lehre 5,- DM bis 5,25 DM betragen. Hinsichtlich der Ortsüblichkeit habe der Kläger im Klageverfahren durch Benennung von drei Unternehmen Beweis angeboten. Da der Kläger zur Unfallzeit noch in Berufsausbildung gestanden habe, sei auch der Abs. 1 des § 573 RVO anwendbar und deshalb zu prüfen, ob der ortsübliche Lohn zur Zeit der Beendigung der Ausbildung höher als zur Zeit des Unfalls gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Dauerrente die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Koblenz vom 31. Januar 1973 zurückzuweisen,

hilfsweise,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gegenüber der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. April 1975 - 8 RU 116/74 (SozR 2200 § 573 Nr. 4) -, in der das ortsübliche Entgelt als maßgebend bezeichnet worden ist, wenn es günstiger als das tariflich festgesetzte ist, hält sie an ihrer Ansicht fest. Sie meint, der Wortlaut der Vorschrift lasse die vom BSG gefundene Auslegung nicht zu. Die Anwendung einer Begünstigungsklausel hinsichtlich tariflicher und ortsüblicher Regelungen sei auch nach dem Sinn der Vorschrift nicht gerechtfertigt. Die vergleichsweise Feststellung des ortsüblichen Entgelts würde zeitraubende Ermittlungen erfordern und überdies zu unbefriedigenden Ergebnissen führen.

II

Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.

Der Kläger wurde von dem Arbeitsunfall am 12. November 1970 im Alter von 17 Jahren während der Kraftfahrzeugmechanikerlehre betroffen; im Februar 1971 legte er die Gesellenprüfung ab. Da die Lehrlingsvergütung des Klägers im Jahre vor dem Arbeitsunfall (§ 571 Abs. 1 Satz 1 RVO; vgl. BSG 32, 169, 171) unter dem Dreihundertfachen des Ortslohns lag, der zur Zeit des Arbeitsunfalls für den Beschäftigungsort des Verletzten festgesetzt war (§ 575 RVO), mußte für die Festsetzung des JAV eine Vergleichsberechnung nach § 573 RVO ergeben, ob die Berechnung zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis führt.

Die Beklagte ist von dem im maßgeblichen Tarifvertrag zur Zeit des Arbeitsunfalls festgesetzten Stundenlohn eines Kraftfahrzeugmechanikers ausgegangen und hat hiernach den JAV, gestaffelt nach Lebensjahren (Vollendung des 18. bis 21. Lebensjahres), berechnet. Diese Anpassung nach § 573 Abs. 2 RVO führte schon vom Rentenbeginn an zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis. Zu Recht wendet sich der Kläger jedoch dagegen, daß die Beklagte eine Vergleichsberechnung nicht auch nach dem - wie der Kläger behauptet - höheren ortsüblichen Arbeitsentgelt durchgeführt hat.

Nach § 573 Abs. 2 RVO wird der JAV eines zur Zeit des Arbeitsunfalls noch nicht 25 Jahre alten Verletzten, wenn es für den Berechtigten günstiger ist, dem Arbeitsentgelt angepaßt, das zur Zeit des Arbeitsunfalls von der Vollendung eines bestimmten Lebensalters ab, höchstens aber des 25. Lebensjahres, für Personen mit gleichartiger Tätigkeit durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist. Zu der im Schrifttum und in der Rechtsprechung unterschiedlich beantworteten Frage, ob § 573 eine Rangfolge zwischen dem durch Tarif festgesetzten und dem ortsüblichen Arbeitsentgelt bestimmt (so LSG Hamburg in Breithaupt 1970, 110; LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1974, 393; LSG Rheinland-Pfalz in Breithaupt 1974, 481) oder ob das dem Verletzten jeweils günstigere - tarifliche oder ortsübliche - Arbeitsentgelt als JAV zugrunde zu legen ist (so LSG Niedersachsen in Breithaupt 1969, 123; Schleswig-Holsteinisches LSG in Breithaupt 1974, 936; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Stand: Mai 1975, Anm. 6 h zu § 573; Miesbach/Baumer, Die gesetzliche Unfallversicherung, Stand: Januar 1975, Anm. 6 zu § 573; jetzt auch Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl., Stand: September 1975, Kennzahl 440, S. 22 a, anders als noch in der 19. Lieferung, Stand: März 1975), hat der 8. Senat des BSG in einem Urteil vom 24. April 1975 (8 RU 116/74 - SozR 2200 § 573 Nr. 4) ausgesprochen, daß auch bei tariflich festgesetztem Arbeitsentgelt das günstigere ortsübliche Arbeitsentgelt für die Berechnung des JAV maßgebend ist. Der erkennende Senat hält diese Auffassung - auch unter Berücksichtigung der von der Revisionsbeklagten erhobenen Einwände - im Ergebnis für zutreffend und schließt sich ihr an.

Der Wortlaut der Vorschrift - "Arbeitsentgelt ..., das ... durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist" - zwingt entgegen der Meinung der Revisionsbeklagten schon wegen der verschiedenen Bedeutungsinhalte, die dem Wort "sonst" im Sprachgebrauch beigelegt werden, nicht dazu, einen Vorrang der tariflichen gegenüber der ortsüblichen Entlohnung anzunehmen. Vielmehr läßt der Wortlaut auch die Auslegung zu, daß durch die Verknüpfung der tariflichen und der ortsüblichen Regelung mit dem Wort "oder" eine Gleichrangigkeit zum Ausdruck kommt und das Wort "sonst" - attributiv - dem folgenden "ortsüblich" zugeordnet ist. Auch aus einem Vergleich des Wortlauts des § 573 RVO mit demjenigen des § 565 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 RVO i.d.F. des 6. ÄndG vom 9. März 1942 (RGBl I 107) - "Entgelt ..., der ... durch Tarif oder sonst allgemein ... festgesetzt ist" - läßt sich nicht zwingend folgern, § 573 RVO sehe anders als § 565 RVO aF eine Rangfolge vor. Allerdings kommt in der Wortfassung des § 565 RVO aF deutlicher zum Ausdruck, daß die beiden Regelungen gleichrangig nebeneinanderstehen und das Wort "sonst" im Sinne von "anderweitig" gebraucht ist. Andererseits aber kann die Übernahme des Gesetzestextes aus der bisherigen Vorschrift des § 565 RVO aF in das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG), soweit es sich um die Verbindung der beiden Regelungen durch die Wörter "oder sonst" handelt, eher als ein Anhalt dafür gewertet werden, daß eine Änderung im Sinne des Vorrangs der tariflich festgesetzten Lohnsteigerungen nicht gewollt war. Es hätte vielmehr nahegelegen, daß der Gesetzgeber des UVNG, falls er anders als nach der bisherigen Regelung des § 565 RVO aF eine Rangfolge bestimmen wollte, dies durch Hinzufügen eines Finalsatzes ähnlich wie bei der Fassung des § 575 Abs. 1 RVO etwa in der Form "oder, wenn ein Tarif fehlt, ..." zum Ausdruck gebracht hätte.

Der erkennende Senat hält es für ausschlaggebend, daß das vom 8. Senat gefundene Ergebnis dem Sinn des § 573 RVO und dem mit der Vorschrift erstrebten Zweck am besten gerecht wird. Die Regelung des § 573 RVO durchbricht den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatz, daß die Verdienstverhältnisse im Jahre vor dem Unfall für die Zukunft die Grundlage der Geldleistungen bleiben und zukünftige Erwerbsaussichten bei der Festsetzung des JAV nicht zu berücksichtigen sind. Sie dient dem Ausgleich von Nachteilen für Verletzte, die in jungen Jahren einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall noch nicht das volle Arbeitsentgelt erzielt haben. Die durch den Unfall herbeigeführte Beeinträchtigung der Aussichten auf zukünftige Einkommensentwicklungen berücksichtigt § 573 RVO allerdings nicht individuell in der Art, daß die persönlichen Verhältnisse und besonderen Eigenschaften des Verletzten - etwa seine größere oder geringere Befähigung oder Leistungsfähigkeit im Beruf - die Höhe des der Rente zugrunde zu legenden JAV bestimmen. Die Vorschrift setzt vielmehr verallgemeinernd bestimmte Bezugsgrößen - tarifliche oder ortsübliche Lohnsteigerungen nach Lebensjahren - als Maßstab fest. Die in jungen Jahren Verletzten sind zwar schon begünstigt, wenn der JAV nicht nach dem tatsächlich im Jahre vor dem Unfall erzielten Arbeitseinkommen (§ 571 RVO) oder nach dem Dreihundertfachen des Ortslohns (§ 575 RVO) berechnet, sondern an die tariflichen Lohnsteigerungen angepaßt wird. Der erstrebte Zweck, die Verletzten hinsichtlich der Berechnung des JAV so zu stellen, als hätten sie den Arbeitsunfall erst in einem höheren Lebensalter oder nach Beendigung ihrer Ausbildung erlitten, würde jedoch nur teilweise erreicht, wenn die tariflichen Lohnsteigerungen auch in den nicht seltenen Fällen maßgebend wären, in denen die tatsächliche Übung des Arbeitsmarktes über diese tariflichen Vereinbarungen dadurch hinweggegangen ist, daß ortsüblich mit dem Erreichen späterer Lebensjahre höhere Arbeitsentgelte gezahlt werden. Der mit der Anpassung des JAV verfolgten Zielsetzung entspricht es auch nach der Auffassung des erkennenden Senats, in solchen Fällen das reale ortsübliche Entgelt zugrunde zu legen und nicht einen geringeren Tariflohn, der den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspricht.

Die vergleichende Berechnung sowohl nach den tariflich festgesetzten als auch nach den ortsüblichen Lohnsteigerungen ist auch nicht undurchführbar oder mit einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand verbunden. Im jeweiligen Einzelfall beschränken sich die Ermittlungen des ortsüblichen Arbeitsentgelts in der Regel auf eine verhältnismäßig geringe Zahl von Unternehmen, in denen Personen mit gleichartiger Tätigkeit (§ 573 Abs. 2 RVO) beschäftigt sind. Im Hinblick auf die sachliche Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften nach Art und Gegenstand der Unternehmen (§ 646 Abs. 2 RVO) wird es sich darüber hinaus in der allgemeinen Unfallversicherung häufig in der Mehrzahl um Mitglieder derjenigen Berufsgenossenschaft handeln, die das ortsübliche Entgelt zu ermitteln hat. Falls erforderlich, können die ortsüblichen Arbeitsentgelte nach der Auffassung des Senats durch entsprechende organisatorische Maßnahmen, gegebenenfalls im Zusammenwirken der Versicherungsträger über ihre Verbände durch Austausch von Erhebungen und Informationen ermittelt werden.

Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Ermittlungen darüber angestellt, ob im vorliegenden Fall zur Zeit des Arbeitsunfalls ortsüblich nach dem Lebensalter gestaffelt ein übertarifliches Entgelt für Personen mit gleichartiger Tätigkeit, wie sie der Kläger verrichtet hat, gezahlt worden ist. Mangels der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat deshalb keine abschließende Entscheidung treffen. Die Sache ist vielmehr zurückzuverweisen, um dem LSG Gelegenheit zu den erforderlichen Ermittlungen zu geben. Da sich der Kläger im Unfallzeitpunkt noch in der Lehre - wenige Monate vor deren Beendigung - befand, ist im vorliegenden Fall auch eine Vergleichsberechnung nach § 573 Abs. 1 RVO durchzuführen. War das zur Zeit der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters tariflich festgesetzte oder ortsübliche Entgelt (§ 573 Abs. 1 RVO) höher als das nach § 573 Abs. 2 RVO für den Zeitpunkt des Arbeitsunfalls zu ermittelnde, so ist der JAV zunächst nach § 573 Abs. 1 RVO festzusetzen und gegebenenfalls für spätere Zeiträume an das dann günstigere nach § 573 Abs. 2 RVO anzupassen. Dabei wird das LSG, da die Berufung der Beklagten hinsichtlich der vorläufigen Rente nicht zulässig ist, in der Sache nur über den der Dauerrente zugrunde zu legenden JAV neu zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650198

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