Orientierungssatz

KBLG Art 12, nach der die erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Beschädigten beantragte Hinterbliebenenrente frühestens mit dem Antragsmonat beginnt, läßt Ausnahmen auch dann nicht zu, wenn der Antragsteller gesetzlich nicht vertreten und infolgedessen an einer früheren Antragstellung gehindert war. Der Rechtsgedanke des BGB § 206 Abs 1 ist auf solche Fälle nicht anwendbar.

 

Normenkette

BGB § 206 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juni 1961 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der ... 1935 geborene Kläger ist der uneheliche Sohn der C M geb. R. Sein Vater O E ist im Jahre 1941 als Soldat gefallen. Mutter und Sohn kamen im Mai 1947 nach ihrer Vertreibung aus Ostpreußen über Dänemark nach Deutschland in den Landkreis H. Am 16. Oktober 1948 beantragte die Mutter bei dem Kreisjugendamt H, die bis zur Vertreibung vom Kreisjugendamt Pr. E geführte Vormundschaft zu übernehmen und Ansprüche auf Waisenrente geltend zu machen. Das Vormundschaftsgericht stellte am 21. Oktober 1948 den Eintritt der Amtsvormundschaft fest. Das Kreisjugendamt beantragte mit Schreiben vom 27. November 1948, eingegangen bei der damals zuständigen Landesversicherungsanstalt (LVA) am 1. Dezember 1948, die Gewährung einer Waisenrente nach dem Körperbeschädigten-Leistungsgesetz (KBLG). Der Antrag wurde durch Bescheid des Versorgungsamts (VersorgA.) U vom 23. März 1954 abgelehnt. Der Widerspruch führte zu dem Erfolg, daß durch Bescheid des Landesversorgungsamts (LVersorgA), Rechtsmittelabteilung in U, vom 26. März 1955 die Waisenrente dem Grunde nach mit Wirkung vom 1. Dezember 1948 zuerkannt wurde. Mit Schreiben vom 17. Mai 1955 beantragte das Kreisjugendamt beim VersorgA U, den Beginn der Rente auf den 1. Juni 1947 vorzuverlegen, weil die erste polizeiliche Meldung in diesem Monat stattgefunden habe, der Antrag auf Waisenrente mangels eines gesetzlichen Vertreters aber nicht früher habe gestellt werden können. In dem Bescheid vom 13. Juli 1955, der nach seinem Eingangsvermerk "auf Grund des Vergleichsangebots des Landesversorgungsamts - Rechtsmittelabteilung U - vom 26. März 1955" erlassen ist, setzte das VersorgA U die dem Kläger vom 1. Dezember 1948 an nach dem KBLG zu zahlende Waisenrente auf monatlich 27,- DM fest und führte weiter aus, daß eine Vorverlegung der Zahlung vor dem 1. Dezember 1948 nicht möglich sei, da der Antrag am 1. Dezember 1948 gestellt und "das Angebot auch somit angenommen wurde". Die in diesem Bescheid vorgedruckte Rechtsmittelbelehrung ist gestrichen und enthält an deren Stelle die Worte "siehe beil . Bescheid ab 1.10.1950". In einem ebenfalls am 13. Juli erlassenen Bescheid, der den gleichen Eingangsvermerk wie der andere Bescheid von diesem Tage trägt, ist die Waisenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 1. Oktober 1950 an festgesetzt worden. Dieser Bescheid enthält an Stelle der gestrichenen Rechtsmittelbelehrung den Vermerk: "Dem Widerspruch ist mithin voll abgeholfen."

Das Sozialgericht (SG) verurteilte den Beklagten, die Waisenrente bereits vom 1. Mai 1947 an zu gewähren. Seiner Meinung nach konnte dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 206 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend auch die Antragsfrist nach Art. 12 KBLG nicht vor Übernahme der Vormundschaft beginnen, so daß die Rente deshalb bereits vom Zuzugsmonat an zu gewähren sei. Die Berufung wurde zugelassen.

Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 30. Juni 1961 das Urteil des SG auf und wies die Klage ab. Das LSG führte aus, nach Art. 12 Abs. 1 und 2 KBLG entstehe der Anspruch auf Hinterbliebenenrente frühestens mit dem auf den Sterbetag folgenden Tag; sei er aber erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Tode geltend gemacht worden, so beginne die Zahlung frühestens mit dem Monat, in dem die Anmeldung erfolgt sei. Die Anmeldung sei ein materiell-rechtliches Erfordernis des Anspruchs, der erst mit der Anmeldung entstehe, auch wenn alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei sei es nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. März 1961 - 11 RV 704/59 - unerheblich, aus welchem Grunde eine frühere Anmeldung unterblieben ist. Der Art. 9 KBLG betreffe nicht den Beginn der Rente, sondern die Voraussetzungen, unter denen der Anspruch ausnahmsweise auch nach Ablauf der für die Anmeldung bestimmten Frist noch geltend gemacht werden konnte. In Art. 12 KBLG sei eine dem Art. 9 Abs. 1 Nr. 3 KBLG entsprechende Regelung nicht enthalten, der Wortlaut dieser Vorschrift lasse eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß für den Beginn der Rente der Anmeldemonat maßgebend ist, nicht zu. Der allgemeine Rechtsgedanke, auf den sich das SG in seinem Urteil bezogen habe, bedeute nur, daß ein Geschäftsunfähiger seine Rechte nicht durch Fristablauf verliere, sofern sie innerhalb einer bestimmten Frist nach Wegfall des Hindernisses geltend gemacht sind. Daraus folge aber nicht, daß ein Berechtigter so zu stellen wäre, als wenn er den Anspruch zum frühest möglichen Termin erhoben hätte. Im übrigen hätte die seit Mai 1947 im Kreis H ansässige Mutter des Klägers den Anspruch auf Waisenrente schon vor Oktober 1948 anmelden können. Der Umstand, daß der Amtsvormund von der Anwesenheit des Klägers nicht früher Kenntnis erhalten habe, berechtige nicht, den Beginn der Rente auf einen Zeitpunkt vor der tatsächlichen Anmeldung am 1. Dezember 1948 vorzuverlegen. Die Rechtsauffassung des BSG aaO werde von dem Beschluß des Großen Senats des BSG vom 9. Juni 1961 - GS 2/61 - (BSG 14, 246) nicht berührt, da dieser nur die Anwendung der Ausschlußfristen betreffe, die in § 58 Abs. 1 BVG aF ähnlich wie in Art. 9 KBLG geregelt waren, aber nicht die Auslegung des Art. 12 KBLG. Die in dieser Vorschrift getroffene Regelung verstoße auch nicht gegen die Art. 3 und 20 des Grundgesetzes (GG). Die Revision wurde zugelassen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 5. August 1961 zugestellte Urteil des LSG am 31. August 1961 Revision eingelegt und sie gleichzeitig begründet. Er beantragt,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30. Juni 1961 aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Der Kläger rügt, daß das LSG § 206 BGB nicht entsprechend angewandt habe. Die Anwendung dieser Regelung werde durch § 61 Abs. 2 BVG nicht ausgeschlossen und sei auch schon vom früheren Reichsversicherungsamt (RVA) zugelassen worden. Dem Kläger dürfe kein Schaden daraus erwachsen, daß der Staat die einem Mündel gegenüber obliegenden Maßnahmen unterlasse. Außerdem habe das LSG gegen die Art. 3 und 20 GG verstoßen; denn durch die Anwendung des § 61 Abs. 2 BVG werde der Kläger als uneheliches Kind und Flüchtling schlechter gestellt als die nicht zu diesem Kreis gehörenden unehelichen Kinder. Die Zahl der unehelichen Kinder, die sich in der gleichen Lage befänden wie der Kläger, sei so erheblich, daß geradezu eine Bevölkerungsgruppe benachteiligt werde. Schließlich habe das Jugendamt innerhalb von sechs Monaten nach Übernahme der Vormundschaft den Rentenanspruch geltend gemacht, so daß auch aus diesem Grunde eine Vorverlegung des Beginns der Rente geboten erscheine.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend, weil es mit der Rechtsauffassung des BSG in den Urteilen vom 23. März 1961 - 11 RV 704/59 und 11 RV 724/59 - übereinstimme.

Die Revision ist durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und, da sie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist, auch zulässig (§§ 164, 166 SGG). Sie ist aber nicht begründet.

Die Revision ist auf eine Verletzung des § 62 Abs. 2 BVG gestützt. Gemeint ist aber Art. 12 Abs. 2 KBLG, da der Streit eindeutig um den Beginn von Leistungen nach dem KBLG geht. Die falsche Bezeichnung der verletzten Rechtsvorschrift ist jedoch unschädlich.

Die Revision kann gem. § 162 Abs. 2 SGG auf eine Verletzung der hier in Betracht kommenden Vorschriften des KBLG für das ehemalige Land Württemberg-Baden gestützt werden, da gleiche Vorschriften in allen Ländern der früheren amerikanischen Besatzungszone gegolten haben und damit über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus geltendes Recht gewesen sind (vgl. BSG 1, 56, 59).

Bei der zugelassenen Revision hat das Revisionsgericht, bevor es über die Revision auf Grund der geltend gemachten Revisionsgründe entscheidet, von Amts wegen zu prüfen, ob diejenigen Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des gesamten Verfahrens abhängt. Dabei ist insbesondere auf Mängel zu achten, die sich daraus ergeben, daß unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen nicht beachtet worden sind, auch wenn der Mangel schon im Klageverfahren oder im Berufungsverfahren unterlaufen ist. Zu den in jeder Lage des sozialgerichtlichen Verfahrens von Amts wegen zu prüfenden Prozeßvoraussetzungen gehört die ordnungsmäßige Abwicklung des Vorverfahrens und die Zulässigkeit der Klage, da, falls in dieser Hinsicht Mängel festzustellen sind, auch das Revisionsverfahren seiner Grundlage entbehrt. Im vorliegenden Fall ist zum Bescheid vom 13. Juli 1955 kein Widerspruchsbescheid ergangen, andererseits ist die am 8. August 1955 erhobene Klage, wenn sie gegen den Widerspruchsbescheid vom 26. März 1955 gerichtet war, nicht innerhalb der Monatsfrist des § 87 SGG erhoben worden. Es kommt daher zunächst darauf an, ob die Klage gegen den Bescheid vom 13. Juli 1955 gerichtet war, der entgegen der Auffassung des SG nicht vom LVersorgA, sondern vom VersorgA erlassen ist und daher auch nicht einen Widerspruchsbescheid ersetzen kann. Im Gegensatz zu der Auffassung des LSG kann dieser Bescheid auch nicht als Ergänzung des Widerspruchsbescheids vom 26. März 1955 angesehen werden, jedenfalls nicht insoweit, als in ihm der Vermerk über den Beginn der Rente enthalten ist. Der Beginn der Rente war bereits in dem Widerspruchsbescheid vom 26. März 1955 auf den 1. Dezember 1948 festgesetzt worden. Selbst wenn in dem Bescheid vom 13. Juli 1955 eine selbständige Ablehnung des Antrags des Klägers vom 17. Mai 1955 (auf Erlaß eines Zugunstenbescheides hinsichtlich des Beginns der Rente) zu sehen wäre, würde das Vorverfahren zum Bescheide vom 13. Juli 1955 fehlen.

Die Klage war in Wirklichkeit aber gegen den Widerspruchsbescheid vom 26. März 1955 gerichtet. Wenn mit der Klage auch beantragt worden war, den Bescheid des VersorgA vom 13. Juli 1955 zu ändern und den Beginn der Rente auf den 1. Juni 1947 festzusetzen, so richtete sich die Klage in Wirklichkeit doch gegen den Widerspruchsbescheid vom 26. März 1955, und zwar insoweit, als dem Kläger durch diesen Bescheid die Waisenrente erst ab 1. Dezember 1948 zuerkannt worden war. Der Bescheid vom 13. Juli 1955 enthält im Verhältnis zum Widerspruchsbescheid vom 26. März 1955 nur insofern eine selbständige Regelung, als darin die Höhe der bereits durch den Widerspruchsbescheid dem Grunde und dem Zeitpunkt des Beginns nach festgesetzten Rente bestimmt ist. Soweit der Bescheid über die Höhe der Waisenrente nach dem KBLG vom 13. Juli 1955 den Vermerk trägt, eine Zahlungsvorverlegung vor dem 1. Dezember 1948 sei nicht möglich, so kann die rechtliche Bedeutung dieses Zusatzes dahinstehen, insbesondere kann dahinstehen, ob darin nach Form und Inhalt überhaupt ein Verwaltungsakt zu sehen ist und ob es sich um eine nochmalige Bestätigung des Zeitpunktes des Rentenbeginns oder um eine Ablehnung des Antrags vom 17. Mai 1955 - als Antrag auf Erlaß eines Zugunstenbescheides - handelt. Jedenfalls kann der Vermerk an der Tatsache nichts ändern, daß der Rentenbeginn im Widerspruchsbescheid vom 26. März 1955 festgesetzt worden ist. Mithin richtete sich die Klage in Wirklichkeit gegen den Widerspruchsbescheid, durch den sich der Kläger insoweit beschwert fühlte, als ihm die Waisenrente nicht bereits vom 1. Juni 1947, sondern erst vom 1. Dezember 1948 zuerkannt worden war.

Diese Klage ist auch rechtzeitig erhoben. Sie ist zwar erst am 10. August 1955 beim SG Ulm eingegangen. Da aber der mit der Klage angegriffene Widerspruchsbescheid vom 26. März 1955 nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war, konnte sie noch innerhalb eines Jahres nach dessen Zustellung erhoben werden (§ 66 Abs. 2 SGG). Damit entfallen aber die hinsichtlich der Prozeßvoraussetzungen (Durchführung des Vorverfahrens und fristgerechte Klageerhebung) erwähnten Bedenken. Der Sache nach geht der Streit nur noch darum, ob dem Kläger die Rente bereits vom 1. Juni 1947 an zusteht.

Art. 12 Abs. 1 KBLG bestimmte, daß der Anspruch auf Hinterbliebenenrente frühestens mit dem auf den Sterbetag folgenden Tag entsteht; wenn der Anspruch auf Hinterbliebenenrente erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Tode geltend gemacht wurde, begann die Rente mit dem Monat, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung der Rente erfüllt waren, frühestens mit dem Monat, in dem der Anspruch angemeldet wurde (Abs. 2 des Art. 12 KBLG). Das bedeutet, daß der Anspruch auf Zahlung der Rente von einem früheren Zeitpunkt als dem der Antragstellung nur bestand, wenn dieser innerhalb der Frist von einem Jahr nach dem Tode geltend gemacht worden war. Sonst konnte die Rente nicht rückwirkend für eine Zeit vor der Antragstellung bewilligt werden.

In gleicher Weise wie früher im KBLG ist der Beginn der Hinterbliebenenrente später im § 61 Abs. 1 und Abs. 2 BVG - jedenfalls soweit es sich um den Wortlaut dieses Gesetzes in den bis zum Inkrafttreten des Zweiten Neuordnungsgesetzes (1. Januar 1964) geltenden Fassungen handelt - geregelt worden. Der 8. Senat des BSG hat bereits in dem Urteil vom 23. November 1962 - 8 RV 769/61 - entschieden, daß der § 61 Abs. 2 BVG eine Ausnahme vom Beginn der Rente erst vom Antragsmonat an auch dann nicht zuläßt, wenn geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen ohne gesetzlichen Vertreter rechtswirksam innerhalb eines Jahres nach dem Tode des Beschädigten einen Antrag nicht stellen konnten. Die Anwendung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 206 Abs. 1 BGB sei hier nicht möglich. Voraussetzung für die Entstehung jedes Versorgungsanspruchs sei die Anmeldung oder der Antrag, der nicht nur verfahrensrechtliche, sondern überwiegend materiell-rechtliche Bedeutung habe, insoweit nämlich, als der Versorgungsanspruch erst entsteht, wenn zur Verwirklichung der übrigen gesetzlich bestimmten Tatbestandsmerkmale ein entsprechender Antrag kommt (vgl. BSG 2, 289, 293; 7, 119, 120 und 187, 190). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und des Wortlauts des § 61 Abs. 2 BVG könne ein Anspruch auf Waisenrente, wenn der gesetzliche Vertreter den Antrag später als ein Jahr nach dem Tode des Beschädigten gestellt hat, frühestens mit dem Beginn des Monats entstehen, in dem der Anspruch angemeldet worden ist. Die Anwendung des aus § 206 Abs. 1 BGB hergeleiteten Rechtsgedankens - wesentlich entsprechende Regelungen enthielten für das Gebiet der Kriegsopferversorgung die am 1. Juni 1960 aufgehobenen Vorschriften des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 BVG und für Hinterbliebene § 58 Abs. 1 Satz 3 BVG aF - sei deshalb ausgeschlossen, weil dieser Grundgedanke nur die Verhütung eines durch Fristablauf eintretenden Verlustes von Rechten eines der gesetzlichen Vertretung entbehrenden Geschäftsunfähigen betreffe, nicht aber gleichermaßen für den Beginn der Zahlung zur Anwendung kommen könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des RVA vom 11. Januar 1939 zu § 1286 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF (AN 1939, 208), weil eine unterschiedliche Behandlung zwischen Berechtigten, die als Geschäftsfähige an der rechtzeitigen Antragstellung durch außerhalb ihres Willens liegende Verhältnisse verhindert und solchen, die in der Geschäftsfähigkeit beschränkt waren, nach dem damaligen Recht der RVO zwar in der Sozialversicherung erlaubt gewesen sei, im Recht der Kriegsopferversorgung aber wegen der andersartigen Regelung nicht möglich sei. Die Vorschrift des den Beginn der Zahlung der Hinterbliebenenrente regelnden § 61 Abs. 2 BVG lasse mangels einer den §§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2, 58 Abs. 1 Satz 3 BVG aF entsprechenden Regelung keine Ausnahme von dem Grundsatz zu, daß für den Beginn der Zahlung allein der Antragsmonat maßgebend ist, sofern der Anspruch nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Tode geltend gemacht worden ist.

Von dieser Rechtsauffassung, von der abzuweichen der erkennende Senat keinen Anlaß sieht, ist auch im vorliegenden Fall bei der Anwendung des Art. 12 Abs. 2 KBLG auszugehen, der für den Beginn der Hinterbliebenenrente die gleiche Regelung enthalten hat wie § 61 Abs. 2 BVG. Auch nach Art. 12 Abs. 2 KBLG ist für den Beginn der Zahlung der Hinterbliebenenrente unerheblich, aus welchen Gründen der Anspruch nicht innerhalb der in dieser Vorschrift vorgesehenen Frist angemeldet worden ist. Zwar war in Art. 10 Abs. 2 in Verb. mit Art. 9 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 KBLG die gleiche Regelung getroffen wie in den bis zum 1. Juni 1960 geltenden §§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2, 58 Abs. 1 Satz 3 BVG. Sie betraf wie diese aber nur die Ausnahmen von der Ausschlußfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen, ohne etwas über den Beginn der Renten zu sagen, falls die Ausschlußfrist ausnahmsweise noch nicht abgelaufen war. Art. 12 KBLG ließ daher seinem Wortlaut nach ebensowenig wie § 61 Abs. 2 BVG eine Ausnahme von dem Grundsatz zu, daß für den Beginn der Zahlung ausschließlich der Anmeldemonat maßgebend ist, wenn der Anspruch nach Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Beschädigten geltend gemacht wurde.

Daß die Regelung über den Beginn der Hinterbliebenenrente in Art. 12 Abs. 2 KBLG - Entsprechendes mußte für § 61 Abs. 2 BVG wohl gelten - als lückenhaft anzusehen wäre, so daß die Lücke ausgefüllt werden müßte, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil der Gesetzgeber den Grundgedanken des § 206 BGB zwar bei der Regelung über die Ausnahmen von der Ausschlußfrist für die Anmeldung von Ansprüchen, aber nicht bei der Regelung des Beginns der angemeldeten Ansprüche berücksichtigt hat, so daß bei Art. 12 KBLG keine Ausnahme für den Fall vorgesehen ist, daß der Antragsteller durch außerhalb seines Willens liegende Verhältnisse an früherer Antragstellung verhindert war. Schließlich widersprach Art. 12 Abs. 2 KBLG den Art. 3 und 20 GG ebensowenig wie der damit inhaltlich übereinstimmende § 61 Abs. 2 BVG. Der Art. 3 GG kann hier schon deshalb nicht verletzt sein, weil der Kläger hinsichtlich des Beginns seiner Waisenrente nicht anders behandelt wurde wie alle anderen Waisen, die sich in der gleichen Lage befanden. Im Art. 12 KBLG ist weder eine Unterscheidung nach unehelichen oder ehelichen Waisen noch nach den aus Kreisen der Einheimischen oder der Vertriebenen abstammenden Waisen getroffen. Ebenso betraf in seiner praktischen Auswirkung der Art. 12 KBLG vorwiegend nicht nur die Gruppe der unehelichen Waisen. Die dahingehende Behauptung des Klägers ist durch irgendwelche Unterlagen nicht gestützt. Inwiefern die für den Beginn der Hinterbliebenenrente durch Art. 12 KBLG vorgeschriebene Regelung gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit (Art. 20 GG) verstoßen soll, wie der Kläger vorträgt, ist nicht erkennbar.

Mithin konnte im vorliegenden Falle die Waisenrente gem. Art. 12 KBLG erst vom 1. Dezember 1948 an gewährt werden, weil der vom Kreisjugendamt als dem gesetzlichen Vertreter des Klägers gestellte Antrag auf Gewährung einer Waisenrente nach dem bereits 1941 verstorbenen Vater des Klägers erst am 1. Dezember 1948 beim VersorgA eingegangen war. Die Entscheidung des LSG ist somit zu Recht ergangen. Die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380320

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge