Leitsatz (amtlich)

DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 5 Abs 2 Fassung: 1968-02-28, nach dem eine 10jährige Tätigkeit oder eine 5jährige selbständige Tätigkeit dem Abschluss einer Berufsausbildung gleichsteht, ist eine sachlich-rechtliche Änderung der früher erlassenen DV § 30 Abs 3 und 4 BVG und kann daher vor seinem Inkrafttreten (1967-01-01), also im zeitlichen Geltungsbereich des DV § 5 Abs 1 vom 1964-07-30 keine Anwendung finden.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1964-02-21, Abs. 4 Fassung: 1964-02-21, Abs. 3 Fassung: 1966-12-28, Abs. 4 Fassung: 1966-12-28, § 40a Abs. 2 S. 2 Fassung: 1964-02-21, S. 2 Fassung: 1966-12-28; BVG § 30 Abs. 3 DV § 5 Abs 1 Fassung: 1964-07-30; BVG § 30 Abs. 3 u 4 DV § 5 Abs. 2 Fassung: 1968-02-28

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 9. September 1969 aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 25. Juli 1968 wird in vollem Umfang als unbegründet zurückgewiesen.

3. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin bezieht Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Ihr im Jahre 1897 geborener Ehemann, der 1942 an den Folgen einer Schädigung im Sinne des BVG verstorben ist, erlernte nach Abschluß der Volksschule das Malerhandwerk, legte im Jahre 1916 die Gesellenprüfung ab und arbeitete bis 1920 als Malergeselle. Sodann besuchte er 1/2 Jahr lang eine Kunsthochschule und arbeitete daraufhin zunächst bis 1925 im elterlichen Bildschnitzerbetrieb und von 1925 bis 1935 selbständig als Bildschnitzer. Von 1935 bis zu seiner Einberufung im August 1939 betrieb er gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Obst- und Gemüsehandel.

Die Klägerin beantragte im Mai 1965 die Gewährung eines Schadensausgleichs nach § 40 a BVG. Diesen Antrag lehnte die Versorgungsbehörde mit Bescheid vom 3. Januar 1966 ab, weil das Einkommen der Klägerin unter Zugrundelegung eines Durchschnittseinkommens ihres Ehemannes gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964 (BGBl I 574 - DVO 1964 -) nach der Besoldungsgruppe A 5 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) nicht um mindestens 50,- DM geringer sei als die Hälfte des Einkommens, das ihr Ehemann ohne die Schädigung erzielt hätte. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. März 1966).

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 25. Juli 1968 die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat die Versorgungsbehörde mit Bescheid vom 25. Februar 1969 der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1967 an, dem Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 20. Januar 1967 (BGBl I 141 - 3. NOG -), Schadensausgleich unter Zugrundelegung des Durchschnittseinkommens der Besoldungsgruppe A 7 BBesG (§ 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 28. Februar 1968; BGBl I 194 - DVO 1968 -) bewilligt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 9. September 1969 auf die Berufung der Klägerin das angefochtene Urteil und den Bescheid vom 3. Januar 1966 abgeändert, den Bescheid vom 8. März 1966 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 1964 bis zum 31. Dezember 1966 Schadensausgleich unter Zugrundelegung des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 7 zuzüglich Ortszuschlag nach Stufe 2 und Ortsklasse A BBesG als Einkommen des Ehemannes zu gewähren; im übrigen hat es die Berufung der Klägerin - soweit es sich um den Schadensausgleich für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1964 handelt - zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß zwischen den Beteiligten nur noch die Gewährung des Schadensausgleichs an die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1966, also während der Geltungsdauer des BVG idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85 - 2. NOG -), streitig sei. Trotzdem betreffe die Berufung nicht die Versorgung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum im Sinne des § 148 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); denn im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung, der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels maßgebend sei, habe die Klägerin noch den Schadensausgleich für unbestimmte Zeit begehrt. Dadurch, daß der Beklagte während des Berufungsverfahrens mit dem Bescheid vom 25. Februar 1969 für die Zeit vom 1. Januar 1967 an einen Schadensausgleich an die Klägerin zuerkannt habe, werde die Berufung nicht nach § 148 Nr. 2 SGG unzulässig.

Die Berufung sei - wie das LSG weiter ausgeführt hat - teilweise begründet; der Klägerin stehe für die Zeit vom 1. Oktober 1964 an Schadensausgleich zu, weil von diesem Zeitpunkt an ihr Einkommen um mindestens 50,- DM geringer sei als die Hälfte des Einkommens, das ihr Ehemann ohne die Schädigungsfolge erzielt hätte. Als Einkommen des Ehemannes müsse gemäß § 5 Abs. 1 DVO 1964 die Besoldungsgruppe A 7 BBesG zuzüglich der gesetzlichen Zuschläge bei der Feststellung des Schadensausgleichs herangezogen werden, wobei der Berechnung nur 75 v. H. des Einkommens zugrunde zu legen sei, weil der Ehemann der Klägerin im Jahre 1964 bereits das 65. Lebensjahr vollendet hätte (§ 3 Abs. 5 DVO 1964). Der Ehemann der Klägerin sei nämlich vor seiner Einberufung, und zwar seit 1925, selbständig tätig gewesen, so daß sich das Durchschnittseinkommen nach § 5 der DVO 1964 berechne. Diese Tätigkeit hätte der Ehemann der Klägerin im Falle seiner Heimkehr wahrscheinlich auch wieder aufgenommen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß er nach Rückkehr als Unselbständiger tätig geworden wäre. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung wäre er wieder im Obst- und Gemüsehandel tätig geworden und nicht etwa als selbständiger Holzschnitzer. Sodann hat das LSG weiter ausgeführt, daß der Ehemann der Klägerin in dem Beruf als selbständiger Obst- und Gemüsehändler, also dem eines selbständigen Kaufmanns, keine kaufmännische Ausbildung erhalten habe; dennoch könne er nicht - wie der Beklagte und das SG angenommen hätten - nur in die Besoldungsgruppe A 5 BBesG eingestuft werden (selbständig Tätige mit Volksschulbildung ohne abgeschlossene Berufsausbildung), vielmehr müsse er einem Selbständigen mit Volksschulbildung und abgeschlossener Berufsausbildung gleichgestellt werden. Bei diesem Berufsbild könne zwar nicht die abgeschlossene Lehre im Malerhandwerk berücksichtigt werden, denn diese handwerkliche Lehre sei für den Beruf des Obst- und Gemüsehändlers nicht typisch und auch nicht förderlich. Die Gleichstellung sei jedoch deshalb gerechtfertigt, weil der Ehemann der Klägerin mehr als fünf Jahre vor der Schädigung selbständig tätig gewesen sei. In § 5 Abs. 2 DVO 1968 werde nämlich der Abschluß einer Berufsausbildung im Sinne des Abs. 1 u. a. auch einer fünfjährigen selbständigen Tätigkeit in dem Beruf gleichgestellt, auf dessen Ausübung sich die Schädigung nachteilig auswirke. Diese in § 5 Abs. 2 der DVO 1968 getroffene Regelung weiche nicht von der früheren Regelung der DVO 1964 ab, sondern bringe nur das zum Ausdruck, was auch in § 5 Abs. 1 der DVO 1964 von Anfang an enthalten gewesen sei. Demzufolge müsse das Durchschnittseinkommen nach der Besoldungsgruppe A 7 des BBesG bei der Feststellung des Schadensausgleichs herangezogen werden. Bei der Gegenüberstellung des Einkommens der Klägerin und der Hälfte des Einkommens, das ihr Ehemann gehabt hätte, ergebe sich für die Zeit vom 1. Oktober 1964 an eine Einkommensminderung von mindestens 50,- DM monatlich, so daß ihr von diesem Zeitpunkt an Schadensausgleich zu gewähren sei.

Wegen des weiteren Inhalts des angefochtenen Urteils wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte hat gegen dieses ihm am 22. September 1969 zugestellte Urteil mit einem am 22. Oktober 1969 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Telegramm Revision eingelegt und diese mit einem am 23. Oktober 1969 beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom 22. Oktober 1969 begründet.

Er beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Berufung der Klägerin völlig zurückzuweisen.

In seiner Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, rügt der Beklagte eine Verletzung des § 5 Abs. 1 der DVO 1964 durch das LSG und trägt hierzu insbesondere vor, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts könne die in § 5 Abs. 2 der DVO 1968 für die Zeit nach dem Inkrafttreten des 3. NOG - dem 1. Januar 1967 - getroffene Regelung nicht auch im Geltungsbereich der DVO 1964, also für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1966, Anwendung finden. Die in § 5 Abs. 2 der DVO 1968 getroffene Regelung sei nicht nur eine gesetzliche Interpretation des § 5 Abs. 1 der DVO, aus der zu entnehmen sei, wie § 5 Abs. 1 der DVO 1964 schon immer hätte angewendet werden müssen; vielmehr handele es sich bei der Neuregelung des § 5 Abs. 2 der DVO 1968 um eine sachlich-rechtliche Gesetzesänderung, die erst vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, dem 1. Januar 1967 an, angewendet werden dürfe.

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen und dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.

Sie ist der Meinung, daß die vom LSG vertretene Rechtsauffassung zutreffend ist.

Zur Darstellung ihres weiteren Vorbringens wird auf ihre Revisionserwiderung vom 18. November 1969 verwiesen.

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Die Revision ist auch begründet.

In prozessualer Hinsicht hat das LSG zutreffend die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG als zulässig angesehen. Die Klägerin hat zwar in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG nur noch Schadensausgleich für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis zum 31. Dezember 1966, also für einen abgelaufenen Zeitraum, begehrt. Diese Beschränkung ihres Antrages ergab sich jedoch daraus, daß der Beklagte nach Einlegung der Berufung durch die Klägerin - zu diesem Zeitpunkt war der Schadensausgleich noch für einen unbegrenzten Zeitraum streitig - mit dem nach § 96 SGG vom Verfahren erfaßten Bescheid vom 25. Februar 1969 der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1967 an den Schadensausgleich in der begehrten Höhe zuerkannt hatte. Betrifft aber die Berufung im Zeitpunkt ihrer Einlegung eine zeitlich unbegrenzte Versorgungsleistung, so wird sie nicht deshalb gemäß § 148 Nr. 2 SGG unzulässig, weil die Berufungsklägerin während des Berufungsverfahrens ihren Antrag auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum beschränkt, nachdem der Beklagten den geltend gemachten Anspruch für die spätere Zeit anerkannt hat (s. dazu BSG in SozR SGG § 146 Nr. 6).

In materiell-rechtlicher Hinsicht hat das LSG zu Unrecht angenommen, daß der Berechnung des Schadensausgleichs der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis zum 31. Dezember 1966, also für die Zeit während der Geltungsdauer des § 40 a BVG idF des 2. NOG und der hierzu erlassenen DVO 1964, als Durchschnittseinkommen des Ehemannes der Klägerin das der Besoldungsgruppe A 7 des BBesG zugrunde zu legen ist. Als Durchschnittseinkommen, das als Einkommen des Ehemannes zur Feststellung des Schadensausgleichs dem von der Witwe erzielten Bruttoeinkommen zuzüglich der Grund- und Ausgleichsrente sowie des Zuschlags nach § 41 Abs. 4 BVG gegenüberzustellen ist, gilt nach § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG in der hier anzuwendenden Fassung des 2. NOG das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, welcher der Verstorbene angehört hat oder ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hätte. Für die Beurteilung der Frage, in welche Berufs- oder Wirtschaftsgruppe der Ehemann eingeordnet werden muß, ist der Zeitpunkt seines Todes maßgebend, wenn es sich um die Frage handelt, welcher Berufs- oder Wirtschaftsgruppe der Ehemann "angehört hat"; dagegen ist der Zeitpunkt der Geltendmachung des Schadensausgleichs maßgebend, wenn es sich um die Frage handelt, welcher Berufs- oder Wirtschaftsgruppe der Ehemann "wahrscheinlich angehört hätte". Für das "angehört hätte" ergibt sich dies aus Sinn, Zweck und Funktion des Schadensausgleichs, durch den die Witwe annähernd so gestellt werden soll, als wenn ihr Mann jetzt noch leben würde und also ein Einkommen nach der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe hätte, welcher er wahrscheinlich jetzt angehört haben würde. Mit der Erwähnung der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, welcher der Ehemann "angehört hat", kann nur diejenige gemeint sein, welcher er z. Zt. seines Todes angehört hat; denn die Versorgung der Witwe knüpft grundsätzlich an den Tod des Ehemannes an; mit dieser Variante sollte erreicht werden, daß für die Versorgung der Witwe durch den Schadensausgleich mindestens die Verhältnisse beim Tode des Ehemanns zugrunde gelegt werden, wenn etwa die späteren Verhältnisse bei der Geltendmachung des Schadensausgleichs und damit die Berücksichtigung eines Einkommens aus derjenigen Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, welcher der Ehemann in dieser Zeit "angehört hätte", die Witwe schlechter stellen würden.

Nach den vom LSG getroffenen, von der Revision nicht angegriffenen und somit für den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) war der Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt seines Todes selbständig tätig; er betrieb von August 1933 bis zu seiner Einberufung im August 1939 gemeinsam mit seiner Frau einen Obst- und Gemüsehandel. Das LSG hat ferner bindend festgestellt, daß der Ehemann der Klägerin, wenn er aus dem Kriege heimgekehrt wäre, diesen Beruf wahrscheinlich auch weiter ausgeübt hätte. Somit ist er auf jeden Fall gemäß § 2 Buchst. c der hier anzuwendenden DVO 1964 in die Berufs- und Wirtschaftsgruppe der selbständig Tätigen einzuordnen, deren Durchschnittseinkommen sich aus § 5 der DVO ergibt. Nach § 5 Abs. 1 DVO 1964 ist Durchschnittseinkommen bei selbständig Tätigen mit Volksschulbildung ohne abgeschlossene Berufsausbildung die Besoldungsgruppe A 5 des BBesG und bei Volksschulbildung mit abgeschlossener Berufsausbildung die Besoldungsgruppe A 7 des BBesG, jeweils erhöht um die nach § 5 Abs. 1 letzter Satz DVO 1964 näher bezeichneten Zuschläge. Die übrigen in § 5 Abs. 1 der DVO 1964 genannten Voraussetzungen für eine höhere Eingruppierung des Ehemannes der Klägerin als nach A 7 des BBesG scheiden im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil diese Voraussetzungen unstreitig nicht erfüllt sind. Das LSG hat nämlich insoweit bindend festgestellt, daß der Ehemann der Klägerin die Volksschule besucht und für seine selbständige Tätigkeit als Obst- und Gemüsehändler keine abgeschlossene Berufsausbildung gehabt hat. Von diesen Feststellungen des LSG ausgehend ist das Durchschnittseinkommen des Ehemannes der Klägerin im Sinne des § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG das der Besoldungsgruppe A 5 des BBesG (Volksschulbildung ohne abgeschlossene Berufsausbildung), also dasjenige, welches die Versorgungsbehörde der Berechnung des Schadensausgleichs in dem Bescheid vom 3. Januar 1966 zugrunde gelegt hat.

Entgegen der Auffassung des LSG kann der Berechnung des Schadensausgleichs der Klägerin nicht als Durchschnittseinkommen das der Besoldungsgruppe A 7 des BBesG - Volksschulbildung mit abgeschlossener Berufsausbildung - in dem hier streitigen Zeitraum vom 1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1966, also im Geltungsbereich des § 5 der DVO 1964, zugrunde gelegt werden. Diese Bestimmung kennt nämlich - anders als der § 5 Abs. 2 der DVO 1968 - nicht die Gleichstellung einer zehnjährigen Tätigkeit oder fünfjährigen selbständigen Tätigkeit in dem Beruf, auf dessen Ausübung sich die Schädigung nachteilig ausgewirkt hat, mit dem "Abschluß einer Berufsausbildung". Eine derartige Gleichstellung kann auch im Rahmen des § 5 Abs. 1 der DVO 1964 nach seiner eindeutigen Wortfassung nicht erfolgen. Er verlangt nämlich für die Eingruppierung in eine bestimmte Besoldungsgruppe, daß derjenige, dessen Durchschnittseinkommen als Selbständiger ermittelt werden soll, eine bestimmte Schul- und Berufsausbildung erfahren und auch "abgeschlossen" oder bestimmte Prüfungen (Meisterprüfung) abgelegt hat. Diese vom Verordnungsgeber offenbar bewußt vorgenommene enge Anlehnung an eine bestimmte Schulbildung, an den Abschluß einer Berufsausbildung und an die Ablegung bestimmter Prüfungen für die Festsetzung des Durchschnittseinkommens bei selbständig Tätigen läßt den Schluß zu, daß eine bestimmte Dauer der Tätigkeit in einem Beruf, ohne für diesen die üblichen oder gesetzlich vorgesehenen Ausbildungsabschnitte erfüllt zu haben, nicht dem Abschluß von Prüfungen gleicherachtet werden sollte. Wenn auch die Vorschrift des § 5 Abs. 1 DVO 1964 auslegungsfähig und auslegungsbedürftig ist (Urteil des 8. Senats des BSG vom 19. Oktober 1967 in SozR DVO 1964 § 5 Nr. 2 und vom 18. Juni 1969 - 8 RV 853/67 -), so doch nicht in dem Sinne, daß allein die zeitliche Dauer einer Tätigkeit einer abgeschlossenen Berufsausbildung gleichgestellt werden kann. Der 8. Senat des BSG hat zwar in seinem Urteil vom 18. Juni 1969 auch dann eine "abgeschlossene Berufsausbildung" im Sinne des § 5 Abs. 1 DVO 1964 als gegeben angesehen, wenn der Beschädigte im elterlichen Geschäft eine kaufmännische Ausbildung ohne einen Abschluß durch eine Prüfung erhalten und danach in langjähriger Tätigkeit in dem bei den Eltern erlernten Beruf eine große Berufserfahrung erlangt hat. Entscheidend für den 8. Senat war dabei nicht die Tatsache, daß der damalige Kläger seinen kaufmännischen Beruf über lange Jahre hinaus selbständig ausgeübt hat, sondern der Umstand, daß er bei seinen Eltern eine Ausbildung erhalten hatte und "die elterliche Schule in der damaligen Zeit zu Beginn des ersten Weltkrieges durchaus geeignet" war, "eine ordentliche Berufsausbildung zu vermitteln. ... Er (der Kläger) mußte also in seinen beruflichen Erfolgschancen einem Kaufmannsgehilfen keineswegs nachstehen ...". Im Gegensatz hierzu hat aber der Ehemann der Klägerin in seiner selbständigen Tätigkeit als Kaufmann nach den Feststellungen des LSG überhaupt keine Berufsausbildung erfahren, sondern diesen Beruf ohne jede Ausbildung ausgeübt. Demnach ist festzuhalten, daß trotz der Auslegungsbedürftigkeit des § 5 Abs. 1 der DVO 1964 dem Begriff "abgeschlossene Berufsausbildung" nicht eine zehnjährige Tätigkeit oder eine fünfjährige selbständige Tätigkeit in dem Beruf gleichzustellen ist, auf dessen Ausübung sich die Schädigung ausgewirkt hat.

Hieraus folgt aber zwingend, daß entgegen der Auffassung des LSG die in § 5 Abs. 2 der DVO 1968 für die Zeit nach ihrem Inkrafttreten, dem 1. Januar 1967, getroffene Regelung nicht bereits in den zeitlichen Geltungsbereich der DVO 1964 zurückreicht. Nach § 5 Abs. 2 DVO 1968 steht dem Abschluß einer Berufsausbildung (Abs. 1) eine zehnjährige Tätigkeit oder eine fünfjährige selbständige Tätigkeit in dem Beruf gleich, auf dessen Ausübung sich die Schädigung nachteilig auswirkt, es sei denn, daß diese Tätigkeit nicht geeignet war, das wirtschaftliche Ergebnis der selbständigen Tätigkeit erheblich über das ohne Berufsausbildung erreichbare Maß zu fördern. Wie bereits der 8. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 18. Juni 1969 (aaO) ausgeführt hat, ist die Änderung des § 5 der DVO 1964 durch § 5 Abs. 2 der DVO 1968 so erheblich, daß sie nicht als eine Legalinterpretation der vorhergehenden DVO 1964 angesehen werden kann; sie stellt vielmehr eine sachlich-rechtliche Gesetzesänderung dar, welche erst vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, also vom 1. Januar 1967 an, angewandt werden darf. Diese Auffassung des 8. Senats des BSG entspricht der des erkennenden Senats, wie sie oben dargelegt ist. Wenn aber weder der Wortlaut des § 5 Abs. 1 der DVO 1964 noch sonstige Umstände es zulassen, dem Begriff "abgeschlossene Berufsausbildung" eine langjährige Ausübung eines Berufs gleichzustellen, so kann folglich die Neufassung des § 5 der DVO 1968 mit seinem Abs. 2, der die zehnjährige Tätigkeit oder fünfjährige selbständige Tätigkeit in dem Beruf einer abgeschlossenen Berufsausbildung gleichstellt, keine Interpretation des Begriffs "abgeschlossene Berufsausbildung" im Sinne des § 5 Abs. 1 der DVO 1964 sein, so daß die seit dem 1. Januar 1967 gültige Fassung des § 5 Abs. 2 der DVO 1968 demgemäß auch nicht im zeitlichen Geltungsbereich der DVO 1964, also vor dem 1. Januar 1967, angewendet werden kann.

Es ist somit davon auszugehen, daß für die Berechnung des Durchschnittseinkommens des Ehemannes der Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 der DVO 1964 die Besoldungsgruppe A 5 BBesG, erhöht durch die gesetzlichen Zuschläge, maßgebend ist; mithin ist auch der Bescheid vom 3. Januar 1966 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 1966 rechtmäßig. Das LSG hat daher den § 5 Abs. 1 der DVO 1964 verletzt, so daß die Revision begründet ist. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben. Obwohl das LSG die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG aus anderen Gründen teilweise als unbegründet zurückgewiesen hat, hielt der Senat es zur Klarstellung des Urteilstenors für zweckmäßig, das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben. Infolgedessen mußte die Berufung der Klägerin gegen das im Ergebnis zutreffende Urteil des SG in vollem Umfange als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1668992

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