Leitsatz (amtlich)

Von der Anrechnung auf die Arbeitslosenhilfe ist nach RVO § 587 Abs 2 nur der Aufstockungsbetrag nach RVO § 587 Abs 1, nicht aber die Unfallteilrente des Verletzten ausgeschlossen.

 

Normenkette

RVO § 587 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, Abs. 2 Fassung: 1963-04-30; AVAVG § 150 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1964-04-14

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. Mai 1967 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger erlitt am 19. März 1963 während seines Dienstes als Kraftfahrer einen Verkehrsunfall. Für dessen Folgen erhielt er gemäß Bescheid der Nordwestlichen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft vom 18. Februar 1964 vom 2. Dezember 1963 an eine Verletztenrente in Höhe von 40 v.H. der Vollrente (222.- DM monatlich). Auf Antrag des Klägers erhöhte die Berufsgenossenschaft für die Dauer seiner Arbeitslosigkeit die Teilrente nach § 587 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) um einen Aufstockungsbetrag von 443,90 DM. Die Gesamtleistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung betrug damit 665,90 DM.

Am 2. April 1964 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Diesem Antrag wurde entsprochen. Nach Erschöpfung seines Anspruchs auf Alg beantragte der Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi). Mit Bescheid vom 6. November 1964, ersetzt durch einen weiteren vom 8. Dezember 1964, gab das Arbeitsamt (ArbA) dem Antrag statt; dabei rechnete es auf die Alhi die Verletztenrente abzüglich eines Freibetrages von wöchentlich 12.- DM an. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend macht, eine Anrechnung der Unfallrente sei überhaupt ausgeschlossen, wurde am 11. Dezember 1964 zurückgewiesen. Das Sozialgericht (SG) hat seine Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die - vom SG zugelassene - Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil nach § 587 Abs. 2 RVO nur der Aufstockungsbetrag der Unfallrente von der Anrechnung auf die Alhi ausgeschlossen sei, nicht aber die Verletztenteilrente. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat Revision eingelegt. Er trägt vor: Das Urteil des LSG möge zwar nach dem Wortlaut und Sinngehalt der gesetzlichen Regelung zutreffend sein, die Auslegung entspreche aber nicht dem Willen des Gesetzgebers; denn dieser habe mit der Vorschrift des § 587 RVO sogar eine Besserstellung des Arbeitslosenhilfe-Empfängers gegenüber seinem Einkommen vor dem Unfall in Kauf genommen. Dies komme in dem Bericht des Abgeordneten K. (Bundestags-Drucks. Nr. IV/938 S. 14 zu § 586 RVO) klar und unmißverständlich zum Ausdruck.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG Niedersachsen vom 26. Mai 1967 und des SG Lüneburg vom 8. September 1965 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. Dezember 1964 aufzuheben und den Bescheid vom 16. November 1964 und die Änderungsverfügung vom 8. Dezember 1964 insoweit abzuändern, als die Beklagte für die Dauer des Bezugs der Unfallvollrente die Unfallteilrente von 40 v.H. auf die Leistungen aus der Alhi angerechnet hat.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 150 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) sind bei der Gewährung von Alhi als Einkommen zu berücksichtigen Einkommen des Arbeitslosen, soweit es insgesamt 12.- DM in der Woche übersteigt. Als Einkommen gelten nach Absatz 3 dieser Vorschrift alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang und der Werbungskosten. Nicht als Einkommen gelten die in Absatz 4 aufgeführten Einkünfte, desgleichen auch solche, die in irgendwelchen anderen Gesetzen ausdrücklich als nicht anrechenbar auf die Alhi bezeichnet worden sind. Die Teilrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung fällt nicht unter die nach § 150 Abs. 4 AVG privilegierten Einkünfte, vielmehr ergibt sich im Gegenteil aus Nr. 8, daß nur die Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht angerechnet wird. Es ist deshalb der Umkehrschluß gerechtfertigt, daß die übrigen Leistungen aus der Unfallversicherung angerechnet werden, soweit sich nicht aus § 587 RVO etwas anderes ergibt.

Nach § 587 Abs. 1 RVO hat der Träger der Unfallversicherung die Teilrente auf die Vollrente zu erhöhen, solange der Versicherte infolge des Arbeitsunfalls ohne Arbeitseinkommen ist. Die Leistungen werden auf das Alg oder die Unterstützung aus der Alhi nicht angerechnet (Abs. 2). Schon seinem Wortlaut nach bezieht sich das Verbot der Anrechnung nur auf die Leistungen nach Absatz 1, also auf den Aufstockungsbetrag, nicht aber auf die übrige Unfallrente. Auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt sich dasselbe. In der Bundestags-Drucksache Nr. IV/938 (neu) zu § 586 S. 14 heißt es im Bericht des Abgeordneten K.:

"Die Vorschrift des Absatz 2 soll bewirken, daß die Leistungen des Absatzes 1 voll den Verletzten zugute kommen. Insbesondere sollen sie nicht dazu führen, daß die Leistungen nach dem AVAVG gekürzt werden. Der Ausschuß hat sich daher eine entsprechende Anregung der Träger der Unfallversicherung zu eigen gemacht."

Auch Lauterbach (Unfallversicherung, 3. Auflage, § 587 RVO Anm. 7) und Vollmar (Berufsgenossenschaft, 1966, S. 269, 271) sind dieser Auffassung. Vollmar erwähnt mit Recht, daß durch Absatz 2 klargestellt werde, daß die Erhöhung nach Absatz 1 voll dem Verletzten zugute kommen solle; die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung würden also von der Rentenerhöhung in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht berührt.

Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn dieser Vorschrift dem - nur eine Teilrente beziehenden - Verletzten, der infolge des Unfalls arbeitslos ist, nicht nur eine der Minderung der Erwerbsfähigkeit entsprechende Rente zuzubilligen, sondern ihm die Vollrente zu gewähren, weil er wegen seiner Arbeitslosigkeit einem Verletzten gleichsteht, der infolge des Unfalls erwerbsunfähig ist. Es ist aber nicht die Absicht des Gesetzgebers, darüber hinaus, also noch neben der Vollrente aus der Unfallversicherung, dem Arbeitslosen die volle Alhi zukommen zu lassen.

Die Revision muß daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 297

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