Leitsatz (amtlich)

Hat jemand in dem Antrag auf Altershilfe für Landwirte die Frage, ob er Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt habe, verneint, stellt er aber später einen solchen Antrag und erhält er daraufhin die Rente rückwirkend von einem Zeitpunkt an, der vor dem Beginn des landwirtschaftlichen Altersgeldes liegt, so kann die Landwirtschaftliche Alterskasse das Altersgeld wieder entziehen.

 

Normenkette

GAL § 21 Fassung: 1961-07-03, § 8 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27, § 25 Abs. 1 Fassung: 1961-07-03

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 1963 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Die Beklagte gewährte dem Kläger durch "Mitteilung" vom 5. Februar 1959 Altersgeld für Landwirte ab 1. Oktober 1958, nachdem er in seinem Antrag vom 30. November 1958 die Fragen, ob er eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe und bei welcher Stelle zur Zeit ein Antrag auf Gewährung von Renten oder Bezügen der genannten Art laufe, verneint hatte. Am 10. Dezember 1958 beantragte der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Schwaben die Gewährung von Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter. Durch Bescheid vom 8. April 1959 wurde ihm die Rente rückwirkend vom 1. Januar 1957 an bewilligt, und der Bürgermeister der Gemeinde B. unterrichtete die Beklagte darüber unter dem 27. Juni 1959. Diese stellte darauf am 24. Juli 1959 in einem neuen Bescheid fest, daß der Kläger wegen dieses Rentenbezugs gemäß § 8 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 - GAL aF - (BGBl I 1063) von der Beitragspflicht befreit sei und deshalb die Voraussetzungen des § 25 GAL aF zum Bezuge des Altersgeldes nicht erfüllt habe; die Mitteilung vom 5. Februar 1959 werde deshalb aufgehoben. Der Kläger sei verpflichtet, den für die Zeit vom Oktober 1958 bis zum Juli 1959 empfangenen Betrag von 400 DM zurückzuzahlen. Das Sozialgericht (SG) wies die Klage gegen den Bescheid ab, das Landessozialgericht (LSG) hob auf Berufung des Klägers den Bescheid insoweit auf, als darin 400 DM zurückgefordert wurden, und wies im übrigen die Berufung zurück. Zur Begründung führte es aus, der Verwaltungsakt der Beklagten vom 5. Februar 1959 sei von Anfang an fehlerhaft gewesen, weil der Kläger nach § 8 Abs. 4 GAL aF von der Beitragspflicht befreit gewesen sei und deshalb nach § 25 Abs. 1 GAL aF keinen Anspruch auf Altersgeld gehabt habe. Dieser Verwaltungsakt dürfe allerdings nicht nach § 1744 der Reichsversicherungsordnung (RVO) widerrufen werden, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorlägen. Jedoch könne nach § 608 RVO aF eine Neufeststellung getroffen werden, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen seien, eine wesentliche Änderung eintrete. Maßgebend für die Bewilligung des Altersgeldes sei gewesen, daß der Kläger damals noch keine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter bezogen und darüber noch kein Bescheid der LVA vorgelegen habe. Erst mit dem Bescheid vom 8. April 1959 sei eine Wende eingetreten. Die Beklagte habe daher eine Neufeststellung treffen und den ursprünglichen Verwaltungsakt widerrufen können. Zu beanstanden sei jedoch die Rückforderung für die zurückliegende Zeit; diese sei unzulässig, da der Bescheid vom 24. Juli 1959 nur ex nunc wirke. Revision wurde zugelassen.

Der Kläger legte gegen das Urteil Revision ein. Er trägt vor, der Widerruf und die Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten seien in den §§ 1286 und 1744 RVO abschließend geregelt. Darüber hinaus gebe es keine Aufhebung von Zugunstenbescheiden.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Bayerischen LSG vom 28. Mai 1963 und des SG Augsburg vom 4. Oktober 1960 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 1959 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger Altersgeld in gesetzlicher Höhe weiterzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II.

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig, konnte aber keinen Erfolg haben.

Wie bereits der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in BSG 14, 10 mit näherer Begründung ausgeführt hat, gelten für die Rücknahme von Rentenbescheiden über die Gewährung von Altersgeld für Landwirte nach § 21 GAL die Vorschriften der Unfallversicherung entsprechend. Hiernach kann ein wegen rechtsirriger Gesetzesauslegung fehlerhafter Bescheid über die Bewilligung von Altersgeld nur auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften und nicht nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Rücknahme fehlerhafter Verwaltungsakte aufgehoben werden. Begründet wurde diese Auffassung damit, daß die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts nicht auf dem Gebiete der Sozialversicherung einschließlich der Altershilfe angewandt werden könnten, wenn fehlerhafte Bewilligungsbescheide zu Ungunsten des Versicherten zurückgenommen werden sollten, weil hier besondere gesetzliche Regelungen gelten. Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat schon in seinem Urteil vom 21. März 1962 - 7/3 RLw 9/60 - angeschlossen. Des weiteren hat der 2. Senat in BSG 18, 84 ausgesprochen, daß ein Bescheid, durch den eine Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung förmlich festgestellt und der infolge Irrtums über den Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit dem Arbeitsunfall fehlerhaft ist, nur auf Grund der Vorschriften des 3. und 6. Buches der RVO zurückgenommen werden dürfe. Denn das SGG habe die Fortgeltung des § 1744 RVO ausdrücklich bestätigt und eine Neufassung dieser Vorschrift gebracht. Damit sei im Recht der Unfallversicherung eine Aufhebung oder Änderung rechtswidriger, eine Leistung zubilligender Verwaltungsakte grundsätzlich ausgeschlossen und auf bestimmte, gesetzlich normierte Ausnahmefälle beschränkt, die sich aus den §§ 608, 619 RVO ergeben. Auch diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

Im vorliegenden Verfahren ist eine Aufhebung der Mitteilung vom 5. Februar 1959, die einen Bewilligungsbescheid darstellt, nach § 1744 RVO nicht möglich. Die Nummern 1, 2 und 5 scheiden ohne weiteres aus, und für eine Anwendung der Nummern 3, 4 und 6 fehlen entsprechende Feststellungen des LSG. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob diese Vorschriften im vorliegenden Falle zum Zuge kommen, weil das Begehren des Klägers auf Weiterzahlung des Altersgeldes ab 1. August 1959 schon aus anderen Gründen nicht gerechtfertigt ist.

In den oben entschiedenen Fällen hatte jeweils der Versicherungsträger aus dem ihm bekannten bzw. unterbreiteten Sachverhalt falsche rechtliche Schlußfolgerungen gezogen. Hieran ist er aber gebunden, weil es jedenfalls für das Gebiet der GAL an einer Vorschrift fehlt, die diese rechtswidrigen Bescheide zurücknehmen ließe. Im vorliegenden Fall war jedoch der Beklagten zur Zeit des Bescheides vom 5. Februar 1959 nicht bekannt, daß der Kläger kurze Zeit nach seinem Antrag auf Altersgeld Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt hatte und dann auf Grund dieses Antrages rückwirkend seit dem 1. Januar 1957 die Rente bezog. Er war daher, rückwirkend gesehen, kein beitragspflichtiger Unternehmer (§ 8 Abs. 4 GAL aF) und hatte deshalb nach § 25 Abs. 1 GAL keinen Anspruch auf Altersgeld, während auf Grund des der Beklagten vordem unterbreiteten Sachverhalts der Anspruch gegeben war. Eine Änderung dieses Sachverhalts, von dem die Beklagte ausgegangen war, ist in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der Kläger durch Bescheid vom April 1959 Rente vom 1. Januar 1957 an bewilligt erhielt. Damit war der Kläger nicht mehr nach § 8 Abs. 4 GAL aF beitragspflichtig und hatte nach § 25 GAL aF keinen Anspruch auf Rente. Hier ist der Grundgedanke des § 608 RVO aF (dieser ist nach § 21 GAL aF anzuwenden) zutreffend: Tritt in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Entschädigung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung ein, so kann eine Neufeststellung getroffen werden. Zwar betrifft der § 608 RVO aF in der Praxis im allgemeinen Fälle, in denen durch Änderung des Gesundheitszustandes oder aus anderen Gründen eine Herabsetzung oder Erhöhung oder auch eine Entziehung der Rente gerechtfertigt ist. Er erfaßt aber nach seinem Wortlaut alle Verhältnisse, die für die Feststellung der Entschädigung maßgebend sind; darunter fallen auch Grundlagen des Anspruchs wie hier, ob der Betreffende beitragspflichtiger Unternehmer ist oder nicht. Es muß daher für die Zeit, für die die Ansprüche des Klägers noch streitig sind (ab 1. August 1959) eine Neufeststellung getroffen werden können, weil nunmehr die Voraussetzungen für die Bewilligung des Altersgeldes nicht mehr vorlagen. Zwar sind diese durch die rückwirkende Bewilligung der Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter schon mit dem 1. Oktober 1957 weggefallen, aber die Veränderung, wie sie § 608 RVO aF im Auge hat, muß derart sein, daß ein Vergleich zu ziehen ist zwischen den Verhältnissen, wie sie bei der Bewilligung des Altersgeldes bekannt waren, und den Verhältnissen, wie sie jetzt vorliegen. Nunmehr ist der Kläger aber kein beitragspflichtiger Unternehmer, so daß es an der Voraussetzung für die Weiterzahlung des Altersgeldes ab 1. August 1959 fehlt. Die Revision muß daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2530021

BSGE, 36

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