Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Entziehung des Kindergeldes für die ab Juli 1980 beim Kläger lebenden Kinder.

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und hält sich seit Oktober 1977 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Im November 1977 beantragte er Asyl. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4. Oktober 1979, der noch nicht bestandskräftig ist, abgelehnt. Die zuständige Verwaltungsbehörde verlängerte jeweils die dem Kläger erteilte "Aussetzung der Abschiebung" (Duldung) nach § 17 Ausländergesetz (AuslG).

Nachdem die Beklagte dem Kläger zunächst Kindergeld ab Februar 1978 nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit (SozSichAbk TUR) vom 30. April 1964 (BGBl. II 1965, 1170) für seine fünf Kinder, die damals noch sämtlich in der Türkei lebten, bewilligt, diese Kindergeldzahlungen jedoch ab November 1978 eingestellt und mehrere Anträge des Klägers auf Kindergeld mit der Begründung abgelehnt hatte, als Asylbewerber habe er keinen gewöhnlichen Wohnaufenthalt oder Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, gewährte sie ihm Kindergeld für zwei seiner ab Dezember 1978 in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kinder (Bescheid vom 10. April 1980); für die übrigen Kinder lehnte sie weiterhin Kindergeld ab.

Durch Bescheid vom 11. August 1980 entzog die Beklagte dem Kläger ab Juli 1980 das Kindergeld unter Verzicht auf eine Rückforderung mit der Begründung, er habe nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. Januar 1980 (BSGE 49, 254 = SozR 5870 § 1 Nr. 6) als Asylbewerber vor der rechtskräftigen Feststellung seines Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. September 1980; Urteil des Sozialgerichts - SG - Duisburg vom 23. Februar 1981; Urteil des Landessozialgerichts - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 1981).

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG), 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) und der Art. 3, 16 Abs. 2 Satz 2 und 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG).

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 1981 und des SG Duisburg vom 23. Februar 1981 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. August 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1980 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zu Recht das dem Kläger gewährte Kindergeld entzogen. Rechtsgrundlage hierfür ist der mit Wirkung ab 1. Januar 1981 aufgehobene § 22 BKGG (Art. II §§ 24 Nr. 1, 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - SGB 10 -), denn die Gewährung des Kindergeldes ist vor dem 1. Januar 1981 im angefochtenen Bescheid aufgehoben worden. Da ein Widerspruchsverfahren stattgefunden hat, ist es unschädlich, daß eine Anhörung des Klägers vor Erlaß des Entziehungsbescheides entgegen § 34 Abs. 1 SGB 1 i.d.F. vor Inkrafttreten des SGB 10 unterblieben ist (BSG SozR 1200 § 34 Nrn. 1, 7, 13). Es reicht aus, daß sich der Kläger im Widerspruchsverfahren äußern konnte.

Nach § 22 BKGG war das Kindergeld von Amts wegen zu entziehen, soweit die Anspruchsvoraussetzungen fehlten. Nach § 1 Nr. 1 BKGG hat Anspruch auf Kindergeld für seine Kinder, wer im Geltungsbereich des BKGG einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht.

Der 8b Senat des BSG hat im Urteil vom 31. Januar 1980 (BSGE 49, 254 = SozR 5870 § 1 Nr. 6), auf das die Beklagte ihren das Kindergeld entziehenden Bescheid stützt, entschieden, daß ein asylsuchender Ausländer in aller Regel im Bundesgebiet oder Westberlin keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt und deshalb keinen Anspruch auf Kindergeld hat, bevor im Anerkennungsverfahren bindend oder rechtskräftig festgestellt ist, daß er asylberechtigt ist. An dieser Entscheidung ist auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylbewerbern (Urteil vom 19. Mai 1981, NJW 1982, 2653 = DVBl. 1981, 1097 = DÖV 1981, 712) festzuhalten. Der nur für die zeitlich ungewisse Dauer des Asylverfahrens rechtlich gesicherte Aufenthalt ist kein gewöhnlicher Aufenthalt i.S. des § 1 Nr. 1 BKGG.

Das Kindergeld dient dem Zweck, den Familien, die Kinder im Sinne des BKGG aufziehen und ihnen eine Heimstatt gewähren, aus allgemeinen Steuermitteln für die damit verbundenen finanziellen und persönlichen Opfer einen gewissen Ausgleich der staatlichen Gesellschaft zu bieten (vgl. BVerfGE 23, 258ff.; BSGE 25, 295 = SozR Nr. 1 zu § 34 KGG; SozR 5870 § 2 Nrn. 11, 15 und 21). Daraus ergibt sich der die Kindergeldgewährung sachlich rechtfertigende und diese Leistungen beherrschende Gedanke. Er besteht, wie der erkennende Senat in seinen zur Veröffentlichung bestimmten Urteilen zum Kindergeldanspruch für die zur Ausbildung in das Heimatland zurückgeschickten Kinder in der Bundesrepublik lebender Ausländer bereits ausgeführt hat (Urteile vom 17. Dezember 1981 - 10 RKg 4/81 und 10 RKg 12/81 -), in folgender Erwägung: Wer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein Kind aufzieht und dadurch einen Beitrag zur künftigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz der Gesellschaft in diesem Staat leistet, erhält für die dem Interesse der Sicherung des Bestandes der staatlichen Gesellschaft dienenden persönlichen und finanziellen Opfer den bereits erwähnten "gewissen Ausgleich" von dieser staatlichen Gesellschaft.

Dem ist nicht so beim Asylbewerber, sondern mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erst beim anerkannten Asylberechtigten. Erst wenn feststeht, daß eine politische Verfolgung den Asylantrag rechtfertigt, erhält der Asylbewerber durch die ihm zu erteilende Aufenthaltserlaubnis das Recht, sich zeitlich unbegrenzt in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten. Erst dann kann er einen gewöhnlichen Aufenthalt oder einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründen und erst dann kann erwartet werden, daß die hier von ihm aufgezogenen Kinder zur künftigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz der Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland beitragen.

Kommt dagegen eine Anerkennung als Asylberechtigter nicht in Betracht, weil nicht eine politische Verfolgung, sondern wirtschaftliche Gründe hinter dem Asylbegehren stehen, hat das regelmäßig die Pflicht zur Ausreise (§ 12 AuslG) zur Folge, die notfalls in Form der Abschiebung (§ 13 AuslG) durchgesetzt wird. Bei diesen Personen ist es mithin nicht wahrscheinlich, daß sie sich in der Bundesrepublik Deutschland zeitlich unbegrenzt aufhalten und in dieser Zeit durch das Aufziehen ihrer Kinder einen Beitrag zur künftigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz der Gesellschaft in diesem Staat leisten können. Es entspricht deshalb nicht dem Sinn des BKKG, alle Asylbewerber an dem mit dem Kindergeld bezweckten teilweisen Ausgleich der durch das Aufziehen und Erziehen der künftigen Staatsbürger oder Einwohner entstehenden Lasten teilhaben zu lassen. Dies kann vielmehr nur bei den Asylbewerbern geschehen, die wegen politischer Verfolgung als Asylberechtigte anerkannt werden. Es mag im Einzelfall zutreffen, daß für Asylbewerber im Heimatland bestehende wirtschaftliche Notlagen in gleichem oder stärkerem Maße lebens- und gesundheitsbedrohend sind, wie politische Verfolgung. Eine Asylberechtigung kann daraus indes nicht hergeleitet, eine Befugnis zum dauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland damit nicht begründet und ein Anspruch auf Kindergeld darauf nicht gestützt werden.

Den die Kindergeldgewährung sachlich allein rechtfertigenden Grundsatz, wie er oben dargelegt worden ist, hat der Gesetzgeber insofern nicht ausnahmslos festgelegt, als er die Kindergeldberechtigung allein vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes, nicht aber von der - regelmäßig gegebenen - Erziehung eines oder mehrerer Kinder im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland zu künftigen Mitgliedern dieser Gesellschaft abhängig gemacht hat. Damit sind Kindergeldzahlungen möglich, die nicht dem das Kindergeld rechtfertigenden Grundsatz entsprechen, weil zwar ein zeitlich begrenzter Aufenthalt vorliegt, der zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts oder eines Wohnsitzes ausreicht, ein Beitrag zur künftigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz dieses Staates mit Wahrscheinlichkeit aber nicht geleistet wird. In jenen Fällen handelt es sich jedoch um Ausnahmen von dem erkennbaren Grundgedanken des Kindergeldrechts. Sie rechtfertigen es keineswegs, im vorübergehenden Aufenthalt der Asylbewerber, auch wenn er sich auf Jahre erstrecken sollte, den Rechtsgrund für die Gewährung des Kindergeldes zu erblicken.

Mit dieser kindgeldrechtlichen Betrachtung deckt sich die aufenthaltsrechtliche Stellung der Asylbewerber vor Anerkennung ihres Asylrechts, wie sie sich unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BVerwG - Urteil vom 19. Mai 1981 (a.a.O.) - darstellt. Staatsrechtlich sind grundsätzlich nur Deutsche zum ständigen - gewöhnlichen - Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG; § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2, AuslG) Den Deutschen gleichgestellt sind insoweit Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis und - ausnahmsweise - Ausländer, die politisch Verfolgte sind. Letztere genießen Asylrecht. Aus diesem Grunde sind sie vor Auslieferung, Ausweisung und Abweisung geschützt (vgl. Grützner in: Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Band 2, 595), also rechtlich und tatsächlich in der Lage, einen gewöhnlichen Aufenthalt und einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland zu haben. Voraussetzung hierfür ist allerdings die Anerkennung als Asylberechtigter in dem dafür vorgesehenen Verfahren (§§ 28 ff. AuslG). Für die Dauer dieses Verfahrens rechtfertigt § 40 AuslG den Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes unter Beschränkung auf den Bezirk des Ausländerlagers, um den Grundrechtsschutz aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG - die Feststellung des Asylrechts - zu ermöglichen und den Asylbewerber für diese Zeit der nach § 12 AuslG bestehenden Pflicht zur Ausreise zu entheben.

Wegen des vorläufigen Charakters der Regelung des § 40 AuslG können daraus Anhaltspunkte dafür, daß ein Asylbewerber in dieser Zeit einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland begründen kann, nicht gewonnen werden. Die rechtliche Begrenzung des während der Dauer des Asylverfahrens rechtmäßigen vorläufigen Aufenthalts auf die Dauer dieses Verfahrens steht selbst bei langer Verfahrensdauer der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts entgegen. Die Berechtigung des Asylbewerbers zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bleibt auf das Asylverfahren fixiert und endet mit ihm. Der nach § 40 AuslG begrenzt gestattete Aufenthalt kann insbesondere nach § 8 AuslG nicht unter dem Gesichtspunkt der Einfügung in das wirtschaftliche und soziale Leben in der Bundesrepublik Deutschland zur Erteilung einer räumlich und zeitlich unbeschränkten Aufenthaltsberechtigung führen. Es entspricht nicht dem Sinn des Gesetzes, das Verfahren zur Feststellung der Asylberechtigung allein durch seine Ausdehnung über eine Zeit von fünf Jahren hinweg entbehrlich zu machen.

Auch das Urteil des BVerwG vom 19. Mai 1981 (a.a.O.) erkennt dem Aufenthalt eines Asylbewerbers vor bindender Feststellung seines Asylrechts nur vorübergehende Natur zu. Nach diesem Urteil ist Asylbewerbern zum Schutz ihres etwaigen Grundrechts auf Asyl vor Vereitelung eine Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung des Asylverfahrens innerhalb oder außerhalb eines Ausländerlagers (§§ 39, 40 und 2 Abs. 1 AuslG) zu erteilen. Ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ist in dieser Zeit rechtmäßig, weil er sich aus dem - zumindest behaupteten - Grundrecht auf Asyl nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG herleitet. Die bisherige Praxis, eine bloße Duldungsbescheinigung nach § 17 AuslG auszustellen, die das BSG seinem Urteil vom 31. Januar 1980 (a.a.O.) zugrunde legen mußte, wurde zwar den Anforderungen des Grundrechts auf Asyl nicht gerecht, weil sie von der Duldung eines rechtswidrigen Aufenthalts ausging. An dem vorläufigen Charakter des Aufenthalts der Asylbewerber ändert die zunächst unzutreffende und nunmehr vom BVerwG richtig gestellte Beurteilung der aufenthaltsrechtlichen Lage der Asylbewerber jedoch nichts. Denn auch das BVerwG hat einen rechtmäßigen Aufenthalt der Asylbewerber nur bis zur Klärung ihrer Asylberechtigung bejaht, nicht aber für die Zeit nach deren bindender oder rechtskräftiger Ablehnung, mit der er erlischt.

Dem Urteil des BSG vom 31. Januar 1980 (a.a.O.) ist somit durch die neuere Rechtsprechung des BVerwG entgegen einer mehrfach geäußerten Annahme (Henkel, DVBl. 1981, 1102; BT-Drucks. 8/4353, 3 - Begründung zu § 4 des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Beschleunigung des Asylverfahrens -; Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Asylwesen" vom 12. Juni 1981, referiert von Huber, Inf. AuslR 1981, 251/256) nicht der Boden entzogen worden. Das BSG hat seine Entscheidung maßgeblich damit begründet, daß während des Asylverfahrens aufenthaltsrechtlich ein Schwebezustand herrscht, da noch nicht feststeht, ob der Ausländer asylberechtigt ist. Dieser Schwebezustand endet in jedem Fall mit dem bindenden oder rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens. Dabei macht es aber keinen Unterschied, ob während der Dauer des Asylverfahrens der Aufenthalt des Ausländers nach § 17 AuslG nur geduldet wird oder ihm für die Dauer des Asylverfahrens eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, sein Aufenthalt also rechtmäßig ist. Das BSG (a.a.O.) hat bereits den nach § 40 AuslG rechtmäßigen Aufenthalt des Asylbewerbers im Bundesgebiet angesprochen und auch diesen Aufenthalt nur als vorübergehend beurteilt. Nicht anders wirkt die wegen Überfüllung der Ausländerlager für die Dauer des Asylverfahrens nach § 2 Abs. 1 AuslG erteilte Aufenthaltserlaubnis. Auch sie rechtfertigt nur einen vorübergehenden Aufenthalt. Das BVerwG unterscheidet innerhalb des § 2 Abs. 1 AuslG diese Aufenthaltserlaubnis ausdrücklich von der aus anderen Gründen erteilten, bezeichnet sie als "Aufenthaltserlaubnis, die lediglich zur Durchführung des Asylverfahrens dienen soll" und weist - ebenso wie das BSG - darauf hin, daß bei Asylbewerbern noch nicht feststeht, ob sie das Asylrecht zu Recht beanspruchen und nicht nach Beendigung des Asylverfahrens ausreisen müssen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1981, DVBl. 1982, 306/308). Ihr Aufenthaltsrecht hat daher nur vorübergehenden Charakter (vgl. auch Gusy, Asylrecht, 1981, 184, der bereits vor der Entscheidung des BVerwG vom 19. Mai 1981 (a.a.O.) annahm, daß Asylbewerbern eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist und die bloße Duldung nach § 17 AuslG nicht ausreicht (Fliegauf, DÖV 1981, 714/715).

An dieser Beurteilung vermag die oft jahrelange Dauer der Asylverfahren nichts zu ändern. Eine bestimmte Zeitgrenze, von der an ein Aufenthalt nicht mehr als vorübergehend anzusehen ist, ist dem Sozialrecht fremd. Der Gesetzgeber hat die Regelung in § 14 Abs. 1. Satz 2 Steueranpassungsgesetz (StAnpG) und in § 9 Satz 2 Abgabenordnung 1977 (AO 1977), wonach bei einem Zeitraum von mehr als sechs Monaten ein gewöhnlicher Aufenthalt anzunehmen ist, in § 30 Abs. 3 SGB 1 nicht übernommen. Aus dem Eintritt der Steuerpflicht kann somit insbesondere bei Berücksichtigung des nicht gegenleistungsbezogenen Charakters der Steuer (vgl. § 3 Abs. 1 AO 1977) nicht auf den Erwerb der vom gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz abhängigen sozialrechtlichen Ansprüche geschlossen werden.

Zu berücksichtigen ist auch, daß die lange Dauer der Asylverfahren ihre Ursache in der starken Zunahme der Asylbewerber und in der daraus folgenden Überlastung der Verwaltung und der Verwaltungsgerichte hat. Bei einem schon nach wenigen Wochen oder Monaten abgeschlossenen Anerkennungsverfahren, wenn etwa keine langwierigen Ermittlungen anzustellen sind und der Bescheid nicht mit Rechtsmitteln angegriffen wird, könnten Bedenken gegen die Annahme eines nur vorübergehenden Aufenthalts ohnehin nicht bestehen. Deshalb kam allein die Tatsache, daß der Asylbewerber den Rechtsweg ausschöpft, in dem erst darüber entschieden wird, ob er sich endgültig in der Bundesrepublik aufhalten darf, aus dem nur vorübergehenden Aufenthalt keinen dauernden machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518300

BSGE, 294

NVwZ 1983, 246

Breith. 1983, 269

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