Leitsatz (amtlich)

Mit der Anerkennung von Schädigungsfolgen (BVG § 1) ist nicht die Tatsache des schädigenden Ereignisses, auf das sie zurückgeführt werden, mit Wirkung für einen Versorgungsanspruch wegen anderer gesundheitlicher Folgen rechtsverbindlich festgestellt.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; KOVVfG § 24 Abs. 1 Fassung: 1955-02-05

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 6. Mai 1971 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger beantragte im Dezember 1956 Versorgung wegen Kopfverletzung, Fingerdurchschüssen sowie Verletzung am rechten Auge und Nasenbein. Er gab dazu an, den Kopfschuß habe er am 28. Oktober 1943 in (am?) Wolchow erlitten. Der Arzt Dr. W gab in einer Bescheinigung wieder, der Kläger sei im November 1943 durch Kopfschuß verwundet worden und sei nach achtwöchigem Lazarettaufenthalt im Dezember in russische Gefangenschaft gekommen. Im Schreiben vom 10. November 1957 erwähnte der Kläger eine Splitterverletzung an der Stirn, an der Nase und unter dem rechten Auge im Oktober 1943. In einer eidesstattlichen Erklärung vom 24. Januar 1958 verlegte er die Granatsplitterverletzung auf September oder Oktober 1942. Nach verschiedenen fachärztlichen Begutachtungen anerkannte das Versorgungsamt R durch Bescheid vom 3. Oktober 1958 einen Heilbehandlungsanspruch (§ 10 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) für die Schädigungsfolgen "Belanglose Verwundungsnarben an Stirn, Nase, rechte Wange, rechter Daumen, Ballen und linker Mittelfinger, sowie Weichteilstecksplitter im Bereich des linken Mittelhandknochens. Innenohrschwerhörigkeit rechts", hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG; einen Rentenanspruch lehnte es nach § 56 BVG (in der damals geltenden Fassung) wegen Fristversäumnis ab. Auf den Widerspruch des Klägers ermittelte das Versorgungsamt Näheres über den vom Kläger behaupteten Kriegsdienst mit anschließender Kriegsgefangenschaft, hob durch "Anfechtungsbescheid" vom 30. Januar 1961 gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) den Bescheid vom 3. Oktober 1958 auf und stellte fest, daß beim Kläger keine Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG vorliegen. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 9. März 1961). Durch Urteil vom 4. April 1967 (S 17 V 156/64) hob das Sozialgericht (SG) Hannover die Bescheide vom 30. Januar 1961 und 9. März 1961 auf. Mit Ausführungsbescheid vom 5. Juni 1967 anerkannte das Versorgungsamt ohne rentenberechtigenden Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) die Schädigungsfolgen, wie sie im Bescheid vom 3. Oktober 1958 bezeichnet waren.

Im Juli 1967 beantragte der Kläger, wegen einer Verschlimmerung der anerkannten Kopfverletzungsfolgen und Hörminderung den Grad der schädigungsbedingten MdE höher festzustellen. Er reichte verschiedene Atteste ein. Durch Bescheid vom 21. September 1967 lehnte das Versorgungsamt Hannover eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge nach § 62 BVG ab, weil eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen nicht festzustellen sei und die geklagten Kopfschmerzen durch andere Gesundheitsstörungen bedingt seien. Der Widerspruch, mit dem der Kläger alle ärztlich bescheinigten Krankheiten auf Kriegsverletzungen und Kriegsgefangenschaft zurückführte, wurde zurückgewiesen (Bescheid vom 11. März 1968).

Nach Beiziehung eines Gutachtens wies das SG Hannover durch Urteil vom 11. November 1968 die Klage ab.

Mit der Berufung machte der Kläger außer einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen zusätzlich Kopfbeschwerden als Folge einer am 28. November 1943 erlittenen Verletzung und zugleich ebenso wie eine Verlagerung der Wirbelsäule und der Schulter nach links sowie Herz- und Kreislaufstörungen als Folgen schwerer Arbeit während der sowjetischen Kriegsgefangenschaft, außerdem eine Leberzirrhose als Folge unzureichender Ernährung in Rußland geltend. Durch Urteil vom 6. Mai 1971 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen. Das LSG hat die behaupteten Schädigungen, eine Verwundung im 2. Weltkrieg sowie eine sowjetische Kriegsgefangenschaft, auf die der Kläger die geltend gemachten Gesundheitsstörungen ursächlich zurückführt, als nicht erwiesen beurteilt: Über den Zeitpunkt der Einberufung zum Kriegsdienst, der Verwundung, der Gefangennahme und der Entlassung habe der Kläger teils widersprüchliche und teils offensichtlich unrichtige Angaben gemacht. Keine seiner drei früheren Ehefrauen habe diese Behauptungen bestätigt und durch die im Januar 1946 erhobene Scheidungsklage sowie seine Beschäftigung von 1945 bis 1947 werde eindeutig widerlegt, daß er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft gewesen sei. Die anderen Beweismittel reichten nicht aus, um die Verwundung und die Kriegsgefangenschaft zu beweisen. Die Tatsache, daß die Versorgungsverwaltung mit Bescheiden vom 3. Oktober 1958 und 5. Juni 1967 Schädigungsfolgen rechtsverbindlich anerkannt und zuvor die behauptete Kopfverwundung als bewiesen angesehen habe, schließe eine neue Prüfung der schädigenden Ereignisse nicht aus. Die Feststellungswirkung der rechtsverbindlichen Bescheide beziehe sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht darauf, daß ein bestimmter, als schädigender Tatbestand im Sinne des § 1 BVG zu wertender Vorgang sich ereignet habe. Da ein schädigendes Ereignis nicht nachgewiesen sei, sei die gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vom Kläger beantragte medizinische Sachaufklärung ausgeschlossen. Die anerkannten Schädigungsfolgen bedingten keine MdE von mindestens 25 v. H., die einen Rentenanspruch begründen. Das LSG hat die Revision wegen einer Abweichung von BSG 27, 22 zugelassen.

Der Kläger macht mit der Revision eine Gesetzesverletzung geltend. Das LSG habe sich nicht über die rechtsverbindlichen Anerkennungsbescheide hinwegsetzen dürfen. Deren Bindungswirkung nach § 77 SGG umfasse denknotwendig auch das schädigende Ereignis, ohne das die Schädigungsfolgen nicht eingetreten sein könnten. Andernfalls müßte ein Versorgungsberechtigter mit seinem ersten Versorgungsanspruch wie im Zivilprozeß das Feststellungsbegehren verbinden, daß ihm auch für künftige Folgen desselben Schadensereignisses, mit denen er zu rechnen habe, Versorgung zustehe. Eine solche Feststellungsklage sei aber nach dem SGG nicht zulässig. Außerdem verbiete sich die vom LSG angenommene Beschränkung der Rechtsverbindlichkeit aus prozeßwirtschaftlichen Gründen.

Der Kläger beantragt,

1.

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 6. Mai 1971, das Urteil des SG Hannover vom 11. November 1968, den Widerspruchsbescheid vom 11. März 1968 und den Bescheid des Versorgungsamts vom 21. September 1967 aufzuheben,

2.

festzustellen, daß auch die Gesundheitsstörungen

a)

Wirbelsäulenverlagerung,

b)

Schulterverlagerung links,

c)

Hirnverletzung,

d)

Herz- und Kreislaufstörungen,

e)

Leberzirrhose

Schädigungsfolgen im Sinne des BVG sind, und

3.

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ab 1. Juli 1967 Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v. H. zu zahlen,

hilfsweise,

ein Gutachten nach § 109 SGG von dem Facharzt für innere Krankheiten Dr. K darüber einzuholen, ob die im Feststellungsantrag genannten Gesundheitsstörungen durch Kriegs- und Gefangenschaftseinwirkung entstanden sind und eine MdE von 50 v. H. verursachen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 SGG). Sie ist aber sachlich nicht begründet.

Das LSG hat mit Recht die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen.

Ob der Kläger mit der Revision auch eine Beschädigtenrente wegen einer Verschlimmerung der bereits anerkannten Schädigungsfolgen begehrt, läßt sich weder aus seinem Antrag noch aus der Revisionsbegründung erkennen. Insoweit ist das Urteil des LSG, auch wenn der Kläger es in vollem Umfang hätte anfechten wollen, jedenfalls nicht zu beanstanden. An die tatsächliche Feststellung des LSG, die anerkannten Schädigungsfolgen minderten die Erwerbsfähigkeit des Klägers im allgemeinen Arbeitsleben (§ 30 Abs. 1 BVG) nicht um wenigstens 25 v. H., ist das Revisionsgericht nach § 163 SGG gebunden, weil der Kläger gegen sie keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht hat. Daraus ergibt sich zwingend die Rechtsfolge, daß dem Kläger keine Beschädigtenrente zusteht (§ 31 Abs. 1 und 2 BVG). Der Kläger hat auch nicht gerügt, daß über das Ausmaß der anerkannten Schädigungsfolgen ein Gutachten nach § 109 SGG hätte eingeholt werden müssen.

Soweit der Kläger andere Gesundheitsstörungen als die bereits anerkannten als Schädigungsfolgen nach § 1 BVG festgestellt haben will und darauf einen Rentenanspruch stützt, ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu unterscheiden zwischen solchen Schäden, die durch Einwirkungen der Kriegsgefangenschaft verursacht worden sein sollen (Wirbelsäulen- und Schulterverlagerung, Herz- und Kreislaufstörungen, Leberzirrhose und teilweise auch Kopfbeschwerden), und solchen, die er auf eine Kopfverwundung zurückführt (Hirnverletzung mit Kopfbeschwerden). Das hat das LSG nicht genügend beachtet. Indes ist seine Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1.

Bei der Entscheidung über die geltend gemachten Kriegsgefangenschaftsfolgen war die Bindungswirkung der Bescheide vom 3. Oktober 1958 und vom 5. Juni 1967 nicht zu beachten, allerdings aus einem anderen als dem vom LSG angenommenen Grund.

Den Bescheid vom 3. Oktober 1958 mit seinem für den Kläger günstigen Teil hat das rechtskräftige Urteil vom 4. April 1967 (§ 141 SGG), das den Rücknahmebescheid vom 30. Januar 1961 aufgehoben hat, bestätigt. Der Ausführungsbescheid vom 5. Juni 1967, den der Kläger nicht angefochten hat, ist rechtsverbindlich geworden. Damit ist für beide Verwaltungsakte nach § 77 SGG und § 24 VerwVG die Bindungswirkung "in der Sache", d. h. die materiell-rechtliche Bestandskraft, eingetreten. Diese Bindungswirkung reicht so weit, wie die Versorgungsverwaltung in den Bescheiden die Rechtsbeziehungen zum Kläger geregelt hat; entschieden in diesem Sinne hat sie über die Feststellung von Schädigungsfolgen gemäß § 1 BVG, die den Umfang des Heilbehandlungsanspruches (§ 10 Abs. 1 BVG nF) bestimmen (BSG 9, 80, 83 ff; 12, 25; 27, 22, 23). Dieser Inhalt des Verfügungssatzes hat auch rechtliche Bedeutung für weitere Rechtsfolgen; für die Rechtsvermutungen bei Ansprüchen auf Bestattungsgeld (§ 36 Abs. 1 Satz 2 BVG) und auf Hinterbliebenenrenten (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BVG); er kann sich außerdem bei einer Neufeststellung desselben Versorgungsanspruches nach § 62 BVG (wegen wesentlicher nachträglicher Änderung der maßgebenden Verhältnisse) auswirken, die in diesem Revisionsverfahren nicht mehr näher zu prüfen ist. Die Bindungswirkung erschöpft sich in der Beurteilung des Sachverhaltes, auf dem die Verwaltungsakte auf Grund der Angaben des Klägers zu seinem Versorgungsantrag beruhen. Das folgt aus einem allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsatz, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 25. Januar 1972 - 9 RV 470/70 - (unter Hinweis auf BSG 10, 248, 250; BSG, Bundesversorgungsblatt 1963, 87) entschieden hat. Die in den Bescheiden vom 3. Oktober 1958 und vom 5. Juni 1967 ausgesprochene Anerkennung von Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG beruht indes auf einem anderen Sachverhalt als dem, den der Kläger zur Begründung des Begehrens auf Versorgung wegen der erstmalig in dem jetzt anhängigen Verfahren geltend gemachten Gesundheitsstörungen vorgetragen hat. Die schädigenden Vorgänge sollen sich nach dem jetzigen Vorbringen in der Kriegsgefangenschaft ereignet haben, während der Kläger im ersten Verfahren verschiedene Körperschäden auf eine im Kriegsdienst erlittene Kopfverletzung zurückführte.

2.

Für die Entscheidung über einen Versorgungsanspruch wegen Hirnverletzungsfolgen hat das LSG mit Recht aus den von ihm dargelegten Gründen eine Bindungswirkung der Bescheide vom 3. Oktober 1958 und vom 5. Juni 1967 nicht angenommen.

Materiell bestandskräftig ist nur die in diesen Verwaltungsakten getroffene Entscheidung, d. h. die Anerkennung einzelner Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach § 1 BVG, und zwar anderer Körperschäden, als sie der Kläger jetzt im Wege eines neuen Versorgungsanspruches geltend macht. Damit ist rechtsverbindlich festgestellt, daß jene Gesundheitsstörungen (Narben usw.) wahrscheinlich im ursächlichen Zusammenhang mit einer schädigenden Einwirkung stehen, die unter einen der Tatbestände des § 1 BVG fällt. Der erkennende Senat hat in dem Urteil vom 22. Juni 1967 (BSG 27, 22), das einen anders gelagerten Sach- und Streitstand betraf, lediglich ausgeführt, mit dem rechtsverbindlichen Verfügungssatz, eine Gesundheitsstörung sei Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG, sei auch der ursächliche Zusammenhang festgestellt und deshalb dürfe bei einer neuen Prüfung desselben Vorganges die rechtliche Zuordnung der tatsächlichen Schädigung unter ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 1 BVG nicht anders beurteilt werden (aaO S. 24 f). Über die Streitfrage des hier zu beurteilenden Falles, ob mit der Anerkennung von Schädigungsfolgen stets zugleich die Tatsache des schädigenden Ereignisses rechtsverbindlich festgestellt worden ist, hat der Senat in dem zitierten Urteil nicht zu entscheiden gehabt. Das LSG hat die hier umstrittene Frage mit Recht verneint. Die materielle Bestandskraft des Verfügungssatzes, bestimmte Gesundheitsstörungen würden als durch schädigende Einwirkungen nach § 1 BVG hervorgerufen anerkannt, erschöpft sich in dieser Entscheidung. Die für weitere Ansprüche eintretenden Rechtswirkungen dieser Feststellung hängen allein davon ab, daß bestimmte Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anerkannt sind. Dem schädigenden Vorgang, auf den sie zurückgeführt werden, mithin einer begründenden Tatsache, kommt dabei keine selbständige rechtliche Bedeutung zu. Ob etwas anderes gilt, wenn - wie im Recht der Unfallversicherung (BSG 24, 162) - ein "entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall aus Anlaß" einer bestimmten Erkrankung oder in der Kriegsopferversorgung z. B. eine bestimmte schädigende Einwirkung als entschädigungspflichtiger Dienstunfall "anerkannt" worden ist, kann hier dahingestellt bleiben. Wenn die Angaben des Klägers in seinem Antrag vom Dezember 1956, auf den der Bescheid vom 3. Oktober 1958 ausdrücklich Bezug nimmt, zur Auslegung des allein bindungsfähigen Verfügungssatzes herangezogen werden (BSG 24, 162, 164), nimmt gleichwohl diese tatsächliche Begründung nicht selbständig mit Wirkung für einen anderen Versorgungsanspruch (Anerkennung weiterer, andersartiger Schädigungsfolgen) an der Bindung teil (Urteil des BSG vom 3. November 1961 - 8 RV 1337/59 -).

Die entgegenstehende Rechtsauffassung des Klägers läßt sich nicht etwa auf § 41 VerwVG stützen. Wenn nach dieser Vorschrift die Berichtigung rechtsverbindlicher Bescheide u. a. eine (zweifelsfreie) tatsächliche Unrichtigkeit voraussetzt, so kann sich diese Unrichtigkeit auch auf Tatsachen beziehen, die dem Verwaltungsakt zugrunde gelegen haben, ohne selbst rechtsverbindlich festgestellt worden zu sein, z. B. auf einen einzelnen Befund, der zur irrtümlichen Anerkennung einer Krankheit geführt hat (BSG SozR Nr. 16 zu § 41 VerwVG). Die Berichtigung als Rechtsfolge greift allerdings bloß in die Bestandskraft des Verfügungssatzes ein. Um eine solche Berichtigung geht es aber im vorliegenden Fall nicht; die Bescheide vom 3. Oktober 1958 und vom 5. Juni 1967 bleiben durch die jetzt über Hirnverletzungsfolgen getroffene Entscheidung unberührt. Entgegen der Ansicht des Klägers läßt sich die Ausdehnung der materiellen Bestandskraft auf das schädigende Ereignis auch nicht damit begründen, eine gesonderte gerichtliche Feststellung dieser anspruchsbegründenden Tatsache nach § 55 Abs. 1 SGG wäre nicht zulässig gewesen. Allerdings kann eine solche Feststellung über eine tatsächliche Voraussetzung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 SGG nach dieser Vorschrift mit der Klage nicht begehrt werden (BSG 7, 3, 5 f; vgl auch BSG 4, 184). Kann aber nicht im Gerichtsverfahren eine selbständige Feststellung der schädigenden Einwirkung, die der Rechtskraft fähig wäre (§ 141 SGG), mit Wirkung für weitere Ansprüche erstritten werden, dann läßt sich eine solche Wirkung auch nicht in die materielle Bestandskraft eines Bescheides der Versorgungsbehörde (§§ 22 und 24 VerwVG) hineindeuten.

Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG. Selbst wenn die Feststellung der Schädigungsfolgen ausdrücklich mit einem - hier fehlenden - Zusatz verbunden ist, der eine schädigende Einwirkung als Ursache bezeichnet, z. B. "Herzmuskelschaden nach Diphterie" oder "Herzfehler nach Gelenkrheumatismus", ist damit nicht rechtsverbindlich anerkannt, daß die als Ursache gewertete Tatsache (Diphterie, Gelenkrheumatismus) tatsächlich vorgelegen hat (BSG SozR Nr. 29 zu § 1 BVG; Urteil des BSG vom 13. Februar 1964 - 8 RV 330/61 -). Falls "Beschwerden nach einer ... Verletzung" anerkannt worden sind, umfaßt die rechtsverbindliche Anerkennung allein die Leiden, die nach den zugrundeliegenden Gutachten als Folgen der Verletzung beurteilt worden waren (BSG 11, 57, 58 f). Da demgemäß z. B. auch ein erläuternder Hinweis auf eine Operation oder einen sonstigen schädigenden Vorgang nicht bewirkt, daß sich die bindende Anerkennung von Schädigungsfolgen auf diese Tatsache bezieht, sind auf keinen Fall andere Gesundheitsstörungen, die durch diese Tatsache verursacht worden sind, als Schädigungsfolgen festgestellt (Urteil des BSG vom 27. November 1962 - 11 RV 276/62 -). Schließlich umfaßt z. B. auch die Anerkennung von "Oberschenkelverlust nach ... Endangiitis obliterans im Sinne der Verschlimmerung" nicht einmal die Anerkennung dieses Grundleidens (BSG 3, 45 48 f). Dann ist viel weniger die Tatsache einer schädigenden Einwirkung, die in dem Verfügungssatz des Bescheides nicht bezeichnet ist, der materiellen Bestandskraft fähig.

Das LSG, das nach alledem eine Bindungswirkung der Bescheide vom 3. Oktober 1958 und vom 5. Oktober 1967 nicht hat beachten müssen, hat auch zutreffend entschieden, daß dem Kläger keine Versorgung nach § 1 BVG wegen der im Berufungsantrag zusätzlich aufgeführten Gesundheitsstörungen zusteht. Die vorauszusetzenden Tatsachen, eine Kopfverwundung und schädigende Einwirkungen einer sowjetischen Kriegsgefangenschaft, durch die diese Störungen verursacht worden sein sollen, sind nach der nicht angegriffenen und damit für das Revisionsgericht verbindlichen Tatsachenfeststellung (§ 163 SGG) wegen teils widersprechender, teils unrichtiger Angaben des Klägers nicht nachgewiesen; damit hat sich eine Prüfung des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b, Abs. 3 Satz 1 BVG) und auch eine Beweiserhebung nach § 109 SGG erübrigt (BSG SozR Nr. 25 zu § 109 SGG; BSG 2, 255, 257).

Die demnach unbegründete Revision des Klägers mußte nach § 170 Abs. 1 SGG zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669470

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