Orientierungssatz

Die am 1935-10-01 in Kraft getretene vom RAM erlassene VtrO Zahnärzte vom 1935-08-27 (RGBl 1 1935, 112) ist bis zum Inkrafttreten des GKAR vom 1955-08-17 (BGBl 1 1955, 513) niemals ausdrücklich aufgehoben worden.

 

Normenkette

KARG Art. 4 § 12 S. 1 Fassung: 1955-08-17; ZÄVtrO § 10 Abs. 5 Fassung: 1935-08-27

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. März 1962 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Klägerin hatte mit dem Verband der Ortskrankenkassen ( LVOKK ) für die Länder Niedersachsen und Bremen am 13. November 1951 eine Vereinbarung über die Höhe der ihr zu zahlenden Gesamtvergütung geschlossen; in der Vereinbarung war festgestellt worden, dass mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Wilhelmshaven eine besondere Abmachung zu treffen sei, weil die AOK kasseneigene Zahnkliniken unterhält. Am 6. März 1952 war hierauf zwischen der Klägerin und der Beklagten ein entsprechender Vertrag zustande gekommen. Auf Klage von zwei in Wilhelmshaven niedergelassenen Kassenzahnärzten hatte das Sozialgericht (SG) Hannover mit Urteil vom 15. Juni 1955 festgestellt, dass die Verträge vom 13. November 1951 und 6. März 1952 insoweit rechtsunwirksam seien, als hierin die von der AOK zu zahlende Gesamtvergütung "auf Pauschalbasis" beruhe; nach § 10 Abs. 5 der Vertragsordnung für Kassenzahnärzte und Kassendentisten (Vertr.OZ) vom 27. August 1935 (RGBl. I S. 1112) sei die Berechnung der Vergütung auf Pauschalbasis nicht zulässig, weil die AOK kasseneigene Zahnkliniken betreibe; nach dieser Bestimmung sei nur die Vergütung nach Einzelleistungen zulässig. Die Klage war gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Niedersachsen - die jetzige Klägerin - gerichtet gewesen. Das SG hatte die AOK Wilhelmshaven - die jetzige Beklagte - beigeladen. Die Berufung der AOK gegen das Urteil des SG vom 15. Juni 1955 ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Niedersachsen vom 30. April 1956). Ihre Revision ist vom Bundessozialgericht (BSG) durch Beschluss gemäß § 169 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vom 24. November 1956 verworfen worden.

Die Klägerin hat mit dem LVOKK am 31. Dezember 1954 einen neuen Rahmenvertrag und mit der Beklagten am 14. März 1955 einen neuen gesonderten Vertrag des Inhalts geschlossen, dass vom 1. Januar 1955 an die kassenzahnärztlichen Leistungen nach Einzelleistungen - mit Fallkostenbegrenzung - zu vergüten sind.

Mit Zahlungsbefehl vom 30. Dezember 1958 hat sie von der Beklagten die Zahlung von Honorarrückständen von insgesamt 55.866,64 DM aus den Jahren 1955 und 1956 begehrt. Das Amtsgericht Wilhelmshaven hat den Rechtsstreit an das SG Hannover verwiesen. Mit gesonderter Klage zu diesem SG hat die Klägerin zusätzlich Honorarzahlungen für Zeiten vorher sowie für die Jahre 1957 und 1958 verlangt. Nach Verbindung dieser beiden Klagen durch das SG hat sie insgesamt die Nachzahlung von 429.188,20 DM Honorarrückständen und von 159.807,81 DM Zinsen bis 31. Dezember 1959, ab 1. Januar 1960 Zinsen in Höhe von 1 v. H. über dem jeweiligen Diskontsatz gefordert. Die Klägerin ist der Meinung, es sei rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagte die kassenzahnärztlichen Leistungen nach Einzelleistungen vergüten müsse; ihre eingeklagten Hauptforderungen stellten den Unterschied zwischen den abgerechneten Einzelleistungen ihrer Mitglieder und den von der Beklagten tatsächlich geleisteten Zahlungen dar.

Das SG Hannover hat mit Urteil vom 29. Juni 1960 die für die Abrechnungszeiträume vom 1. Juli 1951 bis 31. Dezember 1954 erhobenen Klagansprüche abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung, mit der die Beklagte für diese Zeit eine Nachzahlung von 112.574,96 DM Honorarrückständen nebst Zinsen gefordert hatte, hat das LSG Niedersachsen mit Urteil vom 7. März 1962 mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Das SG habe durch Teilurteil entscheiden können, weil es sich um einen aus selbständigen Rechtsgrundlagen hergeleiteten Teilanspruch handele; sein Entschluss, wegen der für die Zeit vom 1. Juli 1951 bis 31. Dezember 1954 erhobenen Ansprüche durch Teilurteil zu entscheiden, beruhe darauf, dass die diesen Zeitraum betreffenden Verträge zwischen den Beteiligten insoweit als rechtsunwirksam festgestellt seien, als die Vergütung der kassenzahnärztlichen Leistungen durch die AOK "auf Pauschalbasis" festgelegt sei. Der Feststellungswirkung des Urteils stehe nicht entgegen, dass die Beklagte in der strittigen Zeit nach einem Anteil an der Grundlohnsumme, also auf Grund einer Berechnung gezahlt habe, die im Ergebnis einer Einzelleistungsvergütung mit - erlaubter - Fallkostenbegrenzung gleichkomme, zumal in den rechtskräftig gewordenen Urteilen des SG und des LSG ausgeführt sei, dass das nach der Vertr.OZ gegebene Verbot der Pauschalierung nicht durch Verkoppelung der Pauschalvergütung mit der Grundlohnsumme umgangen werden könne. Damit stehe außer Frage, dass die Vergütung seitens der Beklagten für die strittige Zeit nicht in zulässiger Weise berechnet worden sei. Trotzdem stehe der Leistungsanspruch der Klägerin für diese Zeit in seiner ziffernmäßigen Höhe nicht fest, denn § 10 Abs. 5 Vertr.OZ lasse nicht etwa die unbeschränkte Vergütung nach Einzelleistungen als alleinigen Zahlungsmodus zu, er verbiete nur, die Gesamtvergütung nach einem Kopfpauschale unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Mitgliederzahl der Krankenkasse (KK) zu berechnen. Es gebe aber noch andere Berechnungsarten. Solche seien auch schon zur Zeit des Inkrafttretens der Vertr.OZ als zulässig angesehen worden. Der als Anlage VII zum Reichsvertrag für Kassenzahnärzte vom 30. September 1935 beigefügte Erlass des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 12. April 1939 habe die Vergütung nach Einzelleistungen mit Fallkostenbegrenzung vorgeschrieben. Die seinerzeit als Fallkostenbegrenzung vorgesehenen Beträge seien aber durch die wirtschaftliche Entwicklung überholt, so dass die Abrechnungsregeln dieses Erlasses keinesfalls mehr verwertbar seien. Die Vertr.OZ habe - ebenso wie das heutige Kassenzahnarztrecht - den Vertragspartnern Spielraum für eine Vergütungsvereinbarung gelassen, der durch entsprechende Abmachungen ausgefüllt werden müsse. Insoweit bestehe ein Vertragszwang der Beteiligten. Diese hätten die Einzelgrundlagen für die Berechnung der Gesamtvergütung aber vorliegendenfalls noch nicht geschaffen. Einigten sie sich hierüber nicht, müssten zunächst die nach § 368 h und i der Reichsversicherungsordnung (RVO) zuständigen Schiedsinstanzen eine Entscheidung treffen. Das LSG Niedersachsen habe zwar im rechtskräftigen Urteil vom 30. April 1956 die Ansicht vertreten, dass in den Fällen des § 10 Abs. 5 Vertr.OZ ausnahmslos die Vergütung nach der im Reichsvertrag als Anlage VII vorgesehenen Gebührenordnung, d. h. nach Einzelleistungen, zulässig sei; diese Rechtsauffassung sei aber als eine in den Entscheidungsgründen enthaltene Feststellung der rechtlichen Voraussetzungen des im Urteilsspruch entschiedenen Streitverhältnisses nicht der Rechtskraft fähig.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat ihr Rechtsmittel gegen das Urteil des Berufungsgerichts im wesentlichen wie folgt begründet: Für die Zeit vom 1. Juli 1951 bis 31. Dezember 1954, während der die mit der Beklagten abgeschlossenen Verträge nichtig seien, stünden ihr die von ihr substantiiert vorgetragenen, ihrer Höhe nach eindeutig feststehenden Ansprüche zu. Nach § 10 Abs. 5 Vertr.OZ, der die Vergütung auf Pauschalbasis verbiete, sei nur die Einzelleistungshonorierung ohne Fallkostenbegrenzung oder sonstige Einschränkungen zulässig, denn der Sinn dieser Bestimmung sei, das Interesse der KKen an der Gründung weiterer Zahnkliniken durch Ausschluss eines für die KKen risikolosen Vergütungssystems einzudämmen. Das Vergütungssystem, das den KKen ein Risiko aufbürde, sei allein das der Bezahlung nach Einzelleistungen ohne irgendwelche Einschränkungen. Die Anlage VII zum Reichsvertrag für Kassenzahnärzte sei erst im Jahre 1939 erlassen worden. Damals seien die wirtschaftlichen Verhältnisse anders gelagert gewesen als im Jahre 1935, als die Vertr.OZ in Kraft getreten sei. Jene Anlage VII sei indessen nichtig, weil sie im Widerspruch zum Reichsvertrag stehe und durch dessen Inhalt nicht gedeckt werde. Im übrigen gebe es praktisch nur zwei Vergütungssysteme, nämlich das nach Einzelleistungen ohne Einschränkungen und das Kopfpauschale; Einzelleistungsvergütungen mit Fallkostenbegrenzung sowie Vergütungssysteme, die nach einem Fallpauschale berechnet würden oder bei denen eine Bindung an die Grundlohnsumme bestehe, kämen in ihrer praktischen Wirkung einem Kopfpauschale gleich. Da somit allein die Vergütung nach Einzelleistungen ohne Einschränkungen in Frage komme, insoweit die Abrechnungssummen der Klägerin aber eindeutig seien, stehe der Anspruch der Klägerin auch ziffernmäßig fest; für eine Anrufung der Schiedsinstanzen sei unter diesen Umständen kein Raum.

Die Klägerin hat beantragt,

die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für den Abrechnungszeitraum vom 3. Kalendervierteljahr 1951 bis zum 4. Kalendervierteljahr 1954 Honorarrückstände in Höhe von 112.574,96 DM nebst anteiligen Zinsen zu zahlen,

hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen,

evtl. hilfsweise den Rechtsstreit gemäß § 114 SGG bis zur Entscheidung des Landesschiedsamts Niedersachsen über die zu zahlende Vergütung auszusetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die durch Zulassung statthafte (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) Revision ist nicht begründet.

Streitig ist die Höhe der von der Beklagten an die Klägerin zu zahlenden Gesamtvergütung. Es handelt sich der Sache nach um eine Angelegenheit der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenzahnärzte und KKen, so dass der Senat unter Mitwirkung je eines Bundessozialrichters aus dem Kreise der KKen und der Kassenzahnärzte zu entscheiden hatte (§ 40 Satz 1, § 33 Satz 2, § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG).

Das LSG hat die Berufung zu Recht als zulässig angesehen. Einer der Berufungsausschließungsgründe des § 144 SGG liegt nicht vor. Die kassenzahnärztliche Gesamtvergütung wird von den KKen an die KZVen jeweils in vierteljährlichen Abständen gezahlt. Die Berufung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn man für deren Zulässigkeit von den Grundsätzen ausgeht, die der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung bei Streitigkeiten eines Kassenzahnarztes gegen seine KZV wegen Kürzung seines Honorars anwendet (BSG 11, 102, 108; SozR SGG § 144 Bl. Da 8 Nr. 21), denn vorliegendenfalls betrifft der Streit über die Höhe der Gesamtvergütung eine Reihe von Abrechnungszeiträumen.

Das Vordergericht hat zutreffend angenommen, dass das SG in der Sache durch Teilurteil hat entscheiden können. Der Erlass eines Teilurteils ist im sozialgerichtlichen Verfahren zulässig (BSG 7, 3, 6 mit weiteren Nachweisungen aus Rechtsprechung und Schrifttum). Da die Gesamtvergütung jeweils für 1/4 Jahr berechnet und gezahlt wird, ist die von der Klägerin gegen die Beklagte erhobene, mehrere Abrechnungszeiträume umfassende Forderung somit eine Gesamtforderung, die sich aus den Einzelsummen der betreffenden Abrechnungsvierteljahre zusammensetzt. Die Vorinstanzen haben über die Anspruchsberechtigung der Klägerin für einen Teil dieser Abrechnungszeiträume entschieden, weil ihrer Ansicht nach insoweit eine Rechtslage gegeben ist, die sich von der für die restlichen Abrechnungsvierteljahre deutlich unterscheidet.

Mit Recht ist das Berufungsgericht ferner davon ausgegangen, dass zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits, die auch Beteiligte des Vorprozesses gewesen und deshalb durch die Rechtskraft der hier ergangenen Entscheidungen gebunden sind (§ 141 Abs. 1 SGG), allein rechtskräftig feststeht, dass die zwischen ihnen geschlossenen Abmachungen vom 13. November 1951 und 6. März 1952 insoweit rechtsunwirksam sind, als die von der Beklagten zu zahlende Gesamtvergütung "auf Pauschalbasis" festgelegt ist. Wie das LSG zutreffend erkannt hat, ist Streitgegenstand des Vorprozesses nur die Frage der Rechtsunwirksamkeit jener Vereinbarungen gewesen. In Verwaltungsstreitsachen werden Umfang und Wirkungen der Rechtskraft in manchen Fällen zwar nicht allein aus der Urteilsformel erkennbar sein; insoweit können die Entscheidungsgründe zu ihrer Erläuterung herangezogen werden (vgl. Klinger, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, S. 439). Dies hat das Berufungsgericht auch nur getan; es hat mit Recht ausgeführt, dass die von den Gerichten des Vorprozesses geäußerte Meinung, die AOK Wilhelmshaven sei zur Vergütung nach Einzelleistungen verpflichtet, weil sie Zahnkliniken unterhalte, weder die Prozessbeteiligten noch die Gerichte bindet, weil es sich hier um eine Rechtsfolgerung aus der rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge handelt. Ausführungen über solche rechtliche Folgerungen gehen aber nach allgemeiner Meinung (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozessrechts, 8. Aufl., S. 752) nicht in Rechtskraft über. Das LSG hat deshalb mit Recht geprüft, ob die Beklagte aus anderen Gründen als der Feststellungswirkung des rechtskräftigen Urteils für die Abrechnungszeiträume vor dem 1. Januar 1955 die kassenzahnärztlichen Leistungen der Mitglieder der Klägerin nach Einzelleistungen ohne irgendwelche Einschränkungen vergüten muss, denn nur unter dieser Voraussetzung, wenn also die Berechnungsart eindeutig feststeht, können die von der Klägerin gegen die Beklagte erhobenen Ansprüche ziffernmäßig eingeklagt werden. Indessen hat sich das Berufungsgericht - im Ergebnis - zutreffend auf den Standpunkt gestellt, dass diese Voraussetzung nicht vorliegt.

Das Vordergericht hat seiner Entscheidung § 10 Abs. 5 Vertr.OZ zugrunde gelegt. Es hat diese Bestimmung dahin ausgelegt, dass die Streitbeteiligten verpflichtet seien, die noch fehlende vertragliche Grundlage über die Höhe der von der Beklagten an die Klägerin für die Leistungen ihrer Mitglieder zu zahlende Vergütung zu schaffen, weil diese Bestimmung keine eindeutige Berechnungsart zum Inhalt habe. Der Senat hält dieses vom Vordergericht gewonnene Ergebnis - allerdings aus anderen Gründen - für zutreffend.

Die am 1. Oktober 1935 in Kraft getretene vom RAM erlassene Vertr.OZ ist bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) vom 17. August 1955 niemals ausdrücklich aufgehoben worden. Es bedarf vorliegendenfalls keiner Entscheidung, ob sie durch Art. 4 § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes, welches das Kassenarzt- und Kassenzahnarztrecht umfassend neu geregelt hat, endgültig unwirksam geworden ist. Weder das eine noch das andere schließt aus, dass Teile der Vertr.OZ schon vorher ihre Rechtswirksamkeit verloren haben können. Die im Kapitel III (§§ 10 ff.) der Vertr.OZ enthaltenen Bestimmungen über die kassenzahnärztliche und kassendentistische Vergütung sind im Grunde die gesetzliche Niederlegung dessen, was die Verbände der Zahnbehandler und KKen bereits in den Jahren 1921 und 1924 sowie in zentralen Abkommen in den Jahren 1931 bis 1933 (unter Berücksichtigung der damaligen allgemeinen wirtschaftlichen Notlage) vertraglich vereinbart und damit zum Gegenstand ihrer rechtlichen Beziehungen gemacht hatten. In den §§ 2 und 3 Vertr.OZ ist festgelegt, dass auch künftig die Rechtsverhältnisse zwischen Zahnbehandlern und KKen weitgehend durch den Inhalt von Kollektivverträgen, nämlich durch Reichs- und Bezirksverträge, zu bestimmen sind. Der Gesetzgeber hat im allgemeinen in diese Beziehungen nur dann gesetzgeberisch eingegriffen, wenn sich die Vertragspartner nicht geeinigt haben, eine Regelung im Interesse der gegen Krankheit Versicherten aber dringend geboten war. In § 10 Abs. 1 bis 3 Vertr.OZ ist bestimmt, dass die Leistungen der Kassenzahnärzte durch eine Gesamtvergütung, die sich nach einem Kopfpauschale und der durchschnittlichen Mitgliederzahl der KKen richtet, abzugelten sind. Diese Bestimmungen finden jedoch nach § 10 Abs. 5 Vertr.OZ keine Anwendung auf KKen, die eine Zahnklinik unterhalten; in einem solchen Fall sind im Bezirksvertrag Bestimmungen über die den Kassenzahnärzten zu gewährenden Vergütungen zu treffen. Der Gesetzgeber war bei Erlass dieser Bestimmung davon ausgegangen, dass hier die Errechnung einer Gesamtvergütung einerseits auf die größten Schwierigkeiten stoßen, andererseits bei einem starken Wechsel der Kassenmitglieder zwischen Benutzung der Zahnklinik und Aufsuchen von frei praktizierenden Kassenzahnärzten die Vergütung der kassenzahnärztlichen Leistungen in Form einer Gesamtvergütung zu unmöglichen Ergebnissen führen würde (vgl. Schmundt in DOK 1935 S. 861, 865; Heller/Kühne, Zulassungs- und Vertragsrecht der Kassenzahnärzte und Kassendentisten, 1936 S. 28). Die Spitzengremien der KKen, Kassenzahnärzte und Dentisten haben am 8. März 1939 Vereinbarungen zu § 10 Abs. 5 Vertr.OZ abgeschlossen, die als Anlage VII den Reichsverträgen für Kassenzahnärzte und Kassendentisten beigefügt worden sind (vom RAM bekanntgemacht am 12. April 1939 in den AN 1939 S. IV, 222 und am 19. März 1940 in den AN 1940 S. II, 107). Danach waren die Leistungen der Kassenzahnärzte und Kassendentisten nach Einzelleistungen mit Fallkostenbegrenzung zu vergüten. Durch - nicht veröffentlichten - Erlass vom 18. Januar 1944 (vgl. Wieglow/Roth, Die Kassenarztgebühren, 5. Aufl., Stand Juni 1962, S. 195) hat der RAM mit Rücksicht auf die Erfordernisse des Krieges bestimmt, dass auch in solchen Fällen die Vergütung nach Kopfpauschale zu berechnen ist. Nach diesem Erlass ist auch nach Beendigung des zweiten Weltkrieges weiter verfahren worden.

Das in § 10 Abs. 1 bis 3 Vertr.OZ niedergelegte Vergütungssystem ist infolge der nach dem zweiten Weltkrieg veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse zunächst weitgehend durchbrochen und später fast ganz aufgehoben worden. Die auf zentraler Ebene geschlossene sogenannte Alsbacher Vereinbarung vom 14. August 1949 (Wieglow/Roth, a. a. O., S. 198) hat die nach der Vertr.OZ geltenden Grundlagen für die Berechnung des Kopfpauschales verlassen. In der Folgezeit sind in einer Reihe von Bundesländern die Vergütungssysteme auch in ihren Grundzügen verändert worden, indem die Berechnung der Gesamtvergütung nach Vom-Hundert-Sätzen der Grundlohnsumme oder nach Einzelleistungen (zunächst meist mit Einschränkungen durch Fallkostenbegrenzungen, Morbiditätsklauseln usw.) vereinbart worden ist (vgl. Jantz/Prange, Das gesamte Kassenarztrecht, Teil B, S. 25 sowie Anm. 2 am Ende zu Artikel 4 § 12 GKAR; Hess/Venter, Handbuch des Kassenarztrechts, Band I, S. 63). Damit hatte § 10 Vertr.OZ vielfach schon vor Inkrafttreten des GKAR an praktischer Bedeutung verloren; er ist durch die tatsächliche Entwicklung des kassenzahnärztlichen Vertragsrechts, das schon seit jeher durch den Grundsatz der größtmöglichen Vertragsfreiheit gekennzeichnet gewesen ist, überholt worden (aM Hess/Venter aaO, S. 194). Der Gesetzgeber hat erst durch § 368 f RVO (idF des Art. 1 GKAR) dieser ihm vorausgeeilten Entwicklung der Praxis Rechnung getragen (ebenso Bayerisches LSG in ZM 1961 S. 96 = ÄM 1960 S. 1546 ff.).

Für das Gebiet der Bundesländer Niedersachsen und Bremen haben der LVOKK und die KZV Niedersachsen durch die Rahmenvereinbarung vom 13. November 1951 und - wegen der besonderen Verhältnisse der AOK Wilhelmshaven - diese sowie die KZV Niedersachsen durch den Zusatzvertrag vom 6. März 1952 sich darauf geeinigt, das Kopfpauschale nicht mehr in der nach § 10 Abs. 3 Vertr.OZ bestimmten Weise, nämlich unter Zugrundelegung der Ausgaben der KK in einem bestimmten Zeitraum sowie deren durchschnittlicher Mitgliederzahl in demselben Zeitraum, sondern nach einem Anteil an der Grundlohnsumme zu berechnen. Sie haben damit das bisherige - durch die Alsbacher Vereinbarung bereits geänderte - Vergütungssystem aufgegeben und durch ein neues ersetzt. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob der RAM durch seinen Erlass vom 18. Januar 1944 die in der Anlage VII des Reichsvertrages niedergelegte Vergütungsregelung - und damit § 10 Abs. 5 Vertr.OZ - nur zeitweilig aufgehoben oder endgültig außer Kraft gesetzt hat. Durch die rechtskräftigen Entscheidungen des Vorprozesses ist zwar die teilweise Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarungen vom 13. November 1951 und 6. März 1952 festgestellt worden. Dies hat aber nicht zur Folge gehabt, dass damit die vorher geübte Vergütungspraxis wieder aufgelebt ist, denn es war ersichtlich nach dem insoweit übereinstimmenden Willen der Vertragspartner die Rückkehr zu der früheren - von ihnen als unzureichend angesehenen - Vergütungsregelung keinesfalls gewollt. Die Vertragspartner sind daher genötigt, ein neues Vergütungsabkommen zu schließen.

Auf eine Vergütung "auf Pauschalbasis" braucht sich die Klägerin angesichts der ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen des Vorprozesses allerdings nicht festlegen zu lassen. Ihrer Meinung, dass somit nur eine Vergütung nach Einzelleistungen in Frage komme, es also keiner Vertragsverhandlungen mehr bedürfe, kann indessen nicht gefolgt werden. Wie § 368 f Abs. 3 RVO (idF des Art. 1 GKAR) deutlich macht, kommt nicht etwa nur die Wahl zwischen der Vergütung nach Kopfpauschale und nach Einzelleistungen in Frage; es sind auch noch andere Vergütungssysteme möglich. Solche hat es in den Rechtsbeziehungen zwischen KKen und Zahnbehandlern schon von Inkrafttreten der Vertr.OZ gegeben (vgl. im einzelnen Schraeder, Die Rechtsbeziehungen zwischen Kassenzahnärzten, Kassendentisten und den Krankenkassen, 1936 S. 32 bis 49). Es verhält sich auch nicht so, dass, wie die Revision meint, abgesehen von der Vergütung nach Einzelleistungen alle übrigen Vergütungssysteme nach ihrem praktischen Ergebnis ein Kopfpauschale darstellten; es wäre dann nicht verständlich, dass in Vergangenheit und Gegenwart noch andere Vergütungssysteme als die nach einem Kopfpauschale oder nach Einzelleistungen angewandt worden sind und werden.

Das LSG hat schließlich geprüft, was zu geschehen hätte, falls sich die Beteiligten über eine Berechnungsart der Gesamtvergütung nicht einigen sollten. Es ist mit Recht zu der Auffassung gelangt, dass die Beteiligten sich dann an das nach § 368 i RVO (idF des Art. 1 GKAR) zuständige Landesschiedsamt wenden müssten und erst gegen dessen Entscheidung die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit anrufen könnten. Die nach dem früher geltenden Vertragsrecht gebildeten Schiedsinstanzen, denen zum Teil andere Aufgaben als den jetzt tätigen Schiedsämtern zugewiesen waren, haben ihre Tätigkeit mit Beendigung des zweiten Weltkrieges weitgehend eingestellt. Mit der abschließenden Neuregelung des Kassenarzt- und Kassenzahnarztrechts durch das GKAR hat der Gesetzgeber wieder Schiedsämter eingeführt; ihr Verfahren ist durch die Schiedsamtsordnung vom 28. Mai 1957 geregelt worden. Dies schließt aber nicht aus, dass die Schiedsinstanzen neuen Rechts auch für die Entscheidung von Vertragsstreitigkeiten zuständig sind, die Zeiträume vor Inkrafttreten des CKAR betreffen. Nach Art. 4 § 12 Satz 1 GKAR bleiben die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Verträge zwischen KZVen und KKen weiterhin in Kraft. Begehrt einer der Vertragspartner nach Inkrafttreten des GKAR die Änderung eines solchen alten Vertrages und einigen sich die Vertragspartner nicht, hat das nach § 368 i RVO nunmehr zuständige Schiedsamt in Tätigkeit zu treten. Nichts anderes kann aber dann gelten, wenn erst unter der Herrschaft des neuen Kassenzahnarztrechts über die Rechtswirksamkeit eines solchen alten Vertrages ein Streit zwischen den Vertragspartnern entsteht, zwischen ihnen zwar insoweit Klarheit geschaffen wird, dass das alte Vertragssystem ganz oder teilweise rechtsunwirksam ist, sie sich aber über eine Ausfüllung der nun bestehenden Lücken ihres Vertragssystems nicht einigen können. Dies ist hier der Fall.

Die Revision war sonach als unbegründet zurückzuweisen. Dem Hilfsantrag der Beklagten, das Verfahren nach § 114 SGG auszusetzen, konnte schon deshalb nicht entsprochen werden, weil das Landesschiedsamt erst tätig werden kann, nachdem die Rechtslage durch die Entscheidung des erkennenden Senats geklärt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380379

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