Leitsatz (amtlich)

Die Unterhaltshilfe wegen Erwerbsunfähigkeit nach den LAG §§ 265, 267 ff hat wegen ihrer Subsidiarität bei der Bemessung des angemessenen Unterhalts der geschiedenen Frau außer Betracht zu bleiben (Fortentwicklung von BSG 1967-05-31 12 RJ 406/62 = BSGE 26 293).

 

Normenkette

RVO § 1265 S. 2 Nr. 1 Fassung: 1972-10-16; AVG § 42 S. 2 Nr. 1 Fassung: 1972-10-16; LAG § 265 Abs. 1, § 267

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Juni 1974 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die am 2. April 1906 geborene Klägerin war mit dem am 27. September 1899 geborenen Versicherten Ludwig B verheiratet gewesen. Am 13. Mai 1954 wurde ihre Ehe nach 27-jähriger Dauer aus dem alleinigen Verschulden ihres Ehemannes geschieden.

Am 7. Juli 1956 heiratete der Versicherte die Beigeladene. Am 20. Dezember 1966 wurde auch diese Ehe aus seinem alleinigen Verschulden geschieden. Am 14. April 1971 ist er gestorben.

Bis zu seinem Tode hatte der Versicherte ein Altersruhegeld von zuletzt 596,30 DM sowie eine Pension von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Wien in Höhe von rund 47,- DM erhalten.

Die Klägerin, die schon früher von Fürsorgeunterstützung und Soforthilfe gelebt hatte, bezog zur Zeit seines Todes eine eigene Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) in Höhe von 78,70 DM, ferner 235,- DM Unterhaltshilfe wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 265 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG), 90,- DM Pflegegeld und 51,- DM Mietbeihilfe, zusammen also 454,70 DM.

Nachdem die Beklagte einen Antrag auf Gewährung von Geschiedenenwitwenrente nach § 42 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) früherer Fassung mit Bescheid vom 14. März 1972, gegen den rechtzeitig Klage erhoben wurde, abgelehnt hatte, streiten die Beteiligten jetzt noch darüber, ob der Klägerin die begehrte Rente aufgrund der Neufassung des § 42 Satz 2 AVG durch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I 1965) mit Wirkung vom 1. Januar 1973 an zusteht (Art. 6 § 8 Abs. 1 RRG). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) Augsburg vom 9. März 1973 abgeändert und die Beklagte antragsgemäß in Abänderung ihres Bescheides vom 14. März 1972 verurteilt, ab 1. Januar 1973 Hinterbliebenenrente in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Zur Begründung führt es aus, nach § 42 Satz 2 AVG idF des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juli 1965 (BGBl I 476) hätte der Klägerin als der früheren Ehefrau des Versicherten, da eine Witwenrente nicht zu zahlen sei, eine Hinterbliebenenrente nur dann zugestanden, wenn eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten zur Zeit seines Todes allein wegen seiner Vermögens- und Erwerbsverhältnisse nicht bestanden hatte, wenn er also außerstande war, Unterhalt zu leisten. Zwar habe der Versicherte zur Zeit seines Todes ein monatliches Einkommen von rund 643,- DM gehabt. Lege man aber die Abzüge zugrunde, die in dem Urteil des Amtsgerichts Neuburg vom 10. März 1969 in der Unterhaltsklage der Beigeladenen gegen ihn zu seinen Gunsten zugelassen seien, nämlich 25,- DM monatlich für Unterhaltsleistungen an die zweite frühere Ehefrau, 80,- DM Aufwendungen für ein Auto, weil er erheblich geh- und stehbehindert gewesen sei, und darüber hinaus einen Vorwegabzug von 100,- DM wegen Rückzahlungsraten, so sei er nicht unterhaltsfähig gewesen. Andererseits habe die Klägerin im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten können. Damit sei ein Anspruch nach § 42 Satz 2 AVG früherer Fassung nicht gegeben gewesen.

Im Gegensatz dazu habe nunmehr die mit Wirkung vom 1. Januar 1973 an in Kraft getretene Neufassung des § 42 Satz 2 AVG mit seiner zweiten Alternative seiner Nr. 1, auf welche sich auch die Berufung stütze, diejenige frühere Ehefrau begünstigt, bei der wegen der Erträgnisse aus einer Erwerbstätigkeit eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht vorgelegen habe. Die der Klägerin gewährten Leistungen seien als mittelbare Erträgnisse aus einer solchen Erwerbstätigkeit zu werten. Bei den Leistungen nach dem LAG sei genau zu untersuchen, welche Ausgleichsleistungen vorlägen. Sie seien entweder reine Entschädigungsleistungen für erlittene Vermögensverluste oder aber soziale Ausgleichsleistungen mit dem Ziel, die Betroffenen wieder in das Wirtschafts- und Erwerbsleben einzugliedern oder zumindest soziale Notstände bei ihnen zu beheben. Zweifellos könnten Leistungen, die überwiegend dem Ausgleich von Vermögensverlusten dienten, nicht als Leistungen mit Lohnersatzfunktion angesehen werden, so daß sie "schädlich" für eine Rente nach § 42 Satz 2 AVG seien. Anders verhalte es sich mit den sozialen Ausgleichsleistungen für die in den §§ 12 bis 15 a LAG geregelten Schadenstatbestände (§§ 261 ff LAG), auf die ein Rechtsanspruch bestehe. Sie gäben allen alten oder wegen Krankheit oder wegen Gebrechen dauernd erwerbsunfähigen Geschädigten, die ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten könnten, einen Schadensausgleich in Form einer Rente. Da diese Kriegsschadenrente den Verlust der beruflichen Existenzgrundlage in Folge eines der in den §§ 12 bis 14 LAG genannten Schadenstatbestände ausgleichen wolle, komme ihr Lohnersatzfunktion jedenfalls dann zu, wenn der Berechtigte erwerbsunfähig i.S. des § 265 Abs. 1 LAG sei.

Die Klägerin sei vor ihrer Vertreibung im Jahre 1946 aus A (CSSR) als Büglerin und Heimarbeiterin zumindest zeitweise versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und habe seit dem 1. Januar 1962 laufend Kriegsschadenrente nach § 265 Abs. 1 LAG bezogen. Damit sei für sie die Unterhaltshilfe nicht schädlich für eine Rente nach § 42 Satz 2 AVG, da diese Kriegsschadenrente nur Ersatz für den Lohn sei, den sie wegen ihrer Erwerbsunfähigkeit nicht mehr erzielen könne. Ebensowenig könne das nach dem LAG seit dem 1. Juni 1970 gewährte Pflegegeld von 90,- DM als ein schädlicher Ertrag angesehen werden, da es zum Ausgleich für die Kosten ihrer Pflege infolge Hilflosigkeit zweckgebunden sei. Da auch die Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit nicht als schädlicher Ertrag anzusehen sei, bleibe nur die Mietbeihilfe von 51,- DM monatlich. Damit sei der geltend gemachte Anspruch nach § 42 Satz 2 AVG nF seit dem 1. Januar 1973 begründet.

Die Beklagte hat die zugelassene Revision eingelegt und beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Augsburg vom 9. März 1973 zurückzuweisen.

Gerügt wird unrichtige Anwendung des § 42 Satz 2 AVG idF des RRG.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

da das angefochtene Urteil richtig sei.

Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt.

II.

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht der Klägerin Hinterbliebenenrente nach § 42 AVG vom 1. Januar 1973 an zugebilligt, worüber allein zu entscheiden war, da nur die Beklagte Revision eingelegt hat.

Nach § 42 AVG (= § 1265 RVO) idF des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23. Februar 1957 war einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit ihm geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben war, nach dessen Tod Rente ganz allgemein nur dann zu gewähren, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tod Unterhalt geleistet hat (damaliger erster und einziger Satz dieser Paragraphen). Nach § 42 Satz 2 AVG idF des RRG, auf den die Klägerin ihre Ansprüche stützt, ist nunmehr für den Sonderfall, daß eine Witwenrente nicht zu zahlen ist, die sogenannte Geschiedenenwitwenrente auch dann zu zahlen, wenn

1.

eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnissen des Versicherten (1. Alternative) oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit nicht bestanden hat (2. Alternative),

und wenn

2.

die frühere Ehefrau im Zeitpunkt der Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen oder das 45. Lebensjahr vollendet hatte,

und

3.

solange sie berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist oder mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht oder wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hat.

Diese Regelung stellt teils eine Erweiterung, teils eine Einschränkung gegenüber der Regelung in § 42 Satz 2 AVG idF des RVÄndG dar, wobei die Einschränkung vor allem darin liegt, daß die frühere Ehefrau sowohl für den Zeitpunkt der Scheidung als auch für die Zeit, für welche sie Rente begehrt, ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllen muß. Sie gilt im übrigen aufgrund des Art. 2 § 18 AnVNG idF des RRG auch für die Klägerin. Daneben kommt aber auch noch § 42 Satz 2 AVG idF des RVÄndG nach der genannten Übergangsvorschrift in Betracht, falls er günstiger ist. Danach war eine Hinterbliebenenrente, falls eine Witwenrente nicht zu gewähren war, auch dann zu zahlen, wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten nicht bestanden hat.

Da die Klägerin zur Zeit der Scheidung das 45. Lebensjahr vollendet hatte und jetzt über 60 Jahre alt ist und somit unstreitig die Voraussetzungen der Nrn. 2 und 3 des Satzes 2 des § 42 AVG idF des RRG erfüllt, hängt ihre Rentenberechtigung nach Ansicht des LSG davon ab, ob sie im Hinblick auf ihr Einkommen aus eigener Rente, Unterhaltshilfe nach dem LAG, Pflegegeld und Mietbeihilfe unter die zweite Alternative des § 42 Satz 2 Nr. 1 AVG fällt, d.h. also, ob sie zur Zeit des Todes des Versicherten gegen ihn wegen dieser ihrer als Erträgnisse aus einer Erwerbstätigkeit anzusehenden Einkünfte keine Unterhaltsansprüche hatte. Die Unterhaltshilfe nach dem LAG soll ebenso wie die Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten Lohnersatzfunktion haben und deshalb den "Erträgnissen aus einer Erwerbstätigkeit" gleichzustellen sein, so daß es sich um "unschädliche" Leistungen handele. Dagegen hat das LSG nicht auf die erste Alternative abgestellt, da eine Unterhaltspflicht des Versicherten nicht nur an seinen eigenen schlechten Einkommensverhältnissen gescheitert sei, sondern auch daran, daß die Klägerin über ausreichendes eigenes Einkommen verfügt habe (BSG, SozR Nrn. 31, 40 und 66 zu § 1265 RVO). Deshalb hat es auch einen Rentenanspruch aufgrund des § 42 Satz 2 AVG idF des RVÄndG für nicht gegeben gehalten.

Diesen Ausführungen kann nur mit Einschränkungen gefolgt werden.

Das RRG ist unter erheblichem Zeitdruck verabschiedet worden. Die Neufassung des § 42 Satz 2 AVG sowie des § 1265 Satz 2 RVO ist erst nach Abschluß der Beratungen des sozialpolitischen Ausschusses eingefügt worden. Nach den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Schellenberg (Begründung für den Änderungsantrag auf Umdruck 315, der ua die gegenwärtige Fassung des § 42 Satz 2 AVG enthält), waren die Fraktionen gemeinsam der Auffassung, daß nach geltendem Recht in der Praxis Härten bei der Gewährung von Renten an geschiedene Ehefrauen auftreten, die noch vor der Eherechtsreform und so weit wie möglich ausgeräumt werden sollten. Die Fraktionen schlugen deshalb die auf Umdruck 315 ersichtlichen Änderungen vor, also ua die gegenwärtige Fassung des § 42 Satz 2 AVG. Hierdurch sollte geschiedenen Frauen in einer Reihe von Fällen besonderer sozialer Härte geholfen werden können (Bd. 80 der Stenographischen Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 6. Wahlp., 198. Sitzung vom 21.9.1972 S. 11711 und 11719).

Die Neuregelung läßt erkennen, daß eine gewisse Überleitung zu dem künftigen Recht geschaffen werden sollte, das im Zusammenhang mit der Eherechtsreform zu erwarten ist und das ein Rentensplitting vorsieht. Dies zeigt sich z.B. darin, daß nicht mehr der Tod des geschiedenen Mannes allein in den Fällen des Satzes 2 den Leistungsanspruch begründet, sondern daß noch besondere, eine Erwerbstätigkeit der Frau erschwerende Umstände hinzukommen müssen. Leitgedanke war somit auch, Frauen geschiedener Ehen, bei denen eine ehebedingte Verringerung der eigenen Rentenanwartschaften unterstellt werden kann, für jene Zeiten, in denen sie durch die Ehe an einer versicherungspflichtigen Berufstätigkeit verhindert waren, einen entsprechenden Ausgleich aus der Versicherung des geschiedenen Mannes zu gewähren. Die Neufassung will die geschiedenen Frauen begünstigen, die zur Zeit der Scheidung durch höheres Lebensalter oder Kindererziehung an einer Eingliederung in das Berufsleben gehindert waren und außerdem nach dem Tode des Versicherten aufgrund ihres Gesundheitszustandes oder wegen ihres Alters nicht mehr voll arbeiten können.

Aus dieser Zielsetzung, den geschiedenen Frauen eine Entschädigung für eine ehebedingte Verringerung ihrer eigenen Rentenanwartschaften zu gewähren, folgt zunächst, daß eigene Renten der geschiedenen Frau wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder eigenes Altersruhegeld grundsätzlich zu den - wie es das LSG ausgedrückt hat - "unschädlichen" Erträgnissen aus einer Erwerbstätigkeit im Sinne dieser Vorschrift zu rechnen sind. Dieses Ergebnis folgt aber nicht aus der Lohnersatzfunktion der genannten Versichertenrenten, sondern aus dem Sinn und Zweck der Neuregelung.

Aus der Unschädlichkeit von Renteneinkünften kann jedoch nicht umgekehrt gefolgert werden, daß z.B. Leistungen aus der Sozialhilfe und - was hier zu entscheiden ist - die Unterhaltshilfe zu den für Hinterbliebenenrente ausschließenden Einkünften zu rechnen sind, wie die Beklagte meint, weil beide weder unmittelbar noch mittelbar Ausfluß einer Erwerbstätigkeit seien. Die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sind grundsätzlich subsidiär. Nach § 2 Abs. 1 BSHG erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. § 2 Abs. 2 BSHG stellt nochmals klar, daß die Verpflichtungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen durch dieses Gesetz nicht berührt werden. Erwerbsunfähigen geschiedenen Frauen von Männern, die für allein schuldig erklärt worden sind, steht aber grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch nach den §§ 58, S. 9 EheG gegen ihren früheren Ehegatten zu. Die Sozialhilfe hat sie somit nur dann zu unterstützen, wenn sie keinen ausreichenden Unterhaltsanspruch gegen ihren früheren Ehemann haben. Wegen seiner Leistungspflicht kann damit seine Unterhaltsverpflichtung nur entfallen, wenn er nicht leistungsfähig ist. Die Fälle, in denen die erwerbsunfähige geschiedene Frau eines für allein oder für überwiegend schuldig erklärten Mannes Sozialhilfe bezieht, werden deshalb grundsätzlich auch von der 1. Alternative des § 42 Satz 2 Nr. 1 AVG erfaßt. Hier besteht keine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Versicherten mit der Folge, daß die Sozialhilfe leisten muß, wenn nicht die Rentenversicherung (RentV) einzustehen hat.

Nicht anders verhält es sich mit der Unterhaltshilfe nach den §§ 261, 263 Abs. 1 Nr. 1, 264, 265, 267 ff LAG. Kriegsschadenrente wird nach § 261 LAG zur Abgeltung von Vertreibungsschäden, Kriegssachschäden, Ostschäden und u.U. von Sparerschäden gewährt, wenn

1.

der Geschädigte in vorgeschrittenem Lebensalter (§ 264 LAG) steht oder infolge von Krankheit oder Gebrechen dauernd erwerbsunfähig (§ 265 LAG) ist,

und

2.

ihm nach seinen Einkommensverhältnissen die Bestreitung des Lebensunterhalts nicht möglich oder zumutbar ist; dabei sind auch fällige Ansprüche auf Leistungen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, wenn und soweit ihre Verwirklichung möglich ist.

Nach § 267 LAG wird Unterhaltshilfe ferner nur dann gewährt, wenn die Einkünfte des Berechtigten (§ 261) den dort vorgesehenen Betrag nicht übersteigen (ab 1.10.1974 insgesamt 346,- DM monatlich). Zu den danach zu berücksichtigenden Ansprüchen auf Leistungen in Geld oder Geldeswert gehören aber wiederum wie bei der Sozialhilfe Ansprüche nach den §§ 58, 59 EheG. Sie sind nicht etwa nach § 267 Abs. 2 Nr. 1 LAG als "gesetzliche und freiwillige Unterhaltsleistungen von Verwandten" anzusehen, die nicht als anrechnungspflichtige Einkünfte gelten (vgl. Urteil des BVerwG IV C 192/62 vom 28.6.1963, Amtl. Mitteilungsblatt des Bundesausgleichsamts 1964, 396). Die Unterhaltshilfe nach dem LAG ist damit nächst der Sozialhilfe die subsidiärste Leistung des Sozialrechts. Die Ausgaben für die Unterhaltshilfe werden zudem zur Hälfte vom Bund und den Ländern getragen (vgl. § 6 Abs. 4 LAG), weil sich durch sie in beträchtlichem Umfang Ersparnisse an Aufwendungen der Sozialhilfe ergeben; die Sätze der Unterhaltshilfe übersteigen, wenn auch nur mäßig, die Sätze der Sozialhilfe (vgl. hierzu im einzelnen Kühne/Wolff, Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Ausgabe B, Ausgleichsleistungen, Vorbemerkung vor § 267 LAG sowie § 6 LAG Note 5). Wenn somit das Lastenausgleichsamt Unterhaltshilfe an erwerbsunfähige geschiedene Frauen von Männern zahlt, die für allein oder überwiegend schuldig erklärt worden sind, handelt es sich erneut um Fälle, in denen eine Unterhaltsverpflichtung des Mannes wegen seiner Leistungsunfähigkeit entfällt. Die mangelnde Leistungsfähigkeit ist demnach auch für die Unterhaltshilfe Anspruchsvoraussetzung wie bei der ersten Alternative des § 42 Satz 2 Nr. 1 AVG. Die Fälle, in denen Unterhaltshilfe gezahlt wird, sind somit im Ergebnis wiederum Fälle dieser ersten Alternative. Im übrigen schreibt § 267 Abs. 2 Nr. 6 die grundsätzliche Anrechnung von Renten aus der RentV vor, allerdings unter Einräumung gewisser Freibeträge.

Die Frage, ob die Sozialhilfe und die Unterhaltshilfe Erträgnisse aus einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 42 Satz 2 AVG sind, stellt sich damit nicht. Vielmehr geht es darum, wer vorrangig leistungspflichtig ist. Das kann aber wegen der Subsidiarität der Leistungen der Sozialhilfe und der Unterhaltshilfe nur die RentV sein. Zu einem entsprechenden Ergebnis ist auch bereits der 12. Senat des BSG in seinem Urteil vom 31.5.1967 (BSG 26, 293, 295) für die Arbeitslosenhilfe (Alhi) nach den §§ 145, 149 des früheren AVAVG gekommen. Er hat sie wegen ihrer Subsidiarität gegenüber Unterhaltsansprüchen nach § 58 EheG nicht als "Erträgnisse aus einer Erwerbstätigkeit" angesehen. Die Arbeitslosenhilfe stelle kein auf den Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Mann anrechenbares Einkommen dar und beseitige deshalb die Unterhaltsbedürftigkeit der geschiedenen Frau nicht.

Aus diesen Erwägungen steht der Klägerin die Geschiedenenwitwenrente schon nach der ersten Alternative des § 42 Satz 2 Nr. 1 AVG idF des RRG zu. Sie war unterhaltsbedürftig, weil ihre eigene Rente einschließlich der Mietbeihilfe zum Lebensunterhalt nicht ausreichte und die Unterhaltshilfe nebst dem Pflegegeld nach § 267 Abs.2 LAG außer Betracht zu bleiben hatte. Eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten entfiel somit nach den hierzu vom LSG getroffenen Feststellungen lediglich wegen seiner Leistungsunfähigkeit. Ob die Rente schon für Zeiten vor dem 1. Januar 1973 nach § 42 Satz 2 AVG idF des RVÄndG zu zahlen war, braucht hier nicht entschieden zu werden, da entsprechende Anträge nicht gestellt sind. Darüber wird die Beklagte im Rahmen des § 79 AVG zu befinden haben. Ebensowenig ist darüber zu entscheiden, ob die Klägerin ihre Hinterbliebenenrente etwa mit der Beigeladenen nach § 45 Abs. 4 AVG teilen muß (vgl. hierzu das Verfahren S 12 An 892/73 SG München).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

BSGE, 269

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