Entscheidungsstichwort (Thema)

Honorarverteilungsmaßstab. Ausgleichszahlungen. Sonderzahlungen. konventionelle Radiologie. höhere Vergütung. Angemessenheit der Vergütung. objektiv-rechtlicher Charakter. subjektive Rechte. Honorarverteilungsgerechtigkeit. Teilbudgets. Gesamtvergütung. Punktwert

 

Leitsatz (amtlich)

Aus dem (objektiv-rechtlichen) Gebot der angemessenen Vergütung ärztlicher Leistungen kann regelmäßig ein Anspruch auf höhere Vergütung der Leistungen nicht hergeleitet werden.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; RVO §§ 368f, 368g; SGB V §§ 72, 85

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 27.10.1993; Aktenzeichen L 11 Ka 124/91)

SG Düsseldorf (Urteil vom 03.07.1991; Aktenzeichen S 2 Ka 98/90)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1993 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten deren Aufwendungen für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger, der seit 1964 als Radiologe zur kassen- und vertragsärztlichen (nunmehr einheitlich: vertragsärztlichen) Versorgung zugelassen ist, betreibt konventionelle Röntgendiagnostik. Mit seinen Widersprüchen gegen die Honorarbescheide der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) für die Quartale IV/87 bis II/88 und I/89 bis III/89 machte er geltend, der am 1. Oktober 1987 in Kraft getretene Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM 1987) und die darauf beruhenden Gebührenordnungen verstießen gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen das gesetzliche Gebot der Angemessenheit der Vergütung. Die Beklagte wies die Widersprüche zurück (Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 1990).

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 3. Juli 1991 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1993). Das Berufungsgericht hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Honorarbescheide seien auf der Grundlage wirksamer Regelungen über die Vergütung der kassen- bzw vertragsärztlichen Leistungen ergangen. Ebenso wie der EBM 1987 sei auch der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten rechtmäßig. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, in ihm Ausgleichs- oder Sonderzahlungen für konventionell tätige Radiologen mit dem Ziel einer höheren Vergütung der Primärkassenleistungen vorzusehen. Die KÄVen hätten zwar die Befugnis, bei der Gestaltung des HVM unter bestimmten Voraussetzungen von den im EBM vorgegebenen Bewertungsrelationen abzuweichen. Aus dem Recht zur Modifikation ergebe sich aber nicht die Pflicht, die im EBM getroffenen Regelungen zu überprüfen und zu korrigieren. Der HVM könne sich strikt an dem EBM orientieren. Die KÄV genüge auch dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG), wenn sie sich bei der Ermittlung des Arzthonorars an die im EBM festgelegten Relationen halte. Aus dem in § 368g Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) (nunmehr § 72 Abs 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫) enthaltenen Grundsatz der “angemessenen Vergütung” lasse sich nichts anderes herleiten. Die Vorschrift wende sich an die Partner der Gesamtverträge; sie begründe hingegen nicht einen Anspruch des einzelnen Arztes auf höhere Vergütung.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen materielles Recht. Die Verminderung der Punktzahlen für radiologische Leistungen im EBM 1987 und das Absinken des jeweiligen Verteilungspunktwertes auf unter 0,10 DM hätten dazu geführt, daß konventionell ausgerichtete radiologische Praxen nicht mehr gewinnbringend geführt werden könnten, während andererseits die Betreiber von Großgeräten durch eine Leistungsbewertung, die hohe Fixkostendeckungsbeiträge zugelassen habe, begünstigt worden seien. So habe er, der Kläger, trotz erheblicher Behandlungszahlen in den streitigen Quartalen aus seiner Tätigkeit für die Primärkassen aufgrund sinkender Punktwerte keinen nennenswerten Betrag erwirtschaften können. Hinzu komme, daß konkurrierende Methoden die mit dem Durchleuchtungsgerät zu erbringenden Leistungen ständig zurückdrängten. Das führe zur Unwirtschaftlichkeit dieses zwingend vorzuhaltenden Gerätes. Die so bewirkten Defizite hätten nicht mehr durch andere Leistungen im Sinne einer Mischkalkulation hinreichend kompensiert werden können. Diese und andere kostensteigernde Entwicklungen hätten dazu geführt, daß die zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erforderliche konventionelle Radiologie nicht mehr gewinnbringend betrieben werden könne, so daß die Existenzfähigkeit solcher Praxen nicht mehr gewährleistet sei. Deshalb seien die konventionell tätigen Radiologen in anderen KÄVen durch Honorarverteilungsmaßnahmen gestützt worden. Bei dieser Sachlage habe auch die Beklagte in ihrem HVM nicht einen für alle radiologischen Leistungen einheitlichen Punktwert vorsehen dürfen. Aufgrund des Gebotes der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei sie spätestens ab dem Quartal III/88 gehalten gewesen, zugunsten konventioneller radiologischer Leistungen eine kompensatorische Regelung einzuführen, die zu Lasten der “Großgeräteleistungen” und der nuklearmedizinischen Leistungen hätte ergehen müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1993 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. Juli 1991 abzuändern, die Bescheide der Beklagten vom 13. Mai 1988, 14. Juli 1988, 6. Oktober 1988, 6. Juli 1989, 5. Oktober 1989 und 9. Januar 1990 idF des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 1990 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihn, den Kläger, hinsichtlich der Abrechnung der Primärkassen mit Sitz im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein für die streitigen Quartale so zu vergüten, daß unter Berücksichtigung eines angemessenen Kostenaufwandes die ärztliche Leistung angemessen vergütet ist,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1993 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eines der Vordergerichte zurückzuverweisen.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 3) und 4) beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Der Kläger, der mit der von ihm erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Honorarbescheide wegen einer seiner Auffassung nach zu geringen Vergütung der von ihm in den streitigen Quartalen erbrachten Leistungen der konventionellen Radiologie geltend macht, kann eine höhere als ihm nach dem HVM der Beklagten zustehende Vergütung oder die Gewährung von Ausgleichs- oder Sonderzahlungen nicht beanspruchen. Ein solcher Anspruch läßt sich weder aus dem in § 368g Abs 1 RVO, § 72 Abs 2 SGB V niedergelegten Gebot der Angemessenheit der Vergütung noch aus verfassungsrechtlichen Gründen herleiten.

Nach der bis zum 31. Dezember 1988 gültig gewesenen Vorschrift des § 368g Abs 1 RVO bzw der am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen, im wesentlichen gleichlautenden Norm des § 72 Abs 2 SGB V (in der hier maßgebenden Fassung des Gesundheitsreformgesetzes ≪GRG≫ vom 20. Dezember 1988 – BGBl I 2477) ist die kassenärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien des Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, das eine gleichmäßige (insoweit nur § 368g Abs 1 RVO), ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Kranken (§ 72 Abs 2 SGB V: der Versicherten) unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (insoweit nur § 72 Abs 2 SGB V) gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden.

Der Senat hat zu Bedeutung und Tragweite der in den genannten Bestimmungen enthaltenen Regelungen über die angemessene Vergütung ärztlicher Leistungen noch nicht abschließend Stellung nehmen müssen (zur bisherigen Rechtsprechung: Funk, MedR 1994, 314, 317 f), es vielmehr ausdrücklich offengelassen, welche Wirkungen ihnen zukommen (Urteile vom 26. Januar 1994 – 6 RKa 66/91 = BSG SozR 3-2200 § 368g Nr 2 – und 6 RKa 4/92 – nicht veröffentlicht –). In der Rechtsprechung ist allerdings mehrfach darauf hingewiesen worden, daß es sich bei § 368g Abs 1 Halbs 2 RVO (bzw der insoweit gleichlautenden Vorgängerregelung) nicht nur um eine unverbindliche Programmvorgabe, sondern um ein zwingendes gesetzliches Gebot handele (BSGE 20, 73, 77 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 68, 291, 296 = SozR 3-1500 § 54 Nr 7). Darüber hinaus könnten einzelne Entscheidungen, in denen die höhere Vergütung ärztlicher Leistungen Streitgegenstand war, dahin verstanden werden, daß die Frage der angemessenen Vergütung bei Einzelleistungen oder der kassenärztlichen Vergütung eines Arztes insgesamt an dem Grundsatz des § 368g Abs 1 Halbs 2 RVO zu messen sei (vgl BSG SozR 2200 § 368g Nr 16; BSGE 68, 291, 296 = SozR aaO; BSGE 70, 240, 246 = SozR 3-5533 Allg Nr 1; s auch BSGE 46, 140, 143 f = SozR 5533 Nr 45 Nr 1). Diesen Entscheidungen läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß ein Arzt eine Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen in einer bestimmten Höhe beanspruchen kann. Derartigen Auffassungen entgegentretend hat der Senat schon früher darauf hingewiesen, daß sich aus der mangelnden Rentabilität einer Arztpraxis oder eines einzelnen Behandlungsbereichs keine Rückschlüsse auf die Angemessenheit der Honorierung ziehen ließen und im übrigen die Rentabilität einer Praxis zum Berufsrisiko des freiberuflich tätigen Arztes zähle (s BSG SozR 5530 Allg Nr 1).

Das sich aus § 368g Abs 1 RVO, § 72 Abs 2 SGB V herleitende Gebot der angemessenen Vergütung ärztlicher Leistungen kann einen Anspruch des Klägers auf höhere Vergütung nicht begründen. Dem Gebot kommt nach Wortlaut und Systematik der Regelungen objektiv-rechtliche Bedeutung in dem Sinne zu, daß den Vertragspartnern der kassenärztlichen Versorgung aufgegeben wird, bei deren Ausgestaltung auch die angemessene Vergütung der ärztlichen Leistungen zu berücksichtigen. Sollten allerdings die maßgeblichen untergesetzlichen normativen Regelungen, auf denen die Vergütung der von Kassenärzten erbrachten Leistungen im einzelnen beruhen, gegen das Gebot der angemessenen Vergütung verstoßen, so könnte hierin auch eine Verletzung individueller (= subjektiver) Rechteliegen.

Subjektive Rechte in diesem Sinne sind dann gegeben, wenn die betreffenden Rechtsvorschriften nicht nur öffentlichen Interessen, nämlich ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit, sondern – zumindest auch – Individualinteressen zu dienen bestimmt sind (vgl BVerfGE 27, 297, 307; BVerwGE 60, 154, 156; 78, 40, 41 f; BVerwG JZ 1988, 404). Nicht jede materielle öffentlich-rechtliche Norm dient dem Schutz individueller Rechte. Deshalb ist durch Auslegung zu ermitteln, ob einer Vorschrift ausschließlich objektiv-rechtlicher Charakter zukommt oder ob sie (auch) zum Schutz individueller Interessen bestimmt ist.

Geht man von dem Wortlaut der maßgeblichen Normen (§ 368g Abs 1 RVO, § 72 Abs 2 SGB V) aus, spricht dieser für ihren rein objektiv-rechtlichen Gehalt. So fehlt der Formulierung, wonach die kassenärztliche Versorgung so zu regeln ist, daß die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden, jegliche Konkretisierung bzgl der Höhe und des Umfangs einer angemessenen Vergütung. Zudem stellen die Vorschriften nicht auf die Berechtigung von einzelnen an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern ab; in ihnen sind nicht die Kassenärzte in Bezug genommen, sondern die ärztlichen Leistungen an sich. Dem objektiv-rechtlichen Charakter trägt auch die weitere Ausgestaltung der Abs 2 aaO Rechnung. Die Regelungen wenden sich an die KÄVen und die Krankenkassen und verpflichten diese Rechtsträger zur Regelung der kassenärztlichen Versorgung durch schriftliche Verträge. Sie legen damit zugleich die Aufgaben der genannten Institutionen fest und ermächtigen sie, die zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erforderlichen Verträge zu schließen. Die Halbs 2 der Abs 2 aaO (“daß-Sätze”) geben dabei die abstrakten Ziele vor, die bei den nach Halbs 1 aaO zu treffenden Regelungen zu beachten sind. Die Vorschriften beziehen sich somit einerseits auf den allgemeinen Umfang der Versorgung der Versicherten, andererseits auf den allgemeinen Umfang der Vergütung ärztlicher Leistungen.

Die systematische Auslegung der Vorschriften belegt gleichfalls deren objektivrechtliche Ausgestaltung. Regelungsgegenstand des Normenkomplexes, in dem sich die Bestimmung über die angemessene Vergütung ärztlicher Leistungen findet, ist die kassenärztliche Versorgung und ihre Organisation durch die sie tragenden Institutionen. Dies wird – noch stärker, als dies bei § 368g RVO der Fall war, der im einzelnen Voraussetzungen und Inhalt der Gesamt- und Mantelverträge festlegte – durch die Bestimmung des § 72 SGB V offenbar. Sie findet sich zu Beginn des Ersten Titels des Zweiten Abschnitts “Beziehungen zu Ärzten und Zahnärzten” im SGB V und trägt, ebenso wie der Erste Titel, die Überschrift “Sicherstellung der kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Versorgung”. Demgemäß enthält § 72 SGB V die Voraussetzungen und die Grundsätze für die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung, die das gesamte Tätigwerden der Ärzte/Zahnärzte für die Krankenkassen umfaßt. Entsprechend ihrem Regelungsinhalt ist die Norm den weiteren Vorschriften über Inhalt und Umfang der kassenärztlichen Versorgung vorangestellt. Die systematische Einordnung des § 72 SGB V verdeutlicht mithin, daß die Vorschrift die im öffentlichen Interesse liegende Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung an sich, ungeachtet der Rechtsposition einzelner, zum Regelungsgegenstand hat.

Sinn und Zweck der Vorschriften ist es danach nicht, die Angemessenheit der Vergütung einzelner Leistungen oder eines einzelnen Arztes zu gewährleisten (in diesem Sinne bereits BSGE 68, 291, 296 = SozR aaO), sondern über die Gewährung einer angemessenen Vergütung insgesamt die im öffentlichen Interesse liegende Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung zu erreichen. Die Normen geben damit den Partnern der über die kassenärztliche Versorgung zu schließenden Verträge auf, ärztliche Leistungen in der Art und Weise zu vergüten, daß ein funktionierendes Versorgungssystem ermöglicht wird, indem es den Ärzten ausreichende Anreize bietet, sich für die Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit wirtschaftlich zu interessieren (s BSGE 68, 291, 297 = SozR aaO). Dem (objektivrechtlichen) Gebot der angemessenen Vergütung entsprechen im allgemeinen keine subjektiven Rechte. Das schließt es indessen nicht aus, daß die Vorschriften ausnahmsweise beim Hinzutreten besonderer, das Gebot der angemessenen Vergütung qualifizierender und individualisierender Umstände auch dem Schutz individueller Rechte zu dienen bestimmt sein können. Doch kommt dies nur in Betracht, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das kassenärztliche Versorgungssystem als Ganzes und als deren Folge auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden ärztlichen Leistungserbringer gefährdet wäre. Nur in diesem eingeschränkten Umfang können sich Ärzte zu ihren Gunsten auf einen Verstoß gegen das Gebot der angemessenen Vergütung berufen.

Anhaltspunkte dafür, daß der den angefochtenen Honorarbescheiden zugrunde liegende HVM der Beklagten in diesem Sinne gegen das Gebot der angemessenen Vergütung ärztlicher Leistungen verletzte, sind vom Kläger weder substantiiert dargetan worden noch ersichtlich. Hiergegen sprechen bereits die von ihm in den streitigen Quartalen aus den Behandlungen von Primär- und Ersatzkassenpatienten erzielten Umsätze, die sich zwischen ca 179.000,-- DM und 216.000,-- DM pro Quartal bewegten, sowie die nach seinen Angaben von ihm in den Jahren 1987 bis 1989 vor Steuern erlangten Gewinne in Höhe von ca 125.000,-- DM, 109.000,-- DM und 210.000,-- DM. Umsätze und Gewinne des Klägers lassen nicht den Schluß zu, daß eine generelle Gefährdung der kassenärztlichen Versorgung – auch nicht im Teilbereich der konventionellen Radiologie –, wie sie für einen Verstoß gegen das Gebot der angemessenen Vergütung im obigen Sinne gefordert werden muß, gegeben sein kann.

Der Kläger kann schließlich einen Anspruch auf höhere Vergütung der von ihm erbrachten radiologischen Leistungen durch die Zahlung von Sonder- und Ausgleichsleistungen auch nicht auf den sich aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG ergebenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit stützen. Vergütungsregelungen durch Honorarverteilungsmaßstäbe können sich, jedenfalls dann, wenn es sich nicht nur um Bagatelländerungen handelt, als normative Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit darstellen. Ihre Verfassungsmäßigkeit ist daher an den genannten grundgesetzlichen Vorschriften zu prüfen (vgl BVerfGE 33, 171, 183; BSGE 73, 131, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 und BSG SozR 3-2200 § 368g Nr 2 – letzteres zur Verfassungsmäßigkeit des EBM 1987). Der Senat hat in diesem Zusammenhang die Aufteilung der Gesamtvergütung in leistungsbezogene Teilbudgets (Honorartöpfe) unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet und für diesen Fall auf der Grundlage des Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG entschieden, daß die Honorarverteilungsmodalitäten Unterschiede berücksichtigen müssen, die innerhalb der Arztgruppen bestehen, deren Honorierung durch ein Teilbudget begrenzt wird (BSGE 73, 131, 138 f = SozR aaO). Aus dem so beschriebenen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit kann nicht abgeleitet werden, daß außerhalb der Bildung von Teilbudgets die Leistungen einer Arztgruppe mit einem höheren Punktwert vergütet werden müssen, als dies bei anderen Arztgruppen der Fall ist.

Die KÄVen genügen, wie das LSG zutreffend dargelegt hat, dem gesetzlichen Gebot des § 368f Abs 1 Satz 4 RVO (= § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V), bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Kassenarztes zugrunde zu legen, dadurch, daß sie die zur Verfügung stehende Gesamtvergütung nach Einzelleistungen aufgrund der Punktzahlen des EBM verteilen. Es kann zu keiner anderen Beurteilung führen, daß unter Anwendung des EBM 1987 zum Teil bei konventionell tätigen Radiologen Honorarrückgänge auftraten. Diese beruhten nicht ausschließlich auf der Neubewertung radiologischer Leistungen im EBM 1987, sondern vielmehr auf einem Absinken des Punktwertes, das wiederum durch eine allgemeine Leistungsmengenerhöhung mitbedingt war (vgl dazu Renner, Die Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1985 bis 1988, 1990, S 113 ff, 128). Die KÄVen sind nicht verpflichtet, den mit einer Punktwertminderung einhergehenden Honorarrückgängen durch Anhebung des Punktwertes für einzelne Arztgruppen oder durch die Leistung von Ausgleichszahlungen entgegenzutreten. Dagegen spricht bereits, daß dies ein – weiteres – Herabsinken des Punktwertes bei den übrigen Arztgruppen nach sich zöge mit der Folge, daß diese wiederum Ansprüche auf Vergütung nach einem höheren Punktwert geltend machen könnten. Ob eine Ausnahme hiervon zu machen ist, wenn ohne die Leistung von Ausgleichszahlungen oder die Anhebung des Punktwertes bei einer Arztgruppe die Versorgung der Versicherten in einem Teilbereich der kassenärztlichen Versorgung gefährdet wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden. Es kann nämlich keine Rede davon sein, daß derartige Verhältnisse aufgrund sinkender Arzthonorare bei der radiologischen Versorgung allgemein bestehen, insbesondere wenn man die Einkommenssituation der an der radiologischen Versorgung beteiligten Ärzte im Vergleich zu anderen Arztgruppen sieht. So haben sich im fraglichen Zeitraum von 1987 bis 1989 die Durchschnittseinkommen der Radiologen/Nuklearmediziner im Verhältnis zum Zeitraum von 1984 bis 1986 nicht maßgeblich verändert. Danach verblieb den Radiologen/Nuklearmedizinern in den Jahren 1987 bis 1989 im Durchschnitt ein steuerlicher Überschuß von ca 278.000,-- DM pro Jahr (vgl Kostenstrukturanalyse in der Arztpraxis 1989, Köln 1991, S 29), während dem etwa bei der Gruppe der Allgemeinärzte im Durchschnitt nur ein steuerlicher Überschuß von 143.000,-- DM pro Jahr gegenüberstand (Kostenstrukturanalyse, aaO, S 18).

Nach allem war die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 921739

NJW 1995, 3075

AusR 1995, 27

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