Verfahrensgang

LSG für das Land Brandenburg (Urteil vom 20.11.1992; Aktenzeichen L 1a (1) Ar 15/92)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 20. November 1992 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung von Witwenrente aus der Versicherung ihres am 17. November 1968 verstorbenen Ehemannes W. … G. … für einen Zeitraum, in dem der Auszahlung die Ruhensvorschrift des § 1317 der Reichsversicherungsordnung (RVO) entgegenstand.

Die am 17. November 1918 geborene Klägerin ist in L. … /Brandenburg wohnhaft. Ihr Ehemann, der Versicherte, siedelte im Jahre 1956 von der damaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) über. Er hatte Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit von März 1932 bis Juni 1942 und von Mai 1956 bis Dezember 1966, letztere aus Beschäftigungen in den alten Bundesländern, entrichtet. In der Zeit von Juni 1945 bis März 1956 hatte er Beiträge zur Sozialversicherung der DDR gezahlt. Ab 1. April 1967 gewährte ihm die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU). Die Klägerin behielt auch nach der Übersiedelung ihres Ehemannes ihren Wohnsitz in der DDR bei. Sie erhielt ab November 1978 vom Versicherungsträger in der DDR eine eigene Altersrente sowie eine Witwenrente, in deren Berechnung die Zeiten der versicherungspflichtigen Beschäftigung ihres verstorbenen Ehemannes in der BRD einbezogen waren.

Den im November 1990 von der Klägerin gestellten Antrag auf Zahlung einer Witwenrente ab November 1968 lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 2. Januar 1991 unter Hinweis auf § 1317 RVO und Art 23 § 3 des Gesetzes vom 25. Juni 1990 (BGBl II S 518) zu dem Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 – Staatsvertrag – (BGBl II S 537) ab. Widerspruch, Klage und Berufung, mit denen die Klägerin jeweils die Zahlung einer Witwenrente von November 1968 bis Dezember 1991 begehrte, blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 3. September 1991, Urteile des Kreisgerichts Potsdam-Stadt vom 19. Dezember 1991 und des Landessozialgerichts Brandenburg ≪LSG≫ vom 20. November 1992). Das LSG hat seine Erwägungen im wesentlichen auf folgendes gestützt:

Die Beklagte sei durch § 1317 RVO sowohl in der alten als auch in der ab 1. Juni 1979 geltenden Fassung daran gehindert gewesen, Leistungen aus der Rentenversicherung an Berechtigte zu gewähren, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR gehabt hätten. Das Verbot, Renten in die DDR zu zahlen, habe durch Art 23 § 3 des Gesetzes vom 25. Juni 1990 zum Staatsvertrag grundsätzlich – mit die Klägerin nicht betreffenden Ausnahmeregelungen – seine Wirksamkeit behalten. Daran habe sich auch durch den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 – Einigungsvertrag – (EV; BGBl II S 889) nichts geändert. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden insoweit nicht.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision, mit der die Klägerin Witwenrente vom 17. November 1968 bis 16. November 1978 begehrt, rügt sie eine Verletzung der §§ 1268, 1317 RVO und trägt zur Begründung vor: Der Ausschluß der Witwenrente stelle sie schlechter als einen im Ausland lebenden Ehepartner mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Dies sei weder rentenrechtlich gewollt noch halte es einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Überdies sei ihr Aufenthalt an ihrem Wohnsitz in L. …, selbst wenn man der insbesondere von der DDR seinerzeit propagierten strengen Drei-Staaten-Theorie folge, rechtlich wie tatsächlich nur vorübergehend als Ausland zu deklarieren gewesen.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Urteile der Vorinstanzen sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1991 aufzuheben,
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihr Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes vom 17. November 1968 bis 16. November 1978 nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Nachzahlung von Witwenrente im streitigen Zeitraum vom 17. November 1968 bis 16. November 1978.

Maßgeblich für die beanspruchte Nachzahlung der Witwenrente ist wegen § 300 Abs 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) das vor dem 1. Januar 1992 geltende Recht. Hiernach kann die Klägerin von der Beklagten eine Witwenrente (§§ 1263, 1264 Abs 1 RVO) jedoch nicht verlangen, weil der Auszahlung der Rente im fraglichen Zeitraum die Vorschrift des § 1317 RVO entgegenstand.

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) behielt die Klägerin auch nach der Übersiedelung ihres Ehemannes in die damalige BRD im Jahre 1956 ihren Wohnsitz in L. … im Gebiet der ehemaligen DDR bei. Rechtlich gesehen war die DDR ein Gebiet „außerhalb des Geltungsbereiches der RVO”, denn hierunter waren nach der damaligen Gesetzeslage alle Gebiete zu fassen, die – ohne Ausland (= Gebiet auswärtiger Staaten) zu sein – zum Staatsgebiet des Deutschen Reiches in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 gehörten, aber nicht dem (alten) Gebietsstand der BRD zuzurechnen waren (vgl BSGE 46, 293, 294 = SozR 2200 § 1318 Nr 2; SozR 3-1200 § 30 Nr 5). Für Berechtigte, die – wie die Klägerin – im hier interessierenden Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches der RVO hatten, galt die Bestimmung des § 1317 RVO in der seinerzeit maßgeblichen Fassung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I S 93). Hiernach ruhte, da sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergab, auch die Rente eines Deutschen iS des Art 116 Abs 1 des Grundgesetzes (GG), solange er sich außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes aufhielt. Nach dieser Vorschrift war mithin die Auszahlung einer Rente an Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Gebiet der ehemaligen DDR ausgeschlossen. Die Nichtauszahlung von Witwenrenten an Deutsche in der DDR verstieß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) weder gegen das Gleichheitsgebot des Art 3 Abs 1 GG noch gegen Art 14 Abs 1 GG (Eigentumsschutz) und das Sozialstaatsprinzip (BVerfGE 71, 66).

An dieser Rechtslage hat sich entgegen der Ansicht der Klägerin mit dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR am 3. Oktober 1990 (vgl Art 1 Abs 1 EV) im Ergebnis nichts geändert. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Nach dem EV Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt I Nr 1 war von dem Inkrafttreten des Bundesrechts im Beitrittsgebiet ua ausgenommen das die Rentenversicherung der Arbeiter regelnde Vierte Buch der RVO. Dies bedeutet, daß sich bis 31. Dezember 1991 der Geltungsbereich der RVO nicht auf das Gebiet der ehemaligen DDR erstreckte und mithin § 1317 RVO grundsätzlich für alle Personen wirksam blieb, die in dieser Zeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem genannten Gebiet hatten. Es war lediglich in Art 23 § 3 des Gesetzes vom 25. Juni 1990 zum Staatsvertrag bestimmt, daß den Personen, die nach dem 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR genommen haben, und ebenso allen Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der DDR aus den nach dem 18. Mai 1990 im Geltungsbereich der RVO zurückgelegten Versicherungszeiten Rente zu zahlen ist.

Für das Begehren der Klägerin auf Nachzahlung einer Witwenrente für den Zeitraum vom 17. November 1969 bis 16. November 1978 bietet das mithin allein anzuwendende Recht der RVO keine Grundlage. Das Ruhen der Rente nach §§ 1317 ff RVO bedeutete zu keinem Zeitpunkt, daß lediglich die Auszahlung gehemmt ist, die Rente mithin nachzuzahlen wäre, wenn dieses Hemmnis beseitigt ist. Ruhen bedeutet im Sprachgebrauch der RVO und anderer Sozialgesetze vielmehr, daß zwar das Stammrecht erhalten bleibt, aber der Anspruch auf Zahlung für den betreffenden Zeitraum entfällt (vgl GrS in BSGE 33, 280, 286 = SozR Nr 13 zu § 1302 RVO; BSG, Urteil vom 22. April 1986 – 1 RA 65/85 – VdK-Mitt 1986, Nr 9, 368). Der Gegensatz zum Wegfall des Anspruchs liegt darin, daß während des Ruhens der Anspruch dem Grunde nach weiterbesteht und sich ohne weiteres ein Zahlungsanspruch für zukünftige Zeiten ergibt, wenn der Ruhenstatbestand entfällt (vgl GrS in BSGE aaO). Dementsprechend erhielt auch stets die Witwe, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Geltungsbereich der RVO verlegte, von diesem Zeitpunkt an ihre Rente, wenn sie zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. In der neueren Fassung des § 1317 RVO durch Art 2 Nr 32 des Rentenanpassungsgesetzes 1982 vom 1. Dezember 1981 (BGBl I S 1205) – die allerdings für den hier streitigen Zeitraum noch nicht gilt –, ist dies noch klarer dadurch zum Ausdruck gebracht worden, daß ein Berechtigter, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der RVO im Gebiet der DDR hatte, keine Leistungen erhielt. Damit war – wie aus den Materialien (BT-Drucks 9/458 S 39; vgl dazu auch BVerfGE 71, 66, 69 f) hervorgeht – keine Änderung beabsichtigt, sondern eine gesetzliche Klarstellung der bisherigen Rechtslage.

Dementsprechend erhielt auch schon in der Zeit, in der die DDR noch bestand, ein Übersiedler aus der DDR Rente frühestens ab dem Zeitpunkt der Übersiedlung, nicht aber für zurückliegende Zeiten, in denen seine Rente nach § 1317 RVO geruht hatte, selbst wenn er für die zurückliegenden Zeiten nach dem Recht der DDR keinen Rentenanspruch hatte.

Sowohl der Einigungsvertrag als auch der Staatsvertrag enthalten keine Bestimmung, die im Hinblick auf die Wiedervereinigung Abweichungen von diesen Grundsätzen ermöglicht.

Mangels entsprechender rückwirkender gesetzlicher Änderungen verbleibt es deshalb vorliegend bei dem Recht, das im streitbefangenen Zeitraum von November 1968 bis November 1978 gegolten hat. Durch die Vereinigung Deutschlands wurde auch der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin in der DDR im streitigen Zeitraum entgegen ihrer Auffassung durch den Beitritt nicht nachträglich zu einem vorübergehenden Aufenthalt.

Der Ausschluß der Klägerin von einer Auszahlung bzw Nachzahlung der beanspruchten Hinterbliebenenrente verletzt sie nicht in ihren Grundrechten. Insbesondere hat der Gesetzgeber durch seine Zustimmung zum Staatsvertrag und später zum EV weder gegen Art 3 Abs 1 noch Art 14 Abs 1 und das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1, 28 Abs 1 GG) verstoßen.

Prüfungsmaßstab ist hier in erster Linie der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG); das Gleichheitsgebot ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 88; 79, 87, 98; 81, 228, 236; 85, 360, 383). Außerhalb des Verbots einer ungerechtfertigten Verschiedenbehandlung mehrerer Personengruppen läßt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber jedoch weitgehende Freiheiten, Lebenssachverhalte und das Verhalten von Personen entsprechend dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln (BVerfGE 60, 329, 346; 81, 156, 206; 83, 1, 23). Hiernach liegt eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber den im Geltungsbereich der RVO wohnhaften Witwen, die nach diesem Gesetz Ansprüche auf Leistungen erworben hatten, nicht vor. Die Regelungen über die Nichtauszahlung von Renten in die DDR hatten ihren Ursprung in historischen Vorgängen, die dem Zusammenbruch im Jahre 1945 gefolgt waren; angesichts des katastrophalen Ausmaßes des Zusammenbruches und der daraus erwachsenen Anforderungen kam dem Gesetzgeber insbesondere bei der Sanierung der gesetzlichen Rentenversicherung ein sehr weitgehender Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 53, 164, 178; 71, 66, 77; vgl auch BVerfG SozR 2200 § 1317 Nr 8). Allerdings war nach dem Recht der DDR der Rentenanspruch der Witwen von Sozialversicherungsrentnern von erschwerten Voraussetzungen abhängig; eine Witwenrente war ua erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres vorgesehen, wenn der Verstorbene darüber hinaus die finanziellen Aufwendungen für die Familie überwiegend erbracht und zum Zeitpunkt des Todes die Voraussetzungen zum Bezug einer Rente erfüllt hatte (vgl § 16 Abs 1 Buchst a der Rentenverordnung vom 15. März 1968 ≪GBl II Nr 29 S 135≫, § 19 Abs 1 Buchst a der Rentenverordnung vom 4. April 1974 ≪GBl I Nr 22 S 201≫, § 19 Abs 1 Buchst a der Rentenverordnung vom 23. November 1979 ≪GBl I Nr 43 S 401≫). Aufgrund dieser Bestimmungen hatte die Klägerin erst ab der Vollendung ihres 60. Lebensjahres im November 1978 eine Witwenrente erhalten.

Mit Blick auf den Umstand, daß das Rentenversicherungssystem in der DDR eine Hinterbliebenenversorgung unter Berücksichtigung der in der (damaligen) BRD zurückgelegten Versicherungszeiten – und damit ausreichenden Versicherungsschutz in der Rentenversicherung – vorgesehen hatte, sah das BVerfG aber in der Schlechterstellung der deutschen Rentenberechtigten in der DDR durch § 1317 RVO seinen Verfassungsverstoß (BVerfGE 28, 104, 114; 71, 66, 78). Eben dieser Umstand, nämlich die nach dem Recht der DDR vorgesehene Anrechenbarkeit der in der alten BRD zurückgelegten Versicherungszeiten, rechtfertigte nach der Rechtsprechung des BVerfG auch eine Ungleichbehandlung der Deutschen in der DDR gegenüber Deutschen im Ausland und Ausländern im Ausland, bei welchen Personengruppen der Gesetzgeber nicht davon ausgehen konnte, daß diese hinsichtlich der gegenüber einem bundesdeutschen Versicherungsträger erworbenen Ansprüche im selben Maße gesichert waren (BVerfGE 71, 66, 79). Das war auch bei der Klägerin der Fall.

Die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze können nach wie vor Gültigkeit beanspruchen. Das BVerfG hat in anderem Zusammenhang bereits entschieden, daß die dem Gesetzgeber im Rahmen der Kriegsfolgenbeseitigung zukommende sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit nicht nur das Verbot der Rentenauszahlung während des Ruhenstatbestandes, sondern auch den Ausschluß der Nachzahlung der Rente nach dessen Wegfall rechtfertigt (vgl BVerfG SozR 2200 § 1317 Nr 8). Der Gesetzgeber, der sich im Rahmen der Herstellung der deutschen Einheit vor außerordentliche Schwierigkeiten gerade im Hinblick auf die Vereinheitlichung des Rentenrechts gestellt sah, war aufgrund des Gleichheitsgebotes deshalb nicht verpflichtet, eine Nachzahlung der nach § 1317 RVO ruhenden Renten anzuordnen, zumal dies zu Verwaltungsaufwand und finanziellen Lasten für die Rentenversicherungsträger geführt hätte, die in ihrer Tragweite und ihrem Ausmaß unüberschaubar gewesen wären.

Ferner ist ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG nicht erkennbar. Unabhängig davon, ob Hinterbliebenenrenten dem Schutz des Art 14 GG unterliegen, kommt eine Verletzung dieser Verfassungsnorm schon deswegen nicht in Betracht, weil Gegenstand der Eigentumsgarantie erst die vom Gesetzgeber neu begründeten Ansprüche gegen die BRD sein können (BVerfGE 53, 164, 176; 55, 114, 131 f; 71, 66, 80). Derartige Ansprüche hatten der Klägerin jedoch mit Blick auf die für Deutsche im Gebiet der ehemaligen DDR geltenden Ruhensregelungen gegen einen bundesdeutschen Versicherungsträger zu keinem Zeitpunkt zugestanden. Auch das Sozialstaatsprinzip gebietet eine derartige Nachzahlung nicht, denn die Ausgestaltung der Sozialordnung obliegt regelmäßig dem Gesetzgeber, der im Rahmen seiner Gestaltungsaufgabe und in Abwägung der sozialen Prioritäten über den Umfang der zu gewährenden sozialen Leistungen zu entscheiden hat (BVerfGE 71, 66, 80; 82, 60, 80). Dabei darf insbesondere in Zeiten starker Anspannung der Staats- und Rentenversicherungsfinanzen davon abgesehen werden, auch für vergangene Zeiten eine rentenrechtliche Gleichstellung herbeizuführen. Auf die vom Berufungsgericht angesprochene verfassungsrechtliche Übergangsregelung in Art 143 Abs 1 GG kommt es aus diesen Gründen nicht an.

Von Verfassungs wegen war sonach die von der Klägerin erstrebte Rentennachzahlung nicht geboten. Der Gesetzgeber durfte vielmehr im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit den in der Vergangenheit bestehenden Rechtszustand, der zu einer unterschiedlichen Entwicklung des Sozialversicherungsrechts der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik in zwei unterschiedlichen Systemen geführt hatte, unangetastet lassen, was hier um so mehr gilt, als es sich beim vorliegenden Begehren um weit zurückliegende Zeiträume handelt.

Das Nachzahlungsverlangen der Klägerin entbehrt danach der rechtlichen Grundlage. Die Revision der Klägerin war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173130

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