Beteiligte

… Klägerin und Revisionsbeklagte

Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Niederbayern-Oberpfalz, Landshut, Luitpoldstraße 29, Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I.

Die Klägerin bewirtschaftete gemeinsam mit ihrem Ehemann einen ca. 2 ha großen forstwirtschaftlichen Grundbesitz.

Am 14. September 1985 fuhren die Klägerin und ihr Ehemann ca. 5 Ster Holz aus diesem Wald. Die Bäume waren bereits im Jahr zuvor gefällt, zu Meterholz zugeschnitten und im Wald gelagert worden. An einer abschüssigen Stelle bei der Hofeinfahrt wurde beim Holztransport der rechte Fuß der auf dem Beifahrersitz des Traktors sitzenden Klägerin zwischen der Anhängerkupplung des Traktors und der Auflaufbremse des Anhängers eingequetscht und erheblich verletzt.

Die Beklagte lehnte Entschädigungsansprüche ab, weil das Abfahren von Brennholz nicht mehr dem Abernten von Holz zugerechnet werden könne (Schreiben vom 12. November 1985). Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 17. Dezember 1985).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, den Unfall der Klägerin als Arbeitsunfall anzuerkennen und der Klägerin die gesetzlichen Leistungen zu gewähren, da der Abtransport von Holz noch der versicherten Tätigkeit in dem forstwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnen sei (Urteil vom 7. Oktober 1986).

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 17. November 1987). Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt: Zur forstwirtschaftlichen Erntetätigkeit gehöre das Schlagen, Entrinden und Entästen der Bäume, das Schneiden und Zurichten des Holzes. Auch der Transport aus dem Wald sei als Teil der Aberntung zu betrachten. Der Unfallversicherungsschutz der Klägerin scheitere auch nicht daran, daß das Holz als Brennholz für den Haushalt der Klägerin verwendet werden sollte. Die zum Unfall führende Tätigkeit habe sowohl - als Holzabfuhr - dem forstwirtschaftlichen Unternehmen als auch als Herbeischaffen von Brennholz - dem Haushalt und damit dem unversicherten persönlichen Lebensbereich der Klägerin gedient. Es habe sich somit um eine sog. gemischte Tätigkeit gehandelt. Dem stehe nicht entgegen, daß das geschlagene und zugeschnittene Holz längere Zeit im Wald gelegen habe. Die Zwischenlagerung des Holzes sei nur eine eingeplante zeitliche Unterbrechung der forstwirtschaftlichen Aberntung gewesen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte weiterhin geltend, die Abgrenzung zwischen forstwirtschaftlicher Tätigkeit und unversicherter Haushaltstätigkeit mache in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Auch die Rechtsprechung sei hierzu uneinheitlich. Zum Teil werde angenommen, daß Aufräumarbeiten im Forst nicht unfallversichert seien, wenn als finale Handlungstendenz die Gewinnung von Brennholz im Vordergrund stehe. Zum Teil werde auch angenommen, daß der Unfallschutz mit dem Fällen der Bäume ende. Früher sei die Auffassung vertreten worden, daß die forstwirtschaftliche Tätigkeit spätestens mit dem Abladen des Holzes im Anwesen beendet sei. Andere Gerichte seien der Auffassung, daß die mit der Baumpflege verbundene Arbeit spätestens mit dem Zerkleinern des Holzes zu verwendungsgerechtem Brennholz beendet sei, so daß der Weitertransport des Holzes sowie dessen Abladen dem unversicherten Haushalt zuzurechnen sei. Zum Teil werde die mit der Baumpflege verbundene Arbeit spätestens mit dem Zerkleinern des Holzes zu verwendungsgerechten Rundlingen als beendet angesehen. Eine vermittelnde Antwort auf die streitgegenständliche Frage bringe das Rundschreiben des Bundesverbandes der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften UV 10/81 vom 23. November 1981, nach dem das Herausschaffen des Holzes aus dem Walde so lange dem forstwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnen sei, bis die Waldgrenze überschritten oder doch ein dem allgemeinen Verkehr dienender öffentlicher oder auch für die Lastfuhrwerke praktikabler privater Fahrweg erreicht sei. Dies führe zu einer praktikablen Abgrenzung.

Die Beklagte beantragt,die Urteile des Bayerischen LSG vom 17. November 1987 und des SG Landshut vom 7. Oktober 1986 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin im Zeitpunkt ihres Unfalles als forstwirtschaftliche Unternehmerin nach § 539 Abs. 1 Nr. 5 und § 776 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 548 der Reichsversicherungsordnung unter Versicherungsschutz gestanden hat.

Die Klägerin war als Unternehmerin eines forstwirtschaftlichen Unternehmens bei der Beklagten versichert. Unternehmen der Forstwirtschaft betreiben planmäßig den Anbau und Abschlag von Holz (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 11. Auflage, S. 494 g; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 776 Anm. 6 Buchst. a; Nöell/Breitbach, Landwirtschaftliche Unfallversicherung, 1963, § 776 Anm. 4 Buchst. b). Der planmäßige Anbau und Abschlag setzt nicht voraus, daß jedes Jahr angepflanzt und schlagreifes Holz geschlagen wird; es genügen auch ein Anbau und Abschlag in mehrjährigen Zeitabständen (vgl. BSG SozR 2200 § 647 Nr. 5; Bayerisches LSG Breithaupt 1962, 205; Brackmann a.a.O.; Lauterbach/Watermann a.a.O.; Noell/Breitbach a.a.O.).

Im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Unternehmerin eines forstwirtschaftlichen Betriebes stehen die dem Unternehmen zu dienen bestimmten Arbeiten, zu denen nicht nur z.B. das Schlagen, Entästen und Entrinden, sondern - entsprechend den Erntearbeiten in der Landwirtschaft (s. Krasney/Noell/Zöllner, Das Landwirtschaftliche Sozialrecht und Möglichkeiten seiner Fortentwicklung, LSR-Studie, 1987, S. 63) - auch das Abfahren des Holzes aus dem Wald gehören. Bei dem - hier maßgebenden - Abfahren des Holzes ist der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit im forstwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur dann gegeben, wenn das Holz zu einem Käufer gefahren wird, sondern Versicherungsschutz besteht unter dem Gesichtspunkt einer sog. gemischten Tätigkeit auch dann, wenn das Holz zum forstwirtschaftlichen Unternehmer selbst gebracht und dort zu Brennholz für den privaten Haushalt verarbeitet werden soll. Dies entspricht ebenfalls der unfallversicherungsrechtlichen Zuordnung in der Landwirtschaft, wo z.B. bei dem Einfahren von Getreide oder von Kartoffeln der Versicherungsschutz auf dem Weg zum Hof nicht verneint wird, wenn das Getreide oder Kartoffeln der Fuhre, bei der sich der Unfall ereignet, zur Verwendung im Haushalt vorgesehen waren. Bei der Brennholzverarbeitung selbst besteht dann allerdings kein Versicherungsschutz als forstwirtschaftlicher Unternehmer. Der auf das Rundschreiben des Bundesverbandes der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften UV 10/81 vom 23. November 1981 gestützten Auffassung der Revision (s. auch Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl., Kennzahl 260 S. 4), das Herausschaffen des Holzes aus dem Wald sei allgemein nur so lange dem forstwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnen, bis die Waldgrenze überschritten oder doch ein dem allgemeinen Verkehr dienender öffentlicher oder auch für Lastfuhrwerke praktikabler privater Fahrweg erreicht sei, tritt der Senat nicht bei (ebenso zum Entästen des Holzes auf dem Hofgrundstück Brackmann a.a.O. S. 494h; Lauterbach/ Watermann a.a.O. § 776 Anm. 6 Buchst, b). Dieser Ansicht steht bereits entgegen, daß maßgebend für den Versicherungsschutz nicht eine räumliche Abgrenzung, sondern der innere Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit ist. Die Auffassung der Revision würde zudem dazu führen, daß ein forstwirtschaftlicher Unternehmer, der Holz in seinem Wald fällt, es sogleich zu Meterholz verarbeitet und es anschließend zur Wohnung des Käufers fährt, nur bis zur Grenze des Waldes unter Versicherungsschutz stehen würde. Für die andere, in der Regel wesentlich größere Wegstrecke und danach beim Abladen des Holzes bestünde für ihn kein Versicherungsschutz, obgleich der innere Zusammenhang nicht anders zu beurteilen ist als für das Abfahren des Holzes im Wald bis zur Waldgrenze. Auch zu den im inneren Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienenden Verrichtungen gehört nicht nur z.B. das Abfahren des Getreides oder der Kartoffeln vom Feld bis zum öffentlichen Verkehrsbereich, sondern auch die Zufuhr der Ernte zum landwirtschaftlichen Betriebsgelände oder zum Ort der Verarbeitung oder zum Käufer. Da es sich aber bei sog. gemischten Tätigkeiten gleichfalls um im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz stehende Verrichtungen handelt, kann unfallversicherungsrechtlich nichts anderes gelten, wenn der forstwirtschaftliche Unternehmer das geschlagene Holz nicht zu einem anderen Käufer, sondern auf sein eigenes Hausgrundstück bringt. Bereits das Reichsversicherungsamt (RVA) hat entschieden, daß die - später auch in dem Rundschreiben UV 10/81 angeführte - örtliche Grenze ausschließlich für die Fälle gilt, in denen der Holzkäufer selbst den Abtransport des Holzes durchführt (AN 1893, 220), und deshalb nur insoweit Anwendung findet, soweit "die Abfuhr für Rechnung eines anderen als des forstwirtschaftlichen Unternehmers geht" (AN 1895, 220; s. auch Brackmann a.a.O. S. 495). Die spätere Entscheidung des RVA (AN 1898, 245) betraf das Zerkleinern des Holzes zu Brennholz selbst.

Ebenso wie die Abfuhr des Holzes zum Verkauf an einen Dritten eine dem forstwirtschaftlichen Unternehmen zu dienen bestimmte Verrichtung ist, unabhängig davon, wann das Holz geschlagen worden ist, bleibt das Abfahren des Holzes zur Brennholzverarbeitung für den privaten Haushalt des forstwirtschaftlichen Unternehmers auch dann eine gemischte, sowohl dem privaten Haushalt als auch dem forstwirtschaftlichen Unternehmen zu dienen bestimmte und damit den Versicherungsschutz begründende Verrichtung, wenn das Holz bereits längere Zeit vorher geschlagen worden ist. Entscheidend ist der innere Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit, nicht jedoch die zeitliche Verbindung zwischen zwei dem Unternehmen zu dienen bestimmten Verrichtungen.

Demnach hat die Klägerin im Zeitpunkt ihres Unfalles beim noch nicht beendeten Abfahren des Holzes aus dem Wald als forstwirtschaftliche Unternehmerin unter Versicherungsschutz gestanden. Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517957

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