Leitsatz (amtlich)

Zeiten der Zugehörigkeit zum rumänischen Sicherungssystem für Berufssoldaten sind keine Beitragszeiten iS von § 15 FRG.

 

Normenkette

FRG § 15 Abs 1, §§ 16, 18

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 24.01.1984; Aktenzeichen L 2 An 426/83)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.02.1983; Aktenzeichen S 13 An 171/80)

 

Tatbestand

Der 1916 geborene Kläger war von Juli 1945 bis Dezember 1971 Berufssoldat im rumänischen Heer, zuletzt als Oberst; am 9. Dezember 1971 wurde ihm die rumänische Militärrente bewilligt. Seit 1976 lebt der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland; er ist Inhaber des Vertriebenenausweises "A".

Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1. August 1978 vorzeitiges Altersruhegeld. Dabei rechnete sie die Dienstzeit des Klägers als Berufssoldat nach § 16 Fremdrentengesetz (FRG) an, mit Ausnahme der Zeit vom 1. Januar 1955 bis 31. Dezember 1967, die sie unter Berufung auf § 18 Abs 2 FRG unberücksichtigt ließ. Der nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens mit dem Ziele einer Anrechnung ua auch der letztgenannten Zeit erhobenen Klage gab das Sozialgericht (SG) in diesem Punkt statt, das Landessozialgericht (LSG) wies sie ab. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe in der streitigen Zeit Beitragszeiten nach § 15 FRG nicht zurückgelegt. Er habe nicht dem rumänischen staatlichen Sozialversicherungssystem, das eine gesetzliche Rentenversicherung darstelle, sondern dem Sicherungssystem für das Berufsmilitär angehört. Dieses System unterscheide sich vom Rentensystem für die übrigen Beschäftigten in verschiedenen Punkten, in denen überwiegend auf Besonderheiten des militärischen Dienstes abgestellt werde; außerdem komme das Bestreben nach Abschirmung der Militärverwaltung von den übrigen Bereichen des öffentlichen Lebens zum Ausdruck. Der wesentliche Unterschied bestehe aber darin, daß für Berufssoldaten keinerlei Beiträge zu entrichten seien, die Leistungen vielmehr aus dem Haushalt des Ministeriums für die Streitkräfte finanziert würden. Im Gegensatz zu den Beschäftigten der zentralen, regionalen und örtlichen Ämter und Behörden unterlägen die Berufssoldaten seit 1949 auch nicht den Rechtsvorschriften über die staatliche Sozialversicherung.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 15 FRG. Das LSG habe verkannt, daß die rumänischen Regelungen für die soziale Sicherung der Berufssoldaten auf den Prinzipien des staatlichen Sozialversicherungssystems beruhten; einige Einzelvorschriften seien sogar identisch. Das Fehlen einer konkreten Beitragsleistung sei nicht wesentlich; es müsse genügen, wenn für die Leistungen Mittel aus dem Staatshaushalt zur Verfügung gestellt würden.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet; der Kläger hat keinen Anspruch auf Anrechnung der streitigen Zeit.

Beitragszeiten iS von § 15 Abs 1 Satz 1 FRG hat der Kläger als rumänischer Berufssoldat nicht zurückgelegt. Nach den den Senat nach § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindenden Feststellungen des LSG über den Inhalt des ausländischen Rechts waren in Rumänien für Berufssoldaten Beiträge zu einem Rentenversicherungsträger nicht zu entrichten. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 19. März 1980 (SozR 5050 § 15 Nr 14), dem sich der 4. Senat angeschlossen hat (SozR 5050 § 15 Nr 18), dargelegt hat, können aber als Beitragszeiten iS von § 15 Abs 1 FRG grundsätzlich nur Zeiten angesehen werden, für die Beiträge entrichtet sind, wobei freilich jedes irgendwie geartete Beitragsaufkommen ausreicht, das auf diese Zeiten zu beziehen ist (vgl BSGE 6, 263, 265). Inwieweit daneben auch Zeiten in Betracht kommen, für die Beiträge als entrichtet gelten oder die möglicherweise aus anderen Gründen als "Beitragszeiten ohne konkrete Beitragsleistung" anzusehen sind, kann hier dahinstehen, da es bereits an der Einbeziehung in ein grundsätzlich auf Beitragsentrichtung beruhendes soziales Sicherungssystem (SozR 5050 § 15 Nr 22) fehlt. Auf Beitragsentrichtung beruht ein Sicherungssystem freilich nicht nur dann, wenn die Leistungen zur Gänze aus einem Beitragsaufkommen gespeist werden, sondern auch dann, wenn das Beitragsaufkommen durch Zuschüsse des Staates oder Dritter ergänzt wird. In keinem Falle reicht es aber aus, wenn die Leistungen allein aus dem Staatshaushalt bestritten werden, wie das hier der Fall ist. Die Mittel für Rentenausgaben müssen stets in irgendeiner Weise aufgebracht werden; darin allein, daß dies geschieht, kann nicht schon eine Beitragsleistung gefunden werden. Das Beitragsaufkommen vermag ein brauchbares Abgrenzungsmerkmal vielmehr nur dann darzustellen, wenn es anderen Formen der Finanzierung, insbesondere einer aus allgemeinen Steuermitteln und sonstigen Staatseinkünften, entgegengesetzt wird. Damit ist es ausgeschlossen, Mittel, die zur Deckung der laufenden Ausgaben aus dem allgemeinen Staatshaushalt bereitgestellt werden, als Beiträge anzusehen.

Nach den auf einer Auslegung rumänischen Rechts beruhenden Feststellungen des LSG stellt das rumänische Sicherungssystem für Berufssoldaten, dem der Kläger angehört hat, ein neben dem staatlichen Sozialversicherungssystem bestehendes und unabhängig davon geführtes Sondersystem dar. Die vom LSG daraus gezogene Folgerung, daß der Kläger damit auch nicht mittelbar in eine gesetzliche Rentenversicherung, nämlich die rumänische staatliche Sozialversicherung (SozR 5050 § 15 Nr 14), eingegliedert war, läßt eine Verletzung revisiblen Rechts nicht erkennen (vgl SozR 5050 § 15 Nr 7 Bl 19). Daß die für beide Bereiche getroffenen Regelungen einander weitgehend entsprechen mögen, ist angesichts der scharfen organisatorischen Trennung und vor allem des Fehlens eines Beitragsaufkommens beim Sicherungssystem für Berufssoldaten ohne Belang. Eine Anwendung von § 15 Abs 2 Satz 2 FRG scheidet schon deswegen aus, weil das in dieser Vorschrift vorausgesetzte Erfordernis, einem Rentenversicherungssystem anzugehören, für den Kläger als Berufssoldaten von vornherein nicht bestand, so daß ihm auch nicht durch eine Zugehörigkeit zum Sondersystem Genüge geleistet werden konnte.

Doch selbst wenn das rumänische Sicherungssystem für Berufssoldaten an sich als eine gesetzliche Rentenversicherung iS von § 15 Abs 2 Satz 1 FRG anzusehen sein sollte, müßte das Begehren des Klägers an § 15 Abs 2 Satz 3 FRG scheitern. Danach gelten als gesetzliche Rentenversicherung nicht Systeme, die vorwiegend zur Sicherung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst geschaffen sind. Die Feststellung dieser Zweckrichtung durch das LSG ist vom Senat nicht nachzuprüfen (Urteil vom 2. November 1983 - 11 RA 58/82 -). Die Anwendung von § 15 Abs 2 Satz 3 FRG auf den festgestellten Sachverhalt steht auch im Einklang mit Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Daß Berufssoldaten, gleichviel in welchem Staate, im öffentlichen Dienst im hier gemeinten Sinne stehen, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. § 15 Abs 2 Satz 3 FRG setzt auch nicht voraus, daß in ein für öffentliche Bedienstete geschaffenes System alle öffentlich Bediensteten oder Angehörige aller Zweige des öffentlichen Dienstes einbezogen sind. Die Vorschrift soll vermeiden, daß den deutschen Rentenversicherungen die Lasten aus Pensionssystemen für die Beschäftigten in fremden öffentlichen Diensten auferlegt werden (Urteil vom 2. November 1983 - 11 RA 58/82 -). Danach muß es genügen, wenn nur die Angehörigen bestimmter Dienstzweige oder eines einzigen Dienstzweiges erfaßt werden.

Dazu, ob die Beklagte zu Recht eine Anrechnung der streitigen Zeit nach § 16 FRG im Hinblick auf § 18 Abs 2 FRG für ausgeschlossen gehalten hat, hat sich das LSG nicht geäußert. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Kläger hat sich im Streitverfahren auf das Begehren einer Anrechnung nach § 15 FRG beschränkt; er ist damit selbst davon ausgegangen, daß seinem Anliegen allenfalls nach dieser Vorschrift Rechnung getragen werden könnte. Da der festgestellte Sachverhalt auch im übrigen keinen Anhalt dafür bietet, daß es am Tatbestand des § 18 Abs 2 FRG fehlen könnte, hatte das LSG jedenfalls keinen zwingenden Anlaß, auf diesen Punkt einzugehen.

Nach alledem war die Revision mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663195

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