Leitsatz (redaktionell)

Verspätet angetretene Fahrt zur Familienwohnung iS des RVO § 550 S 3 1. Der Unfallversicherungsschutz für Fahrten zur Familienwohnung iS des RVO § 550 S 3 setzt nicht voraus, daß die Fahrt in unmittelbarem zeitlichen Anschluß nach Beendigung der Arbeit angetreten wird.

 

Normenkette

RVO § 550 S. 3 Fassung: 1971-03-18

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Mai 1972 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die 1937 geborene Klägerin ist seit 1960 bei der Firma VDO T Werke A Sch in F als Einkäuferin beschäftigt. Bis dahin lebte sie im Hause ihrer Eltern in P. In diesem Hause hat sie weiterhin ein Wohnzimmer von ca. 15 qm und ein Schlafzimmer von ca. 10 qm zu ihrer Verfügung. Beide Zimmer sind noch aus ihrer Mädchenzeit möbliert. Zu Beginn ihrer Tätigkeit erhielt die Klägerin von ihrer Arbeitgeberin in F ein Leerzimmer mit einer kleinen Küche als Werkswohnung. Seit 1966 bewohnt sie in F ein anderes Leerzimmer mit Kochnische und Bad, zusammen etwa 30 qm groß. Sie ist ledig, auch nicht verlobt und suchte an den Wochenenden regelmäßig ihr Elternhaus auf. In P ist sie seit ihrer Geburt mit dem 1. Wohnsitz, seit dem 1. September 1960 außerdem mit dem 2. Wohnsitz in F gemeldet.

Am 23. Dezember 1969 (einem Dienstag) beendete die Klägerin ihre Betriebstätigkeit um 16.30 Uhr, fuhr jedoch erst am nächsten Tag gegen 8 Uhr mit ihrem Pkw in Richtung P, wo sie im Hause ihrer Mutter das Weihnachtsfest verbringen wollte. In D erlitt sie gegen 9. Uhr dadurch einen Verkehrsunfall, daß sie mit ihrem Pkw auf Schneematsch ins Schleudern geriet und gegen einen Baum fuhr. Bei dem Unfall zog sie sich eine Kopfverletzung zu und verlor auf dem rechten Auge das Sehvermögen fast vollständig. Außerdem erlitt sie einen Hüftgelenksbruch rechts. Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Entschädigung durch Bescheid vom 8. Mai 1970 ab, weil im Unfallzeitpunkt wegen des um ca. 16 Stunden verzögerten Antrittes der Fahrt zur Familienwohnung der ursächliche Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit gelöst gewesen sei.

Das Sozialgericht (SG) Frankfurt a. M. hat die Klage durch Urteil vom 24. September 1971 abgewiesen: Ein Wegeunfall habe nicht vorgelegen, weil der Heimweg der Klägerin von ihrer Arbeitsstätte am Abend vor dem Unfall mit dem Erreichen ihrer Wohnung in F beendet gewesen sei. Die wesentliche Ursache für die verspätete Heimfahrt seien der wegen des bevorstehenden Weihnachtsfestes zu erwartende überdurchschnittliche Berufsverkehr und die ungünstigen Straßenverhältnisse gewesen. Auf beides habe die Erwerbstätigkeit der Klägerin keinen Einfluß gehabt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Beweiserhebung durch Urteil vom 10. Mai 1972 das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte zur Entschädigungsleistung verurteilt. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klägerin habe nach § 550 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unter Versicherungsschutz gestanden. Im Unfallzeitpunkt habe die Klägerin ihre Familienwohnung noch im Hause ihrer Mutter in P gehabt. Aufgrund des Beweisergebnisses sei erwiesen, daß die Klägerin sich die innere Verbundenheit mit der elterlichen Wohnung im Unfallzeitpunkt, also im Alter von 32 Jahren, noch erhalten hatte. Sie habe nämlich ihre arbeitsfreie Zeit an den Wochenenden regelmäßig in dem Hause ihrer Eltern bzw. - nachdem ihr Vater gestorben sei - ihrer Mutter in P verbracht. Es sei nicht entscheidend, daß sie bei Antritt ihrer Beschäftigung ein von ihr möbliertes Leerzimmer in F in einem ihrer Arbeitgeberin gehörenden Haus bezogen habe. Denn als Einkäuferin habe sie eine unregelmäßige Dienstzeit gehabt, so daß es für sie zweckmäßig gewesen sei, in F eine Unterkunft zu beziehen. Dadurch, daß sich die Klägerin später ein anderes Leerzimmer mit Kochnische und Bad gemietet und mit eigenen Möbeln eingerichtet habe, sei der Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse nicht nach F verlagert worden. Die Klägerin sei nicht verlobt, habe in F keine näheren Bekannten und halte sich dort auch an arbeitsfreien Tagen nicht auf. Unter solchen Umständen behalte auch eine 32-jährige Versicherte ihre Familienwohnung im Hause der Eltern. Dagegen könne nicht angeführt werden, daß die Entfernung von P nach F. nur rund 50 km betrage. Auch bei einer solchen Entfernung sei es verständlich, daß sich eine Versicherte am Ort der Tätigkeit eine Unterkunft suche, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - sonst an jedem Arbeitstag eine verkehrsreiche Strecke zur Zeit des Berufsverkehrs zurücklegen müßte.

Die Klägerin habe sich im Zeitpunkt des Unfalles auch auf dem Weg von ihrer Unterkunft in F zur Familienwohnung in P befunden. Die Auffassung der Beklagten, die Klägerin hätte nur bei einer Heimfahrt am 23. Dezember 1969 in unmittelbaren Anschluß an die Beendigung ihrer beruflichen Tätigkeit unter Unfallversicherungsschutz gestanden, sei unzutreffend. Bei Fahrten zur Familienwohnung brauche nämlich kein ebenso enger zeitlicher Zusammenhang mit der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit zu bestehen wie bei gewöhnlichen Heimfahrten nach Arbeitsschluß.

Während bei gewöhnlichen Heimwegen der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit durch eine längere eigenwirtschaftliche Verrichtung gelöst werde, müsse ein Versicherter, der am Ort der beruflichen Tätigkeit eine Unterkunft habe, dort täglich nach Arbeitsschluß eigenwirtschaftlichen Verrichtungen nachgehen, ohne daß dadurch der Versicherungsschutz bei einer Heimfahrt verloren gehe. Ein Beschäftigter sei nach § 550 Satz 3 RVO grundsätzlich bei jeder Fahrt vom Ort der Tätigkeit zu seiner Familienwohnung gegen Unfall versichert. Mit Wortlaut und Sinn des § 550 RVO wäre es nicht zu vereinbaren, den Versicherungsschutz auf eine bestimmte Zeit nach Dienstschluß zu beschränken. Denn der Grund für eine Fahrt zu der Familienwohnung sei stets der, an den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse zurückzukehren. Dabei könne es grundsätzlich keine zeitliche Beschränkung geben. Eine Fahrt zur Familienwohnung stehe im allgemeinen erst dann nicht mehr unter Versicherungsschutz, wenn eine längere Zeit nach Beendigung der Betriebsarbeit vergangen sei, in welcher sich der Versicherte eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten in einem Umfang gewidmet habe, daß die Fahrt als Rückfahrt von dieser Tätigkeit anzusehen sei, z. B. nach einem am Ort der Betriebsstätte verbrachten mehrtägigen Urlaub. Aber auch wenn man die Auffassung vertreten würde, Versicherungsschutz nach § 550 Satz 3 RVO bestehe nur im unmittelbaren Anschluß an die Beendigung der betrieblichen Tätigkeit, so müsse hier etwas anderes gelten. Die Klägerin fahre nämlich wegen der auf der Straße F - D - P an dem jeweils letzten Arbeitstag vor Sonn- und Feiertagen herrschenden Verkehrsdichte stets erst am folgenden Morgen nach Hause, weil sie dann leere Straßen vorfinde. Außerdem sei der witterungsbedingte Straßenzustand ein weiterer Grund dafür gewesen, daß die Klägerin die Heimfahrt erst am 24. Dezember 1969 angetreten habe. Nach der Auskunft des Wetteramtes F habe am 23. Dezember 1969 nachmittags eine Temperatur von -2° geherrscht mit Niederschlägen teils als Schnee, der im südlichen Teil der Strecke F - D in Regen oder Sprühregen übergegangen sei. Wahrscheinlich habe auf diesem Teil der Wegstrecke Schneeglätte und auch Glatteis geherrscht. Im Hinblick auf den üblichen Berufsverkehr, der an diesem Tage noch durch den Vorweihnachtsverkehr verstärkt worden sei, und die einsetzende Dunkelheit sei es daher vernünftig gewesen, die Heimfahrt erst am nächsten Morgen anzutreten. Zwar habe die Klägerin nicht mit besseren Witterungsverhältnissen, aber mit Tageslicht, einer geringeren Verkehrsdichte und einer dadurch verringerten Unfallgefahr rechnen können. Der Versicherungsschutz sei durch dieses - verantwortungsvolle - Verhalten nicht verlorengegangen. Obwohl nicht eindeutig feststehe, welche Entschädigungsansprüche im einzelnen für die Klägerin aus diesem Unfall erwachsen seien, habe die Entschädigungspflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt werden können (§ 130 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), weil die Klägerin nach der Art der Verletzung an der Hüfte und am rechten Auge mit begründeter Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf Leistungen wenigstens in einer Mindesthöhe habe.

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und wie folgt begründet: Es sei nicht vertretbar, die Wohnung in Pfungstadt noch als den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Klägerin anzusehen. Hierfür reiche es nicht aus, daß die Klägerin regelmäßig ihre Wochenenden dort verbracht habe und mit ihrem Elternhaus innerlich noch stark verbunden gewesen sei. Ausschlaggebend für die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach F seien vielmehr die sonstigen Umstände des Falles: Die Klägerin sei im Alter von 32 Jahren längst der elterlichen Obsorge entwachsen gewesen; sie sei seit 1960 im Unfallbetrieb tätig und habe ein relativ hohes eigenes Einkommen; sicherlich habe sie in F einen Bekanntenkreis und sei in die Kollegengemeinschaft aufgenommen worden; der lange Zeitablauf habe zwangsläufig dazu geführt, daß sie den Lebensmittelpunkt nach F verlagert habe, wo sie den Großteil der Woche einschließlich der Freizeiten verbracht und eine eigene voll ausgestattete Wohnung unterhalten habe; gegen die Beibehaltung des Mittelpunktes in P spreche auch, daß die Klägerin regelmäßig erst sonnabends dorthin fuhr, ihre Wohnung in F also wohl zu schätzen gewußt und dadurch den Aufenthalt in P zeitlich enger begrenzt habe, als dies bei einer Beibehaltung des Lebensmittelpunktes im Elternhaus verständlich gewesen sei. Unabhängig davon scheitere der Versicherungsschutz nach § 550 Satz 3 RVO aber auch daran, daß die Klägerin die verhältnismäßig kurze Reise zur Familienwohnung aus Gründen verzögert habe, die nicht von ihrem Willen unabhängig gewesen seien. Der Wunsch der Klägerin, die am 23. Dezember 1969 stark befahrenen Straßen, die Dunkelheit und das Glatteis zu meiden, sei kein vom Willen der Klägerin unabhängiger Grund gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Mit Einverständnis der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Das LSG hat aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen entschieden, daß die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls gemäß § 550 Satz 2 RVO i. d. F. bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18. März 1971 (BGBl I 237 - RVO aF) unter Versicherungsschutz gestanden hat. Der Senat ist an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden, da die Revision keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat (§ 163 SGG). Die Ausführungen der Revision laufen, soweit sie sich überhaupt auf die tatsächlichen Feststellungen des LSG beziehen, darauf hinaus, das vom LSG gewonnene Ergebnis freier richterlicher Überzeugungsbildung anzugreifen. Selbst in einem - nach Auffassung der Revision - unrichtigen Beweisergebnis des Berufungsgerichts liegt aber noch kein Verfahrensmangel i. S. des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG (vgl. BSG 1, 150, 153; 2, 236, 237; BSG SozR Nr. 34 und Nr. 56 zu § 128 SGG). Eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung hat die Revision nicht dargelegt.

Nach § 550 Satz 2 RVO aF schließt der Umstand, daß der Versicherte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft hat, die Versicherung auf dem Weg von und nach der Familienwohnung nicht aus. Ständige Familienwohnung i. S. dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats eine Wohnung, die für nicht unerhebliche Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet (vgl. BSG 1, 171, 173; 20, 110, 111; 25, 93, 95; vgl. auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-7. Auflage, S. 486 h II; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, Anm. 20 zu § 550; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Auflage, Kennzahl 080 S. 1). Maßgebend ist die tatsächliche Gestaltung der Lebensverhältnisse des Versicherten im Einzelfall, zu denen insbesondere auch die soziologischen und psychologischen Gegebenheiten gehören (BSG 25, 93, 95).

Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des LSG an, daß sich der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse der Klägerin zur Unfallzeit in P befunden hat.

Es ist davon auszugehen, daß ein lediger Versicherter seine Familienwohnung bei den Eltern beibehält, wenn er seine Freizeit regelmäßig bei ihnen verbringt, die Bindung zu den Eltern nicht gelockert ist und der Versicherte an dem Beschäftigungsort keinen neuen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gefunden hat (vgl. BSG 5, 165, 167; BSG SozR Nr. 17 und Nr. 24 zu § 543 RVO aF; Brackmann aaO S. 486 i m. w. N.; Lauterbach aaO § 550 Anm. 23 Buchst. c). Nach der Lebenserfahrung trifft es zwar zu, daß ledige Versicherte, die auswärts beschäftigt und am Ort ihrer Tätigkeit untergebracht sind, sich im stärkeren Maße vom Elternhaus lösen, als dies im Regelfall bei Versicherten mit eigenem Hausstand am Wohnort der Eltern der Fall zu sein pflegt; zu einer solchen Lösung mag es deshalb auch leichter kommen, wenn sich ledige Versicherte in einem länger andauernden, ihre persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit stärkenden Arbeitsverhältnis befinden (vgl. BSG 5 aaO). Entscheidend sind aber auch hier stets die Besonderheiten des Einzelfalles, aus denen sich ergibt, ob und in welchem Maße der Versicherte trotz seiner auswärtigen Unterbringung die innere Verbundenheit mit der elterlichen Wohnung beibehält. Das LSG hat festgestellt, daß die Klägerin ihre arbeitsfreie Zeit an den Wochenenden regelmäßig in dem Haus ihrer Eltern bzw. - nach dem Tode des Vaters - ihrer Mutter in P verbracht hat. Bei der Beurteilung, ob die Klägerin, obwohl sie bereits 32 Jahre alt war und eine gefestigte berufliche Stellung besaß, ihre innere Verbundenheit mit der Wohnung ihrer Mutter beibehalten hatte, hat das LSG mit Recht auch die Aussagen der Mutter der Klägerin sowie den Eindruck berücksichtigt, den es von der Persönlichkeit der Klägerin gewonnen hat. Dabei hat es zutreffend als Anhaltspunkte für die Beibehaltung der inneren Bindung zum Elternhaus auch gewertet, daß die Klägerin nicht verlobt war, an ihrem Arbeitsort in F keine näheren Bekannten hatte und sich dort auch an arbeitsfreien Tagen nicht aufhielt. Bedenkenfrei ist die Auffassung des LSG, daß die Entfernung von nur rund 50 km zwischen F und P der Begründung einer Unterkunft am Arbeitsort nicht entgegensteht, weil hierdurch das tägliche Zurücklegen der verkehrsreichen Strecke zwischen beiden Orten zur Zeit des Berufsverkehrs vermieden wurde. Schließlich hat das LSG zutreffend nicht als maßgebend angesehen, daß die Klägerin an ihrem Arbeitsort nicht nur dürftig untergebracht war. Der Gesetzeszweck gebietet es nicht, den Begriff der Unterkunft i. S. des § 550 Satz 2 RVO aF mit der Vorstellung eines behelfsmäßigen Unterkommens zu verbinden (BSG 20, 110, 113). Entscheidend ist, daß aus der Art der Wohnverhältnisse in Frankfurt - zusammen mit den sonstigen Umständen - nicht geschlossen werden kann, sie sollten dazu dienen, hier den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse der Klägerin zu verwirklichen.

Der Auffassung des LSG ist auch darin beizupflichten, daß sich die Klägerin im Unfallzeitpunkt auf dem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg von der Unterkunft am Arbeitsort nach ihrer Familienwohnung befunden hat. Zur Begründung des Versicherungsschutzes nach § 550 Satz 2 RVO aF war die Klägerin entgegen der Meinung der Beklagten nicht gezwungen, unmittelbar nach Arbeitsschluß oder jedenfalls noch am Abend des 23. Dezember 1969 die Fahrt nach P anzutreten. Mit Recht hat das LSG in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber für die Fahrten zur Familienwohnung einen Versicherungsschutz geschaffen hat, der über den Versicherungsschutz nach § 550 Satz 1 RVO hinausgeht und es ermöglicht, rechtlich die dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnenden Beweggründe für die Fahrt weitgehend unberücksichtigt zu lassen (vgl. BSG 1, 171, 173; 2, 78, 80; Urteil vom 28. August 1968 - 2 RU 118/66 -). Es bedarf jedoch aus Anlaß dieses Falles keiner Entscheidung darüber, in welchem zeitlichen Abstand nach Beendigung der Arbeit der Versicherte den Weg zur Familienwohnung angetreten haben muß, um nach § 550 Satz 2 RVO aF unter Versicherungsschutz zu stehen. Denn im vorliegenden Fall hatte die Klägerin, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, in den Verkehrs- und Witterungsverhältnissen liegende triftige Gründe für den Antritt der Fahrt erst am folgenden Vormittag. Der Senat hält es - wie des LSG - nicht für gerechtfertigt, in dem verantwortungsbewußtem Verhalten der Klägerin, das zudem nur zu einer nicht erheblichen Verzögerung der Familienheimfahrt geführt hat, einen Grund für den Ausschluß des Versicherungsschutzes nach § 550 Satz 2 RVO aF zu sehen.

Die Revision der Beklagten war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650167

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