Leitsatz (amtlich)

Die Zeit der Dienstleistung eines Angehörigen der Waffen-SS im SS-Führungshauptamt während des Zweiten Weltkrieges ist keine Ersatzzeit des militärischen oder militärähnlichen Dienstes iS AVG § 28 Abs 1 Nr 1 (= RVO § 1251 Abs 1 Nr 1).

 

Normenkette

AVG § 28 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1251 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; BVG §§ 2-3

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 11.08.1982; Aktenzeichen L 15 An 27/81)

SG Berlin (Entscheidung vom 11.11.1981; Aktenzeichen S 8 An 744/80)

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit wird um die Vormerkung einer Ersatzzeit geführt.

Der im Januar 1920 geborene Kläger trat im August 1939 in die Waffen-SS ein. Während seines Einsatzes mit dem 13. SS-Totenkopf-Infanterieregiment 3 in Frankreich wurde er verwundet und nach einem Lazarettaufenthalt vom 24. Mai bis 28. November 1940 zu einer SS-Infanterie-Ersatzeinheit in Dachau abkommandiert. Vom 1. Januar 1941 bis zum 30. November 1943 leistete er Dienst im SS-Führungshauptamt (SSFHA) Berlin. Von dort wurde er im Dezember 1943 zum Stab der 7. SS-Gebirgsjägerdivision Prinz Eugen nach Jugoslawien versetzt.

Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens erkannte die Beklagte die Zeiträume vom 25. August 1939 bis 31. Dezember 1940 und vom 1. Dezember 1943 bis zum 10. Februar 1949 als Ersatzzeiten des militärischen Dienstes und einer anschließenden Kriegsgefangenschaft an. Hingegen lehnte sie im Bescheid vom 17. Dezember 1979 die Anerkennung einer Ersatzzeit vom 1. Januar 1941 bis 30. November 1943 ab, weil der Kläger während dieser Zeit nicht militärischen oder militärähnlichen Dienst geleistet habe. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14. März 1980).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide verurteilt, die Zeit vom 1. Januar 1941 bis zum 30. November 1943 als Ersatzzeit im Sinne des § 28 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) anzuerkennen (Urteil vom 11. November 1981). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. August 1982). Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Zeit des Dienstes des Klägers beim SSFHA könne nicht als Ersatzzeit gewertet werden. Die Angehörigen der bewaffneten SS-Verbände hätten in diesen Einheiten nicht Dienst nach deutschem Wehrrecht und damit grundsätzlich keinen militärischen Dienst im Sinne des § 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) geleistet. Etwas anderes könne nur dann gelten und die Dienstleistung jedenfalls als militärähnlich bewertet werden, wenn sie bei einer SS-Einheit erfolgt sei, die dem Befehl der Wehrmacht unterstehend militärisch eingesetzt worden sei. Das treffe für die Zeit der Beschäftigung des Klägers im SSFHA nicht zu. Auch andere Gegebenheiten machten diesen Dienst nicht zumindest zu einem militärähnlichen Dienst. Dies setze eine Dienstleistung für Zwecke der Wehrmacht voraus, die auf einer Einberufung durch eine militärische Dienststelle oder auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers beruht habe. Das SSFHA sei das Kommandoamt der Waffen-SS und diese eine eigenständige Organisation und Teil der dem Reichsführer SS unterstehenden "Schutzstaffel" (SS) als Gliederung der NSDAP mit eigener Personalbewirtschaftung und auch eigener Gerichtsbarkeit gewesen. Demzufolge müsse die Verwendung des Klägers beim SSFHA von der SS-Organisation angeordnet worden sein. Außerdem seien die Einflußmöglichkeiten militärischer Dienststellen und Befehlshaber auf SS-Angehörige nur auf den militärischen Einsatz beschränkt gewesen. Damit hätten die Angehörigen der SS ausschließlich für die Dauer ihrer Eingliederung in die Befehlsstruktur des Heeres dieselben Rechte und Pflichten wie die Soldaten und Beamten der Wehrmacht gehabt. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei allerdings entschieden oder erwogen worden, daß auch der nicht unmittelbar in einem kämpfenden Verband erbrachte Dienst von Angehörigen der Waffen-SS als militärähnlicher Dienst angesehen werden könne. Dabei habe jedoch in keinem Falle ein wehrmachtsfremder Einsatz vorgelegen. Der Kläger dagegen sei als Angehöriger der Waffen-SS auf Veranlassung der SS-Verwaltung zum SSFHA gekommen und dort ausschließlich für dieses Amt und damit nicht an einer Stelle eingesetzt worden, an der die Wehrmacht sonst Soldaten eingesetzt hätte. Deswegen sei auch nicht entscheidend, welches Aufgabengebiet er zu betreuen gehabt habe. Selbst im Falle der ausschließlichen Befassung mit Angelegenheiten von Frontdivisionen habe es sich um eine nicht unmittelbar Zwecken der Wehrmacht dienende Verwaltungsarbeit in einer wehrmachtsfremden Organisation gehandelt, welche nur mittelbare Auswirkungen auf die Wehrmacht gehabt habe. Wenn hierdurch Angehörige der Waffen-SS, die als Versehrte aus dem Fronteinsatz herausgenommen und in SS-Verwaltungen eingesetzt worden seien, schlechter behandelt würden als Wehrmachtssoldaten in vergleichbarer Situation, so sei dies die Folge dessen, daß der Gesetzgeber aufgrund der der SS unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zugewiesenen Rolle den Dienst in der Waffen-SS nicht generell dem Dienst nach deutschem Wehrrecht gleichgestellt habe.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung des § 28 Abs 1 Nr 1 AVG in Verbindung mit §§ 2 und 3 BVG. Nach dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 29. November 1979 (BSGE 49, 170) sei der Dienst in den bewaffneten Verbänden der SS während des Zweiten Weltkrieges jedenfalls in der Regel militärähnlicher Dienst gewesen, soweit er, wenn es diese Verbände nicht gegeben hätte, von einem Soldaten der Wehrmacht geleistet worden wäre. Davon sei auch vorliegend auszugehen. Das SSFHA sei im August 1940 als Kommandostelle der militärischen Führung der Waffen-SS und zur vor- und nachmilitärischen Führung und Erziehung der allgemeinen SS gegründet worden. Mit der neuen Organisation hätten die militärischen Funktionen der SS auf den gleichen Stand gehoben werden sollen, den die anderen "Hauptämter" der vielgesichtigen SS-Organisationen eingenommen hätten. Das SSFHA habe den gleichen Rang beanspruchen können wie die Oberkommandos der anderen Wehrmachtsteile und sei streng militärisch gegliedert gewesen. Seine Aufgaben hätten in der Aufstellung, Ausbildung und Versorgung der mit Aufgaben der Wehrmacht betrauten Einheiten der Waffen-SS bestanden. Damit sei unter zusätzlicher Berücksichtigung der engen Verbindung von Wehrmacht und Waffen-SS sein (des Klägers) Dienst im SSFHA zugunsten der SS-Fronteinheiten als Kriegseinsatz auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers anzusehen. Die Dienstleistung sei auch für Zwecke der Wehrmacht erbracht worden. Ein direkter Zusammenhang mit den Wehrmachtsaufgaben der SS bestehe deswegen, weil ohne Existenz des SSFHA andere Verwaltungseinheiten die Logistik der Waffen-SS hätten übernehmen und ohne den Einsatz der Waffen-SS an der Front deren Aufgaben von Wehrmachtsangehörigen hätten ausgeführt werden müssen. Entgegen den vom LSG unvollständig zitierten Ausführungen habe auch Absolon (Sammlung wehrrechtlicher Gutachten und Vorschriften, Bundesarchiv, Zentralnachweisstelle Kornelimünster, Heft 1, S 102) die Tätigkeit beim SSFHA als militärähnlichen Dienst bestätigt. Diese Gleichstellung mit dem Dienst eines Soldaten entspreche auch dem Sinn und Zweck des § 28 Abs 1 Nr 1 AVG, zumal für den Zeitraum des Zweiten Weltkrieges zwischen Soldaten und Angehörigen der bewaffneten SS-Verbände, die wie Soldaten Dienst geleistet hätten, ein ins Gewicht fallender Unterschied nicht bestehe. Im übrigen habe die Beklagte anerkannt, daß er (Kläger) außerhalb seiner Verwendung beim SSFHA militärähnlichen Dienst geleistet habe. Dann aber sei diese Verwendung typisch für einen Soldaten, der nach einer Verwundung oder Krankheit bis zur vollständigen Ausheilung und Feststellung seiner Kriegsverwendungsfähigkeit vorläufig mit Verwaltungstätigkeiten betraut werde. Auch bei ihm (Kläger) habe der ursächliche Zusammenhang der Genesung mit einer vorher im Kriegseinsatz erlittenen Verwundung im Vordergrund gestanden. Nach seiner Genesung sei er wieder zur kämpfenden Truppe abkommandiert worden. Bei dieser Sachlage würde eine unterschiedliche Betrachtungsweise zwischen einem Wehrmachtsangehörigen und einem Angehörigen der Waffen-SS gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 11. August 1982 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 1981 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, anders als der Dienst eines Wehrmachtssoldaten, für dessen Anerkennung als Ersatzzeit es im wesentlichen auf den Status als Soldat ankomme, seien Dienstzeiten in der Waffen-SS nicht wegen des Status' als Angehöriger dieser Organisation Ersatzzeit, sondern nur dann, wenn sie Zwecken der Wehrmacht gedient hätten. Es komme somit allein auf die Art des zurückgelegten Dienstes an. Die Dienstleistung des Klägers während des streitigen Zeitraums sei jedoch kein typischer Soldatendienst gewesen und auch nicht für Zwecke der Wehrmacht geleistet worden. Das rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu Wehrmachtsangehörigen.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Kläger erstrebt mit seiner zulässigerweise erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl Urteil des erkennenden Senats in BSGE 51, 275, 277 = SozR 2200 § 1251 Nr 84 S 223 mwN) eine Vormerkung der Zeit seiner Dienstleistung im SSFHA vom 1. Januar 1941 bis 30. November 1943 als Ersatzzeit. Materiell-rechtliche Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 28 Abs 1 Nr 1 AVG. Danach werden - soweit für den vorliegenden Rechtsstreit erheblich - für die Erfüllung der Wartezeit als Ersatzzeiten angerechnet und damit zugleich bei der für die Rentenhöhe maßgebenden Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre berücksichtigt (vgl § 35 Abs 1 AVG) Zeiten des militärischen oder militärähnlichen Dienstes im Sinne der §§ 2 und 3 BVG, der aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht oder während eines Krieges geleistet worden ist. Militärischer Dienst ist nach § 2 Abs 1 Buchst a BVG jeder nach deutschem Wehrrecht geleistete Dienst als Soldat oder Wehrmachtsbeamter. Als militärähnlicher Dienst gilt ua der aufgrund einer Einberufung durch eine militärische Dienststelle oder auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht geleistete freiwillige oder unfreiwillige Dienst (§ 3 Abs 1 Buchst b BVG).

Der Kläger hat während seiner Verwendung im SSFHA vom 1. Januar 1941 bis 30. November 1943 keinen militärischen Dienst geleistet. Zwar ist die Frage, ob in der Zeit nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Dienstleistung in den bewaffneten Verbänden der SS niemals oder aber wenigstens dann militärischer Dienst und insbesondere Dienst "nach deutschem Wehrrecht" gewesen ist, wenn der betreffende Angehörige der Waffen-SS im Kriegseinsatz gestanden und dabei dem Befehl der Wehrmacht unterstanden hat, in der Vergangenheit nicht abschließend entschieden worden (vgl BSGE 12, 172, 174 = SozR Nr 5 zu § 2 BVG; BSG SozR Nr 8 zu § 2 BVG; BSG SozR 3100 § 2 Nr 6 S 3 f). Diese Frage ist jedoch - unterstellt, die Verwendung eines Angehörigen der Waffen-SS im SSFHA könne überhaupt als Kriegseinsatz angesehen werden - jedenfalls im Rahmen der Ersatzzeitenregelung des § 28 Abs 1 Nr 1 AVG irrelevant. Der 11. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 30. Juni 1983 - 11 RA 44/82 - darauf hingewiesen, daß eine etwaige Gleichstellung des Kriegseinsatzes in Verbänden der Waffen-SS mit dem militärischen Dienst nur durch eine Analogie zu § 2 BVG zu erreichen wäre, eine solche Analogie im Rahmen des § 28 Abs 1 Nr 1 AVG jedoch nicht erforderlich sei, weil die Gleichstellung im Falle des Kriegseinsatzes schon durch unmittelbare Anwendung des § 3 Abs 1 Buchst b BVG zu erreichen sei und damit insoweit eine Gesetzeslücke nicht vorliege. Der erkennende Senat hält diese Erwägungen für zutreffend und schließt sich ihnen an. Sie führen dazu, daß innerhalb des Ersatzzeitenrechts die Dienstleistung eines Angehörigen der Waffen-SS auch nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht als militärischer Dienst angesehen werden und allenfalls militärähnlicher Dienst im Sinne des § 3 Abs 1 Buchst b BVG gewesen sein kann (vgl auch Urteil des 4. Senats in BSGE 49, 170, 171 f = SozR 2200 § 1251 Nr 73 S 182 f).

Indes hat der Kläger während der Zeit seiner Verwendung im SSFHA auch militärähnlichen Dienst nicht geleistet. Nach dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 29. November 1979 (BSGE 49, 170, 172 f = SozR 2200 § 1251 Nr 73 S 183 f) ist der Dienst eines Angehörigen der bewaffneten Verbände der SS während des Zweiten Weltkrieges im Kriegseinsatz als im Sinne des § 3 Abs 1 Buchst b BVG auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers geleistet anzusehen. Dabei ist unter "Kriegseinsatz" der Angehörigen bewaffneter Verbände der SS der Dienst zu verstehen, der wie der Dienst eines Soldaten im Zweiten Weltkrieg geleistet worden ist. Wer als Angehöriger der Waffen-SS während der Zweiten Weltkrieges einen Dienst geleistet hat, der sonst, wenn es diese Verbände nicht gegeben hätte, von einem Soldaten der Wehrmacht geleistet worden wäre, hat militärähnlichen Dienst geleistet und ist dem Soldaten hinsichtlich der Anrechnung einer Ersatzzeit gleichzustellen. Der erkennende Senat ist dieser Rechtsprechung beigetreten und hat sich dem Urteil des 4. Senats auch insoweit angeschlossen, als die Frage, ob der frühere Angehörige der Waffen-SS "typisch für die Verwendung eines Soldaten" im Krieg eingesetzt worden ist, unter Würdigung der "Einzelumstände" des Falles zu beantworten ist, wobei sachlich nicht begründete Unterscheidungen zwischen Soldaten einerseits und Angehörigen der bewaffneten Verbände der SS andererseits zu vermeiden sind (BSGE 53, 281, 282 = SozR 2200 § 1251 Nr 96 S 257 f; vgl ferner das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil vom 26. Januar 1983 - 1 RA 31/82 -). Ebenso ist der 11. Senat der Rechtsprechung des 4. Senats im Grundsatz beigetreten; er hat die Formel, daß, wer als Angehöriger der Waffen-SS während des Zweiten Weltkrieges einen Dienst geleistet habe, der sonst, wenn es diese Verbände nicht gegeben hätte, von einem Soldaten der Wehrmacht geleistet worden wäre, jedenfalls in der Regel militärähnlichen Dienst geleistet habe, bei Angehörigen der Waffen-SS als brauchbare Hilfe für die Anwendung des § 3 Abs 1 Buchst b BVG angesehen, sofern dabei bedacht werde, daß immer diese Vorschrift selbst und nicht die von der Rechtsprechung entwickelte Formel auszulegen sei (Urteil vom 30. Juni 1983 - 11 RA 44/82 -; vgl auch das am selben Tag ergangene Urteil 11 RA 67/82).

Auf der Grundlage dieser nunmehr einhelligen Rechtsprechung des BSG kann die Zeit der Dienstleistung des Klägers beim SSFHA nicht als Ersatzzeit des militärähnlichen Dienstes berücksichtigt werden. Zwar steht dem nicht von vornherein entgegen, daß der Kläger während des streitigen Zeitraums bei einer rückwärtigen Kommandodienststelle der Waffen-SS und nicht im Fronteinsatz verwendet worden ist. In einem derartigen Einsatz erschöpft sich der "Kriegseinsatz" der Angehörigen der bewaffneten Verbände der SS nicht. Typisch für die Verwendung eines Soldaten sind zB auch die Grenzsicherung, ein Lazarettaufenthalt oder die spätere Zugehörigkeit zu einer Genesenden-Kompanie nach einer Verwundung oder Krankheit bis zur vollständigen Ausheilung und zur Feststellung der Kriegsverwendungsfähigkeit (vgl BSGE 49, 170, 174 f = SozR 2200 § 1251 Nr 73 S 186; Urteil vom 30. Juni 1983 - 11 RA 44/82 -; speziell zur Dienstleistung in einer Ausbildungseinheit der Waffen-SS Urteil des erkennenden Senats in BSGE 53, 281, 282 ff = SozR 2200 § 1251 Nr 96 S 258 f). Im Gegensatz dazu ist aber die Dienstleistung eines Angehörigen der Waffen-SS im SSFHA nicht typisch für die Verwendung eines Soldaten. Ein solcher Dienst wäre, wenn es die bewaffneten Verbände der SS nicht gegeben hätte, nicht von einem Soldaten der Wehrmacht geleistet worden. Dabei mag auf sich beruhen, ob dies nicht schon aus der einfachen Erwägung gelten muß, daß es ohne die bewaffneten SS-Verbände auch das SSFHA nicht gegeben hätte und allein deswegen ein Soldat der Wehrmacht dort von vornherein keinen Dienst hätte leisten können. Daß ohne die Existenz der bewaffneten Verbände der SS der Dienst im SSFHA nicht von Soldaten der Wehrmacht geleistet worden wäre, folgt jedenfalls aus der spezifischen Funktion und Aufgabenstellung dieses Amtes.

Das SSFHA ist im Zuge einer Umgliederung der Reichsführung der SS durch Befehl des "Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei", Himmler, vom 15. August 1940 geschaffen worden. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sind im Kriegs- und insbesondere Fronteinsatz neben der Wehrmacht zunächst lediglich die von Himmler ursprünglich allein als "innenpolitisches Machtinstrument" (vgl Höhne, Der Orden unter dem Totenkopf, Die Geschichte der SS, 1976, S 419) bestimmten "SS-Verfügungstruppen" eingesetzt worden. Ihre Mannschaftsstärke ist insbesondere deswegen, weil sie vom Oberkommando der Wehrmacht bestimmt worden ist und die Wehrmacht Argwohn gegen die Bildung einer "Nebenstreitmacht" gehegt hat, anfänglich gering gewesen (vgl Höhne, aaO, S 420). Dementsprechend hat es innerhalb der Reichsführung der SS eine gutausgebaute militärische Führungsorganisation nicht gegeben; die zudem in ihrem Kompetenzen beschnittene "Inspektion der Verfügungstruppe" ist allenfalls die Vorstufe einer solchen Führungsorganisation gewesen (vgl Bernd Wegner, Hitlers Politische Soldaten: Die Waffen-SS 1933 - 1945, 1982 S 265). In der Folgezeit ist sodann insbesondere durch Zusammenfassung der SS-Verfügungstruppe mit den SS-Totenkopfverbänden und durch Einbeziehung von Angehörigen der Ordnungspolizei die Waffen-SS gebildet und ihr Personalbestand zunehmend verstärkt worden. Um dem auch auf der Ebene der Führung Rechnung zu tragen und den militärischen Geltungsanspruch der SS zu versinnbildlichen, ist das SSFHA "als Kommandostelle zur militärischen Führung der Waffen-SS (soweit nicht ihre Verbände dem Oberbefehl des Heeres unterstehen) und zur vor- und nachmilitärischen Führung und Erziehung der Allgemeinen SS" errichtet worden (vgl Wegner, aaO, S 265; George H. Stein, Geschichte der Waffen-SS, 1978, S 95). Dem den anderen Hauptämtern innerhalb der Reichsführung der SS (vgl die Organisationstafel bei Stein, aaO, Anhang III, S 272) gleichgestellten SSFHA ist das bis dahin beim SS-Hauptamt ressortierende Kommandoamt der Waffen-SS mit allen Untergliederungen unterstellt worden (Stein, aaO, S 95); das SS-Hauptamt ist lediglich für die weltanschauliche Erziehung, die Werbung und vor allem für die Ergänzung der Waffen-SS zuständig geblieben (Höhne, aaO, S 424; vgl auch Tafeln 26 und 27 bei Wegner, aaO S 267 f). Das SSFHA ist jedenfalls zunächst von Himmler persönlich geleitet worden; der Chef seines Stabes hat zugleich den Befehl über das Kommandoamt der Waffen-SS geführt (Stein, aaO, S 95 f) .

Hieraus erhellt, daß eine Dienstleistung im SSFHA ausschließlich Zwecken der SS und nicht auch solchen der Wehrmacht gedient hat. Das muß insbesondere angesichts des Umstandes gelten, daß einerseits die dem Oberbefehl des Heeres unterstehenden Verbände der Waffen-SS von der Kommandogewalt des SSFHA ausdrücklich ausgenommen und andererseits diesem Amt Führungs- und Erziehungsaufgaben auch hinsichtlich der allgemeinen SS übertragen worden sind. Zwar mag es zutreffen, daß die Kommandogewalt des SSFHA über die bewaffneten Verbände der SS vergleichbar ist mit der Kommandogewalt der Oberkommandos der drei Wehrmachtsteile und zu diesen Oberkommandos - wiederum vergleichbar mit der Abkommandierung eines nicht frontverwendungsfähigen Angehörigen der Waffen-SS zum SSFHA - nicht frontverwendungsfähige Soldaten der Wehrmacht zur Dienstleistung abkommandiert worden sind. Indes ändert dies nichts daran, daß der Dienst im SSFHA ausschließlich Zwecken der SS gedient hat und, wenn es die Verbände der Waffen-SS nicht gegeben hätte, nicht von einem Soldaten der Wehrmacht geleistet worden wäre. Von daher gesehen ist es ferner unerheblich, daß die der Führung des SSFHA unterstehenden Einheiten der Waffen-SS im Rahmen derselben Ziele und zur Verfolgung derselben Zwecke wie Einheiten der Wehrmacht eingesetzt worden sind. Insofern mag eine Dienstleistung im SSFHA von ihrem Ergebnis her mittelbar und indirekt auch den Zwecken und Zielen der Wehrmacht gedient haben. Der 4. Senat (BSGE 49, 170, 173 = SozR 2200 § 1251 Nr 73 S 184) hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, daß auch Angehörige der bewaffneten Verbände der SS eine Dienstleistung "für Zwecke der Wehrmacht" nur dann erbracht haben, wenn diese Dienstleistung selbst und nicht lediglich ihr Produkt für Zwecke der Wehrmacht bestimmt gewesen ist. Die Dienstleistung im SSFHA als solche ist jedoch ausschließlich für Zwecke der Waffen-SS und darüber hinaus sogar der allgemeinen SS bestimmt gewesen.

Die Zeit der Dienstleistung des Klägers im SSFHA kann nach alledem nicht als Ersatzzeit des militärähnlichen Dienstes vorgemerkt werden. Entgegen der Ansicht der Revision verstößt dieses Ergebnis nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-). Es ist vielmehr, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, die Folge der durch die historischen Gegebenheiten begründeten und sachlich gerechtfertigten Entscheidung des Gesetzgebers, den Dienst in der SS und speziell in der Waffen-SS nicht in demselben Umfang wie die Dienstleistung eines Soldaten der Wehrmacht versorgungs- und rentenrechtlich zu berücksichtigen.

Das angefochtene Urteil erweist sich als zutreffend. Dies führt zur Zurückweisung der Revision.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660603

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