Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Präsident des Landesarbeitsamts den derzeitigen namentlich benannten Direktor des Arbeitsamts zum Bevollmächtigten bestellt, so ist der Vorschrift des SGG § 73 Abs 3 noch genügt, wenn das Urteil des Sozialgerichts an "das Arbeitsamt" zugestellt wird.

2. Wird in einer nach SGG § 143 berufungsfähigen Streitsache zu Unrecht Berufung nach SGG § 150 Nr 1 zugelassen und in der Rechtsmittelbelehrung außer auf die Vorschriften des SGG § 151 Abs 1 und 2 auch auf die Zulässigkeit der Sprungrevision hingewiesen, so ist dadurch die Rechtsmittelbelehrung nicht unrichtig im Sinne des SGG § 66 Abs 2 erteilt. ##3. Dem Erfordernis der "schriftlichen" Einlegung der Berufung nach SGG § 151 Abs 1 ist nur genügt, wenn die Berufungsschrift handschriftlich unterzeichnet ist. Die Beglaubigung ist nicht ausreichend.

 

Normenkette

SGG § 66 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 73 Abs. 3 Fassung: 1953-09-03, § 136 Abs. 1 Nr. 7 Fassung: 1953-09-03, § 143 Fassung: 1953-09-03, § 150 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, § 151 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Mai 1956 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Revisionsinstanz zu erstatten.

Die Gebühr für die Berufstätigkeit des Rechtsanwalts Dr. H. in K vor dem Bundessozialgericht wird auf ... DM festgesetzt.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte war während des Jahres 1951 selbständig tätig und vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1952 bei der Firma K. H. in L als Ingenieur beschäftigt. Nach Arbeitslosmeldung beantragte er Arbeitslosenunterstützung (Alu). Das Arbeitsamt S lehnte sie mit Verfügung vom 4. Februar 1953 ab, da er auf Grund seines Arbeitsverdienstes nur 122 Tage versicherungspflichtiger Beschäftigung bei der Firma H. nachweisen könne und somit die Anwartschaft nach § 95 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) - auch in der zweijährigen Rahmenfrist - nicht erfüllt habe. Hiergegen legte er Einspruch ein und beantragte, ihm Alu "bzw." Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu) zu gewähren. Der Spruchausschuß beim Arbeitsamt S wies mit Entscheidung vom 17. März 1953 den Einspruch als unbegründet zurück, ohne zum Antrag auf Bewilligung von Alfu Stellung zu nehmen.

Die Berufung des Klägers ging vom Oberversicherungsamt nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gemäß § 215 Abs. 4 SGG als Klage auf das Sozialgericht Stuttgart über, das in dem Antrag auf Gewährung von Alu "bezw." Alfu eine zulässige Klageänderung sah und mit Urteil vom 13. April 1955 die beklagte Bundesanstalt unter Aufhebung der Vorentscheidungen verurteilte, Alfu zu gewähren. Berufung wurde gemäß § 150 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Das Urteil wurde dem Arbeitsamt S mit Einschreibebrief vom 20. April 1955 zugestellt.

II. Der Präsident des Landesarbeitsamts Baden-Württemberg legte mit Schriftsatz vom 4. Mai 1955 Berufung ein. Das Schriftstück ist in Schreibmaschinenschrift unterzeichnet mit "Im Auftrag gez. Dr. G. und enthält daneben den Stempel des Landesarbeitsamts sowie den Stempelvermerk "Beglaubigt ... Angestellte". Dieser ist unterschrieben mit "S.". Begründet wurde die Berufung durch einen handschriftlich mit "B. unterzeichneten Schriftsatz vom 25. Mai 1955.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg verwarf mit Urteil vom 11. Mai 1956 die Berufung als unzulässig, da sie nach § 151 Abs. 1 SGG "schriftlich" einzulegen sei, falls sie nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erklärt werde. Die Berufungsschrift müsse deshalb eigenhändig unterzeichnet sein. Durch einen Beglaubigungsvermerk könne die Unterschrift nicht ersetzt werden. Die in der mündlichen Verhandlung beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde abgelehnt, da der Antrag nicht rechtzeitig gestellt worden und nicht begründet gewesen sei.

Revision ist zugelassen worden.

III. Gegen das der Beklagten am 25. Juni 1956 zugestellte Urteil hat sie mit Schriftsatz vom 19. Juli 1956 - beim Bundessozialgericht eingegangen am 21. Juli - Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart aufzuheben und den Kläger mit der Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. In demselben Schriftstück hat sie die Revision begründet. Sie rügt verfahrensrechtlich Verletzung der §§ 106 Abs. 1, 151 Abs. 1, 158 Abs. 1 SGG, materiell-rechtlich eine solche des § 1 der württemberg-badischen Verordnung über die Alfu in der Fassung vom 20. August 1949 sowie des § 115 AVAVG in der Fassung des württemberg-badischen Gesetzes vom 8. Oktober 1947.

Die Beklagte und Revisionsklägerin ist der Auffassung, daß eine Berufungsschrift mit behördenüblichem Beglaubigungsvermerk der Vorschrift des § 151 SGG dann genüge, wenn die das Rechtsmittel einlegende Stelle eine Behörde oder sonstige öffentliche Dienststelle sei. Hätte das Berufungsgericht dies nicht anerkennen wollen, so hätte es gemäß § 106 Abs. 1 SGG auf die Beseitigung des Formfehlers hinwirken müssen. Innerhalb der Verlängerung der Begründungsfrist rügt sie mit Schriftsatz vom 14. September 1956 weiter Verstöße gegen die §§ 63, 73 Abs. 3, 135 SGG und § 9 Absatz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes, da das Urteil nicht dem vom Präsidenten des Landesarbeitsamts Baden-Württemberg durch Generalprozeß- und Zustellungsvollmacht bevollmächtigten Direktor des Arbeitsamts S, Bundesverwaltungsoberrat U sondern dem "Arbeitsamt" zugestellt worden sei. Deshalb sei die Berufungsfrist nicht in Lauf gesetzt worden. Die von einem Bevollmächtigten unterschriebene Berufungsbegründungsschrift vom 25. Mai 1955 hätte demnach zugleich als rechtzeitig eingelegte Berufung gewertet werden müssen. In der mündlichen Verhandlung wies die Beklagte noch darauf hin, daß die Berufung nach § 143 SGG zulässig und darum die Rechtsmittelbelehrung unrichtig gewesen sei.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 9. März 1957 das Vorbringen der Beklagten bestritten.

Im Einzelnen wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

IV. Die Revision ist zulässig, konnte aber keinen Erfolg haben.

§ 151 Abs. 1 SGG schreibt vor, daß die Berufung beim Landessozialgericht "schriftlich" - oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle - einzulegen ist . Er weicht damit wesentlich vom § 92 SGG ab, wonach die Klage von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person unterzeichnet sein soll. Diese Vorschrift kann aber nicht über § 153 Abs. 1 SGG für die Berufung entsprechend angewandt werden, da insoweit § 151 Abs. 1 eine besondere Regelung trifft.

Die Bedeutung des Begriffs "schriftlich" ergibt sich nicht aus § 151 oder einer anderen Vorschrift des SGG. Ebensowenig findet sich eine nähere Regelung im Zivilprozeßrecht oder im Recht des Arbeitsgerichtsverfahrens und des Verwaltungsgerichtsverfahrens, obwohl auch hier verlangt wird, daß die Berufung schriftlich einzulegen ist (vgl. § 518 ZPO; § 66 ArbGG; § 83 MRVO Nr. 165; § 103 VerwGG). Der erkennende Senat ist aber in Übereinstimmung mit dem Urteil des 1. Senats des Bundessozialgerichts vom 13. Oktober 1955 (BSG. 1 S. 243) der Auffassung, daß im sozialgerichtlichen Verfahren die Berufungsschrift eigenhändig unterschrieben sein muß, soweit sie nicht - dieser Fall kommt hier nicht in Betracht - durch Telegramm eingelegt wird. Nur durch eigenhändige Unterschrift wird klargestellt, daß es sich bei dem Schriftsatz um eine prozessuale Erklärung, nicht aber lediglich um einen Entwurf handelt, daß sie vom unterzeichneten Bevollmächtigten herrührt und daß dieser für ihren Inhalt auch die Verantwortung übernimmt. Im Interesse der Rechtssicherheit im Verfahren muß von vornherein feststehen, daß eine für den Gang des Verfahrens wesentliche Prozeßhandlung von der gesetzlich hierzu befugten Person vorgenommen worden ist.

Aus diesen Erwägungen heraus hatte schon das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung (RGZ. Bd. 31 S. 375, Bd. 46 S. 375, Bd. 65 S. 81, Bd. 119 S. 62, Bd. 126 S. 257, Bd. 140 S. 72) den Grundsatz aufgestellt, daß - in Anwaltsprozessen - die Unterschrift unter den bestimmenden Schriftsätzen - dazu gehört die Berufungsschrift - vom zugelassenen Rechtsanwalt eigenhändig vollzogen werden müsse. Diese Forderung hat der Große Senat für Zivilsachen des Reichsgerichts in seinem Beschluß vom 15. Mai 1936 (RGZ. Bd. 151 S. 82) aufrechterhalten, und der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung im Ergebnis in seinem Beschluß vom 14. Dezember 1954 (ZZP Bd. 68 S. 186; NJW. 1955 S. 546) gefolgt. Auch im Arbeitsgerichtsverfahren wird eigenhändige Unterzeichnung des Berufungsschriftsatzes verlangt (vgl. Dietz-Nikisch, Arbeitsgerichtsgesetz 1954 Anm. 14 zu § 66; Dersch-Volkmar, Arbeitsgerichtsgesetz 6. Aufl., Anm. 26 zu § 66; Reichsarbeitsgericht, ARS Bd. 2 S. 133).

Der Auffassung des Großen Senats des Reichsgerichts ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren, das ebenso wie das sozialgerichtliche in der Berufungsinstanz einen Vertretungszwang nicht vorsieht, das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 30. Juli 1955 (BVerwGE 2, 190) beigetreten, soweit nicht gesetzlich etwas anderes vorgeschrieben sei oder die Einreichung nicht durch Telegramm erfolge. Auch im Verwaltungsgerichtsverfahren müsse im Interesse der Rechtssicherheit aus einem bestimmenden Schriftsatz klar erkennbar sein, daß er vom Unterzeichner herrühre und dieser die Verantwortung für den Inhalt übernehme. Es entspreche außerdem allgemein herrschender Auffassung, daß bei der Abgabe schriftlicher rechtserheblicher Erklärungen grundsätzlich nur eigenhändig unterzeichnete Schriftstücke als rechtswirksame Willenserklärungen angesehen würden (zustimmend Klinger, Die VO über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der brit. Zone, 3. Aufl. Anm. A 5 zu § 54 und Anm. A 1 zu § 83 MRVO Nr. 165; a. A. Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsgesetz, 2. Aufl., S. 173 Anm. I 1 a zu § 49). Der 1. Senat des Bundessozialgerichts verweist in seinem oben angeführten Urteil hierzu als Ausgangspunkt auf § 126 BGB, der im Interesse der Rechtssicherheit im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden sei.

Zum Unterschied von dem Urteil des 1. Senats, in dessen Fall die Berufungsschrift keine Unterschrift, sondern nur den mit Schreibmaschine geschriebenen Namen des Prozeßbevollmächtigten trug, hatte sich der erkennende Senat hier mit der Frage zu befassen, ob die Beglaubigung der Unterschrift unter dem Berufungsschriftsatz genügt. Er hat dies verneint. Die Beglaubigung kann nur den Beweis dafür erbringen, daß die Urschrift - im vorliegenden Fall für die Akte des Landesarbeitsamts - die Unterschrift oder das Handzeichen des zur Einlegung des Rechtsmittels bevollmächtigten Beamten enthält. Sie gibt aber allgemein keine Sicherheit dafür, ob und zu welchem Zeitpunkt die Urschrift gezeichnet worden ist, insbesondere, ob dies noch innerhalb der Rechtsmittelfrist geschehen ist. Selbst wenn sie rechtzeitig - was hier mit Rücksicht auf das frühe Datum der Einlegung anzunehmen ist - in den Akten mit dem vollen Namenszug des bevollmächtigten Beamten versehen worden wäre, würde das ohne Bedeutung sein, da dieses Schriftstück dem Gericht nicht zugeleitet worden ist. Die Beglaubigung deckt aber auch nicht den Inhalt des Schriftstücks. Aus diesen Gründen ist eine Beglaubigung nicht ausreichend (so auch Hofmann-Schroeter, Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl. Anm. 2 zu § 151 SGG).

Die Beklagte hat sich insoweit auf das Urteil des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofes vom 18. Oktober 1951 (BGHSt. Bd. 2 S. 77) berufen, wonach die Einreichung beglaubigter Abschriften der Revisionsschrift und der Revisionsbegründungsschrift der Schriftform genüge. Diese von der neueren Rechtsprechung der oberen Bundesgerichte abweichende Entscheidung, die sich auf die unterschiedliche Fassung der §§ 341 Abs. 1 und 345 Abs. 1 StPO stützt, konnte den erkennenden Senat nicht veranlassen, eine andere Stellung einzunehmen. Insbesondere besteht kein Grund dafür, bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, als welche die Beklagte durch § 2 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 10. März 1952 (BGBl. I S. 123) geschaffen worden ist, eine Ausnahme zuzulassen. Wenn auch sonst bei öffentlich-rechtlichen Einrichtungen die Beglaubigung von Schriftstücken in weitem Umfange üblich ist, so kann dies aus den angeführten Gründen jedenfalls nicht auf den bestimmenden Schriftsatz der Berufungseinlegung angewandt werden. Im Interesse der Rechtssicherheit muß vielmehr gefordert werden, daß die Berufungsschrift eigenhändig unterschrieben wird. Da dies hier unterblieben ist, ist die Berufung nicht formgerecht eingelegt.

V. Der Mangel hätte allerdings geheilt werden können, wenn er als solcher rechtzeitig erkannt worden wäre. Jedoch ist insoweit die Rüge der Beklagten, das Landessozialgericht habe sie auf Grund des § 106 SGG hierauf hinweisen müssen, unbegründet. Es kann nicht Aufgabe der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sein, jede Rechtsmittelschrift nach ihrem Eingang unverzüglich bis ins Einzelne auf etwaige Mängel, die noch innerhalb der Frist beseitigt werden könnten, zu prüfen. Dies gilt umso mehr, wenn die Berufungsschrift von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts eingelegt ist, der rechtskundige Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Abgesehen davon aber braucht gerade bei einem Kollegialgericht nicht von vornherein festzustehen, wie ein Umstand später im Urteil rechtlich gewertet wird.

Eine weitere Möglichkeit der Heilung hätte sich ergeben, wenn die eigenhändig unterschriebene Berufungsbegründungsschrift innerhalb der Berufungsfrist eingegangen wäre. Da das SGG eine Begründung nicht zwingend vorgeschrieben hat (vgl. § 151 Abs. 3 SGG: "soll" die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben), hätte die Begründungsschrift als Berufungseinlegung angesehen werden können. Aber dies war hier nicht möglich, da die Begründungsschrift erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim Landessozialgericht eingegangen ist.

Die Beklagte ist allerdings der Meinung, daß die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt worden ist und deshalb die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG gelten müsse, weil das Urteil des Sozialgerichts nicht dem vom Präsidenten des Landesarbeitsamts für alle Rechtsstreitigkeiten vor dem Sozialgericht Stuttgart durch Generalvollmacht namentlich bevollmächtigten Direktor des Arbeitsamts Stuttgart, Bundesverwaltungsoberrat Uhlig, sondern dem "Arbeitsamt" zugestellt worden ist. Diese Rüge ist jedoch ebenfalls unbegründet. Das Arbeitsamt ist eine organisatorische Einrichtung der Bundesanstalt (vgl. § 2 des oben erwähnten Errichtungsgesetzes). Es ist als solche nicht handlungsfähig, sondern bedarf zu jeder Handlung eines gesetzlichen Vertreters. Für die laufenden Geschäfte der Verwaltung ist auf Grund des § 23 Abs. 1 des Errichtungsgesetzes durch § 4 der Satzung der Bundesanstalt vom 24. Juni 1953 (BAnz. vom 12.8.1953) die gesetzliche Vertretung für seinen Geschäftsbereich auf den Direktor des Arbeitsamts übertragen worden, jedoch nicht die gerichtliche Vertretung. Letzteres ist aber durch die Generalvollmacht des nach der Satzung auch für die gerichtliche Vertretung zuständigen Präsidenten des Landesarbeitsamts geschehen. Die Zustellung des Urteils an das "Arbeitsamt" mußte deshalb als an seinen Direktor erfolgt angesehen werden. Daß er das Urteil auch tatsächlich erhalten hat, ist übrigens von der Beklagten nicht bestritten worden. Eine Verletzung der §§ 63, 73 Abs. 3, 135 SGG liegt demnach nicht vor.

Die Auffassung der Beklagten, die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG sei auch um deswillen anzuwenden, weil die Rechtsmittelbelehrung durch den Hinweis auf die Möglichkeit der Sprungrevision unrichtig erteilt worden sei, ist unzutreffend. Es ist zwar richtig, daß es sich hier um eine nach § 143 SGG zulässige Berufung handelt; denn Klaganspruch war nach der Klageänderung die Gewährung der Alfu, und insoweit ist § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht anwendbar, da die Alfu unbegrenzt gewährt wurde, wenn sie auch verwaltungsmäßig jeweils auf dreizehn Wochen befristet wurde. Die Berufung konnte deshalb nicht nach § 150 Nr. 1 SGG "zugelassen" werden. Die trotzdem entgegen dem Gesetz erfolgte Zulassung ist jedoch unbeachtlich, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 12. Juli 1955 (BSG 1 S. 111) entschieden hat. Gleichwohl ist die Rechtsmittelbelehrung nicht unrichtig im Sinne des § 66 Abs. 2 SGG erteilt, wenn sie auch auf die Möglichkeit der Sprungrevision hinweist; denn soweit sie sich auf die Einlegung der Berufung bezieht, entspricht die Belehrung den Erfordernissen wie bei einer allgemein nach § 143 zulässigen Berufung. Der Hinweis darauf aber, daß unter Übergehung der Berufung Sprungrevision eingelegt werden könne, macht hier die Rechtsmittelbelehrung deshalb nicht zu einer falschen, weil dieser Hinweis nicht notwendiger Bestandteil einer rechtsgültigen Belehrung ist (vgl. auch Beschluß des 8. Senats vom 4.10.1956, SozR SGG § 150 Bl. Da 5).

VI. Aus diesen Erwägungen heraus mußte die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG), ohne daß auf die materiell-rechtliche Seite einzugehen war.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, die über die Gebühren des Prozeßvertreters auf § 196 SGG.

 

Fundstellen

NJW 1957, 1415

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