Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragszuschuß nach § 96c Abs 1 Nr 2 RKG bei freiwilliger knappschaftlicher Krankenversicherung neben knappschaftlicher Krankenversicherung der Rentner

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein pensionierter Beamter der Bundesknappschaft, der neben seinem Ruhegehalt Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, kann nicht nach § 239 Abs 1 S 1 RKG (= § 534 RVO) von der Pflichtmitgliedschaft in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner befreit werden, weil er außerdem als freiwilliges Mitglied in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Arbeiter und Angestellten (doppelt) versichert ist.

2. Krankenversicherungsunternehmen iS des § 239 Abs 1 S 1 RKG (= § 534 RVO) sind - ebenso wie in § 173a Abs 1 RVO - nur (private) Versicherungsunternehmen, die nicht Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind (Anschluß an BSG 18.12.1984 12 RK 35/83 = SozR 2200 § 385 Nr 11).

 

Orientierungssatz

Rentnern, die sowohl versicherungspflichtig in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner als auch freiwillig in der knappschaftlichen Krankenversicherung versichert sind, steht kein Anspruch auf den Beitragszuschuß der Bundesknappschaft nach § 96c Abs 1 Nr 2 RKG zu.

 

Normenkette

RKG § 239 Abs 1 S 1 Fassung: 1981-12-01; RVO § 534 Abs 1 S 1 Fassung: 1981-12-01, § 173a Abs 1; RKG § 96c Abs 1 Nr 2

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 24.06.1983; Aktenzeichen S 22 Kn 40/83)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner (kn KVdR) und die Zahlung eines Beitragszuschusses zu seiner freiwilligen Versicherung in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Arbeiter und Angestellten.

Der Kläger erhält als Beamter der Beklagten im Ruhestand von dieser Ruhegehalt. Außerdem bezieht er aus der knappschaftlichen Rentenversicherung seit dem 20. Mai 1981 Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Deswegen ist er gemäß § 19 Abs 1 Nr 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) Pflichtmitglied in der kn KVdR. Daneben hat er seit dem 1. Juli 1950 seine Mitgliedschaft in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Arbeiter und Angestellten freiwillig fortgesetzt. Den vom Kläger am 2. November 1982 gestellten Antrag, ihn von der Versicherungspflicht in der kn KVdR ab 1. Januar 1983 zu befreien und ihm einen Beitragszuschuß zu seiner freiwilligen Weiterversicherung zu gewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Dezember 1982 ab. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1983 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage des Klägers abgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 24. Juni 1983). Der Kläger könne nicht nach § 239 Abs 1 RKG von der Versicherungspflicht in der kn KVdR befreit werden, weil er iS der genannten Vorschrift nicht bei einem Krankenversicherungsunternehmen, sondern bei einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig versichert sei. Aus diesem Grunde stehe ihm auch der Beitragszuschuß nach § 96c Abs 1 Nr 2 RKG nicht zu.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der Sprungrevision angefochten. Er rügt eine Verletzung der §§ 239 Abs 1, 96c Abs 1 Nr 2 RKG.

Der Kläger beantragt: 1. Das Urteil des SG Dortmund sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 1983 werden aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, daß der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1983 von der Versicherungspflicht in der kn KVdR befreit ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1983 einen Beitragszuschuß zu seiner freiwilligen Versicherung in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Arbeiter und Angestellten zu leisten.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ihn von der Versicherungspflicht in der kn KVdR zu befreien. Auch steht ihm der Beitragszuschuß nach § 96c Abs 1 Nr 2 RKG nicht zu.

Das RKG enthält in § 239 Abs 1 Satz 1 eine Übergangsvorschrift, die bei der Beklagten pflichtversicherten Rentnern vorübergehend die Möglichkeit einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der kn KVdR eingeräumt hat. Wer nach § 19 Abs 1 RKG pflichtversichert ist und ab 1. Januar 1983 Beiträge von seinen Versorgungsbezügen zu entrichten hat, wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wenn er nachweist, daß er spätestens vom Beginn der Befreiung an bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist und für sich und seine Angehörigen, für die Familienkrankenpflege zusteht, Vertragsleistungen erhält, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprechen. Diese Vorschrift ist durch Art 4 Nr 15 des Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1982 (RAG 1982) vom 1. Dezember 1981 (BGBl I, 1205) mit Wirkung vom 1. Dezember 1982 (Art 20 Abs 2 Nr 3 RAG 1982) in das RKG eingefügt worden. Eine entsprechende Regelung für die nicht knappschaftlich versicherten Rentner enthält § 534 der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Das RAG 1982 hat zum 1. Januar 1983 die Pauschalzahlungen der Träger der Rentenversicherung für die KVdR durch Beiträge zur Krankenversicherung der einzelnen Rentner aus ihrer Rente abgelöst. Dabei wurden nun der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge iS des § 180 Abs 5 Nr 2 RVO) zur Beitragszahlung in der Krankenversicherung herangezogen (vgl BT-Drucks 9/458 Seite 29). Wegen dieser erweiterten Beitragspflicht hat der Gesetzgeber in der Übergangsregelung des § 239 Abs 1 RKG (= § 534 Abs 1 RVO) den davon betroffenen Rentnern die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR eingeräumt (vgl BT-Drucks aaO zu Art 2 Nr 23 RAG 1982, § 534 RVO).

Zutreffend gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, daß der Kläger zum Personenkreis gehört, der iS des § 239 Abs 1 RKG berechtigt ist, die Befreiung zu beantragen und diesen Antrag auch fristgemäß zum 1. Januar 1983 gestellt hat. Er hat jedoch nicht nachgewiesen, daß er bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist.

Zur Auslegung dessen, was hier unter einem Krankenversicherungsunternehmen zu verstehen ist, kann auf § 173a RVO und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zurückgegriffen werden; denn diese Vorschrift enthält den Grundtatbestand, dem die §§ 239 Abs 1 RKG und 534 Abs 1 RVO nachgebildet sind. Nach § 173a RVO kann sich von der Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO (= § 19 Abs 1 Nr 1 RKG, Versicherungspflicht in der KVdR) befreien lassen, wer bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist und Leistungen erhält, die der Art nach denjenigen der Krankenhilfe entsprechen. Da der Antrag jedoch binnen eines Monats nach Beginn der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung zu stellen ist (§ 173a Abs 2 RVO), bedurfte es für den von den §§ 239 Abs 1 RKG, 534 Abs 1 RVO erfaßten Personenkreis einer Sonderregelung, soweit diese Frist verstrichen war. § 173a RVO ist über § 20 RKG spätestens seit dessen Neufassung ab 1. Januar 1984, auf die später noch eingegangen wird, in der knappschaftlichen Krankenversicherung anzuwenden. Zu den Krankenversicherungsunternehmen iS dieser Vorschrift zählen indes nur private Versicherungsunternehmen, dh solche, die nicht Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind, mögen sie im übrigen privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert sein (so der 12. Senat des BSG in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 18. Dezember 1984 - 12 RK 35/83 - mwN). Der Kläger hat zwar neben der Pflichtversicherung in der kn KVdR freiwillig seine Mitgliedschaft in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Arbeiter und Angestellten fortgesetzt, er ist somit aber nicht bei einem Krankenversicherungsunternehmen, sondern bei einer gesetzlichen Krankenkasse (doppelt) versichert.

Der Kläger ist der Ansicht, der Begriff des Krankenversicherungsunternehmens sei weit dahingehend auszulegen, daß er auch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung umfasse. Nur so lasse sich eine Kollision mit Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) vermeiden. Dieser Argumentation vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Zunächst einmal ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber den hier streitigen Begriff im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung einheitlich verwendet. So ist in den §§ 209 und 405 Abs 1 RVO ausdrücklich von privaten Krankenversicherungsunternehmen die Rede. Das traf auch auf § 381 Abs 4 Satz 2 RVO zu, ehe diese Vorschrift durch § 1304e RVO mit Wirkung ab 1. Juli 1977 ersetzt worden ist. Dafür waren systematische Gründe maßgebend, denn der Beitragszuschuß ist keine Leistung der Krankenversicherung, sondern der Rentenversicherung. Gleichwohl besteht aber eine Verknüpfung mit der gesetzlichen Krankenversicherung, die einen einheitlichen Sprachgebrauch erwarten läßt. Wenn § 1304e Abs 1 Nr 2 RVO nun nur von Krankenversicherungsunternehmen spricht, so liegt darin keine Änderung des materiellen Rechts. Vielmehr ist die Unterscheidung zwischen Krankenversicherungsunternehmen einerseits und gesetzlichen Krankenkassen andererseits dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung inzwischen so geläufig, daß insoweit keine Meinungsverschiedenheiten bestehen.

Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geht in seinem Beschluß vom 9. Februar 1977 (SozR 5420 § 94 Nr 2) davon aus, bei einem Krankenversicherungsunternehmen iS des § 94 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) sei versichert der privat Versicherte. Schließlich ging der Wille des Gesetzgebers erkennbar dahin, bei der Schaffung des § 239 Abs 1 Satz 1 RKG zur Voraussetzung der Befreiung einen Versicherungsschutz in der privaten Krankenversicherung zu machen (vgl BT-Drucks 9/458 zu § 534 RVO). Allerdings ist es angezeigt, in der Sprache des Gesetzgebers nur noch von Krankenversicherungsunternehmen zu sprechen, wenn auch dabei in erster Linie an die privaten zu denken ist. Sie können jedoch ebenso öffentlich-rechtlich organisiert sein, so daß für die entscheidende Abgrenzung zu prüfen ist, ob sie nicht Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind (vgl das erwähnte Urteil des 12. Senats vom 18. Dezember 1984). Letzteres trifft aber auf die Beklagte zu.

Die vom Gesetzgeber geschaffene Befreiungsmöglichkeit ist auch nicht planwidrig lückenhaft und nicht auszufüllen. Jedenfalls ist in § 239 Abs 1 Satz 1 RKG keine Lücke im Wege der Analogie dahingehend zu schließen, daß ein Rentner berechtigt ist, die Befreiung zu beantragen, der neben der Pflichtversicherung in der KVdR freiwillig in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Arbeiter und Angestellten weiterversichert ist. Allerdings hat der 12. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 2. September 1977 (SozR 2200 § 173a Nr 3) eine Lückenausfüllung in der Weise vorgenommen, daß nach § 173a Abs 1 RVO ein Rentenbewerber oder Rentner berechtigt ist, die Befreiung zu beantragen, wenn ihm staatliche Heilfürsorge gewährleistet ist und diese regelmäßig die vollen Krankheitsaufwendungen abdeckt. Das entspreche dem Sinn und Zweck der genannten Vorschrift, eine Doppelversicherung derjenigen zu vermeiden, die bereits durch eine Vollversicherung in der privaten Krankenversicherung einen ausreichenden Versicherungsschutz hätten. Derselbe Sinn und Zweck sei auch bei der staatlichen - vollen - Heilfürsorge zu berücksichtigen.

Eine planwidrige Lücke läßt sich indes - im Gegensatz zur staatlichen Heilfürsorge - in § 239 Abs 1 RKG im Hinblick auf die in der knappschaftlichen Krankenversicherung mögliche Doppelversicherung nicht begründen. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß diese Besonderheit der knappschaftlichen Krankenversicherung dem Gesetzgeber bekannt war und er bewußt die Befreiungsmöglichkeit auf die Mitgliedschaft bei einem Krankenversicherungsunternehmen beschränkt hat. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen für die im Vergleich zum Leistungsrahmen der RVO möglichen Mehrleistungen in der freiwilligen knappschaftlichen Krankenversicherung geschaffen und ihnen später noch Rechnung getragen. Auch die Rechtsprechung hat sich wiederholt mit der Doppelversicherung befaßt und diese in der knappschaftlichen Krankenversicherung als möglich angesehen (vgl BSG in SozR Nr 9 zu § 176 RVO und Nr 28 zu § 381 RVO; SozR 2600 § 120 Nr 1; BSGE 50, 12 = SozR 2200 § 313 Nr 6). Außerdem gilt nach § 19 Abs 2a Satz 4 RKG für die nach Abs 1 dieser Vorschrift versicherten Rentner § 312 Abs 1 RVO mit seinem grundsätzlichen Verbot der Doppelversicherung nicht. Es kann daher nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber diese Möglichkeit der Doppelversicherung übersehen hat. Vielmehr muß von einer negativen Regelung ausgegangen werden, die keine Befreiungsmöglichkeit für freiwillige Mitglieder der knappschaftlichen Krankenversicherung vorsieht. Insoweit ist § 239 Abs 1 Satz 1 RKG auch systemgerecht.

Der Kläger hat seine freiwillige Mitgliedschaft nach Beginn der Pflichtversicherung in der kn KVdR fortgesetzt, um seinen Anspruch auf höhere Leistungen aufrechtzuerhalten. So hat er bei der von ihm gewählten Gestaltung der freiwilligen Versicherung Anspruch auf Gewährung von Krankenhauspflege in einem Zweibettzimmer und Behandlung durch den leitenden Arzt (§ 51 Abs 3 der Satzung der Beklagten). Darüber hinaus hat er anstelle der kassenärztlichen Behandlung privatärztliche gewählt. Die Mehrleistungen bei der Krankenhauspflege sieht die Satzung der Beklagten aufgrund der Ermächtigung in § 2 Abs 1 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung vom 19. Mai 1941 (RGBl I, 287) vor. Danach stellt die Satzung Richtlinien auf für die Gewährung von Mehrleistungen. Diese können für Arbeiter, Angestellte und Rentner verschieden sein. Durch Art 3 Nr 3 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I, 1552) ist § 20 RKG mit Wirkung vom 1. Januar 1984 neu gefaßt worden. Nunmehr gelten für die knappschaftliche Krankenversicherung alle Vorschriften der RVO, soweit das RKG und § 2 der Verordnung vom 19. Mai 1941 in der im BGBl Teil III, Gliederungsnummer 822-4 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art 3 § 13 Nr 6 des Gesetzes vom 21. Dezember 1967 (BGBl I, 1259), nichts anderes bestimmen. Damit ist sichergestellt worden, daß die Beklagte nach § 2 der Verordnung vom 19. Mai 1941 in ihrer Satzung auch künftig Mehrleistungen vorsehen kann, die über den Leistungsrahmen der RVO hinausgehen (so BT-Drucks 10/691). Anläßlich dieser Änderung des Wortlautes von § 20 RKG hat der Gesetzgeber keine Veranlassung gesehen, die Befreiungsmöglichkeiten in § 239 Abs 1 Satz 1 RKG zu erweitern, obwohl ihm bei dieser Gelegenheit erneut die sich aus der Doppelversicherung in der knappschaftlichen Krankenversicherung ergebenden Besonderheiten bewußt gewesen sein müssen. Das spricht ebenfalls für eine erschöpfende, lückenlose Regelung in der genannten Vorschrift.

Schließlich bestehen gegen die Regelung in § 239 Abs 1 Satz 1 RKG auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. In diesem Zusammenhang ist zunächst die Rechtsprechung des BVerfG von Bedeutung, wonach Art 3 Abs 1 GG nicht dadurch verletzt wird, daß der Gesetzgeber Landwirte, die freiwillig bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, ohne Befreiungsmöglichkeit in die Pflichtversicherung der Landwirte einbezieht, während er privat bei einem Krankenversicherungsunternehmen Versicherten eine Befreiungsmöglichkeit eingeräumt hat (BVerfG in SozR 5420 § 94 Nr 2). Das BVerfG betont die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, den Mitgliederkreis so abzugrenzen, wie er für eine leistungsfähige Solidargemeinschaft erforderlich ist. Bei der Ausgestaltung und Abgrenzung von Regelungen, bei denen es sich um begünstigende Ausnahmen von einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Inanspruchnahme einer gesetzlichen Pflichtversicherung handelt, ist dem Gesetzgeber ein besonders weiter Spielraum zuzubilligen. Die Rücksichtnahme auf private Versicherungsträger hat das BVerfG dabei als hinreichend sachlichen Grund für die Beschränkung der Befreiungsmöglichkeit auf privat Versicherte angesehen und eine Lücke im Gesetz nicht in Erwägung gezogen. Außerdem verlangt der Grundsatz der in der Sozialversicherung Pflichtversicherten, die Ausnahmen von der Versicherungspflicht eng zu begrenzen und die Versicherungspflicht nicht vom jeweiligen individuellen Schutzbedürfnis abhängig zu machen (vgl BSG in SozR 2200 § 169 Nr 1; SozR 5420 § 2 Nr 4, § 4a Nr 1).

Auch hier darf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Erhaltung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft in der knappschaftlichen Krankenversicherung nicht gering eingeschätzt werden. Diese wird getragen in erster Linie von den Pflichtversicherten. Zwar gehört der Kläger auch als freiwilliges Mitglied der knappschaftlichen Krankenversicherung an. Dem Gesetzgeber bleibt es aber überlassen, grundsätzlich der Pflichtversicherung den Vorrang einzuräumen, und er hat nur eine Ausnahme davon für die bei einem Krankenversicherungsunternehmen Versicherten, nicht für Doppelmitglieder in der knappschaftlichen Krankenversicherung vorgesehen. Insoweit ist hier ebenfalls die Rücksichtnahme auf private Versicherungsträger als hinreichend sachlicher Grund für die Differenzierung anzusehen.

Eine Verletzung des Gleichheitssatzes in Art 3 Abs 1 GG ist aber auch zu verneinen, wenn man auf den Kläger selbst abstellt. Das BVerfG (vgl SozR 2200 § 205 Nr 4) hat einen Vertrauenstatbestand darin erblickt, daß durch die freiwillige Versicherung ein erheblich verbesserter Krankenversicherungsschutz erworben worden ist, der im Vergleich zur Pflichtversicherung in wesentlich günstigeren Leistungen besteht. Das Vertrauen des Bürgers dürfe um so weniger enttäuscht werden, "wenn er dadurch gegenüber den Risiken des Lebens, die durch die Sozialversicherung gerade abgedeckt werden sollen, in eine wesentlich ungünstigere Lage gerät, die er aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen kann". Dem Kläger ist durch die Pflichtmitgliedschaft in der kn KVdR nicht die Möglichkeit genommen worden, seine Ansprüche auf höhere Leistungen aus der freiwilligen Versicherung, auf die er vertrauen konnte, aufrechtzuerhalten. Er kann die freiwillige Versicherung weiterführen. Die damit verbundenen Mehrbelastungen finanzieller Art sind nicht so, daß er sie aus eigener Kraft nicht mehr tragen kann.

Die Beklagte hat die doppelte Beitragsbelastung in ihrer Satzung abgemildert; denn das Ruhegehalt des Klägers wird bei der Festsetzung des Beitrags zur freiwilligen Versicherung nicht mit dem vollen Satz von 11,48 vH, sondern mit einem auf 5,68 vH verminderten Beitragssatz herangezogen (§ 152 Nr 2 cc der Satzung). Die Differenz von 5,8 vH entspricht dem Beitragssatz, den der Kläger in der kn KVdR von seinem Ruhegehalt, soweit dieses zusammen mit der Rente die Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt, zu zahlen hat. Die Beklagte erhebt im Prinzip folglich nicht doppelte Beiträge für Leistungen, die schon aus der Pflichtversicherung zu erbringen sind.

Darüber hinaus hat der Kläger nach § 40a der Satzung die Möglichkeit, eine Aufstockungsversicherung durchzuführen, die ihm die in § 51 Abs 3 der Satzung bei der Krankenhauspflege vorgesehenen Mehrleistungen bietet. Macht er davon Gebrauch, so beträgt der dafür zu entrichtende Beitrag lediglich 2,6 vH (§ 152 Nr 3 der Satzung). Mit dieser Regelung hat die Beklagte den Forderungen des Senats im Urteil vom 30. März 1977 (SozR 2600 § 120 Nr 1) Rechnung getragen. Ein solches Wahlrecht mit der entsprechenden Differenzierung bei den Beiträgen würde sich erübrigen, wenn der doppelt in der knappschaftlichen Krankenversicherung versicherte Rentner die Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft begehren könnte.

Wählt der Kläger hingegen, wie er es getan hat, den vollen Schutz der freiwilligen Versicherung, so kann von ihm der entsprechende Beitrag verlangt werden. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, daß der Kläger dann als Gegenleistung außer den Mehrleistungen bei der Krankenhauspflege und der privatärztlichen Behandlung zusätzlich Leistungen zahntechnischer Art, bei Kurkostenzuschüssen und beim Sterbegeld erhält.

Der Kläger hat also auch ohne Befreiung von der Versicherungspflicht in der kn KVdR hinreichend Möglichkeiten, innerhalb des Systems der knappschaftlichen Krankenversicherung mit ihren Besonderheiten den durch die freiwillige Mitgliedschaft erworbenen Leistungsumfang voll zu erhalten oder aber die Beitragsbelastung durch die Entscheidung für eine Aufstockungsversicherung zu verringern. Er würde dann immer noch einen besseren Versicherungsschutz haben, als ihn die kn KVdR gewährt und er würde sich bei der Beitragszahlung im Rahmen dessen bewegen, was er allein für eine freiwillige Versicherung aufwenden müßte. Die durch das RAG 1982 erfolgte Einbeziehung von Versorgungsbezügen in die Bemessung der Beiträge ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl Urteil des 12. Senats vom 18. Dezember 1984 - 12 RK 11/84 und 12 RK 35/83 - sowie des 11. Senats vom 12. März 1985 - 11a RK 1/84 -).

Da der Kläger von der Pflichtversicherung in der kn KVdR nicht befreit werden kann, also nach wie vor pflichtversichert und nicht bei einem - privaten - Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, steht ihm der begehrte Beitragszuschuß nach § 96c Abs 1 Nr 2 RKG nicht zu. Die somit unbegründete Sprungrevision des Klägers mußte zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 224

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