Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 30.09.1958; Aktenzeichen L 13 I 182/58)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. September 1958 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Der am 22. Juli 1897 geborene Kläger war von 1912 bis 1922 – unterbrochen durch militärischen Dienst von 1916 bis 1920 – in einer Zechenkokerei als Pinseler und Schmierer und anschließend bis 1939 als Druckmaschinist nach Lohngruppe I über Tage der Lohnordnung für den Steinkohlenbergbau der Ruhr beschäftigt. Von 1940 bis März 1945 war er im Kokstransport nach Lohngruppe II über Tage und von Juli bis Oktober 1945 als Kabeler nach Lohngruppe I über Tage, sodann wieder bis Mai 1952 im Kokstransport in Lohngruppe II über Tage tätig und ist seit dieser Zeit als Platzreiniger nach Lohngruppe V über Tage mit der Kontrolle von Gasuhren beschäftigt.

Am 10. März 1952 hat er die Gewährung der. Knappschaftsrente beantragt. Nach dem Gutachten des Bezirksarztes Dr. Sch. vom 16. April 1952, dem ein Beobachtungsgutachten von Dr. St. und Dr. B. beigefügt war, litt der Kläger an einem rezidivierenden Zwölffingerdarmgeschwür, gastritischen Veränderungen, mäßiger Lungenerweiterung mit Pleuraadherenz und geringen arthrotischen Veränderungen der Kniegelenke. Der Kläger sei für die von ihm verrichteten Arbeiten der Lohngruppe II über Tage nicht berufsunfähig. Diese Ansicht vertraten auch die Ärzte der Oberärztlichen Untersuchungs- und Beobachtungsstation in Duisburg-Hamborn am 2. Mai 1952; sie hielten den Kläger für fähig, als Platzreiniger, Weichensteller und Maschinenputzer zu arbeiten.

Die Beklagte hat daraufhin den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 5. September 1952 abgelehnt. Der Kläger sei im Hauptberuf als Arbeiter im Kokstransport der Lohngruppe II über Tage tätig gewesen und nicht berufsunfähig, da er noch die Arbeiten eines Platzreinigers, Weichenstellers, Maschinenputzers, Abnehmers, Wäschearbeiters, Motorenwärters, Bergeklaubers, Pförtners, Wächters, Boten usw. verrichten könne.

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch hat der Geschäftsausschuß zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger beim früheren Knappschafts-Oberversicherungsamt in Dortmund Berufung eingelegt. Diese ist am 1. Januar 1954 als Klage auf das Sozialgericht in Düsseldorf übergegangen.

Der Kläger gab zu bedenken, daß er auch als Verlademaschinist entsprechend der heutigen Lohngruppe I über Tage entlohnt worden sei. Im Jahre 1939 sei ihm zugesichert worden, daß er als Lader die bisherige Einnahme behalten werde. Er habe zu seinem Schichtlohn nach Lohngruppe II regelmäßig eine Prämienzulage wegen Einwirkung von Schmutz, Staub und Gas erhalten.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, daß der Kläger nach der Arbeitgeberauskunft vom 18. Februar 1953 nicht aus gesundheitlichen. Gründen von der Druckmaschine zur Verladestation gekommen sei, sondern weil hier besonders befähigte Leute benötigt worden seien. Krankheiten oder Körperschäden hätten nicht vorgelegen.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 21. April 1955 die Klage abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, es sei von der Tätigkeit eines Arbeiters im Kokstransport (Lohngruppe II über Tage) als Hauptberuf auszugehen, weil nicht erwiesen sei, daß der Kläger 1940 gezwungen gewesen sei, von der Lohngruppe I über Tage zur Lohngruppe II über Tage überzugehen. Die ihm gewährten Prämien seien lediglich auf Grund von Betriebsvereinbarungen gezahlt worden und deshalb nicht zu berücksichtigen. Der Kläger könne noch gleichwortige Arbeiten verrichten, wie er als Platzreiniger auch durch die Tat beweise.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

Das Berufungsgericht hat noch Auskünfte der Hamborner Bergbau AG über Rechtsgrundlage, Höhe und Bemessungsgrundlage der Prämie sowie des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau in Essen darüber beigezogen, wieviele der im Ruhrbergbau im Kokstransport beschäftigten Arbeiter eine Zulage wegen der Staub- und Gasbelästigung erhielten und wie hoch die Zulage regelmäßig sei. Ferner hat es noch Dr. Fischer über die Gesundheitsstörungen und die Einsatzfähigkeit des Klägers gehört und, den Koksmeister Peter M. als Zeugen über den Arbeitseinsatz des Klägers in den Jahren 1940 bis 1945/46 vernommen. Es hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 30. September 1958 zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Zutreffend sei die Beklagte wie auch das Sozialgericht davon ausgegangen, daß der knappschaftlich versicherte Beruf des Klägers der eines Arbeiters im Kokstransport (Arbeitergrad-Schlüsselnummer 630) sei. Wenn auch der Kläger vorher als Druckmaschinist (Arbeitergrad-Schlüsselnummer 625) gearbeitet habe, so könne diese Tätigkeit doch nicht als sein Hauptberuf angesehen werden, da er sich von dieser Tätigkeit freiwillig abgewandt habe, als er 1940 zur Koksverladestation übergegangen sei. Eine Lösung von dem ursprünglichen Beruf aus zwingenden Gründen mit der Wirkung, daß nun gleichwohl von der Tätigkeit eines Druckmaschinisten ausgegangen werden müsse, habe nicht vorgelegen. In der Sitzung vom 21. Oktober 1953 habe der Kläger selbst angegeben, er habe im Jahre 1940, als er von dem Freiwerden eines anderen Arbeitsplatzes gehört habe, nachgefragt, ob er nicht von der Druckmaschine fort könne, weil er bei seiner bisherigen Tätigkeit einer zu starken Gaseinwirkung ausgesetzt sei. Diese Gasbelästigung stelle aber keinen zwingenden, hier beachtlichen Grund für den Wechsel der Tätigkeit dar, weil nicht diese, sondern der Wille des Klägers zum Arbeitsplatzwechsel im Vordergrund gestanden habe. Der Kläger habe zudem im Verhandlungstermin vom 17. Dezember 1957 erklärt, selbst im Jahre 1945 noch gesundheitlich in der Lage gewesen zu sein, als Druckmaschinist zu arbeiten. Ein zwingender Grund für einen Wechsel des Berufes könne aber nur angenommen werden, wenn der Versicherte zur Fortsetzung der ursprünglichen Arbeit nicht mehr in der Lage sei, obwohl er den Willen hierzu habe. Auch ergebe die Zechenauskunft vom 18. Dezember 1953. daß der Kläger nicht wegen einer Krankheit oder eines Körperschadens zur Verladestation gekommen sei. Schließlich sei aus den glaubwürdigen Bekundungen des Zeugen M., des damaligen Vorgesetzten des Klägers, zu entnehmen, daß der Kläger 1940 nicht aus Krankheitsgründen von der Druckmaschine zur Verladestation versetzt worden sei. Es sei vielmehr ein natürlicher Betriebsvorgang, wenn der von dem Zeugen als guter und zuverlässiger Arbeiter geschilderte Kläger zur Verladung versetzt worden sei. Wenn sich auch der Zeuge nicht mit Bestimmtheit daran erinnern könne, ob der Kläger selbst den Wechsel gewünscht und er durch die Äußerung eines solchen Wunsches zur Verlegung des Klägers angeregt worden sei, so reiche doch die eigene Angabe des Klägers aus, daß er die Gelegenheit, einen Arbeitsplatz in der Verladestation zu bekommen, ergriffen habe. Auch habe dem Arbeitsplatzwechsel des Klägers nicht etwa eine Dienstverpflichtung zugrunde gelegen. Das folge nicht zuletzt auch aus der Aussage des Zeugen M. wonach der Kläger vom Zeugen zur Koksverladung geschickt worden sei. Ebenfalls hätten keine rein betriebsbedingten Gründe hierfür vorgelegen. Selbst wenn man nach der Zechenauskunft vom 18. Februar 1953 die Auffassung vertreten wollte, der Wechsel sei insofern betriebsbedingt, als der Kläger wegen seiner besonderen Befähigung zur Verladestation versetzt worden sei, könne dies nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Ob ein solcher Grund als erzwungener Berufswechsel angesehen werden müsse, könne hier dahinstehen, da nicht ersichtlich sei, daß der Kläger mit seiner Entlassung hätte rechnen müssen, wenn er die Arbeit auf der Verladestation nicht aufgenommen hätte. Im übrigen habe der Zeuge M. auch bekundet, daß er als Koksmeister niemand gezwungen habe, vom Ofen zur Verladearbeit zu gehen. Schon auf Grund dieser Aussage sei erwiesen, daß von seiten des Betriebes ein Druck zum Arbeitsplatzwechsel nicht ausgeübt worden sei.

Der Kläger könne nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. einzelne, Tätigkeiten der Lohngruppen IV und V über Tage, beispielsweise die eines Markenausgebers und eines Telefonisten usw., verrichten. Tatsächlich verrichte der Kläger seit Mai 1952 auch Arbeiten der Lohngruppe V über Tage, was die. Auffassung des Sachverständigen Dr. F. stütze. Die festgestellten Gesundheitsstörungen des Klägers hätten aber auch in der Zeit von 1952 bis zur Untersuchung durch Dr. F. die körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht so weit herabgesetzt, daß er etwa seit seinem Antrag die Fähigkeit zur Verrichtung von leichten Arbeiten der Lohngruppen IV und V über Tage vorübergehend verloren hätte.

Die genannten Tätigkeiten seien der ursprünglichen Tätigkeit gegenüber im wesentlichen gleichartig und wirtschaftlich gleichwertig. Bei dem Vergleich der hierbei heranzuziehenden Löhne könne nicht, wie der Kläger meine, die gewährte Prämie mitberücksichtigt werden. Vielmehr sei nur der allgemein zu erzielende Schichtlohn zu berücksichtigen. Wenn sich auch die für besondere Staub- und Schmutzbelästigung gewährte Prämie dergestalt auswirke, daß der Tariflohn der Lohngruppe I über Tage erreicht oder sogar überschritten worden sei, so ergebe sich daraus doch keine Einstufung in die Lohngruppe I über Tage, denn die Prämie gehöre nicht zu dem allein maßgebenden allgemeinen Arbeitseinkommen. Im Ruhrbergbau hätten am 30. Juni 1955 von insgesamt 1362 Arbeitern der Arbeitergrad-Schlüsselnummer 630 (Arbeiter im Kokstransport, an der Koksverladestation und der Koksseparation) lediglich 312 Zulagen für besondere Erschwernisse bei der Arbeit erhalten.

Es könne auch nicht zu einer anderen Beurteilung führen, daß § 53 des Manteltarifvertrages die Zahlung von Erschwernis Zulagen vorsehe. Denn diese Bestimmung ordne nicht eine generelle Zahlung von solchen Zulagen an einen bestimmten Kreis aller Beschäftigten im Geltungsbereich des Tarifvertrages an, sondern überlasse die Gewährung der innerbetrieblichen Vereinbarung. Die Umfrage des Unternehmensverbandes habe aber ergeben, daß die Zulagen nicht von allen Zechen gezahlt würden.

Die Einkommensminderung zwischen der Lohngruppe II und den Lohngruppen IV bis V über Tage sei dem Kläger zuzumuten. Sie bringe keinen Lohnabfall, der das Maß des Zumutbaren übersteige. Im Verhältnis zwischen den Lohngruppen II und IV über Tage bewege sich der Einkommensverlust zwischen 8,16 v. H. und 9,07 v.H. Auch im Verhältnis zur Lohngruppe V über Tage bestünden keine wesentlich höheren Einkommensverluste; sie hielten sich zwischen 10,20 v.H. und 12,81 v.H. Diese Lohnminderungen führten zwar zu gewissen Einschränkungen, zwängen aber nicht zu einer wesentlichen Herabsetzung des Lebensstandards.

Das Urteil ist dem Kläger am 29. April 1959 zugestellt worden. Er hat durch seinen Prozeßbevollmächtigten, Rechtsberater B. von der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie in Bochum am 8. Mai 1959 Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Er rügt die Verletzung des § 35 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) aF und des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er ist der Auffassung, daß sein Hauptberuf die Tätigkeit eines Kokereiofenarbeiters der Lohngruppe I über Tage sei. Das Berufungsgericht habe die Grenzen des ihm bei der Beweiswürdigung zustehenden Ermessens überschritten, wenn es annehme, er habe diesen Beruf freiwillig aufgegeben. Er habe diese Tätigkeit vielmehr nur deshalb aufgegeben und sei zu der eines Kokstransporteurs übergegangen, weil er in seinem Alter bei der schwereren Tätigkeit nicht mehr mitgekommen sei. Es sei ein ganz natürlicher Vorgang, wenn ältere Arbeiter von einer schwereren zu einer leichteren Arbeit übergingen; die schwerere Tätigkeit könne der Arbeiter eben nur bis zu einem gewissen Alter verrichten. So sei auch die Tatsache, daß er im Jahre 1940 eine andere Arbeit gesucht habe, nur in diesem Zusammenhang zu verstehen und zu würdigen. Wenn die Betriebsleitung eine Versetzung von sich aus vornehme, könne nicht erwartet werden, daß der Arbeiter sich dem widersetze, da dies zu seinem Besten geschehe. Der Kläger könne sich im übrigen nicht daran erinnern, daß er bei der Verhandlung vom 17. Dezember 1957 gesagt habe, er sei auch im Jahre 1945 noch gesundheitlich in der Lage gewesen, die Tätigkeit eines Druckmaschinisten zu verrichten. Zumindest sei dies nicht so gemeint gewesen, daß er noch regelmäßig und wettbewerbsmäßig diese Tätigkeit verrichten könne.

Zu Unrecht habe das Berufungsgericht es auch unterlassen; die dem Kläger gezahlte Prämie zu berücksichtigen. Diese Prämie sei tarifvertraglich garantiert. Würde sie dem Lohn der Lohngruppe II über Tage zugerechnet, so seien die Tätigkeiten der Lohngruppen IV und V nicht im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig.

Er beantragt,

  1. das Urteil des Landessozialgerichts Essen vom 30. September 1958 aufzuheben,
  2. das Urteil des Sozialgerichts in Düsseldorf vom 21. April 1955 aufzuheben,
  3. unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide der Beklagten diese zu verurteilen, dem Kläger die beantragte Knappschaftsrente nach § 35 RKG aF zu gewähren,
  4. die dem Kläger in allen Instanzen entstandenen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger habe die Tätigkeit des Druckmaschinisten freiwillig aufgegeben, wie das Berufungsgericht fehlerfrei festgestellt habe. Bei der Prüfung der Frage, ob Berufsunfähigkeit im Sinne des § 35 RKG aF vorliege, müsse also von der Tätigkeit eines Arbeiters im Kokstransport der Lohngruppe II über Tage ausgegangen werden.

Unstreitig sei der Kläger gesundheitlich noch in der Lage, arbeiten der Lohngruppen IV und V über Tage zu verrichten. Da diese Tätigkeiten nach ständiger Rechtsprechung den zur Lohngruppe II über Tage gehörenden Arbeiten gegenüber sowohl im wesentlichen gleichartig als auch wirtschaftlich gleichwertig seien, sei der Anspruch auf die Knappschaftsrente alten Rechts unbegründet. Der Einwand des Klägers, das Berufungsgericht hätte bei Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit auch die dem Kläger gewährten Erschwerniszulagen berücksichtigen müssen, gehe fehl, Vergleichsmaßstab sei allein der jeweilige Tariflohn.

Auch ein Anspruch auf die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 RKG sei nicht gegeben, weil der Kläger noch im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Arbeiten von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in knappschaftlich versicherten Betrieben verrichten könne und demzufolge verminderte bergmännische Berufsfähigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 RKG noch nicht vorliege.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist statthaft, da das Berufungsgericht sie zugelassen hat. Bedenken gegen ihre Zulässigkeit bestehen somit nicht. Es mußte ihr jedoch der Erfolg versagt bleiben.

Da der Versicherungsfall, die Behauptungen des Klägers als richtig unterstellt, vor dem 1. Januar 1957 eingetreten wäre, richtet sich der Anspruch grundsätzlich nach altem Recht, d. h. nach § 3 der Verordnung vom 4. Oktober 1942 (RGBl I 569) in Verbindung mit § 35 RKG aF. Nur wenn der Anspruch auf Knappschaftsrente alten Rechts abgelehnt wird, ist zusätzlich zu prüfen, ob nicht vom 1. Januar 1957 an die Voraussetzungen des § 45 Nr. 1 RKG vorliegen, wobei es bis zum 31. Mai 1957 noch auf die Berufsunfähigkeit alten Rechts nach § 35 RKG aF und vom 1. Juni 1957 an auf die verminderte bergmännische Berufsfähigkeit nach § 45 Abs. 2 RKG ankommt.

Zu Recht hat die Beklagte und haben die Vorinstanzen die Tätigkeit eines Arbeiters im Kokstransport (Lohngruppe II über Tage der Lohnordnung für den Steinkohlenbergbau der Fuhr) als Hauptberuf des Klägers angesehen. Zwar war er bis zum Jahre 1940 als Druckmaschinist (Lohngruppe I über Tage) tätig, und es hätte, falls er damals Rente beantragt hätte, diese Tätigkeit als sein Hauptberuf angesehen werden müssen. Der Kläger hat sich aber von dieser Tätigkeit gelöst (vgl. dazu BSG 2, 183). Jede Aufgabe einer Tätigkeit mit dem Willen, die alte Tätigkeit nicht mehr auszuüben, bedeutet grundsätzlich eine Lösung von der alten Tätigkeit. Hierbei kommt es nicht allein auf den Willen des Versicherten im Zeitpunkt des Arbeitsplatzwechsels, sondern auch auf seinen späteren Willen an. Selbst wenn der Arbeitsplatzwechsel ausschließlich betrieblich bedingt ist, so ist doch dann eine Lösung in dem o.a. Sinne anzunehmen, wenn sich der Versicherte später mit dem neuen Arbeitsplatz abgefunden hat, da dann zumindest in diesem späteren Zeitpunkt eine Lösung von der ursprünglichen Tätigkeit eingetreten ist. Hier aber hat sich der Kläger, wie er selbst nicht bestreitet, letztlich mit seinem neuen Arbeitsplatz abgefunden, da er ohne die früher vorhandene Belästigung durch Abgase tätig sein konnte und er trotzdem einschließlich der ihm gewährten Prämie soviel verdiente wie früher; er hat tatsächlich ja auch nie versucht, wieder in die alte Arbeit zu kommen, sondern trägt selbst vor, daß es ein ganz natürlicher Vorgang sei, wenn er in seinem Alter diesen Berufswechsel vorgenommen habe. Auf die Frage, ob der Kläger damals um Versetzung in die neue Tätigkeit gebeten hat oder ob dies von der Betriebsleitung ohne Antrag des Klägers erfolgt ist, kommt es daher nicht an.

Die Lösung von der Tätigkeit als Druckmaschinist wäre nach der o.a. Entscheidung allerdings dann im Sinne der Knappschaftsversicherung unbeachtlich, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen erfolgt wäre. Es ist aber unangefochten festgestellt, daß der Kläger seinerzeit nicht krank war. Er meint allerdings, daß er, da er damals bereits 43 Jahre alt gewesen sei, nicht mehr so voll leistungsfähig gewesen sei wie ein jüngerer Arbeiter und daß dies der Grund für die Umstellung auf die neue Tätigkeit gewesen sei. Zuzugeben ist dem Kläger, daß nach § 35 KKG aF die Schwäche der körperlichen und geistigen Kräfte der Krankheit gleichgestellt ist, daß also die Lösung von einer Tätigkeit auch dann unbeachtlich ist, wenn sie wegen körperlicher Schwäche – und darunter ist auch die infolge Alters eintretende Minderung der Leistungsfähigkeit zu verstehen – erfolgt. Eine solche Minderung der Leistungsfähigkeit lag aber bei dem Kläger nicht vor. Abgesehen davon, daß er damals erst 43 Jahre alt war und die Tatsache der Gasbelästigung, die ihm nach seinen Angaben Anlaß für den Wunsch nach einem Arbeitsplatzwechsel gegeben hat, für die Frage, ob eine Minderung der Leistungsfähigkeit vorlag, keine wesentliche Bedeutung hat, da sie auch einem jüngeren Arbeiter Anlaß für den Wunsch nach einem Arbeitsplatzwechsel geben kann, hat der Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, wie sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt, selbst erklärt, daß er diese Tätigkeit sogar im Jahre 1945, also in einem höheren Lebensalter, noch verrichten könne. Der Kläger meint zwar, er könne sich an eine solche Äußerung nicht mehr erinnern, und außerdem könne sie, falls er dies erklärt habe, nur so gemeint gewesen sein, daß er eine solche Tätigkeit nur hin und wieder, aber nicht für die Dauer verrichten könne. Der erkennende Senat muß aber nach § 314 der Zivilprozeßordnung (ZPO) in Verbindung mit § 202 SGG davon ausgehen, daß der Kläger diese Aussagen gemacht, und zwar so gemacht hat, wie es in dem angefochtenen Urteil vermerkt ist. Der Gegenbeweis wäre nur durch das Protokoll zu erbringen, dieses enthält hierüber jedoch nichts. Diese Erklärung ist auch so uneingeschränkt abgegeben, daß gegen die Auslegung, die ihr das Berufungsgericht gegeben hat, keine Bedenken bestehen.

Es kann auch nicht etwa deshalb von der Lohngruppe I über Tage ausgegangen werden, weil der Kläger während seiner Tätigkeit als Arbeiter im Kokstransport ständig eine Prämie erhalten und dadurch zumindest die Höhe des Lohnes der Lohngruppe I über Tage erreicht hat. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist grundsätzlich von dem tariflich vereinbarten Lohn auszugehen. Prämien können zwar, falls dies ihrer Art nach überhaupt statthaft ist, berücksichtigt werden, wenn sie tariflich für den ganzen Bezirk, nicht aber, wenn sie – auf Grund von Einzelvereinbarungen oder Betriebsvereinbarungen – nur für einen Teil der Arbeiter einer in der Lohnordnung aufgeführten Tätigkeit vereinbart sind. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn dies für einen so großen Teil einer solchen Arbeitergruppe innerhalb des Tarifbezirks der Fall wäre, daß es praktisch einer tarifvertraglichen Regelung für diese Arbeitergruppe gleich zu bewerten wäre. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da noch nicht einmal ein Viertel der „Arbeiter im Kokstransport” des Ruhrbergbaus diese Prämie erhalt. Der Umstand, daß in § 53 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus solche Zulagen vorgesehen sind, spielt keine Rolle; denn konkretisiert wird diese Vereinbarung erst durch Einzelvereinbarungen oder Betriebsvereinbarungen; erst durch diese werden konkrete Ansprüche der einzelnen Arbeiter erzeugt. Dem Berufungsgericht ist daher zuzustimmen, wenn es diese Zulagen, die nur weniger als einem Viertel der im Kokstransport beschäftigten Arbeiter gewährt werden, nicht berücksichtigt hat.

Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Tätigkeiten der Lohngruppe V der Tätigkeit eines Arbeiters im Kokstransport im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig sind, da die Lohndifferenz nach der maßgebenden Lohnordnung vom 1. Mai 1951 nur 10 % beträgt und daher nicht als wesentlich in diesem Sinne angesehen werden kann. Ebenfalls ist die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Tätigkeit der Lohngruppe V über Tage der des Arbeiters im Kokstransport im wesentlichen gleichartig ist, rechtsirrtumsfrei.

Da der Kläger nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts einige der Tätigkeiten der Lohngruppe V, darunter die des Platzreinigers, noch verrichten kann – tatsächlich verrichtet er diese letztere auch noch –, ist er nicht berufsunfähig. Das Berufungsgericht hat also insoweit zu Recht den Anspruch des Klägers verneint.

Für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis zum 31. Mai 1957 gilt, da noch der Begriff der Berufsunfähigkeit alten Rechts anzuwenden ist, dasselbe.

Für die Zeit vom 1. Juni 1957, für die der Begriff der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit nach § 45 Abs. 2 RKG anzuwenden ist, kann im Ergebnis nichts anderes gelten, weil die Frage nach den wesentlich gleichwertigen Arbeiten ebenso zu beantworten ist wie nach altem Recht. Irrtumsfrei hat daher das Berufungsgericht auch für diese Zeit das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente verneint.

Die Revision mußte daher zurückgewiesen werden.

 

Unterschriften

Dr. Brockhoff, Fechner, Dr. Dapprich

 

Fundstellen

BSGE, 212

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge