Leitsatz (amtlich)

Pflichtbeiträge aufgrund bestimmter Beschäftigungszeiten können nicht - wie unter Umständen freiwillige Beiträge - anderen Zeiten zugeordnet werden.

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Rechtsvorteil des ArVNG Art 2 § 42 kann nicht auch ohne die geforderten Beiträge lediglich auf Grund von Ersatzzeiten oder Ausfallzeiten gewährt werden.

 

Normenkette

RVO § 1418 Fassung: 1957-02-23, § 1401 Abs. 2 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 42 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 27. Januar 1965, wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin beanstandet die Höhe der ihr aus der Versicherung ihres im Jahre 1960 verstorbenen Ehemannes gewährten Witwenrente von - damals - monatlich 49,60 DM.

Die Beklagte hat diese Rente nach der seit der Rentenrechtsreform des Jahres 1957 geltenden Berechnungsweise ermittelt (Bescheid vom 21. März 1961). Die Klägerin verlangt hingegen, daß die sogenannte Vergleichsberechnung des Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) angestellt und ihr dementsprechend die für sie günstigere Rente zuerkannt werde. Die Beklagte lehnt diese Forderung ab, weil im Kalenderjahr 1957 nur 7 und nicht, wie es Art. 2 § 42 ArVNG vorschreibe, 9 Monate mit Beiträgen belegt seien.

Der von der Klägerin erhobenen Klage hat das Sozialgericht (SG) stattgegeben. Es hat angenommen, das Jahr 1957 lasse sich mit Beiträgen aus dem Jahre 1959 auffüllen. Für das Jahr 1959 bedurfte es nämlich im Hinblick auf Art. 2 § 42 ArVNG keiner Beiträge mehr, weil der Versicherte in diesem Jahre erwerbsunfähig geworden und damit der Versicherungsfall eingetreten war. Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat das Klagebegehren weder aus der von dem SG angeführten Erwägung noch aus dem Gesichtspunkt für begründet erachtet, daß der Versicherte während des Jahres 1957 fünf Monate lang krank gewesen war.

Die Klägerin hat - die von dem LSG zugelassene - Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Revision ist unbegründet.

Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß der Klägerin kein Anspruch auf die Berechnung der Rente nach den bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Vorschriften zusteht. Der Tatbestand des Art. 2 § 42 ArVNG, der eine solche Rechtsfolge rechtfertigen könnte, ist nicht erfüllt. Es fehlt an den für das Kalenderjahr 1957 erforderlichen 9 Monatsbeiträgen.

Die Tatsache, daß der Versicherte in diesem Jahre fünf Monate arbeitsunfähig krank war, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Krankheitszeiten können nicht die in diesem Zusammenhang vom Gesetz verlangten Beitragszeiten ersetzen. Dafür bietet das Gesetz weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Beweggrund und seiner Zielsetzung eine Handhabe. Es ist - wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits früher (SozR Nr. 14 zu Art. 2 § 42 ArVNG) dargelegt hat - der erklärte Wille des Gesetzes, daß der Versicherte vom 1. Januar 1957 an durch einen Beitragsaufwand von einigem Gewicht zu seiner Versicherung beisteuern soll. Auf diese Weise konnte das in vielen Fällen auffallende Mißverhältnis ausgeglichen werden, das vorher zwischen der Höhe der sogenannten Mindestrenten und dem geringen Gesamtaufkommen an Beiträgen bestand. Diesem Gesetzeszweck widerspräche es, wenn der Rechtsvorteil des Art. 2 § 42 ArVNG auch ohne die geforderten Beiträge lediglich aufgrund von Ersatz- oder Ausfallzeiten gewährt werden würde.

Eine für die Klägerin günstigere Beurteilung ist auch nicht dadurch zu erzielen, daß man die für 1959 entrichteten Pflichtbeiträge für 1957 gelten läßt. Das ist rechtlich nicht zulässig. Für Pflichtbeiträge scheidet die Erwägung aus, daß es für die Frage, welchem Zeitabschnitt der einzelne Beitrag zuzuordnen ist, auf den Willen des - verständig handelnden - Versicherten ankomme. Pflichtbeiträge für Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber in Erfüllung einer fest umrissenen öffentlich-rechtlichen Schuld zu bewirken, und zwar für die Zeit, in der er den Versicherten gegen Entgelt beschäftigt (vgl. § 1396 Abs. 1, § 1401 Abs. 2 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Die Beziehung des Beitrags zum Beitragszeitabschnitt ist grundsätzlich unauflöslich, weil sie von dem zugrunde liegenden - die Versicherungspflicht begründenden - Rechtsverhältnis abhängig ist. Das Beitragsverhältnis wird hinsichtlich seiner Entstehung und seines Erlöschens von Vorschriften geregelt, die zwingender Natur sind. Ihre Wirkungen treten unmittelbar mit Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes ein; sie können nicht ausgeschlossen werden; auf sie hat ein entgegenstehender oder abweichender Wille des Versicherten keinen Einfluß. Deshalb ist es unzulässig, Pflichtbeiträge aus einem Kalenderjahr, für das sie in Befolgung der gesetzlichen Vorschriften verwendet wurden, nachträglich auf ein anderes Jahr zu übertragen.

Hiernach hat die Beklagte die sogenannte Vergleichsberechnung zu Recht abgelehnt. Mit diesem Ergebnis stimmt das Berufungsurteil überein; die Revision kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380171

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