Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestandsrenten des Beitrittsgebiets. Umwertung. Neuberechnung. Entgeltpunkte (West). Entgeltpunkte (Ost). Stichtagsregelung

 

Leitsatz (amtlich)

Bestandsrenten des Beitrittsgebiets waren für die Zeit ab 1.1.1992 nach den Vorschriften des SGB VI neu zu berechnen, wenn bei der Feststellung der DDR-Rente Beitragszeiten des früheren Bundesgebietes rentensteigernd berücksichtigt worden waren.

 

Normenkette

SGB VI §§ 307a, 35, 248 Abs. 3; SGB § 254b Abs. 1; SozPflVRV § 5 Abs. 2 Buchst. b

 

Verfahrensgang

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 26.01.1994; Aktenzeichen L 1 An 40/93)

SG Magdeburg (Urteil vom 05.08.1993; Aktenzeichen S 8 An 108/93)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. Januar 1994 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Altersrente der Klägerin aus der Sozialpflichtversicherung der ehemaligen DDR zum 1. Januar 1992 nur pauschal umzuwerten oder ob sie – zumindest auf Antrag – nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) zu berechnen war.

Die am 19. August 1926 geborene Klägerin, die seit Dezember 1965 ununterbrochen im Beitrittsgebiet wohnt, bezog seit August 1986 Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung der DDR. Dabei waren der Rentenberechnung unter Einbeziehung des Zeitraums vom 15. Mai 1961 bis zum 11. Dezember 1965, in dem die Klägerin in B… gewohnt und bei der B… Straßenbahn AG versicherungspflichtig als Stenotypistin gearbeitet hatte, 35 Versicherungsjahre zugrunde gelegt worden.

Mit Bescheid vom 29. November 1991 nahm die Beklagte eine Umwertung und Anpassung dieser Altersrente zum 1. Januar 1992 in einem maschinellen Verfahren nach den zu diesem Zeitpunkt im Beitrittsgebiet in Kraft tretenden Rechtsvorschriften vor. Dabei errechnete sie den neuen Monatsbetrag der nunmehr als Regelaltersrente bezeichneten Leistung durch Multiplikation des ab 1. Januar 1992 geltenden aktuellen Rentenwertes (Ost) mit den persönlichen Entgeltpunkten (Ost), die anhand der Daten ermittelt wurden, die der bisherigen Altersrente zugrunde lagen, und dem Rentenartfaktor (1,0). Auch für die Zeit der Tätigkeit in B…, während der für die Klägerin seinerzeit Pflichtbeiträge an die Beklagte entrichtet worden waren, wurden Entgeltpunkte (Ost) angesetzt. Die monatliche Rente von 757,67 DM wurde im Wege der Rentenanpassung zum 1. Juli 1992 durch Bescheid vom 1. Juni 1992 auf 785,42 DM und zum 1. Januar 1993 durch Bescheid vom 1. Dezember 1992 auf 826,38 DM erhöht. Den von der Klägerin gegen den Bescheid vom 29. November 1991 erhobenen Widerspruch, mit dem sie eine Neufeststellung der Rente unter Berücksichtigung ihrer Arbeitszeit in B… mit Entgeltpunkten (West) geltend gemacht hatte, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. März 1993 zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine Neuberechnung der Rente nach § 307a Abs 10 SGB VI sei nicht möglich, weil mit der Rente aus der Sozialpflichtversicherung der DDR bereits Leistungen aus den im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten erbracht worden seien und die Klägerin nicht (erst) nach dem 18. Mai 1990 in das Beitrittsgebiet zugezogen sei.

Die von der Klägerin hiergegen erhobene Klage, mit der sie die Neufeststellung ihrer Rente unter Berücksichtigung der in B… zurückgelegten Beitragszeit mit Entgeltpunkten (West) begehrte, wies das Sozialgericht Magdeburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 5. August 1993 ab. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Beklagte verurteilt, der Klägerin vom 1. Januar 1992 an eine nach den Vorschriften des SGB VI neu berechnete Rente zu zahlen, soweit diese die bisher gewährte Leistung übersteige. Das Berufungsurteil vom 26. Januar 1994 ist auf folgende Erwägungen gestützt: Die Klägerin habe nach der Ausnahmevorschrift des § 307a Abs 10 SGB VI Anspruch auf Neuberechnung ihrer Rente nach den Vorschriften des SGB VI, wobei die von ihr in B… zurückgelegten Beitragszeiten mit Entgeltpunkten (West) zu errechnen seien. Zum einen seien aus den von ihr in B… zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten noch keine “Leistungen” iS dieser Vorschrift erbracht worden, weil darunter nur solche aus dem Rentenversicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet zu verstehen seien; nur dieses sehe Leistungen “aus” rentenrechtlichen Zeiten im früheren Bundesgebiet vor. Zum anderen seien auch die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nach dem SGB VI gegeben, weil hinsichtlich der hierfür erforderlichen Zeiten auch die in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten zu berücksichtigen seien. Da die Klägerin mithin rentenrechtliche Zeiten mit Entgeltpunkten (Ost) und Entgeltpunkten (West) habe, müßten wegen der unterschiedlichen aktuellen Rentenwerte zwei Teilrenten errechnet werden.

Der Anspruch der Klägerin auf Berechnung ihrer Rente nach den Vorschriften des SGB VI scheitere nicht daran, daß sie bereits vor dem 18. Mai 1990 in das Beitrittsgebiet zurückgekehrt sei. Zwar solle die Regelung in § 307a Abs 10 SGB VI nach den Gesetzesmaterialien die Fälle erfassen, in denen eine Rückkehr nach dort vor diesem Zeitpunkt erfolgt und bereits vor 1992 nach den bisherigen Vorschriften des Rentenrechts der DDR eine Rente bewilligt worden sei, ein Anspruch auf eine Rente aus Beitragszeiten in den alten Bundesländern aber (noch) nicht bestanden habe. Die Regelung sei jedoch nicht auf diese Fälle beschränkt, sondern erfasse nach Wortlaut, Sinn und Zweck auch solche wie den der Klägerin. Der Stichtag “18. Mai 1990” in Art 23 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 (BGBl II 537) über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 25. Juni 1990 (StVertrG; BGBl II 518) habe vornehmlich bezweckt, die Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG) bei Zuzug eines Versicherten aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland nach diesem Stichtag zu verhindern. § 307a Abs 10 SGB VI sei daher nur in einer weitergehenden Auslegung verständlich, weil bereits § 307a Abs 9 Nr 2 SGB VI die Folgerungen aus Art 23 StVertrG ziehe.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 307a Abs 1 und 10 SGB VI: Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck dieser Vorschriften könnten zu der vom LSG vertretenen Auslegung führen. Zum 1. Januar 1992 seien grundsätzlich alle nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets berechneten Bestandsrenten nach dem in § 307a Abs 1 SGB VI geregelten Verfahren umzuwerten und als Renten des SGB VI weiterzuleisten gewesen. Welche Bestandsrenten hiervon abweichend neu zu berechnen gewesen seien, werde in § 307a Abs 9 bis 11 SGB VI abschließend geregelt. Dabei würden in Abs 9 Nr 2 aaO die Folgerungen aus Art 23 StVertrG in der Weise gezogen, daß eine Rente des Beitrittsgebiets bei einem Wohnsitzwechsel des Versicherten nach dem 18. Mai 1990 nicht umzuwerten, sondern völlig neu zu berechnen sei, wenn eine zusätzlich nach Art 23 § 2 oder § 3 StVertrG aus “West-Zeiten” zu leistende Anteilsrente wegen der Regelungen in §§ 20, 21 des Gesetzes der DDR zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen vom 28. Juni 1990 (RAnglG-DDR) in der Rente des Beitrittsgebiets nicht habe abgegolten werden dürfen.

Da nach § 307a Abs 10 SGB VI eine Rente unter den dort genannten Voraussetzungen “auch” neu zu berechnen sei, könne damit nur eine Fallgruppe angesprochen sein, die weder von Abs 9 noch von Abs 11 des § 307a SGB VI erfaßt werde. Abs 10 aaO ergänze demnach die Regelung in § 307a Abs 9 Nr 2 SGB VI, indem er eine Neuberechnung auch dann vorschreibe, wenn es nur deshalb nicht zu einem Zusammentreffen der Rente des Beitrittsgebiets mit einer Anteilsrente (West) nach Art 23 § 2 oder § 3 StVertrG gekommen sei, weil vorhandene “West-Zeiten”, die nach §§ 20, 21 RAnglG-DDR wegen des Wohnsitzwechsels nach dem 18. Mai 1990 bei der Rente des Beitrittsgebiets nicht mehr hätten berücksichtigt werden dürfen, mangels Erfüllung der Voraussetzungen für eine Rente nach dem vor dem 1. Januar 1992 geltenden Recht nicht zur Leistung einer Anteilsrente (West) geführt hätten. Nur in diesen Ausnahmefällen sei am 31. Dezember 1991 “aus im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten eine Leistung noch nicht erbracht” gewesen, wie es in Abs 10 vorausgesetzt werde.

Wenn dort weiter verlangt werde, die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nach den Vorschriften des SGB VI müßten erfüllt sein, so könne dies nur bedeuten, daß die zum 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB VI erstmals nach dem 18. Mai 1990 einen Anspruch auf Leistungen aus den “West-Zeiten” begründet hätten. Nur dann liege kein Fall des § 307a Abs 9 Nr 2 SGB VI vor und die zusätzliche Ausnahmeregelung des Abs 10 aaO greife ein.

Dessen Wortlaut (“aus im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten”) schließe nach dem Recht des Beitrittsgebiets erbrachte Leistungen aus den im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten zumindest nicht aus. Nach Sinn und Zweck dieser Regelung sei Abs 10 aaO als Ausnahmeregelung zu Abs 1, Abs 9 und Abs 11 SGB VI dann nicht einschlägig, wenn aus den im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten am 31. Dezember 1991 Leistungen nach dem Recht des Beitrittsgebiet erbracht worden seien. Anderenfalls hätte die Umwertung der rund 4 Millionen Bestandsrenten des Beitrittsgebiets nicht mit der Generalregel des Abs 1 aaO angeordnet werden können, weil dann jede einzelne Bestandsrente zunächst darauf hätte überprüft werden müssen, ob sie “West-Zeiten” enthalte. Diese Prüfung hätte nicht maschinell durchgeführt werden können, weil der vorhandene Datenbestand entsprechend lesbare Angaben nicht enthalten habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 26. Januar 1994 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Magdeburg vom 5. August 1993 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, ihre in den alten Bundesländern entrichteten Beiträge müßten ihrem Wert entsprechend berücksichtigt werden.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Neuberechnung ihrer Altersrente nach den Vorschriften des SGB VI ab 1. Januar 1992, wie das LSG zutreffend entschieden hat.

Nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets berechnete Renten aus der Sozialpflichtversicherung, auf die am 31. Dezember 1991 ein Anspruch bestand, waren zum 1. Januar 1992 grundsätzlich zunächst nach Maßgabe des § 307a Abs 1 bis 3 SGB VI (pauschal) umzuwerten. Ausgenommen von dieser Regelung waren lediglich Renten, bei denen die Voraussetzungen der Absätze 9 bis 11 aaO vorlagen und die nach dem Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchsund Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫) überführten Renten (vgl § 307b SGB VI).

Die Klägerin hatte zwar nach den Feststellungen des LSG am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine Bestandsrente iS des § 307a Abs 1 SGB VI. Die Beklagte ist gleichwohl verpflichtet, diese Rente nach den Vorschriften des SGB VI neu zu berechnen und nicht lediglich – wie durch den angefochtenen Bescheid vom 29. November 1991 geschehen – nach Maßgabe des § 307a Abs 1 bis 3 SGB VI im maschinellen Verfahren (vgl § 307a Abs 8 Satz 1 SGB VI) umzuwerten. Denn die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 307a Abs 10 SGB VI liegen vor.

Danach ist eine Rente abweichend von Abs 1 aaO (ua) dann nach den Vorschriften des SGB VI neu zu berechnen, wenn aus im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet – also im “Alt-Bundesgebiet” – zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten (“West-Zeiten”) eine Leistung noch nicht erbracht worden ist und die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nach den Vorschriften des SGB VI erfüllt sind. Das ist hier der Fall. Nach den Feststellungen des LSG wurden für die Klägerin in der Zeit vom 15. Mai 1961 bis zum 11. Dezember 1965 im “Alt-Bundesgebiet” Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung an die Beklagte entrichtet. Am 1. Januar 1992 waren auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Regelaltersrente nach § 35 SGB VI gegeben. Die Klägerin hatte das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) erfüllt. Zwar reicht die vom 15. Mai 1961 bis zum 11. Dezember 1965 zurückgelegte Pflichtbeitragszeit (53 Kalendermonate) hierfür allein nicht aus. Den auf die allgemeine Wartezeit nach § 51 Abs 1 SGB VI anrechenbaren nach Bundesrecht zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten (vgl § 55 SGB VI) stehen jedoch gemäß § 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Beitrittsgebiet gezahlt worden sind (vgl Kasseler Komm/Niesel, § 55 SGB VI RdNr 6). Bei der Berechnung der Altersrente der Klägerin nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets ist (unter Einbeziehung der “West-Zeit”) eine versicherungspflichtige Tätigkeit von 35 Versicherungsjahren berücksichtigt worden, so daß die zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit fehlenden Kalendermonate hieraus zu ergänzen sind.

Aus den in der Zeit vom 15. Mai 1961 bis zum 11. Dezember 1965 zurückgelegten “West-Zeiten” sind auch noch keine Leistungen iS des § 307a Abs 10 SGB VI erbracht worden. Zwar wurden diese Zeiten nach den Feststellungen des LSG bei der Berechnung der Altersrente der Klägerin nach § 2 Abs 2 Buchst n der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung vom 23. November 1979 (GBl I 401 ≪RentV-DDR≫) als versicherungspflichtige Tätigkeit berücksichtigt und hatten damit durch Erhöhung der Zahl der Versicherungsjahre Einfluß auf die Höhe der Rente (vgl § 5 Abs 2 Buchst b RentV-DDR). Dies reicht jedoch für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals einer Erbringung von Leistungen “aus” den “West-Zeiten” nicht aus.

Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß bereits der Wortlaut des § 307a Abs 10 SGB VI dafür spricht, unter Leistungen “aus” den betreffenden Zeiten allein von einem Rentenversicherungsträger der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet erbrachte Leistungen zu verstehen. Nur ein Versicherungsträger, der sich die zu ihm oder einem anderen Träger desselben Rentenversicherungssystems entrichteten Beiträge unmittelbar zurechnen lassen muß, erbringt Leistungen “aus” den daraus begründeten Beitragszeiten. Leistungen der Rentenversicherung des Beitrittsgebiets sind hingegen – soweit sie auf der Berücksichtigung von “West-Zeiten” beruhen – “für” oder “wegen” dieser Zeiten erfolgt.

Für diese Auslegung sprechen auch Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der die Ausnahmen von der Umwertung regelnden Vorschriften. Die Absätze 9 bis 11 des § 307a SGB VI, die diese Ausnahmen (abgesehen von § 307b SGB VI) abschließend aufführen, stehen gleichgewichtig nebeneinander.

Während Abs 9 aaO im wesentlichen Renten des Beitrittsgebiets von der Umwertung ausnimmt, die mit (bereits gewährten) rentenrechtlichen Leistungen der “Alt-Bundesrepublik” zusammentreffen, enthält Abs 10 aaO eine entsprechend umfassende Regelung für Bestandsrenten, neben denen Ansprüche bzw Anwartschaften auf (noch nicht gewährte) Leistungen aus dem Rentenversicherungssystem der “Alt-Bundesrepublik” bestehen. Wenn Abs 10 aaO – wie die Beklagte meint – lediglich die Regelung der Nr 2 des Abs 9 aaO um eine “Ausnahme von der Ausnahme” ergänzen sollte, hätte es aus Gründen der Systematik näher gelegen, diese Ausnahme sogleich in der zu ergänzenden Vorschrift unterzubringen. Gegen die Richtigkeit dieser Auffassung spricht auch das Fehlen einer Verweisung auf eine zu ergänzende Norm in Abs 10 aaO.

Die Beklagte kann sich mit ihrer einschränkenden Auslegung auch nicht auf die Entstehungsgeschichte des Abs 10 aaO berufen. Dieser wurde erst durch den Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung in den Regierungs- (BT-Drucks 12/630) bzw (inhaltsgleichen) Koalitionsentwurf (BT-Drucks 12/405) des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) eingefügt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Regelung solle sicherstellen, daß Personen, deren Rente aus dem Beitrittsgebiet grundsätzlich umzuwerten sei, dennoch ihre Rente nach den Vorschriften des SGB VI erhielten, wenn aus rentenrechtlichen Zeiten in den alten Bundesländern eine Leistung noch nicht erbracht werde. Lediglich als Anwendungsbeispiele werden dann die Fälle einer Rückkehr der Versicherten in das Gebiet der ehemaligen DDR nach dem 18. Mai 1990 genannt, in denen bereits vor dem 1. Januar 1992 eine Rente nach den Vorschriften des DDR-Rentenrechts bewilligt worden sei, ein Anspruch auf eine Rente aus den Beitragszeiten in den alten Bundesländern aber (noch) nicht bestehe (BT-Drucks 12/826, S 19 zu Nr 126).

Der Antrag der Koalitionsfraktionen (Ausschuß-Drucks 12/121), auf den hin Abs 10 aaO in den Entwurf aufgenommen wurde, enthält eine gleichlautende Begründung. In der Sitzung vom 12. Juni 1991, in der sich der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ua mit diesem Änderungsantrag befaßte, wurde die vorgeschlagene Einfügung des Abs 10 in den § 307a SGB VI vom Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) so erläutert: Hierdurch sollten Fälle geregelt werden, bei denen rentenrechtliche Zeiten im Osten wie auch im Westen zurückgelegt worden seien, der Berechtigte im Osten wohne und nach den bisherigen Vorschriften des DDR-Rentenrechts eine Rente vor 1992 bewilligt worden sei. In dem Zeitpunkt, zu dem auch die Anspruchsvoraussetzungen nach Westrecht erfüllt seien, solle eine neue Rentenberechnung unter Einschluß sowohl der Ost- wie der Westzeiten erfolgen.

Diese Entstehungsgeschichte spricht einerseits gegen die Auffassung, Abs 10 aaO regele lediglich eine Ausnahme von Abs 9 Nr 2 aaO. Hiervon wird in den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Gremien weder ausdrücklich noch stillschweigend ausgegangen. Andererseits macht sie deutlich, daß von der Umwertung umfassend alle die Bestandsrenten ausgenommen werden sollten, die mit Ansprüchen aus “West Zeiten” zusammentrafen. In allen diesen Fällen, bei denen die beispielhaft genannten Konstellationen der Anlaß für die Ergänzung gewesen sein mögen, soll eine Neuberechnung nach den Vorschriften des SGB VI erfolgen. Sinn und Zweck dieser Regelung kann es nur sein, hierdurch die Bewertung der “West-Zeiten” nach Entgeltpunkten (West) sowie eine Anwendung des aktuellen Rentenwertes (West) zu ermöglichen. Weitere Voraussetzungen – wie etwa der Zuzug in das Beitrittsgebiet nach dem 18. Mai 1990 – sind für den Anspruch auf Neuberechnung nach Abs 10 aaO nicht zu erfüllen.

Für die vom erkennenden Senat vertretene Auslegung sprechen auch verfassungsrechtliche Überlegungen. Bei Rentenanwartschaften aufgrund von Beitragszeiten, die nach den Vorschriften des Bundesgebietes ohne das Beitrittsgebiet zurückgelegt wurden, handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) um eigentumsrechtlich geschützte Positionen nach Art 14 des Grundgesetzes (GG; vgl BVerfGE 64, 87, 97; 70, 101, 110; 75, 78, 96). Durch die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts der Versicherten aus dem früheren Bundesgebiet in das jetzige Beitrittsgebiet ist diese Position nicht untergegangen. Zwar war die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung der “Alt-Bundesrepublik” ausgeschlossen, solange sich die Klägerin in der ehemaligen DDR gewöhnlich aufhielt (vgl § 1317 der Reichsversicherungsordung ≪RVO≫ bzw § 96 des Angestelltenversicherungsgesetzes ≪AVG≫ idF des Rentenanpassungsgesetzes ≪RAG≫ 1982). Diese Regelung war auch mit Art 3 und 14 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip vereinbar (vgl BVerfG SozR 2200 § 1319 Nr 5); auch für die Übergangszeit zwischen dem Zeitpunkt der Wiedervereinigung und dem der grundsätzlichen Vereinheitlichung des Rentenrechts mag die Aufrechterhaltung dieses Zustandes im Hinblick auf die außerordentlichen Schwierigkeiten bei der Vereinheitlichung des Rentenrechts sowie auf die Kürze der Übergangszeit verfassungsrechtlich unbedenklich sein (vgl BSG Urteil vom 30. September 1993 – 4 RA 1/93 –). Nach Wegfall der dieses Leistungshindernis rechtfertigenden Umstände durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland ist nach Abschluß dieser Überführungsphase eine Einschränkung der durch Beitragsentrichtung im “Alt-Bundesgebiet” erworbenen Rentenanwartschaften jedoch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten erneut zu überprüfen.

Die pauschalierte Umwertung auch derjenigen Bestandsrenten des Beitrittsgebiets, bei deren Berechnung in diesem Sinne eigentumsgeschützte Rentenanwartschaften berücksichtigt worden sind, würde bewirken, daß diese Anwartschaften zwar – wegen der Berücksichtigung bei der Zahl der Versicherungsjahre – den betreffenden Versicherten nicht völlig entzogen würden, aber doch auf Dauer ganz erheblich unter dem wirtschaftlichen Wert blieben, den sie im Rahmen eines nach den Vorschriften der RVO oder des AVG begründeten Rentenanspruchs gehabt hätten (vgl BSG Urteil vom 30. September 1993 – 4 RA 1/93 –, Umdruck S 6). Dies beruht zum einen darauf, daß bei der Berechnung der umzuwertenden Rente nach den Rechtsvorschriften der DDR grundsätzlich nicht der volle Verdienst, nach dem die Beiträge im “Alt-Bundesgebiet” bemessen und entrichtet worden sind, sondern lediglich der – in den Bestandsdaten der Überleitungsanstalt auch nur gespeicherte – beitragspflichtige Bruttoverdienst nach den Vorschriften der DDR berücksichtigt wurde, dessen Höchstgrenze sich auf lediglich 600 M (DDR) im Kalendermonat belief (vgl § 16 Abs 2 der Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 17. November 1977 ≪GBl I 373≫). Zum anderen würde die Bewertung mit Entgeltpunkten (Ost) und die Anwendung des aktuellen Rentenwertes (Ost) zu ungünstigeren Ergebnissen als die mit den entsprechenden Berechnungsfaktoren (West) führen.

Es bestehen erhebliche Zweifel, ob dem Gesetzgeber ein solcher Eingriff in die durch Art 14 GG geschützte eigentumsrechtliche Position der Versicherten gestattet wäre. Eine solche Regelung wäre als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 GG zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt wäre. Dabei müßte der Eingriff zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfte er die Betroffenen nicht übermäßig belasten und für sie deswegen unzumutbar sein (vgl zB BVerfGE 76, 220, 238 = SozR 4100 § 242b Nr 3). Als öffentliches Interesse, dem eine solche Einschränkung dienen könnte, käme wohl allein die Erleichterung der Verwaltungstätigkeit bei der Umwertung der Bestandsrenten des Beitrittsgebiets in Betracht. Da – wie noch zu zeigen ist – die hier vertretene Auslegung des § 307a Abs 10 SGB VI nicht geeignet ist, die von der Verwaltung vordringlich in einem maschinellen Verfahren zu bewältigende Umwertung der großen Zahl von Bestandsrenten zu behindern, läge es jedenfalls nahe, hier zumindest eine übermäßige Belastung der betroffenen Versicherten und einen deshalb unzumutbaren Eingriff anzunehmen.

Die Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit Art 3 Abs 1 GG wäre ebenfalls fraglich. Bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ist der Gesetzgeber auch an diese Verfassungsnorm gebunden (vgl BVerfGE 74, 203, 214 = SozR 4100 § 120 Nr 2). Danach sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz will vielmehr nur ausschließen, daß eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 78). Zu vergleichen sind Lebenssachverhalte, die nicht in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sein können. Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Elementen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Es ist daher nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl BVerfGE 83, 395, 401).

Zwar ist der gesetzgeberische Entscheidungsspielraum bei der Verwirklichung der Deutschen Einheit als ähnlich weit anzusehen wie der zur Bereinigung der Folgen des Zweiten Weltkrieges (vgl dazu BVerfGE 41, 193, 200f; 71, 66, 76 = SozR 2200 § 1319 Nr 5), weil diese ebenfalls außergewöhnlich große Aufgaben und Lasten mit sich gebracht hat (vgl BSGE 74, 184, 194 = SozR 3-8570 § 11 Nr 1). Er endet mithin erst dort, wo eine ungleiche oder gleiche Behandlung geregelter Sachverhalte unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise zu vereinbaren ist (vgl BVerfGE 53, 164, 178 f = SozR 2200 § 1318 Nr. 5). Aber auch bei Anlegung dieses großzügigen Maßstabes müßte eine sachwidrige Ungleichbehandlung des Personenkreises der Versicherten im Vergleich zu anderen Personenkreisen angenommen werden.

Eine nicht zu rechtfertigende schwerwiegende Benachteiligung läge bei Zugrundelegung der Auslegung des § 307a Abs 10 SGB VI durch die Beklagte im Verhältnis zu denjenigen Versicherten des Beitrittsgebiets vor, die erst nach dem 31. Dezember 1991 erstmals eine Rente erhalten. Während bei der Gruppe der Klägerin die “West-Zeiten” bis auf die Berücksichtigung bei der Anzahl der Versicherungsjahre nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets auf Dauer unberücksichtigt und damit weit unter ihrem nach dem AVG bzw der RVO anzusetzenden wirtschaftlichen Wert blieben, werden diese Zeiten bei den Zugangsrenten ab 1. Januar 1992 in vollem Umfang mit Entgeltpunkten (West) sowie unter Anwendung des aktuellen Rentenwertes (West) angerechnet und führen insoweit zu einer im Verhältnis zu Versicherten des “Alt-Bundesgebiets” nicht weiter eingeschränkten Leistungshöhe. Auch unter Berücksichtigung der hier zusätzlich zu beachtenden Besonderheit, daß sich die verfassungsrechtliche Prüfung einer Stichtagsregelung (1. Januar 1992) darauf beschränken muß, ob sich die getroffene Regelung am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes sachlich vertretbar ist (vgl BVerfGE 29, 283, 299; 48, 281, 288; s auch BVerfG SozR 2200 § 1264 Nr 8), kann die hier gegebene Ungleichbehandlung angesichts des schwerwiegenden Eingriffs in die Eigentumsrechte des Personenkreises, zu dem die Klägerin gehört, nicht als am Gerechtigkeitsgedanken orientiert angesehen werden. Besonders deutlich wird dies beim Vergleich einer Versicherten des Beitrittsgebiets, die den größten Teil ihres Versicherungslebens im “Alt-Bundesgebiet” zurückgelegt hat und deren Rente kurz vor dem Stichtag beginnt, mit einer solchen, bei der dies erst danach der Fall ist. Während die Bestandsrente der einen auf Dauer nicht annähernd den mit den “West-Zeiten” verbundenen wirtschaftlichen Wert erreichen würde, bekäme die andere von Anfang an eine ungekürzte “West-Rente”. Die Notwendigkeit zur Schaffung eines Stichtages zur Anwendung des neuen Rechts und die Erleichterung der Verwaltungsarbeit sind für eine solche Regelung keine hinreichend schwerwiegenden sachlichen Gründe.

Nicht stichhaltig ist in diesem Zusammenhang die Auffassung der Beklagten, bei Zugrundelegung der vom erkennenden Senat vertretenen Auslegung des § 307a Abs 10 SGB VI wäre die Umwertung der etwa 4 Millionen Bestandsrenten des Beitrittsgebiets verwaltungsmäßig nicht durchführbar, so daß sie nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen könne. Allerdings sind materielle Regelung und Verfahren der Überleitung der Bestandsrenten des Beitrittsgebiets in das einheitliche Rentenversicherungsrecht der Bundesrepublik Deutschland an dem vorhandenen Datenmaterial der Überleitungsanstalt (Bestandsdaten) sowie an dessen maschineller Bearbeitung ausgerichtet. Eine Auslegung, welche die maschinelle Durchführung dieser Überleitung erheblich erschweren oder unmöglich machen würde, könnte daher nicht vom Willen des Gesetzgebers gedeckt sein.

Die hier vertretene Auslegung des § 307a Abs 10 SGB VI verhindert oder erschwert jedoch nicht die Umsetzung des in Abs 1 bis 3 vorgesehenen Umwertungsprogramms für Bestandsrenten des Beitrittsgebiets. Die Beklagte ist bzw war danach nicht gehindert, zunächst alle Bestandsrenten iS des Abs 1 Satz 1 aaO im maschinellen Verfahren umzuwerten, soweit sich nicht bereits aus den Bestandsdaten ergab, daß eine Ausnahme von der Umwertung iS der Absätze 9 bis 11 aaO gegeben war. Sie konnte es den Versicherten überlassen, ggf geltend zu machen, daß in ihrem Fall die Voraussetzungen für eine Neuberechnung ihrer Renten nach den Vorschriften des SGB VI vorlägen. Dies ergibt sich aus § 307a Abs 8 SGB VI, der zentralen Verfahrensvorschrift für die Überleitung der Bestandsrenten aus der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets. In Satz 1 wird den Versicherungsträgern zunächst das Instrument der Umwertung der Bestandsrenten auf maschinellem Wege als “Normalverfahren” zur Verfügung gestellt. Satz 3 ff aaO gibt den Versicherten als Korrektiv einen Anspruch auf Überprüfung der Richtigkeit der erfolgten Umwertung. Dazu gehört auch die Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Umwertung iS der Abs 9 bis 11 gegeben sind (so wohl auch BSG Urteil vom 30. September 1993 – 4 RA 1/93 –, Umdruck S 7).

Bedenken gegen die Verlagerung der Prüfungslast auf die Versicherten bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 GG) ergebenden verfassungsrechtlichen Gebots der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns nicht. Zum einen war die mit der Herstellung der Deutschen Einheit notwendig verbundene Überleitung der Bestandsrenten des Beitrittsgebiets allein in einem Massenverwaltungsverfahren zu bewerkstelligen, das nur mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung durchzuführen war, die wiederum lediglich mit den Bestandsdaten arbeiten konnte. Angesichts dieser Bedingungen erscheint es nicht als unzumutbar, die Versicherten mit der Obliegenheit zu belasten, einen Ausnahmetatbestand, der bei diesem Verfahren der Sache nach nicht berücksichtigt werden konnte, selbst geltend zu machen. Da der im Gesetz hierfür vorgesehene Überprüfungsanspruch unbefristet ist und zudem durch die im Ermessen des Versicherungsträgers stehende Überprüfung ergänzt wird, ist die Gefahr einer andauernden Benachteiligung der Versicherten durch diese Verfahrensstruktur als nur gering zu veranschlagen und damit als sachnotwendig hinzunehmen.

Bei der nunmehr vorzunehmenden Berechnung der Regelaltersrente der Klägerin nach den Vorschriften des SGB VI wird die Beklagte zu beachten haben, daß – solange noch keine einheitlichen Einkommensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bestehen (vgl § 254b Abs 1 SGB VI) – hier ein Rentenmonatsbetrag aus zwei Monatsteilrenten zu bilden ist (vgl Kasseler Komm / Polster, § 254 SGB VI, RdNr 6). Dabei sind der “Monatsteilrente (West)” die von der Klägerin in der Zeit vom 15. Mai 1961 bis zum 11. Dezember 1965 im “Alt-Bundesgebiet” zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten und der aktuelle Rentenwert (West), der “Monatsteilrente (Ost)” die übrigen in der ehemaligen DDR zurückgelegten anrechenbaren Versicherungszeiten und der aktuelle Rentenwert (Ost) zugrunde zu legen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 35

Breith. 1996, 496

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