Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 09.12.1988)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 1988 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit.

Der im Jahre 1939 geborene Kläger war ab 1962 als Kraftfahrer tätig. Am 8. Juni 1982 bestand er die Prüfung als Berufskraftfahrer in der Fachrichtung Güterverkehr. Seine letzte Beschäftigung als Kraftfahrer endete im August 1987. Danach hat er sich beim Arbeitsamt als Arbeitssuchender gemeldet.

Den im Dezember 1985 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 25. Juli 1986 ab mit der Begründung, der Kläger könne noch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Klage und Berufung blieben in den Vorinstanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Aachen ≪SG≫ vom 8. Dezember 1987, Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ≪LSG≫ vom 9. Dezember 1988). Das LSG ging davon aus, daß der Kläger als Berufskraftfahrer im Rahmen des von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschemas zur Bestimmung des bisherigen Berufs nach § 1246 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) der Gruppe der Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen sei (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nr 143). Es ist aufgrund zweier vom SG eingeholter orthopädischer Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, seinen Beruf als Lkw-Fahrer könne der Kläger zwar nicht mehr ausüben; doch sei er nach dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen auf die Tätigkeit eines Pkw-Fahrers verweisbar. Derartige Tätigkeiten seien auf dem Arbeitsmarkt in hinreichender Anzahl vorhanden. Sie seien dem Kläger auch sozial zumutbar, weil es sich um herausgehobene Arbeiten handele, die tariflich teilweise den Facharbeitergruppen zugeordnet seien.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich der Kläger mit seiner vom 5. Senat zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch das LSG und trägt hierzu vor, das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, die Ärzte, die in ihren Attesten bereits das Bestehen von Berufsunfähigkeit bejaht hätten, persönlich zu hören. Ein entsprechender Antrag sei gestellt worden. Im übrigen sei der Kläger als Inhaber des Führerscheins der Klasse II und einer mehr als zweijährigen Tätigkeit als Lkw-Fahrer in die obere Gruppe der Facharbeiter einzustufen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils der II. Instanz nach den zuletzt gestellten Sachanträgen des Klägers zu erkennen, hilfsweise das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war. Die vom LSG getroffenen Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung über das Vorliegen von Berufsunfähigkeit beim Kläger nicht aus.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit richtet sich noch nach § 1246 RVO, da der Rentenantrag bereits im Jahre 1985 – also bis zum 31. März 1992 – gestellt worden ist (§ 300 Abs 2 des Sozialgesetzbuches – Sechstes Buch – ≪SGB VI≫; dazu Ruland, NJW 1992, 1, 7).

Nach § 1246 Abs 2 RVO ist ein Versicherter berufsunfähig, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Hierzu hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Berufstätigkeiten in die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters unterteilt. Dabei wurde als gedankliche Voraussetzung von der Annahme ausgegangen, daß die Dauer einer Ausbildung gleichbedeutend mit dem Maß an beruflicher Qualifikation ist, die die Ausbildung dem Versicherten vermittelt. Bei einem Facharbeiterberuf (Ausbildungsdauer mehr als zwei Jahre) begründet demnach allein der erfolgreiche Abschluß und die Beschäftigung in dem betreffenden Berufsfeld den Berufsschutz als Facharbeiter. Damit ist aber zugleich die Aussage verbunden, daß auch andere Tätigkeiten der Berufsgruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen sind, wenn die Ausbildungsdauer zwar nicht allein, wohl aber in Verbindung mit den übrigen in § 1246 Abs 2 RVO genannten Merkmalen der Berufstätigkeit, insbesondere dem Umfang der Ausbildung und den Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit, ein Anforderungsprofil ergibt, das dem eines Facharbeiters gleichwertig ist. Es kommt auf ein Gesamtbild an.

Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, daß die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen in einer Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf deren Qualität beruht (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 46, 111, 116, 122, 123, 164). Denn die Tarifpartner als die unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligten nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas und der Qualität des Berufs in bezug auf die nach § 1246 Abs 2 RVO maßgeblichen Merkmale entspricht. Demgemäß läßt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, die hinsichtlich der Qualität der in ihr aufgeführten Arbeiten durch den Leitberuf des Facharbeiters geprägt ist, in der Regel den Schluß zu, daß diese Berufstätigkeit als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist (zusammenfassend Urteil des erkennenden Senats vom 28. Mai 1991 – 13/5 RJ 69/90 – = SozR 3-2200 § 1246 Nr 14). Von dem Grundsatz, daß von der tariflichen Einstufung einer Berufsart auszugehen ist, werden in der Rechtsprechung des BSG Ausnahmen nur anerkannt, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 101 S 311, 123 S 389 und Urteil vom 14. Mai 1991 – 5 RJ 82/89 – = SozR 3-2200 § 1246 Nr 13).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist dem LSG darin zu folgen, daß der Kläger nicht ohne weiteres der Gruppe der Facharbeiter zugeordnet werden kann, weil die in der Ausbildungsordnung vorgeschriebene Ausbildung für den von ihm ausgeübten Beruf des Kraftfahrers nicht mehr als zwei Jahre beträgt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer vom 26. Oktober 1973 – BGBl I, 1519; s dazu zB BSG in SozR 2200 § 1246 Nrn 107, 140, 149; Urteile des erkennenden Senats vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 25/89 – und vom 23. April 1992 – 13/5 RJ 74/90 –).

Dies schließt aber nicht aus, im Hinblick auf andere Umstände, insbesondere die anderen in § 1246 Abs 2 RVO genannten Merkmale, dem Kläger einen Berufsschutz als Facharbeiter zuzubilligen, wenn das Gesamtbild der Anforderungen im Rahmen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit für die Tarifpartner Veranlassung war, diese Tätigkeit tariflich den Facharbeitertätigkeiten gleichzustellen und dafür keine qualitätsfremden Merkmale bestimmend waren.

Hierzu hat das LSG keine Feststellungen getroffen. Es hat allerdings den Kläger auf die Tätigkeiten eines Pkw-Fahrers verwiesen und hierzu festgestellt, daß diese tariflich den Facharbeiterlohngruppen zugeordnet sind. Hiernach wären sie dem Kläger auch dann sozial zumutbar, wenn er im Rahmen des Mehrstufenschemas als Kraftfahrer zu den Facharbeitern gehörte.

Die Feststellungen des LSG erlauben jedoch nicht die Folgerung, daß der medizinische Befund und die an Pkw-Fahrer zu stellenden beruflichen Anforderungen eine Verweisung auf diesen Beruf zulassen. Für diese Feststellung ist es erforderlich, die Anforderungen zu ermitteln, die an den Verweisungsberuf gestellt werden und sie zu dem Restleistungsvermögen des Versicherten in Beziehung zu setzen. Es muß also konkret anhand der verschiedenen Anforderungen und Belastungen geprüft werden, ob diese von dem Versicherten trotz der vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen bewältigt werden können.

Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Allerdings steht dem ermittelnden Gericht in der Frage, wie es sich die Kenntnisse über die betreffenden Berufe beschaffen will, ein weites Ermessen zu (BSGE 30, 192, 205). Es kann Beschreibungen aus der Literatur heranziehen, Gutachten aus früheren Verfahren einführen oder Sachverständige von Innungen, Verbänden oder sonstigen fachkundigen Stellen hören.

Demgegenüber ist es aber regelmäßig unzulässig, sogenanntes Alltagswissen zugrunde zu legen, weil der tatsächliche Umfang der Anforderungen und des Ablaufs der dem Versicherten zugemuteten Arbeiten von Außenstehenden nur in seltenen Fällen in vollem Umfang erkannt und richtig eingeschätzt werden kann. Auf berufskundliche Ermittlungen darf ein Gericht deshalb nur dann verzichten, wenn es über eigene Sachkunde verfügt und diese im Laufe des Verfahrens den Beteiligten offenbart hat. Es ist jedenfalls nicht befugt, von sich aus ungeprüft berufliche Anforderungen anzunehmen und zu entscheiden, inwieweit es die ermittelten gesundheitlichen Leistungseinschränkungen dem Versicherten erlauben, diesen Anforderungen in zumutbarer Weise gerecht zu werden.

Hierzu rügt der Kläger mit Recht, daß weitere Ermittlungen zu der Frage erforderlich gewesen wären, ob er mit seinem Rückenleiden noch den Beruf eines Pkw-Fahrers ausüben kann.

Diese noch erforderlichen Ermittlungen können allerdings nicht, wie dies im vorliegenden Verfahren bisher geschehen ist, in der Weise erfolgen, daß die Frage, ob der Kläger bestimmte Berufe (noch) ausüben kann, an den medizinischen Gutachter gestellt wird. Die Aufgabe des medizinischen Sachverständigen besteht darin zu klären, welche körperlichen Funktionen in welchem Umfang beeinträchtigt sind und in welchem zeitlichen Ausmaß sowie von welchen äußeren Bedingungen her die Belastbarkeit eingeschränkt ist. Nur für derartige Fragen verfügt in aller Regel der medizinische Sachverständige über die erforderliche Sachkunde. Für die Klärung der weiteren Frage, ob der Versicherte den Anforderungen eines konkreten Berufes gerecht werden kann, sagen die sachkundigen Aussagen des medizinischen Sachverständigen noch nichts. Hierzu müssen entweder sorgfältig und detailliert ermittelte medizinische Angaben über die Leistungsfähigkeit von einem berufskundlichen Sachverständigen zu dem Berufsbild in Beziehung gesetzt werden, oder es müssen vor dem Auftrag an den medizinischen Sachverständigen genaue Angaben über die Anforderungen der ins Auge gefaßten Berufe oder Verweisungsberufe vorliegen (so BSG in ständiger Rechtsprechung; s zB SozR 2200 § 1246 Nr 36; vgl BGH, Urteil vom 30.9.1992 – IV ZR 227/91 –).

Unter Umständen sind auch nochmalige Rückfragen an den zunächst beauftragten Gutachter erforderlich, wenn nach der medizinischen Begutachtung eine berufskundliche Klärung oder nach den berufskundlichen Ermittlungen eine medizinische Begutachtung weitere Einordnungsfragen aufwirft.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, bedarf es im vorliegenden Fall weiterer Aufklärung. Den vorliegenden Gutachten ist nicht nachvollziehbar zu entnehmen, wieso das Sitzen am Steuer im Beruf des Pkw-Fahrers den Kläger gesundheitlich nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Zwar ist aus dem Urteil des LSG erkennbar, daß es annimmt, die häufigen Unterbrechungen der Fahrt erfüllten die von den Gutachtern gestellte Forderung nach „wechselnder Körperhaltung”. Dabei ist aber weder erkennbar, daß ermittelt wurde, in welchem Umfang solche Unterbrechungen anfallen, wie lange der Kläger jeweils am Steuer sitzen müßte, für welche Dauer eine solche sitzende Haltung ihm angesichts seines Leidens zumutbar wäre, und ob nicht überhaupt diese Art der Berufstätigkeit dem Leiden unzuträglich ist.

Das LSG stützt seine Feststellungen zum Leistungsvermögen des Klägers zum einen auf das vom SG eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. R. …. Bereits in der Beweisanordnung des SG vom 12. Dezember 1986 (orthopädisches Gutachten Dr. R. …) wird dem Gutachter die Frage gestellt, ob der Kläger noch eine Tätigkeit als Berufskraftfahrer oder Tankwart verrichten könne, ohne daß entsprechende berufskundliche Ermittlungen vorlagen, an denen der Gutachter anknüpfen konnte. Es wurde also bereits mit dieser Beweisanordnung dem medizinischen Gutachter eine Frage gestellt, deren Beantwortung genaue berufskundliche Kenntnisse voraussetzt und die deshalb der medizinische Gutachter aufgrund seiner Sachkunde gar nicht beantworten konnte. Dementsprechend durfte auch die Antwort des Sachverständigen, der Kläger könne „im Pkw-Bereich” und als Tankwart tätig sein, nicht ohne weiteres verwertet werden.

Weiterhin bezieht sich das LSG auf das vom SG bei dem Sachverständigen Prof. Dr. S. … eingeholte orthopädische Gutachten. Der hierzu ergangenen Beweisanordnung des SG vom 26. März 1987 wurden nunmehr zwar berufskundliche Unterlagen aus der „Arbeitsmedizinischen Berufskunde” zu den Berufen Lastwagenführer (Berufskraftfahrer), Omnibusfahrer und Tankwart beigefügt (wobei hier dahinstehen kann, ob diese ausreichten). Der Gutachter nimmt jedoch – da sich die Fragestellung darauf nicht bezog und keine berufskundlichen Unterlagen vorlagen – nicht dazu Stellung, inwieweit der Kläger in der Lage war und ist, den Beruf eines Pkw-Fahrers auszuüben. Wie das LSG dennoch zu der Folgerung gelangt ist, auch dieser Gutachter habe die Tätigkeit eines Pkw-Fahrers für zumutbar gehalten, ist nicht ersichtlich.

Bis zuletzt fehlt aber vor allem jede berufskundliche Abklärung dazu, welche Sparten es im Beruf des Pkw-Fahrers gibt und wie die verschiedenen Anforderungen ausgestaltet sind. Bei einem Sammelberuf, wie dem des Pkw-Fahrers, der die verschiedensten Aufgaben und Anforderungen erfaßt (Auslieferungsfahrer, Bierfahrer, Eildienste, Taxifahrer, Behördenfahrer, Cheffahrer), war es erforderlich, einen Beruf konkret zu beschreiben und fachmedizinisch abzusichern, daß dem Kläger die dort gestellten Anforderungen zumutbar sind.

Das LSG hat allerdings insoweit den Beruf des Apothekenfahrers genannt. Es hat aber weder die Anforderungen dieses Berufs ermittelt noch den medizinischen Gutachter konkret dazu befragt. Die Benennung einer Verweisungstätigkeit reicht zwar nach der Rechtsprechung des BSG aus (vgl SozR 2200 § 1246 Nr 45). Indessen mußte diese Verweisungstätigkeit mit nachprüfbaren Feststellungen beschrieben werden. Die Beschreibung des typischen Inhalts der vom LSG ins Auge gefaßten Tätigkeiten ist jedoch nicht in das Verfahren eingeführt oder ermittelt worden.

Soweit das LSG darüber hinaus darauf hinweist, daß der Kläger bis zu 20 kg tragen könne, ist nicht ersichtlich, auf welche Art der Beanspruchung sich dies beziehen soll. Eine solche Aussage ist nur verwertbar in bezug auf bestimmte konkrete berufliche Anforderungen; denn es kommt uU entscheidend darauf an, aus welcher Lage eine Last gehoben werden muß, wie sie bewegt wird, wie weit sie zu tragen ist und wie oft das im Laufe des Tages geschehen muß.

Darüber hinaus ist es für die Entscheidung über die Verweisbarkeit erforderlich aufzuklären, ob die vom LSG erwähnte hohe tarifliche Einstufung des Pkw-Fahrers auf weitere Anforderungen zurückgeht, denen der Kläger möglicherweise nicht gewachsen ist. Es ist durchaus denkbar, daß für diese Tätigkeit Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die außerhalb des Bereichs eines Berufskraftfahrers liegen und deswegen vom Kläger nicht, zumindest nicht ohne weiteres, erfüllt werden können, wie zB der Verkauf oder die Kontrolle von Waren.

Hinzu kommt, daß ein Versicherter nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden darf, die in nennenswertem Umfang vorhanden und dem Arbeitsmarkt zugänglich sind. Das LSG bezeichnet die Offenheit des Arbeitsmarktes als „offenkundig und gerichtsbekannt.” Hierzu hätte es gerade für die Auslieferungsfahrer von Arzneimitteln, die nur von einigen Firmen beschäftigt werden, einer wenigstens überschlägigen Quantifizierung bedurft. Möglicherweise gibt es aber Arbeitsplätze dieser Art in nur so geringer Anzahl, daß der Kläger hierauf nicht verwiesen werden kann.

Da sich der Kläger beim zuständigen Arbeitsamt als Arbeitssuchender im Rahmen der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit gemeldet hat, kann uU dort eine Auskunft darüber eingeholt werden, ob er nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie seinem festgestellten Leistungsvermögen als Pkw-Fahrer vermittlungsfähig ist.

Nach allem war der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173089

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