Leitsatz (amtlich)

Ein Landwirtschaftlicher Unternehmer, der nach GAL 1957 § 8 Abs 4 wegen Bezuges einer Rente von der Beitragspflicht zur Altershilfe für Landwirte befreit ist, gehört nicht zum Kreise der beitragspflichtigen Unternehmer iS des GAL 1957 § 25 Abs 1.

 

Normenkette

GAL § 8 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27; GAL 1957 § 8 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27; GAL § 25 Abs. 1 Fassung: 1957-07-27; GAL 1957 § 25 Abs. 1 Fassung: 1957-07-27

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Januar 1959 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der im Jahre 1882 geborene Kläger bezieht seit 1947 Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter. Er veräußerte durch notariellen Vertrag vom 23. Januar 1958 seinen landwirtschaftlichen Besitz an seine beiden Töchter E Ö und L W als Tag der Übergabe war in dem Vertrag der 1. November 1958 festgelegt worden. In einem weiteren notariellen Vertrag vom 18. März 1958 wurde als Übergabetermin der 1. März 1958 vereinbart.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Altersgeld durch Bescheid vom 9. April 1958 mit der Begründung ab, er habe sein landwirtschaftliches Unternehmen nicht vor dem 1. Oktober 1957 - dem Tage des Inkrafttretens des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) - abgegeben und sei als Invalidenrentner kein beitragspflichtiger Unternehmer nach dem GAL gewesen. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid Klage mit der Begründung erhoben, er habe den Betrieb entgegen den notariellen Abmachungen bereits nach Einbringung der Ernte 1957 übergeben, wobei er sich jedoch vorbehalten habe, die Ernte noch selbst zu verkaufen; seine Tochter E Ö habe die Bewirtschaftung der Grundstücke noch vor dem 1. Oktober 1957 übernommen, wobei er die zur Fortführung des Betriebes benötigten Erzeugnisse bereits den beiden Nachfolgern überlassen habe. Auch habe er die Lasten bis zu dem im zweiten notariellen Vertrag vereinbarten Übergabetermin (1.3.1958) selbst getragen, um den Übernehmern einen leichteren Start zu ermöglichen. Das Sozialgericht (SG.) hat durch Urteil vom 21. August 1958 die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG.) durch Urteil vom 27. Januar 1959 die Berufung zurückgewiesen; an der Entscheidung des LSG. haben je ein Beisitzer aus dem Kreise der Arbeitgeber und der Versicherten als Landessozialrichter mitgewirkt. Zur Begründung hat das LSG. ausgeführt, über Ansprüche nach dem GAL hätten die Sozialgerichte in der sonst in Sozialversicherungssachen üblichen Besetzung unter Mitwirkung von je einem Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten zu entscheiden, aber nicht mit zwei hauptberuflichen Landwirten als Beisitzern. In der Sache selbst ist das LSG. der Auffassung, daß der Kläger die Voraussetzungen des § 25 GAL für einen Anspruch auf Altershilfe nicht erfülle; er habe sein landwirtschaftliches Unternehmen erst nach dem 1. Oktober 1957 übergeben, wie sich aus dem Wortlaut des zweiten notariellen Vertrags und der Auskunft des Bürgermeisters ergebe. Wenn man aber, der Darstellung des Klägers folgend, eine frühere Übergabe des Unternehmens annehmen wolle, so sei sie unerheblich, weil sie nicht in der Form eines Pachtvertrages von mindestens sechs Jahren Dauer erfolgt sei, wie es § 2 Abs. 2 GAL für eine Entäußerung fordere. Der Kläger habe auch nicht als landwirtschaftlicher Unternehmer einen Anspruch auf Altersgeld, weil er wegen des Bezugs einer Invalidenrente nach § 8 Abs. 4 GAL nicht der Beitragspflicht nach dem GAL unterlegen habe. Das LSG. hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 17. Februar 1959 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. März 1959 Revision eingelegt und das Rechtsmittel am 11. April 1959 begründet.

Er rügt die vorschriftswidrige Besetzung des LSG.: Das Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehe davon aus, die Entscheidungen seien von Fachkammern zu treffen, daher dürften bei Streitigkeiten aus dem GAL nur Sozialrichter aus den vom Gesetz betroffenen Kreisen mitwirken, keineswegs aber Arbeitnehmer. Die Altershilfe für Landwirte habe auch mit der Sozialversicherung nur wenig gemeinsam, so daß die für Streitigkeiten aus diesem Gebiet vorgesehene Besetzung mit je einem Beisitzer aus dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber nicht übernommen werden könne. Das SGG beschränke den Kreis der Fachkammern nicht ausdrücklich auf die im Gesetz aufgeführten Fälle, vielmehr sei die Aufzählung nur beispielhaft; die ausdrückliche Regelung des Kassenarztrechts bestätige den "Grundsatz der Fachkammern".

Weiter rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung der §§ 25, 8, 1 und 2 GAL und im Zusammenhang damit mangelhafte Sachaufklärung: Die Regelung des § 25 GAL müsse dahin verstanden werden, daß die Beitragspflicht nur grundsätzlich nach § 8 Abs. 1 zu bestehen brauche, eine Beitragsfreiheit nach § 8 Abs. 4 GAL stehe dem Anspruch auf Altersgeld nicht entgegen, soweit es sich um die Anwendung des § 25 GAL handele. Dies sei auch daraus zu schließen, daß § 8 Abs. 4 GAL genau so auf die Vollendung des 51. Lebensjahres abstelle wie § 25 GAL. Es genüge deshalb, daß grundsätzlich eine Beitragspflicht gegeben sei.

Weiter meint der Kläger, das LSG. habe nicht geklärt, ob er am 1. Oktober 1957 noch hauptberuflicher Landwirt gewesen sei. Maßgebend sei die wirtschaftliche Übergabe, aber nicht der im notariellen Vertrag festgelegte Zeitpunkt. Da er vorgetragen habe, die Übergabe sei bereits vor dem 1. Oktober 1957 erfolgt, sei das LSG. verpflichtet gewesen, dieser Sachdarstellung nachzugehen und den Sachverhalt entsprechend aufzuklären.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Hessischen LSG. vom 27. Januar 1959 und des SG. Frankfurt/M. vom 21. August 1958 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. April 1958 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Altersgeld zu gewähren,

hilfsweise, die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie stellt die Entscheidung über die Besetzung der Kammern bzw. der Senate dem Bundessozialgericht (BSG.) anheim und meint, der eindeutige Wortlaut des Gesetzes verlange für den Anspruch auf Altersgeld entweder Übergabe vor dem 1. Oktober 1957 oder eine Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse. Die Übergabe sei aber nach dem eindeutigen Wortlaut der notariellen Verträge erst nach dem 1. Oktober 1957 erfolgt, der Kläger sei auch als Invalidenrentner nicht beitragspflichtig nach dem GAL gewesen, deshalb stehe ihm kein Altersgeld zu.

II

Der Senat hat zunächst geprüft, ob er in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Beisitzer aus dem Kreise der Arbeitgeber und der Sozialversicherten als ehrenamtlichen Beisitzern vorschriftsmäßig besetzt ist, weil von der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts die Zulässigkeit jeder richterlichen Tätigkeit abhängt (vgl. BSG. 11 S. 1). Er ist dabei, wie er in der am gleichen Tage entschiedenen Sache - 3 RLw 1/59 - näher begründet hat, zu dem Ergebnis gekommen, diese Besetzung entspreche dem Gesetz. Dies ergibt sich aus § 22 GAL, wonach öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten dieses Gesetzes Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 3 SGG sind. Nach §§ 12 Abs. 2, 33, 40 SGG gehören in Angelegenheiten der Sozialversicherung dem Gericht je ein ehrenamtlicher Beisitzer aus dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Ausnahmevorschriften, wie sie in §§ 12 Abs. 3 Satz 2, 33, 40 SGG für die Entscheidung von Streitigkeiten in den Angelegenheiten der Kassenärzte (Kassenzahnärzte) bestehen, enthält das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte nicht; § 13 GAL, wonach in Angelegenheiten des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte in den Organen der Selbstverwaltung der landwirtschaftlichen Alterskassen die Vertreter der Arbeitnehmer nicht mitwirken, betrifft die Selbstverwaltung der landwirtschaftlichen Alterskassen, aber nicht das sozialgerichtliche Verfahren. Der erkennende Senat ist daher in der Besetzung mit je einem Bundessozialrichter aus dem Kreise der Arbeitgeber und der Sozialversicherten gesetzmäßig besetzt, und der Kläger kann mit seiner Rüge, das LSG. sei vorschriftswidrig besetzt gewesen, nicht durchdringen.

Auch im übrigen ist die durch Zulassung statthafte, form- und fristgemäß eingelegte Revision nicht begründet. Die Gewährung von Altersgeld setzt nach § 25 GAL u.a. voraus, daß der 1882 geborene Kläger bei Inkrafttreten des Gesetzes (1.10.1957) entweder ehemaliger hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer war oder daß er nach diesem Gesetz beitragspflichtig ist. Beide Fälle sind jedoch nicht gegeben.

Das LSG. hat festgestellt, der Kläger habe sein Unternehmen erst nach dem 1. Oktober 1957 an seine Töchter übergeben, wobei es sich auf die notariellen Verträge und die Auskunft des Bürgermeisters gestützt hat. Diese tatsächliche Feststellung ist für das BSG. bindend, weil der Kläger in bezug auf diese Feststellung keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht hat (§ 163 SGG). Der Kläger hat zwar vorgetragen, aus einer Reihe von Umständen ergebe sich, daß die Bewirtschaftung und Planung bereits 1957 weitgehend von den Töchtern übernommen worden seien, es lägen daher trotz des anderslautenden Übergabevertrages wichtige und stichhaltige Anhaltspunkte dafür vor, daß er seinen Hof bereits vor dem 1. Oktober 1957 auf seine beiden Töchter übertragen habe; das LSG. habe deshalb den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt. Diese Rüge eines Verfahrensmangels kann jedoch nicht durchgreifen. Denn bei der Feststellung, der Kläger habe sein Unternehmen erst nach dem 1. Oktober 1957 übergeben, hat das LSG. weder seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt (§ 103 SGG) noch das Recht der freien Beweiswürdigung überschritten (§ 128 SGG). Angesichts der eindeutigen Fassung des zweiten notariellen Vertrags vom 18. März 1958, nach dem die Übergabe zum 1. März 1958 erfolgt ist, also zu einem vor seinem Abschluß liegenden Zeitraum, war das LSG. nicht gehalten, weitere Ermittlungen über den Zeitpunkt der Übergabe anzustellen; desgleichen verstößt seine Würdigung des Beweisergebnisses nicht gegen zwingende Denkgesetze. Da somit keine zulässigen und begründenden Revisionsangriffe gegen die tatsächlichen Feststellungen vorliegen, ist der Senat an die Feststellung des LSG. gebunden, die Übergabe sei erst nach dem 1. Oktober 1957 erfolgt. Der Kläger war daher beim Inkrafttreten des GAL nicht ehemaliger hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer.

Auch der zweite Fall des § 25 GAL liegt nicht vor, weil der Kläger nicht ein nach diesem Gesetz beitragspflichtiger Unternehmer gewesen ist. Nach § 8 Abs. 1 GAL ist beitragspflichtig jeder hauptberufliche Unternehmer. Jedoch sind nach § 8 Abs. 4 GAL landwirtschaftliche Unternehmer, die nach der Vollendung des 51. Lebensjahres erstmals beitragspflichtig wären, von der Beitragspflicht befreit, wenn sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Da dem Kläger eine solche Rente gewährt wird, ist er kein beitragspflichtiger Unternehmer, wie es § 25 GAL verlangt. Es genügt nicht, wie der Kläger meint, daß nach § 8 Abs. 1 GAL grundsätzlich Beitragspflicht besteht, vielmehr wird auch in § 25 GAL verlangt, daß im konkreten Falle eine Beitragspflicht begründet war und nicht nach § 8 Abs. 2 oder 4 Beitragsfreiheit bestanden hat. Da die Leistungen der Altershilfe für Landwirte entsprechend den Grundgedanken der Sozialversicherung im Regelfall von einer vorhergehenden Beitragsleistung abhängig sind, kann nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber, ohne es ausdrücklich zu bestimmen, in den Übergangsfällen des § 25 GAL von einer Beitragsleistung auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes abgesehen hat. Ob eine solche Auslegung auch in den Fällen des § 8 Abs. 7 GAL dem Zweck des Gesetzes entsprechen würde, braucht hier nicht entschieden zu werden. Der Sinn des Gesetzes verlangt jedenfalls in den hier zur Entscheidung stehenden Übergangsfällen wenigstens für die Zeit bis zur Übergabe des Unternehmens eine Beitragspflicht, es muß also für die Zeit der Geltung des GAL bis zur Übergabe oder sonstigen Entäußerung tatsächlich eine Beitragspflicht bestanden haben (ebenso Schewe-Zöllner, Alterssicherung der Landwirte, § 25 Anm. II 2a; Schieckel, Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte, § 25 Anm. 3).

Da demnach die Voraussetzungen des § 25 GAL von dem Kläger nicht erfüllt sind, muß seine Revision zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2325805

BSGE, 85

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